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Kapitel 5: Der Kranke und der Heiler

Nach dem Kampf hatte man sich in der großen Eingangshalle versammelt. Die Kadaver der Stiere wurden beiseite in die Küche geschafft und die Frauen waren damit beschäftigt das Blut von der Schlacht wegzuwischen. Die großen Lampen, die von der Decke hingen, brannten bereits, auch wenn die Sonne noch nicht untergegangen war.

Nach vorne hin fanden sich zwei große eiserne Tore, die ein ungewolltes eindringen fast unmöglich machten. An einem dieser Tore waren die Männer zusammen mit Lane damit beschäftigt das Schloss wieder in Stand zu setzen. Die Stiere hatte es mit ihrer brachialen Gewalt einfach aufgebrochen.

Aus dem kleinen Korridor, der im östlichen Teil hinaus zum Schützenplatz führte, befanden sich Lanes Werkstatt und dich Küche, aus der ab und zu ein aufgeregtes Geschnatter drang.

Für die Menschen in dem Lager, schien der Angriff fast Routine zu sein und Shiroi war einerseits beeindruckt, aber auch entsetzt darüber, wie die Leute mit der Situation umgingen.

Doch für die Kleine was das alles entsetzlich und sie konnte nicht verstehen, wie einige Männer es schafften bereits wieder Scherze zu machen.
 

"Hör endlich auf zu jammern, Thomas!", Axel zog ihm eine über die Rübe. Wegen der lächerlichen Fleischwunde am Oberschenkel, spielte der Kraftprotz jetzt schon seit einer halben Stunde den Wehleidigen. Dabei hatte er verhältnismäßig Glück gehabt. Ryo saß etwas entfernt, an einem der langen Tische und tauchte seine Arme in eine Kräuterlösung. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und das Lächeln war einer angestrengten, fast steinernen Maske gewichen.

Shiroi saß ihm gegenüber und schaute entsetzt in die Lösung. Rote Blutfäden waberten durch das Wasser und die Verätzungen waren von einem dicken Eiterfilm überzogen. Rafael kam heran und wechselte bereits zum sechsten Mal das Wasser. "Wenn das so weiter geht, gehen uns bald die Kräuter aus. Gott Ryo, was hast du nur angestellt?"

Der Brillenträger blieb ruhig, er war viel zu sehr damit beschäftigt nicht ständig schmerzerfüllt aufzustöhnen und die Wellen des Schmerzes niederzukämpfen, die sekündlich seine Arme empor pochten.

"Er wird doch wieder gesund, oder?", fragte Shiroi besorgt.

"Mach dir nicht zu viele Gedanken, wir sind eben Söldner, da passiert so was schon mal. Außerdem bin ich selbst Schuld, ich musste die Waffe ja unbedingt austesten. Ich bin hart im nehmen und ruck zuck wieder auf den Beinen", antwortete Ryo mit einem gequälten Lächeln. Rafael senkte den Blick. Er glaubte den Worten seines Kameraden nicht. Keiner der so eine Portion Giftspucke abbekommen hatte, lebte heute noch. Er wusste genau wie das ablaufen würde. Erst würde Ryo unerträgliche Schmerzen bekommen und dabei zusehen, wie ihm langsam die Arme abstarben. Danach, wenn er denn noch lebte, würde er die letzten Tage in einem einzigen Fieberwahn verbringen. Er hatte keine Chance.
 

Shiroi konnte in Rafaels Blick lesen, was er dachte und so stand sie auf und verließ die große Halle in Richtung Innenhof. Elia schaute dem Mädchen nach und warf dem Schützen einen vorwurfsvollen Blick zu. Dieser erwiderte diesen kalt und wandte sich dann ab.
 

Die Sonne kroch unter der Wolkendecke hervor und lange Schatten fielen von den Sträuchern und dem Gebäude. In der hintersten Ecke lag Shiroi auf dem Rücken und betrachtete die Wolken. Sie hatte in ihrer Kindheit nie Gelegenheit dazu gehabt. Alles in dieser Welt war ihr irgendwie fremd. Mit ihren fünfzehn Jahren hatte sie noch viel zu lernen. Ihr war zwar eine Menge genetischen Wissens eingepflanzt worden, doch zu diesem hatte sie nur einen sehr beschränkten Zugang, da der größte Teil der Informationen fehlerhaft und nicht abrufbar war. So hatte sie den Wissenstand ihrer Altersgenossen und hatte die Chance ein gleichwertiges Leben zu führen.

Der Garten des Lagers war recht klein. Viele Arten von Fruchtragenden Sträuchern und kleineren Pflanzen drängten sich aneinander. In der linken hinteren Ecke stand ein kleines Gehege mit Hühnern, die sehr damit beschäftigt waren sich um das Futter zu streiten. Ein kleiner Weg führte vom Tor im Erdgeschoss einmal um den Garten herum. Als Begrenzungen dienten Steine aus den Trümmern. Eine Hälfte der Anlagen war mit Licht geflutet und die andere lag im Schatten.

Das Mädchen hörte Schritte, die über das spärliche Gras tapsten. Als sie den Kopf zur Seite wandte, erkannte sie Elia, die sich neben sie setzte und ebenfalls in den Himmel starrte. Die Arme um die Knie geschlungen, lächelte diese gedankenverloren. Shiroi kam dieses Verhalten etwas seltsam vor.

"Ich weiß, dass du Ryo sehr magst und Rafael tut das auch. Selbst wenn er sich manchmal so kalt aufführt. Ich..."

"Er hat Recht, nicht? Ich meine, dass Ryo sterben könnte... seine Arme sehen wirklich schlimm aus...", unterbrach das Mädchen die Frau. Man konnte ihrer Stimme anhören, wie sehr sie das ganze mitnahm. "Gibt es denn im Lager keinen Arzt?"

"Leider ist Ryo der einzige. Naja, er ist auch kein richtiger Arzt, aber er versteht am meisten von Medizin von uns allen. Er hat viele Bücher darüber gelesen und bisher konnten wir uns immer auf ihn verlassen... Wenn er nicht weiter weiß... dann..."

"Aber es muss doch in der Nähe, oder in der nächsten Stadt einen geben... ich meine, wir können ihn doch nicht einfach so sterben lassen!", Tränen schimmerten in den Augen der Kleinen. Ihr weißes Haar glitzerte wie frischer Schnee in der Sonne.

Elia schüttelte den Kopf.

"Aber was sollen wir dann tun?", fragte Shiroi hilflos.

Elias Blick wanderte zu Boden als sie antwortete: "Wir können nur hoffen, mehr nicht. Wir haben schon viele Männer an diese Viecher verloren, mehr als an viele andere Monsterarten. Die Tatsache, dass wir keinen Arzt haben, ist uns schmerzlich bewusst, aber wir haben bisher keinen finden können, auch in den Außenterritorien der Zone nicht."
 

Als die beiden in die große Halle zurückkehrten, saß Ryo noch immer am Tisch. Sein Brustkorb bebte und er hatte die Augen zusammengekniffen. Rafael saß daneben und hatte das Gesicht aus Verzweifelung in den Händen vergraben. Es herrschte eine bedrückende Stille, die nur durch ein metallenes Hämmern zerrissen wurde, welches aus Lanes Werkstatt drang. Doch die Monotonie des Geräusches trug keinesfalls zu einer Verbesserung der Stimmung bei.

Der Angriff war erst drei Stunden her und trotzdem war Ryo bereits jetzt in einem jämmerlichen Zustand. Noch hatte die Verletzung sich nicht ausgebreitet, doch es war nur eine Frage der Zeit, vielleicht die weniger Stunden. Shiroi fiel es schwer ihren Freund so zu sehen. Elia presste das Mädchen an sich. Fast im gleichen Augenblick, kippte Ryo zur Seite und fiel bewusstlos zu Boden. Rafael sprang auf und beugte sich über seinen Kameraden.

Tränen standen ihm in den Augen. Auch Shirois Beine gaben nach. Schluchzend saß das Mädchen am Boden und schaute zu, wie Axel Ryo wegtrug.

"Schon gut Kleine, komm her", flüsterte Elia ihr zu. Das Mädchen weinte aufgelöst und auch Elia rang um ihre Fassung. Rafael brüllte verzweifelt auf und hieb hilflos auf die Hallenwand ein, bis seine Knöchel aufgeplatzt waren und auch er zusammensank.
 

"Bleib hier, ja meine Kleine?", bat Elia die Weißhaarige und strich sich gleichzeitig die Tränen aus dem Gesicht. Das Mädchen sah einfach nur weg und spürte, wie die Hände der Frau von ihren Schultern glitten. Traurig glitten ihre roten Augen über die Bank, an der gerade noch Ryo gesessen hatte. Die Arme vor der Brust verschränkend vergrub sie ihre Hände in den Ärmeln. Langsam ging sie hinaus auf den Schützenplatz und ließ wieder die spärliche Sonne auf ihre Haut scheinen.

Als sie einen Riss in einer der Mauern fand, der groß genug war, um hindurch zu schlüpfen, reifte in ihr der Entschluss selber auf die Suche nach einem Arzt zu gehen. Genaustens sah sie sich um, um sicher zu gehen, dass sie niemand beobachtete. Die Hände zu Fäusten ballend und sich auf die Lippe beißend schritt sie schließlich zielsicher auf den Riss zu. Die Steine der Mauer waren an dieser Stelle herausgebröckelt und hatten in Kopfhöhe einen schmalen, sich nach oben verbreiternden, Riss hinterlassen.

Die Weißhaarige stellte sich auf die Zehenspitzen und versuchte Halt in der Spalte zu finden. Einige Male rutschte sie jedoch ab und schürfte sich etwas Haut an der Handkante ab, aber sie gab nicht auf. Tatsächlich schaffte sie es auch, als sie sich geschickte mit einem Fuß von der Mauer abstieß und so genug Schwung hatte, sich hoch zu ziehen.

Hinter der Mauer ging es in gleicher Höhe wieder herunter und so machte sich das Mädchen mit einem Sprung auf, auf ihre Suche.
 

Shiroi rannte durch die verwüsteten Straßen und wich dabei umgeknickten Straßenlaternen und Autowracks aus. Überall klafften Löcher im Straßenbelag. Kein Fenster war mehr intakt, kein Gegenstand da, wo er sein sollte. Es herrschte ein erdrückendes und beklemmendes Chaos. Das Mädchen blickte in den Himmel und ließ den Regen ihr Gesicht herunter rinnen.

Sie lächelte schwach und wandte sich dann ab. Ihr Weg führte sie direkt zum Stadtpark. Als sie aus den endlosen Gassen auftauchte und auf eine der Hauptstraßen trat, wehte ihr ein unheimlicher Wind entgegen. Das ganze Parkgelände war von einem dunklen Eisenzaun umgeben und mutete, mit den ineinander verflochtenen Stäben, äußerst seltsam an. Das große Eisentor mit den Spitzen und zwei großen Wölfen als Tiermuster, hing lose in den Angeln und quietschte, wann immer eine Windböe stark genug war es zu bewegen.

Shiroi ging langsam darauf zu, während sie die toten Bäume im Park fixierte. Es war unheimlich. Ihre Schritte betraten weichen Boden. Totes Laub türmte sich am Boden und war durch den Regen fast schwarz und sehr rutschig geworden. Zwischen den Stämmen waren zahllose Gräber. Doch nirgendwo fand man Blumen oder Grabsteine. Lediglich windschiefe hölzerne Kreuze markierten die Stellen, an denen die Toten lagen. Es sah so aus, als hätte seit langem niemand mehr diesen Ort betreten. Die Schritte des Mädchens schienen ihr schwerfällig und viel zu laut für diesen Ort.

War es auf einmal kälter geworden, oder bildete sie sich das ein? Vorsichtig ging sie weiter und horchte auf jedes Geräusch. Doch außer dem Heulen des Windes und dem rauschenden Regen, konnte sie nichts hören. Der Weg führte vorbei an einigen Bänken und einem See, den mittlerweile Schilfgras und einige Seerosen beherrschten. In den verlassenen Pavillons wucherte Efeu. Es waren alte Zeugen der Zivilisation die hier noch übrig geblieben waren. Shiroi suchte in einem der Pavillons Schutz vor dem Regen und grub sich in das matte grün der Blätter. Das Gesicht auf die Arme gestützt, die sie um ihre Knie geschlungen hatte. Alles war so grau und trist. So deprimierend und leblos. Sie wollte das hier nicht sehen. Sie spürte das Leid dieser Stadt, war sich der Katastrophe bewusst, die hier einst stattgefunden haben musste. Und doch, war es so präsent, dass man es fast greifen konnte.

Ihre Gedanke schweiften ab und die Kälte, die sich langsam in ihre Glieder geschlichen hatte, lud sie ein, ein wenig auszuruhen... nur für einen kurzen Augenblick.
 

Ich hol dich hier raus Kleine, versprochen...

Ihr Weg endet hier Professor. Ich und meine Schwester wollen nicht länger als ihre Marionetten leben. Machen sie sich bereit. Meine Schwingen, sollen ihr Todesurteil sein.

Hör auf Schwester...

Ich kann nicht. Ich bin so weit gegangen, dass ich jetzt nicht einfach aufhören kann.

Warte auf mich...

Der Tag wird kommen, deshalb halte noch ein wenig aus. Und deine Flügel...

Meine Flügel. Warum... warum?

Deine Schwester ist tot... es tut mir leid, aber ich werde dich befreien. Komm mit mir.

Tod?... Nein, sie hat es mir versprochen... Sie hat es mir doch versprochen.

SCHWESTER!!
 

Noch benommen und verwirrt, von ihrem Traum, öffnete Shiroi die Augen. Sie saß immer noch in dem Pavillon und fror fürchterlich am ganzen Körper. Ihre Finger hatten schon einen leicht bläulichen Ton. Sie hauchte sich in die Hände und rieb sie aneinander, doch das eisige Gefühl verschwand nicht. In ihren Augen spiegelte sich ihre innere Unruhe wider. Es war das erste Mal gewesen, dass sie einen solchen Traum gehabt hatte.

Zitternd stand das Mädchen auf und folgte dem Weg weiter in den Park hinein. Die Bäume wurden wieder dichter und an einigen Stellen hatten Gras und ähnliche Pflanzen den Weg bereits verschluckt. Immer dunkler und schattiger wurde es und zudem auch immer kälter. Bald hatte sie das Gefühl, ihren Atem sehen zu können... aber wie konnte das sein? Es war später Frühling und die Nächte, die sie bisher erlebt hatte, kannten keinen Frost mehr. Der nächste Schritt bat keinen Halt mehr und so fiel das Mädchen längs nach vorne auf das gefrorene Laub.

Mühsam rappelte sie sich wieder auf und starrte verwirrt auf den Boden. Sie strich sich mit der linken Hand die Strähnen aus dem Gesicht und untersuchte mit der anderen den Untergrund. Er schien fast zu beben...

Shiroi schreckte in die Höhe, als sie ein seltsames Geräusch vernahm. Mit einigen Sätzen rettete sie sich ins Gebüsch und harrte dort eine Weile aus. Ihre Augen huschten über die Umgebung und blieben bei jedem seltsamen Schatten hängen. Doch es blieb ruhig, als hätte sich zuvor der Wind nur einen Scherz erlaubt. Die Bäume schienen groteske Skelette zu sein und nur noch die Tannen hatten hier ihr Kleid. Alle Laubbäume hatten ihre Blätter abgeworfen.

Ist hier etwa Winter?, schoss es der Kleinen durch den Kopf. Jetzt fehlte eigentlich nur noch Schnee. Zitternd tasteten sich ihre Beine vorwärts. Noch immer regnete es unaufhörlich und das Licht hatte immer mehr Schwierigkeiten durch die dichten Nadelkronen zu dringen. In der Ferne konnte man ein seltsames Schnaufen und Scharren vernehmen. Kaum merklich wurde es immer kälter, bis vor Shirois Augen auf einmal Schneeflocken tanzten. Einige Meter weiter lag dichter Schnee auf dem Boden. Wie konnte das sein?

Das Mädchen war zweifelsohne von der weißen Pracht fasziniert und zuckte beim ersten Mal zurück, als sie in den kalten Schnee fasste. Wie ein kleines Kind untersuchte sie genau das fremde Element am Boden und es zauberte ihr ein Lächeln aufs Gesicht. Aus dem Gebüsch tauchte ein kleines weißes Eichhörnchen auf und musterte neugierig die Umgebung. Seine dunklen Knopfaugen blickten Shiroi interessiert an. Dann fing es an im Kreis zu laufen und legte sich kurz darauf in die entstandene Kuhle im Schnee. Sein buschiger Schwanz diente dem kleinen Hörnchen dabei als Decke.

Das Mädchen machte einige Schritte auf das kleine Tier zu und ging dann in die Hocke. Vorsichtig streckte sie die linke Hand aus und versuchte das kleine Hörnchen zu streicheln. Als ihre Finger fast das seidige Fell berührten, erzitterte die Erde und die Kleine fiel auf den Hintern. Genauso geschockt wie das Mädchen, schreckte das kleine Tier auf und verschwand in einer der Kiefern.

Verschwommen tanzten in der Ferne Schatten und wurden dann immer deutlicher im dichten Schneetreiben. Als Shiroi erkannte, was sich ihr da näherte, war es schon fast zu spät um auszuweichen. Sie machte einen Satz zur Seite und vertrat sich beim aufkommen unglücklich den rechten Knöchel. Doch der Schmerz hatte gar keine Chance in ihr Gehirn zu dringen. Weiße, riesige Tiere eilten an ihr vorbei. Ihr ganzer Körper war mit einem langen weißen Fell bedeckt und das Schnaufen der Tiere erfüllte die Luft mit einem weißen Nebel. Der lange Schwanz fegte den Schnee vom Laub und gab die Erde wieder frei. Die dunklen Hörner schienen wie Äste aus ihrem Kopf zu wuchern und die Hufe brachen die Eisschicht auf. Zwischen den großen Tieren sah man immer wieder weiße Hörnchen. Diese wichen mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit den donnernden Hufen aus.

Nach einigen Minuten war die Herde vorbeigerauscht und hatte einen aufgewühlten Boden und einige abgebrochene Äste hinterlassen. Das Mädchen wollte aufstehen, doch der Schmerz in ihrem Knöchel ließ sie wieder auf den Boden sinken. Was sollte sie denn jetzt machen? Sie biss die Zähne zusammen und zog sich am Baum neben ihr hoch. Auf dem niedrigsten Ast hockte auch das Hörnchen von vorhin und musterte Shiroi noch immer sehr fasziniert. Wieder streckte das Mädchen die Hand aus.
 

"Halt! Fass das Monster nicht an!", hallte es im Wald wieder und die Weißhaarige blickte sich erschrocken um. Nicht weit von ihr stand eine blonde Frau in einem langen schwarzen Mantel, ähnlich denen von Ryo und Rafael. Nur das dieser noch einen Pelzsaum um Kapuze und Ärmel hatte. Ihre Haare fielen ihr in Wellen über die Schultern und endeten in der Mitte der Schulterblätter. Diagonal über die rechte Schulter trug die fremde eine braune Ledertasche. Ihre grünen Augen fixierten die Kleine durch die schmale, schwarze Brille hindurch. Ihre feinen, schmalen Züge verrieten dem Mädchen, dass ihre Gegenüber Anfang zwanzig war, höchsten aber fünfundzwanzig. "Wenn du das Eishörnchen anfasst, frieren dir augenblicklich die Finger ab und das ist nicht sehr angenehm", fuhr die Frau fort.

Die Kleine zog die Finger weg und konnte nicht recht glauben, dass dieses putzige Tierchen ein Monster war. Das Hörnchen schien beleidigt und verschwand wieder in den Nadeln der Kiefer.

"Wer... wer sind sie?", fragte Shiroi und in ihrer Stimme schwang offenes Misstrauen mit. Sie löste den Griff um den Stamm und stellte sich gerade hin. Dabei achtete sie peinlich darauf, ihren Fuß nicht falsch zu belasten. Ungeduldig wartete die Kleine auf eine Antwort.

"Wie unhöflich nach einem Namen zu fragen, ohne sich selber vor zu stellen... Aber was erwarte ich auch von einem kleinen Experiment. Deine Schöpfer haben wohl vergessen dir Manieren bei zu bringen", entgegnete die Frau kühl und ließ das Mädchen nicht aus den Augen.

Shiroi war sichtlich geschockt, über die kalte Reaktion der Frau. Was hatte ihre Herkunft denn damit zu tun? "Ich...", setzte sie an, wurde aber prompt unterbrochen.

"Nein, sag nichts. Lass mich raten. Du wurdest geschickt, um mich wieder zurück zu holen, oder? Aber ich sag dir eins, ich hab keine Lust mehr auf den Saftladen da. Als Ärztin hab ich so meinen Stolz und werde mich sicherlich nicht dazu missbrauchen lassen, euch bei euren Schandtaten zu unterstützen. Das könnt ihr Knicken."

Shirois Augen blitzten bei dem Wort Ärztin freudig: "Ihr seid eine Ärztin?!"

"Ähm... ja, aber das müsstest du doch wissen. Sag mir, welche Baureihe bist du? Eine der früheren N-DNS-Reihen, oder eine spätere?", fragte die Frau leicht genervt.

"Ich, naja, ich weiß nicht", die Kleine schüttelte den Kopf, "Ihr müsst ganz schnell mit mir kommen. Ein Freund von mir braucht sofort Hilfe oder er stirbt." Die Kleine wollte auf die Frau zulaufen knickte aber erneut weg und landete im kalten Schnee. Ihre Hand zuckte augenblicklich zu ihrem Knöchel.

Die Frau unterdrückte den Impuls ihrer Gegenüber zu helfen. Zwar kamen ihr allmählich Zweifel, ob die Kleine wirklich zu dem Labor gehörte, aus dem sie abgehauen war... dennoch, es könnte auch ein raffiniertes Programm sein, dass dem Mädchen einprogrammiert worden war. Ihr Blick wanderte nach unten und ihre Augen verengten sich: "Was ist deine Nummer?"

"Was?"

"Deine Nummer."

Shiroi schaute der Frau trotzig in die Augen: "Man hat mir einen Namen gegeben, den ich doch bevorzuge. Ich bin Shiroi."

"Das ist mir egal. Aber nun gut, da du dich jetzt vorgestellt hast, sollst du auch meinen Namen erfahren. Ich bin Alissa", die Frau zögerte bevor sie weiter sprach, "Du bist also auf der Suche nach einer Ärztin, weil dein "Freund" Hilfe braucht. Das hab ich doch richtig verstanden? Nehmen wir mal an, rein hypothetisch, du würdest die Wahrheit sagen, hat dieser "Freund" auch einen Namen?", dabei hob sie jedes Mal bei dem Wort "Freund" die Arme und krümmte gleichzeitig Zeige- und Mittelfinger beider Hände.

"Natürlich hat er einen Namen. Er heißt Ryo und ist Söldner", machte das Mädchen ihrem Ärger Luft, "Wenn du mir nicht glauben willst, dann komm doch mit. Ich kann dir das Hauptquartier... zeigen...." Die letzten Worte verklangen bevor sie richtig ausgesprochen worden waren. Oh, nein!, Rafael und die anderen Söldner hatten ihr doch eingeschärft niemals darüber zu reden.

"Das glaub ich ja jetzt nicht. Warum stoppst du? Reicht deine Programmierung nicht so weit", sie lachte keck und fixierte ihre Gegenüber wieder mit einem eiskalten Blick, "Wenn ich dich konstruiert hätte, hätte ich darauf geachtet, dass du zumindest auch nur den Hauch einer Ahnung von der Welt hier draußen hast. Ich meine, dass ist ja wohl lächerlich. Es ist fast, als hätte ein Kleinkind die Berechnungen durchgeführt. Vielleicht ist es besser, wenn ich dich einfach hier lasse, mit deinem Fuß kannst du mir eh nicht folgen."

Die Ärztin wandte sich zum Gehen und rauschte einfach an Shiroi vorbei. Diese jedoch bekam den Saum des Mantels zu packen und hielt die Frau zurück.

"Ich brauche wirklich ihre Hilfe... Ich weiß nicht, wen ich sonst darum bitten soll... und... und wenn sie sich nicht beeilen... dann...", die Weißhaarige brach in Tränen aus, was Alissa mehr als überraschte.

Normalerweise zeigten Experimente keine Gefühle. Dafür hatten sie extra das Gefühlszentrum im Gehirn lahm gelegt. Emotionen trübten das Urteilsvermögen und verminderten die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit.

"Du musst schon eine alte Baureihe sein, wenn du Gefühle zeigen kannst, oder bist du vielleicht nur Ablenkung und ich werde gerade umzingelt? Es ist lustig, dass du überhaupt noch nicht gelöscht worden bist. Ich meine, so was wie dich, können die Wissenschaftler ja nun wirklich nicht gebrauchen", redete sie auf die Kleine ein.

"Ich bin ein Mensch wie sie und alle anderen auch...", Shiroi stoppte irritiert, als die Ärztin einen wahren Lachanfall bekam.

"Du?... Ein Mensch?...", sie platzte wieder los und sprach erst weiter, als sie sich wieder gefangen hatte, "Ja, sicher doch. Du hast ja keine Ahnung. Ihr stammt aus Reagenzgläsern, werdet auseinander genommen, wenn ihr nicht überlebt und dann werden eure Gene neu konfiguriert, um die Fehler des ersten oder auch zehnten... oder auch hundertsten Durchlaufes zu korrigieren. Du bist nur ein Produkt der Forschung, mehr nicht."

Das Mädchen stemmte sich hoch und blickte der Frau ernst ins Gesicht: "Ich bin kein fehlgeschlagenes Experiment, verstanden! Ich hab in meiner Kindheit genug ertragen müssen und da muss ich mir nicht so was von ihnen gefallen lassen... obwohl, dass ist mir auch egal, wenn Ryo wirklich sterben sollte."

"Nun mal halblang... Ist ja schon gut...", sie hob beschwichtigend die Hände, "Du sagtest etwas von einem Hauptquartier, richtig?"

Die Kleine nickte.

"Also, was würde für mich raus springen, wenn ich mitkäme und deinem "Freund" helfe?", falsch lächelnd spielte sich mit einer Haarssträhne und wickelte sie um ihren Finger.

Die Kleine zuckte mit den Schultern.

"Ohne Bezahlung ist eher schlecht. Ich meine irgendwas könnt ihr mir doch sicherlich bieten, oder?", hakte sie weiter nach und brachte das Mädchen absichtlich in Bedrängnis.

"Was? Ich... äh... ich... Sie könnten bei uns bleiben, dann sind sie auf jeden Fall in Sicherheit vor Angriffen... und... und... Unterkunft hätten sie dann auch", brachte Shrioi stockend hervor.

"So eine Art Asyl, oder wie versteh ich das?"

"Ja, äh... so was in der Art. Auf jeden Fall sind sie sicher..."

"In Ordnung kleine Lady... Damit werde ich mich dann vorerst zufrieden geben...", finster grinste sie, wandte sich dabei aber von ihrer Gegenüber ab. Wie naiv konnte man sein.

"Sie... sie kommen mit... oooh, danke, vielen, vielen dank", freute sich die Weißhaarige und wäre Alissa wohl um den Hals gefallen, wenn ihr Knöchel nicht geschmerzt hätte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2010-07-19T08:32:23+00:00 19.07.2010 10:32
aber wrm schreibst du nicht mehr weiter...? schade
Von: abgemeldet
2010-07-19T08:31:37+00:00 19.07.2010 10:31
UUh das ist spannend^^


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