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Regenlieder

von

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Verlorene und gefundene Stimmen

 

 

Regenlieder 

 

 

 

I'm laughing at clouds 

So dark up above

The sun's in my heart

And I'm ready for love

 

- "Singin' In The Rain" by Gene Kelly

 

 

 

 

Kapitel 1: Der Tag, an dem Sasuke seine innere Stimme entdeckte und Sakura ihre verlor

 

 

 

Hätte Sakura geahnt, was hier auf sie zukommen würde, hätte sie doch italienisch gelernt. Reumütig saß sie auf dem unbequemen, hässlichen, blauen Plastikstuhl und hoffte, dass man sie einfach übersah.

Bisher schien das auch ganz gut zu klappen, denn die anderen Jugendlichen standen oder saßen in Grüppchen zusammen, klischeehaft aufgeteilt in Skater, Streber, Kiffer und Modepüppchen. Vielleicht kam das Sakura auch nur so vor, aber immerhin hatte sie bisher niemand angesprochen und es waren auch nur zwei, drei neugierige Blicke zu ihr hinüber gewandert. Die sie gekonnt ignoriert hatte.

Mit verschränkten Armen lehnte sie sich zurück und vermied es, ihre neuen Klassenkameraden zu beobachten. Diese Schule, die Konoha Diversity School, ein Internat, das man sich nur ab einer bestimmten Einkommensklasse der Eltern leisten konnte, war bisher ein sehr merkwürdiger Ort.

Gleich zu Beginn hatte Sakura einen äußerst persönlichen Fragebogen ausfüllen müssen, der nicht nur nach der Regelmäßigkeit ihrer Periode, sondern auch nach ihrer Einstellung zu Lehrer-Schüler-Liebschaften gefragt hatte. Natürlich mit dem Vermerk, dass alle angegeben Daten strengster Geheimhaltung unterliegen würden.

Die Schulleiterin war eine freundliche, aber sehr imposante und laute Frau mit feurigem Blick und einem Lächeln, das eine Menge Ärger versprach, wenn man es drauf ankommen ließ. Wirklich hilfreich war der Termin mit dieser Frau auch nicht gewesen, aber es war nun mal Protokoll. Und ans Protokoll hielt man sich an der Konoha Diversity School – jedenfalls, wenn es einem gerade in den Kram passte.

Mehr zufällig war Sakura dann ihrem zukünftigen Klassenlehrer, der trotz seines jugendlichen Aussehens komplett graue Haare hatte, in die Arme gestolpert, der sie aber nicht zur Klasse geführt hatte, sondern mit einer ungefähren Wegbeschreibung losgeschickt hatte.

Nicht nur, dass sie viel zu früh und der Raum damit wie leergefegt gewesen war, sie hatte auch noch ertragen müssen, wie ihre Mitschüler in winzigen Gruppen zur Tür hereinkamen und sie augenblicklich bemerkten. Es war ein unangenehmes Gefühl, aber Sakura drängte es in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins, zwang sich, nicht darüber nachzudenken, ob ihre Jeans zu eng saß oder das grüne Top doch eine zu auffällige Wahl gewesen war. Oder ob die Leute sie für verrückt hielten, weil ihr Haar in blassrosa Strähnen über ihre Schultern fiel. Blöder Gendefekt.

Es war bereits eine halbe Stunde nach Unterrichtsbeginn, als die Tür schwungvoll aufging, innen gegen die Wand prallte und Sakuras Klassenlehrer, Hatake Kakashi, mit einem gutmütigen Lächeln eintrat. Er trug eine dunkle Maske über Mund und Nase gezogen, weshalb Sakura vermutete, dass er wohl unter Mysophobie litt.

„Guten Morgen allerseits!“, begrüßte er seine Schüler, die sich nun zügig zu ihren Plätzen begaben. Glücklicherweise beschwerte sich niemand, dass Sakura auf seinem Platz saß.

„Wie ihr sicherlich schon bemerkt habt, ist ein Neuankömmling unter uns.“, Kakashi zwinkerte ihr zu, was Sakura das Blut ins Gesicht schießen ließ. „Und ich denke, ihr wollt sie alle kennenlernen – oder ausfragen – also bringen wir das doch zuerst einmal hinter uns.“

Er nickte Sakura ermutigend zu und sie erhob sich zögerlich.  

Sie fühlte sich absolut nicht wohl in ihrer Haut, spürte sie doch, wie viele Blicke sie nun durchbohrten, wie kleine Pfeilspitzen, die in ihr Fleisch stießen.

Mit einem unsicheren Lächeln auf den Lippen hob sie den Kopf und schaute ihre neue Klasse etwas unbeholfen an. Ein kurzes Räuspern von Kakashi und sie begann zu sprechen: “Hi, ich bin Sakura Haruno. Ich habe die letzten Jahre in England gelebt, aber da meine Eltern jetzt beruflich nach Italien müssen, bin ich hier.”

Während sie sprach, starrten die Schüler das neue Mädchen nur neugierig an, verschluckten sie fast mit ihren Augen. Zum ersten Mal ließ Sakura den Blick bewusst über die Gesichter der anderen schweifen und erkannte zu ihrer Erleichterung ein paar, die sie freundlich anlächelten. Zwei oder drei Kerle starrten eher ihre Brüste als ihr Gesicht an und eine Gruppe Mädchen betrachtete sie fast mit so etwas wie Abscheu. Besonders eine schaute so wütend, dass es Sakura eiskalt den Rücken hinunter lief. Womit hatte sie denn diesen Todesblick verdient?

Und dann war da noch dieser Typ in der vorletzten Reihe.

Er hatte schwarzes Haar, verwuschelt, als wäre er gerade erst aufgestanden, ebenso tiefschwarze Augen und er blickte aus dem Fenster. Er schien vollkommen desinteressiert an der neuen Schülerin und konzentrierte sich wohl eher auf die vorbeiziehenden Wolken.

Verwirrt wanderte Sakuras Aufmerksamkeit nach rechts, zu ihrem Lehrer, der genau wie sie eben, die Reaktion der Klasse begutachtete. Dann löste er sich aus seiner Trance, drehte sich wieder zu ihr und meinte: “Du kannst dich wieder setzen.”

Sakura gehorchte, schließlich blieb ihr nicht viel anderes übrig. Das Mädchen, das direkt rechts von ihr saß, lächelte ihr freundlich zu. Sie hatte nussbraune Haare, die sie zu zwei Dutts hochgesteckt hatte, freundliche, ebenfalls braune Augen, ein hübsches Gesicht und trug ein enges, rotes Sommerkleid. Nervös, aber glücklich, erwiderte Sakura das Lächeln des Mädchens und schaute dann wieder zu ihrem Lehrer.

“Na los. Fragt, was euch gerade einfällt.”, ermutigte Kakashi seine Schüler und wies dabei mit einer losen Handbewegung auf Sakura.

Ein Junge, der auf den ersten Blick wirklich sonderbar wirkte – und auch auf den zweiten – hob die Hand. Sein schwarzer Topfhaarschnitt und die dichten Augenbrauen wurden nur von seinem grasgrünen Overall übertroffen.

„Mein Name ist Rock Lee!“, verkündete er stolz. „Hast du einen Freund?“

Wie auf Knopfdruck wurde Sakura rot, schloss kurz schicksalsergeben die Augen und antwortete dann nur mit einem schlichten „Nein.“.

Ein erleichtertes Seufzen schien durch die Reihen zu gehen, dass Sakura sich erschrocken umsah. Wie waren die hier denn drauf?

Das Mädchen mit dem Mörderblick meldete sich jetzt auch, was sicher nichts Gutes bedeuten konnte.

„Haben deine Eltern dich hierher abgeschoben?”

Ärgerlich zog Sakura die Augenbrauen zusammen, dass sich eine kleine Falte zwischen ihnen bildete und bemühte sich die Empörung aus ihrer Stimme zu verbannen. Es gelang ihr nicht ganz. „Nein. Ich wollte zurück nach Japan und damit haben sie sich abgefunden.“

Das Mädchen warf ihr nur einen abwertenden Blick zu und fing dann an mit ihrer Sitznachbarin zu flüstern.

Sakura ballte die Hände zu Fäusten und atmete tief durch. So eine Frechheit!

Plötzlich spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter, drehte ruckartig den Kopf und blickte in die entschuldigenden, warmen Augen des Mädchens neben ihr.

„Mach dir nichts draus. Amy ist zu allen Mädels so.”, die Braunhaarige zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Ich bin übrigens Tenten. Wir werden zusammen wohnen.“

„Hi.“ flüsterte Sakura schüchtern zurück. Das schien ihr die erste gute Nachricht des Tages zu sein. Nicht auszudenken, wenn sie mit dieser Amy in einer Wohnung gelandet wäre.

„Was hast du denn für Hobbies?”, fragte ein blonder Junge laut, ohne sich zu melden.

Überrascht drehte Sakura sich zu ihm um, er saß genau vor dem Schwarzhaarigen, der vorhin so abwesend aus dem Fenster geschaut hatte.

Der Blonde hatte wasserblaue Augen, ein freches Grinsen und sah sie erwartungsvoll an.

“Äh, ich spiele Volleyball. Ich mag Musik unheimlich gerne”, sie zögerte, unsicher, ob sie wirklich weitersprechen wollte. „Und singe auch manchmal. Ich schreibe Lieder, wenn mir danach ist.”, ratterte sie dann schnell herunter, bevor der Mut sie verließ.

 

 

 

 

Gelangweilt sah Sasuke aus dem Fenster, während Naruto sich den Mund fusselig redete, hin und her schaukelte und dann von seinem Stuhl fiel.

Das entlockte ihm und Neji, der neben ihm saß, dann doch ein böses Grinsen.

“Mann, Naruto, wenn du ruhig sitzen würdest, würdest du auch nicht ständig auf dem Boden rumkriechen.”, murrte Shikamaru, der neben Naruto saß und seinen Kopf auf seiner Tischplatte abgelegt hatte.

“Sag mir nicht dauernd, was ich tun soll, Shikamaru!”, blökte Naruto zurück. „Ist doch nicht meine Schuld, dass die Stühle aerodynamisch schlecht designt sind.“

Fast schon bedauernd verdrehte Sasuke die Augen. Dieser Blondschopf raubte einem manchmal den letzten Nerv.

„Vielleicht brauchst du jemanden, der dir sagt was zu tun ist. Sonst wird aus dir nie was, Dobe.”, meinte SasukeS dann an Naruto gewandt und sein linker Mundwinkel zuckte triumphierend.

Naruto drehte sich mit angefressenem Gesichtsausdruck zu Sasuke um.

„Nenn mich nicht Dobe, Teme.”

„Nenn mich nicht Teme, Dobe.”

„Erst wenn du aufhörst mich Dobe zu nennen, Teme.”

„Dobe, dir geht’s gleich schlecht.”

„Teme, das ist mir sowas von egal.”

„Dobe, noch ein Wort und...”

„Ja, Teme? Was dann?”

„Ach, leck mich.”

„Nee, passt schon.”

„Mann, das sagt man doch nur so, Dobe.”

„Nenn mich nicht Dobe, Teme.”

„Nenn mich nicht Teme, Dobe.”

...

So ging das noch eine ganze Weile, in der Neji und Shikamaru anfingen sich über das letzte Basketballspiel zu unterhalten und die beiden Streithähne ihrer Diskussion, wenn man es denn so nennen konnte, überließen.

Sasuke und Naruto hörten erst auf, als ihr Klassenlehrer Kakashi die Tür öffnete und eilig auf die neue Schülerin hinwies. Gelangweilt sah Sasuke wieder aus dem Fenster, er hatte schon wieder vergessen, dass Tenten und die anderen eine neue Mitbewohnerin bekamen. Es interessierte ihn auch nicht sonderlich, am Ende war es sowieso wieder nur irgendein aufgetakeltes Mädchen, welches sich am Ende ihm oder Neji an den Hals schmiss. Nervig. Ätzend. Langweilig.

Mit halbem Ohr bekam er mit, wie eine ruhige, schüchtern wirkende Stimme erklang.

„Hi. Ich bin-“ der Rest ging an ihm vorbei, als hätte er dicke Wattebausche in den Ohren. Sasuke sah sie kein einziges Mal an.

Als die anderen dann begannen ihr Fragen zu stellen, wurde er aufmerksam, doch er sah nicht auf. Er hörte wie Lee, ein vollkommener Optimist, sie aufgeregt fragte, ob sie einen Freund hätte. Ein schlichtes „Nein.“ war ihre Antwort, ihre Stimme war wie ein angenehmer Singsang. Schnell schüttelte er den Kopf. Wie kam er auf so was?

Dann fragte Amy, die eine Art Anführerin von seinem “Fanclub” war, die Neue bissig, ob ihre Eltern sie hatten loswerden wollen. Die Fremde zickte anscheinend zurück, denn Amy sagte kein weiteres Wort. Naruto mischte sich natürlich ebenfalls ein, aber als das Mädchen sagte, dass sie sang und Lieder schrieb, horchte Sasuke auf.

Er hob den Kopf, betrachtete das unbekannte Mädchen mit starren, schwarzen Augen. Sie war recht hübsch. Sie hatte lange, rosafarbene Haare, eine schlanke Figur, trug ein schlichtes grünes Top und dunkle Röhrenjeans. Nach ihrer Antwort war es ruhig geworden in der Klasse, wie auf einem Friedhof, bis Sasuke die Stimme erhob. “Was singst du denn so?”, fragte er plötzlich in die Stille hinein.

 

 

 

Verwundert drehte Sakura sich um, als sie die dunkle, raue Stimme hörte, die sich wie ein Schatten in ihre Gedanken schlich.

Als sie erkannte, dass die Stimme zu dem schwarzhaarigen Jungen gehörte, schluckte sie einmal schwer.

“Kommt drauf an, wie meine Stimmung ist.”, meinte sie kurz angebunden.

Warum war da plötzlich dieser Kloß in ihrem Hals, als sie in seine schwarzen Augen blickte, die sie aufmerksam, so unheimlich wach musterten?

Unruhig strich sich Sakura eine Strähne aus dem Gesicht und atmete tief ein, als sie wieder eine Frage hörte: “Wie alt bist du eigentlich?”

Es war der Junge, der neben dem Schwarzhaarigen saß. Er trug seine braunen Haare in einem lockeren Zopf und betrachtete sie aus den hellsten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Eigenartig. Aber gut aussehend.

„Auch wenn man eine Dame so etwas eigentlich nicht fragt, ich bin 17.”, antwortete Sakura mit einem frechen Grinsen, bevor sie sich wieder nach vorne wandte.

Jemand kicherte. Die gesamte Klasse grinste, außer dieser Amy und ihre Freundinnen.  

“Kakashi-Sensei? Wie wär’s mit ‘ner Vorstellrunde? Sonst lerne ich die Namen nie.“ Sakura schaute ihren Lehrer fordernd an, aber in ihrer Stimme schwang eine leise Entschuldigung mit.

Überrumpelt starrte Kakashi sie erst einmal ein paar Sekunden an und murmelte dann nur: „Ja, natürlich. Das wäre wohl sinnvoll.“

Die Schüler schwiegen.

„Macht schon!”, fuhr Kakashi sie an, doch noch immer herrschte Schweigen.

„Na gut. Äh...Kiba fang an!”

„Ja, sie weiß doch jetzt, dass ich Kiba bin.”

„Stimmt...okay, dann mach weiter, Na-...ich meine, weiter!”

„Ich bin Naruto Uzumaki, 17, mag Ramen und meine Freundin und...”

„Du sollst nur deinen Namen sagen, Dobe!”, zischte der Schwarzhaarige.

„Er kann Sakura ruhig etwas über sich erzählen, wenn er will. Und nenn ihn nicht, Dobe!”, meinte Kakashi sehr genervt. Ob dieses Getue Gang und Gebe war?

„Warum sind Sie eigentlich immer auf seiner Seite?”

„Bin ich nicht. Und jetzt stell dich vor.”

„Sonst hat nur er was dagegen, wenn ich Dobe zu ihm sage.”

„Stell. Dich. Vor.”, Kakashi presste jedes Wort zwischen den Zähnen hervor. Sakura sah verwundert zwischen den beiden hin und her, und beschloss, dass sie später vielleicht Tenten fragen könnte, was es mit dieser Anspannung auf sich hatte.

„Sasuke Uchiha“, kam es dann monoton von dem Schwarzhaarigen.

„Neji Hyuuga. Normalerweise weiß ich, was sich gehört.”, bei den letzten Worten zwinkerte er ihr zu, was Sakura eine feine Röte auf die Wangen trieb. Aber sie lächelte.

Der Banknachbar von Naruto gähnte noch einmal herzhaft, fuhr sich durch das dunkle Haar, das er in einem Zopf, der wie eine Ananas aussah, hochgebunden hatte und sagte dann monoton: “Shikamaru Nara.”

Damit war der Speicherplatz in Sakuras Hirn vorerst verbraucht. Gerade ihre zukünftigen Mitbewohnerinnen konnte sie noch irgendwo unterbringen. Sie hießen Tenten, Hinata und Ino, und sie schienen nett zu sein. Sofern man das einer kargen Vorstellrunde entnehmen konnte.

 

Für den Rest der Stunde ging Kakashi dazu über, die Bücherliste für das kommende Schuljahr zu erläutern. Danach verschwand er gemeinsam mit einem erstaunlich angenehmen Gong aus der Tür und Sakura packte Block und Stift in ihre Tasche.

Ein Räuspern riss sie aus ihren Gedanken und als sie aufsah, trafen ihre smaragdgrünen Augen auf die rabenschwarzen Sasukes.

„Ist irgendwas?”, fragte sie ihn und versuchte krampfhaft, ihr Herz zu ignorieren, das vor Aufregung wie ein panisches Tier in ihrem Brustkorb rebellierte.

„Würdest du was vorsingen?”

Sakuras Augen weiteten sich. Vorsingen? Sie? Niemals! Was interessierte diesen Kerl ihre Singerei? Wieso war alles an dieser Schule so merkwürdig? Sogar die Schüler?

„W-w-wieso sollte ich?”, kam es piepsig aus ihrem Mund.

„Ich will wissen, ob du wirklich singen kannst. Unsere Schulband sucht eine Leadsängerin.”

Erst nickte Sakura verständnisvoll, dann schüttelte sie entsetzt den Kopf.

„Ich denke nicht, dass ich das kann.”

„Versuch es.”

„Nein!”

„Warum nicht?”

„Weil ich Angst hab, Idiot!“

Erschrocken über ihre eigenen Worte hielt sie sich den Mund zu, starrte Sasuke peinlich berührt an. Sein Gesichtsausdruck wurde augenblicklich unfreundlich.

„Sing.”, presste er zwischen den Zähnen hervor und stützte sich auf ihrem Tisch ab.

Hilfesuchend schaute Sakura sich um, doch da war niemand, der beabsichtigte, sie vor Sasuke und seiner ausgesprochen unwirschen Aufforderung zu retten. Die noch anwesenden Schüler beobachteten die Szene nur interessiert, während Sasukes Blick immer kälter wurde.  

Ja, seine Augen waren kalt, stolz und leer, und Sakura fühlte sich, als würde sie in das tiefe Schwarz hineinfallen.

„Was soll ich denn singen?“, murmelte sie hilflos.

“Wie wär’s mit „Listen To Your Heart“? Das spielt ihr doch schon die ganze Zeit.”, schlug Tenten unvermittelt vor und lenkte so Sasukes Aufmerksamkeit auf sich.

Verwirrt sah Sakura Tenten an und meinte dann laut: „Gerne. Wann? Wo?”

Wieso fabrizierte ihr Mund solchen Blödsinn ohne sich jegliches Einverständnis von ihrem Hirn zu holen?

Blitzartig war Sasukes Blick wieder auf ihr, stieß sich wie ein Messer, tief und unbarmherzig in ihren frisch angelachten Mut.

„Jetzt? Hier?”, es war eher ein Befehl als eine Frage, so herrisch klang seine Stimme.

„Großartig, Sakura. Das hast du ja toll hingekriegt”, dachte Sakura bei sich und fügte sich damit in ihr Schicksal. Konzentriert schloss sie die stechend grünen Augen, rief sich die Melodie ins Gedächtnis und begann leise zu singen:

 

I know there’s something in the wake of your smile

I get a notion from the look in your eyes, yeah

You’ve built a love

but that love falls apart

Your little piece of heaven

turns to dark

 

Listen to your heart

when he’s calling for you

Listen to your heart

there’s nothing else you can do

I don’t know where you’re going

and I don’t know why

But listen to your heart

before- you tell him goodbye~

 

 

Sie hörte mit einem verlorenen Summen auf und öffnete zaghaft die Augen. Sasuke sah sie erstaunt an, auch wenn er sich wohl alle Mühe gab, seine Bewunderung zu verbergen.

Als Sasuke weiterhin stumm blieb und auch der Rest der Klasse den Atem anzuhalten schien, räusperte sich Sakura vernehmlich und fragte: “War’s so schlecht? A capella klingt meistens nicht so toll...”

„Spinnst du? Das klang super, echt, wie ein richtiger Profi! Du solltest auf jeden Fall beim Casting  mitmachen!“, brüllte Naruto von hinten und natürlich errötete Sakura sofort wieder. Sie hatte so selten vor Leuten gesungen, sie wusste gar nicht, was gerade über sie gekommen war. Aber sie fand diese Schule jetzt definitiv noch merkwürdiger als vorher.

 

 

Sasuke war nachdem sie geendet hatte, erstmal unfähig, auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu bringen. Ihre Stimme war klar, nicht zu hell, nicht zu dunkel und so mit Leidenschaft und Gefühl getränkt, dass man den Schmerz des Liedes tief im Innern spüren konnte. Es war komisch, so mitgerissen zu werden, nur von ihrem Gesang. Nur mühsam konnte er den Wunsch unterdrücken, ihr ein umfangreiches Lob auszusprechen und sie einfach zu fragen, ob sie nicht in der Schulband singen möchte. Und nicht nur das. Nicht nur ihre Stimme an sich war beeindruckend, auch ihr Erscheinungsbild, während sie sang. Die Augen geschlossen, gab sie sich vollkommen der Musik hin, die in ihrem Kopf erklang, formte die Worte mit einer Hingabe, die er noch nie bei einem Menschen gesehen hatte. Dieses Mädchen hatte Talent!

Naruto sprach ihm mit seiner Aussage aus der Seele, auch wenn er keine besonders schönen Worte benutzte, wie Sasuke es vielleicht getan hätte, auch wenn er keine Vergleiche fand.

Trotzdem sagte der blonde Chaot alles, was der Uchiha einfach nicht aussprechen konnte. Als er dann bemerkte, wie rot die Neue geworden war, schlich sich die Andeutung eines Lächelns auf seine Lippen. Er fixierte ihre Augen, die ständig den Grünton zu wechseln schienen, konzentrierte sich auf die beinahe gehetzten Blicke, die sie durch den Raum schoss. Okay, er hatte sie gerade dazu gebracht ein kleines Konzert zu geben. Aber wieso mimte sie erst die schüchterne Fremde, sang anschließend einen Welthit, als sei sie dazu geboren worden, und jetzt? Was war jetzt?

Jetzt saß sie da auf so einem unbequemen Plastikstuhl und tat, als wären ihre nackten Zehen das Interessanteste in diesem verdammten Klassenzimmer. Irgendetwas stimmte da doch nicht.

Was weder er, noch irgendjemand anderes in diesem Klassenraum abstreiten konnte, war, dass sie es geschafft hatte zum Staunen zu bringen. Allein das war schon eine ziemlich große Leistung.

Ertappt zuckte Sasuke zusammen, als sie ihm plötzlich in die Augen sah, ihre Iren waren blassgrün, wie dünner Tee. Wechselte sie wirklich ihre Augenfarbe? Vorhin war es eindeutig ein dunkleres, stechenderes Grün gewesen, funkelnd und unnachgiebig, wie von Smaragden.

Ob solch ein Gedanke schon als Kompliment galt?

Tja...Sie gefällt dir eben, oder?

Verwirrt blieb Sasuke kurz vor seinem Platz stehen und schaute sich um. Woher kam jetzt diese Stimme? Die klang so… unglaublich nervig. Unnd noch schlimmer: Sie hörte sich fast an wie er selbst! Moment, er hatte sich gerade selbst als nervig bezeichnet. Sasuke Uchiha war definitiv nicht nervig. Er war-

Auf jeden Fall an der Neuen interessiert.

Drehte er jetzt total durch? Mit irrem Blick durchforstete er den Raum, entdeckte jedoch nichts Verdächtiges. Umso verständnisloser sahen ihn seine Freunde an.

Also, wenn niemand außer ihm dieses nervige Gequatsche hören konnte, dann…

Dann kam es aus seinem Kopf. Eine innere Stimme? Er? Sasuke Uchiha? Doch kaum hatte er begriffen, was das bedeutete, fing er an seinen inneren Lügner, wie er die Stimme schon mal vorsorglich taufte, zurechtzuweisen.

Ich bin nicht an ihr interessiert.  giftete er den kleinen Kritzelsasuke, dessen Bild in seinen Gedanken auftauchte, an.

Natürlich nicht, die Stimme kicherte.

Bin ich nicht.

Feigling.

Ich bin vielleicht gerade psychisch nicht auf der Höhe, aber ein Feigling bin ich ganz sicher nicht!

Ja, klar. Du brauchst echt mal jemanden der dir ins Gewissen redet, Kleiner!

Sasuke schwieg betroffen, vollkommen geplättet über den Vorwurf, den ihm sein Hirngespinst einredete. Er brauchte eindeutig professionelle Hilfe! Am besten er würde sich gleich einliefern lassen und...Moment.

Kleiner? Sonst geht’s aber noch? Du laberst hier irgendwas von Gewissen, bist du mein Gewissen?

Dein Gewissen?! Nein, da hätt ich mich ja wohl bei dir ziemlich mit der Berufswahl geirrt. Aber Du… magst dieses Mädchen.

Ich finde sie interessant. Das bedeutet nichts.

Diese naiven, kleinen Jungs, die sich immer selbst widersprechen...

Jetzt übertrieb es dieses Etwas aber! Er war weder dumm, noch klein und vor allen Dingen nicht naiv.

Mit säuerlichem Gesichtsausdruck schulterte Sasuke seinen Rucksack und folgte Naruto in die Cafeteria, ohne Sakura noch eines Blickes zu würdigen. Am Ende bemerkte sie noch, wie verstörend es gerade in seinem Kopf zugegangen war und das konnte er nun wirklich nicht gebrauchen.

 

 

Mit einem halben Grinsen stieß Sakura Neji den Ellbogen in die Seite, murmelte ein paar unverständliche Flüche und ging dann ein paar Schritte voraus. Neji machte keine Anstalten ihr zu folgen, stand einfach nur mit einem schadenfrohen Blitzen in den unnatürlich hellen Augen neben der offenstehenden Tür und schaute die Neue an. “

„Kommst du jetzt?”, fragte Sakura genervt und wandte sich mit so viel Schwung um, dass ihre langen Haare sachte ihr Gesicht umwehten.

„Moment. Ich muss warten, bis du merkst, dass das die Richtung ist, aus der wir gekommen sind.” Neji hatte sich erbarmt, Sakura durch die Schule zu führen. Hauptsächlich, weil Tenten ihn darum gebeten hatte.

„Oh.”, kam es von Sakura, dann drehte sie sich um und schritt an Neji vorbei.

„Kommst du jetzt?”, wiederholte sie etwas sarkastisch.

Neji antwortete nicht, sondern ging einfach los, bis er zu ihr aufgeschlossen hatte.

„Wie lange bist du denn schon hier?“, fragte Sakura, in der Hoffnung zumindest ein wenig Smalltalk führen zu können. Aber sie bekam keine Antwort. Nach zwei stummen Gängen seufzte sie hörbar.

„Du hast wirklich keine Manieren.”

Neji warf ihr einen irritierten Seitenblick zu. „Wie bitte? Meine Erziehung war hervorragend.“

„Davon merk ich aber herzlich wenig.”

„Dass ich im Unterricht nach deinem Alter gefragt habe, tut mir leid. Ich war neugierig.”

Sakura zuckte mit den Schultern.

„Macht ja nichts.”

„Trotzdem. Tut mir leid.”

„Neji, du nervst.”

„Es tut mir aber leid!”

„Und du nervst trotzdem!”’

„Es-tut-mir-leid.”, wiederholte er abhackt.

„Neji!”

„Ja?”

„Hüpf von mir aus, um mir zu zeigen, dass es dir leidtut, aber halt, um Gottes Willen, die Klappe.”

„Okay.”

Stöhnend fasste Sakura sich an die Stirn, als Neji allen Ernstes kurz hochsprang und sie weiter entschuldigend anblickte.

„Neji. Es reicht jetzt wirklich. Ich hab die Entschuldigung doch angenommen, verdammt noch mal!”, entfuhr es ihr, wobei ihre Stimme eigenartig gequält klang.

„Ist alles in Ordnung? Gibt’s ein Problem?”

„Ja. Dich.”

„Oh, entschuldige. Ich wollte dich nicht nerven.”

„Macht nichts.”

„Tut mir wirklich leid.”

Nur mühsam konnte Sakura einen Schreikrampf unterdrücken, stattdessen suchte sie sich die nächstbeste Wand, stützte sich mit beiden Händen daran ab und schlug ihren Kopf dagegen. Neji sah ihr verwundert dabei zu, dann wechselte sein Gesichtsausdruck zu besorgt und er legte ihr vorsichtig eine Hand auf die Schulter.

„Sakura? Alles in Ordnung? Hast du Hunger?”

Verblüfft über die plötzliche Berührung hielt sie inne, schaute Neji erst unverwandt an und nickte dann. Der Kerl war wirklich zum Verzweifeln. Erst machte er einen auf unnahbar, dass sie nur mühsam die Tränen zurück halten konnte, dann lachte er sie aus und dann alberte er sogar mit ihr herum. Sie lächelte. Neji schien ihr doch ganz in Ordnung zu sein. Sie fühlte sich wohl bei ihm. Neji weckte in ihr diese freche, vorlaute Sakura, die nicht jeder so schnell aus ihrem Mauseloch holte. Und vielleicht spielten seine faszinierenden Augen dabei auch eine Rolle. Wie in Trance bemerkte sie, wie er sie bei der Hand nahm und durch ein paar Gänge zog.

„Neji?”

„Ja?”

„Wo gehen wir eigentlich hin?”

„In die Cafeteria. Du hast doch Hunger.”

„Hab ich?”

„Ja, hast du gesagt.”

„Oh. Verstehe. Neji?”

„Ja?”

„Ist das hier immer so?”

„Was?”

„Diese Schule. Lehrer, die ewig nicht auftauchen, dieser durchgeknallte Fragebogen, spontane Singstunden…"

„Eigentlich nicht.”

„Zum Glück.”

Erleichtert atmete Sakura aus, schüttelte einmal den Kopf, um sich wieder konzentrieren zu können und blieb dann neben Neji vor einer großen Doppelschwingtür stehen.

“Cafeteria” stand in großen, roten Druckbuchstaben darüber.

„Neji, ich hab keinen Hunger.”

„Ich aber. Komm.”

Mit diesen Worten nahm er sie wieder bei der Hand und schleifte sie mit sich in das Getümmel aus Dutzenden von Schülern, suchenden Händen und orangefarbenen Plastikstühlen.

 

 

„Na endlich! Da sind sie ja!”, rief Naruto fröhlich aus, als er Neji und Sakura entdeckte, wie sie sich gerade unter großen Anstrengungen einen Weg zu ihnen bahnten.

Aufmerksam sah Sasuke von seinem Mittagessen auf, folgte dem Blick des blonden Chaoten und fand die beiden ebenfalls. Mit einigem Einsatz von Sakuras spitzen Ellbogen und Nejis Popularität gelangten sie schließlich zum ihrem Tisch, wo sie erstmal schwer atmend stehen blieben.

Stille kehrte ein. Die gesamte Menge schien den Atem anzuhalten, während die beiden mit Blicken durchlöchert wurden, einige nur fragend, andere wütend.

Verständnislos blickten die zwei die anderen an und folgten den vielen Augenpaaren, bis sie den Grund der Ruhe erkannten. Geschockt. Ja, so sahen die beiden aus, als sie realisierten, dass sie einander noch immer an den Händen hielten. Blitzschnell lösten sie sich voneinander und liefen rot an. Das hieß, Sakura lief rot an, Nejis Gesicht zierten ein paar unförmige, rote Flecken.

Sasuke spürte Wut, die in ihm aufloderte, das Blut in seinen Adern schien zu glühen, zu kochen. Er ballte die Hände zu Fäusten, atmete tief ein und wieder aus, doch sein Zorn wuchs mit jedem Augenblick, in dem er das nervöse Gesicht seines Freundes sah.

Bist eifersüchtig, was?

Blödsinn. Sasuke knurrte, wie ein aggressiver Hund.

Nein. Du doch nicht! Deshalb würdest du Neji gerade am liebsten zerfleischen! Wie viele Tötungsmöglichkeiten hast du dir bis jetzt ausgedacht, hm?

Sechs, aber-. Der Uchiha stoppte, beschämt sah er auf den Boden. Er hatte sich doch gerade tatsächlich überlegt, wie er einen seiner besten Freunde wohl am besten umbringen könnte! Das war doch nicht normal. Was war denn heute mit ihm los? Ob er Fieber hatte?

“Leute? Das hat nichts zu bedeuten, das war nur-. Was war das eigentlich?”, schnell flossen diese Worte von Nejis Lippen, waren beruhigend ausgesprochen und die letzten waren an Sakura gerichtet. Deren Haut hatte jetzt wieder ihre normale Farbe angenommen, doch ihre, momentan grasgrünen, Augen huschten nervös in dem prall gefüllten Raum herum.

„Eine Art Zwangsmethode, um mich hier rein zu kriegen?”, sie wirkte immer noch verwirrt und irgendwie ertappt. Diesmal verspürte Sasuke keine Wut. Er wurde definitiv einfach nur krank.

„Ist doch egal”, durchbrach er die Stille. „setzt euch, bevor alle denken ihr lügt. Au!”

Beleidigt rieb er sich den Hinterkopf, wo Neji ihm gerade eine Kopfnuss verpasst hatte. Während Neji sich auf den Platz neben ihm sinken ließ, grummelte Sasuke etwas Unverständliches vor sich hin und bemerkte dabei nicht, dass Sakura mit einem traurigen Blick in der Menge verschwand. Nach einiger Zeit wurde ihm das Schmollen dann doch langweilig und er versuchte, etwas vom laufenden Gespräch zu verstehen.

„Aber es ist doch so!”

„Ja, Naruto, wir wissen’s jetzt alle!”

„Trotzdem, so eine finden wir nicht so schnell! Es gibt keine bessere Wahl!”

„Naruto! Das Casting findet statt! Auch wenn du dich, zu Hinatas Bedauern, anscheinend in Sakura verguckt hast.”

„Ich hab mich nicht in sie verguckt, sondern in ihre Stimme!”

„Das kommt auf’s Gleiche raus!”

„Tut’s nicht! Und das weißt du, Shika!”

„Mann! Du bist so anstrengend...”

Okay, soweit er das verstand, ging es um Sakura. Und das Casting, das sie veranstalten wollten, um endlich eine Leadsängerin zu finden. Eigentlich war Sasuke ja Narutos Meinung, das Casting könnten sie ausfallen lassen und die Neue sofort in die Band aufnehmen. Aber wenn Shikamaru etwas dagegen hatte, würde dieser überflüssige Wettbewerb eben trotzdem stattfinden.

„Sagt mal, wo ist Sakura überhaupt?”, fragte er ungeniert mitten in die Diskussion der beiden.

Wie auf Kommando, als hätte er gerade in die Luft geschossen, richteten sich alle Blicke auf ihn. Unglaube und deutliche Verwirrung konnte er in den Augen seiner Freunde lesen, dann verzogen sich seine Lippen zu einem kaum sichtbaren, aber amüsierten Lächeln.

„Ich hab euch was gefragt!”

„Sie war doch gerade noch-. Keine Ahnung.”, meinte Ino, während sie schnell den Blick senkte und nachdenklich die Stirn in Falten legte. Tenten schaute sich nur überrascht um. Anscheinend bemerkten jetzt alle, dass ihr momentanes Gesprächsthema Nummer eins gar nicht anwesend war.

Sonst hätte sie sich bestimmt längst eingemischt.

„Du hättest auch echt früher was sagen können, Sasuke. Wenn sie sich nun verlaufen hat?“ Tenten schien sich Sorgen zu machen. Ihre fürsorgliche Art konnte ganz schön anstrengend sein.

„Nicht mein Problem.“, antwortete Sasuke und widmete sich seinem Bento.

Ein Fehler, wie sich herausstellte, denn Tenten war zwar ein sehr mütterlicher Typ, doch sie konnte auch sehr ungemütlich werden. Vor allem, wenn es um ihren auserkorenen Schützling ging.

„Uchiha, du bist ein Arschloch!“

Dann landete ein leeres Tablett auf seinem Kopf. Er schrie kurz schmerzerfüllt auf, doch Tenten wandte sich bereits schulterzuckend um und lief mit federnden Schritten Richtung Ausgang. Die anderen schlossen sich ihr in Windeseile an und plötzlich war Sasuke allein am Tisch.

Allein mit ungefähr zwanzig kreischenden Mädchen, die sich in rasendem Tempo um ihn versammelt hatten und begannen an ihm herumzuzerren, wie an einer Puppe. Jede wollte mit ihm reden, sich an ihn schmiegen, ihm dabei am besten ihre Brüste ins Gesicht drücken. Panik und Hektik ergriffen Besitz von ihm, dass er sich verzweifelt sogar ein Testament ausdachte.

Jeder sollte sich das von seinen Sachen nehmen, was er wollte. Wenn sich zwei um etwas streiten sollten, bekommt es der dritte. Hauptsache, sein Bruder bekam nichts. Ob Sakura zu seiner Beerdigung kommen würde?

Was zum Teufel dachte er denn da? Das war doch schon extrem. Nur weil ihre Augen keine klare Farbe hatten und jedes noch so kleine Rätsel sich in sein Gehirn fraß. Wie konnten ihre Iren den Farbton wechseln? Das war doch unmöglich. Niemals ging das in dieser heftigen Form.

Der Krakelsasuke tauchte vor seinem inneren Auge auf und präsentierte stolz verschiedene Bilder von Sakuras Augen, um die Wandlung aufzuzeigen, wie bei einer PowerPoint-Präsentation.

Sasuke stöhnte und riss sich unter großer Anstrengung von der Mädchengruppe los. Er würde nicht in einer solch erbärmlichen Situation sterben und schon gar nicht mit diesen Bildern im Kopf.

 

 

Sakura kaute auf ihrer Unterlippe herum, Angst, kalt und unklar wie Nebel, machte sich in ihrem Inneren breit. Ein Gefühl von sanftem Nieselregen legte sich auf ihre Haut. Der Junge, der mit einem strahlenden Lächeln neben ihr stand, schien von ihrem aufgewühlten Gemüt nichts zu bemerken.

Nur mühsam konnte sie sich auch zum Lächeln zwingen, es fiel etwas schief aus und ziemlich steif, aber auch diese Tatsache schien der Junge nicht zu bemerken.

„Danke, dass du mir den Weg gezeigt hast, Lee.”, murmelte sie abwesend.

In Gedanken malte sie sich diese Erdkundestunde aus oder besser, die Möglichkeiten, wie sie selbige überleben konnte. Sakura mochte Erdkunde nicht besonders, nein, sie hasste dieses Fach! Es lag ihr einfach nicht, sich um Klimadiagramme, Städte und Länder oder Längengrade zu kümmern, geschweige denn, sowas zu verstehen. Dazu kam, dass sie anscheinend den strengsten und fiesesten Lehrer in Geographie hatten, so hatten es Lee und Kiba ihr erklärt.

Orochimaru. Dieser Name klang ja schon düster, verschlossen und dämonisch. Der Mann selbst sollte wie eine Schlange aussehen, mit leichenblasser Haut, schlitzartigen Augen und langen, dunklen Haaren. Klang nicht gerade vertrauenswürdig. Sakura verschränkte gerade ihre Arme vor der Brust, als sie Neji, Tenten und die anderen bemerkte. Geschlossen, als eine feste Gruppe und fröhlich lachend kamen sie geradewegs auf Sakura zu. Sie presste sich gegen die Wand, als wollte sie darin versinken und kniff die Lippen zusammen.

“Sakura! Wo bist du denn plötzlich hin?”, laut hallte ihr Neji’s Stimme entgegen.

Noch immer lässig blieb Neji neben ihr stehen, musterte sie erst fragend, dann besorgt und beugte sich so vor, dass er ihr genau in das abweisende Gesicht schauen konnte. Warum benahm er sich so ihr gegenüber? Sie hatte doch in der Cafeteria gemerkt, dass es in seiner Clique für sie keinen Platz gab. Nirgendwo war ein Stuhl frei und niemand sagte "Setz dich doch dazu". Fazit: So willkommen schien sie also doch nicht zu sein. Auch wenn ihre Argumente kindisch klangen.

Ganz langsam hatten sich dort, in der großen Menschenmenge, kleine Tränen aus ihren Augen stehlen wollen und bevor das geschehen konnte, war Sakura unauffällig verschwunden. Schließlich wollte sie keinen großen Aufstand machen.

Doch so sehr sie es auch versuchte, Nejis weißen Augen auszuweichen, fing er doch immer wieder ihren Blick ein, dass sie nur schwer weiterhin böse auf ihn sein konnte. Schmunzelnd nahm sie seinen Blick hin, er erinnerte sie irgendwie an einen Hund, treuherzig, unnachgiebig, ehrlich. Sakura grinste.

„Warum willst du das wissen?”

„Weil’s mich interessiert?”

„Und warum?”

„Weil wir alle über dich geredet haben, bis Sasuke mal bemerkt hat, dass du gar nicht da bist.”

„Aha.”

„Ja.”

„Neji, irgendwie ist das kein sehr guter Grund.”

„Aber es ist einer.”

Genervt verdrehte das Mädchen die Augen, lehnte die Stirn gegen die kalte Betonwand.

Diese Gespräche mit Neji waren irgendwie so sinnlos. Im wahrsten Sinne des Wortes.

„Du hast aber nicht wieder vor, deinen Kopf gegen die Wand zu schlagen, oder?”

„Nein. Sie ist nur gerade das Einzige, das mir Halt gibt.”

„Ach so.”              

„Wo ist eigentlich Sasuke?”

„Wenn er Glück hat, vielleicht schon vorne an der Treppe.”

“Wie, wenn er Glück hat?”

„Na, wenn seine Fangirls heute unachtsam waren.”

„Hä?”

„Das heißt ‘Wie bitte’, Sakura.”

„Wie bitte?”, äffte Sakura ihn nach, doch Neji schien es nicht zu bemerken. Wahrscheinlich mit Absicht.

„Wir haben Sasuke in der Cafeteria gelassen, allein mit seinen Fangirls und die werden ihn jetzt wahrscheinlich ziemlich belagern, dass es eine Zeit lang dauern kann, bis er kommt.”

„Ach so.”

Das Bild, das Sakura sich jetzt in Gedanken ausmalte, brachte sie schnell zum Schmunzeln.

Der coole Schwarzhaarige verzweifelt, umringt von einer Schar kreischender Mädchen, die nur ein winziges Stück seiner hellen Haut berühren wollten, die ihm den Weg versperrten und an seinen Kleidern zerrten. Das alles wollte ihr ein Kichern entlocken, doch sie hielt es vornehm zurück. Dieses kurze Beißen in ihrem Herz, wie das verspielte Zuschnappen eines Welpen, verwirrte Sakura. Was sollte das denn bedeuten?

Na, das weißt du doch!

Was meinst du?

Komm schon, Sakura!

Ist das Neid? 

Ja und was schließen wir daraus? 

Dass ich mich von dem Kerl fernhalten soll?

Doch ihre innere Stimme, die ihr schon in so vielen Lebenslagen geholfen, ihr unzählige Entscheidungen abgenommen hatte, schwieg nur und Sakura glaubte, ein tiefes Seufzen zu hören.

Der Lärm einer kreischenden Menge riss sie aus ihren Gedanken, sodass sie sich fast schmerzhaft, wie bei einem heftigen Aufprall, auf dem Gang wiederfand.

Die verzerrten, schrillen Stimmen unzähliger Mädchen hallten von den Wänden zurück, dass Sakura sich die Hände auf die Ohren pressen wollte. Dieser Wirrwarr von Körpern hielt unmittelbar vor der Tür. Die Lautstärke und auch die Stimmung schienen wie bei einem Rockkonzert zu sein, schreiende Mädchen, alle fixiert auf nur einen Menschen und das so laut, dass Sakura das Gefühl hatte, eine Art Druckwelle würde sie zurückstoßen.

„Du wolltest doch wissen, wo Sasuke ist. Irgendwo da drin!”, brüllte Neji, doch obwohl er neben ihr stand, fiel es ihr schwer ihn zu verstehen. Sie nickte nur.

Den Tumult neben sich scheinbar ignorierend kamen nun auch die anderen auf sie zu, stellten sich in einem Halbkreis um das neue Mädchen, welches sich haltsuchend an die Wand lehnte.

„Wo warst du denn auf einmal, Sakura-chan?”, schrie Tenten ihr entgegen.

Die Angesprochene formte mir den Lippen das Wort “später”, dann schloss sie die Augen, verbarg die momentan tannengrünen Iren vor der Welt.

 

Sakura glaubte eigentlich schon so gut wie taub zu sein, als sie doch tatsächlich leise, schleichende Schritte hörte. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in ihrer Magengegend aus, ihre Lippen trockneten aus, genau wie ihr Hals. Diese Schritte hatten etwas bedrohliches, etwas unheimliches an sich und eine leichte Panik durchflutete ihren Körper in kleinen Wellen.

Wie hatte sie die Schritte eigentlich bei der Lautstärke hören können? Das war doch einfach unmöglich. Verwirrt schüttelte Sakura den Kopf.

“ZUM TEUFEL NOCHMAL, GEHT IN EURE KLASSEN!”

Sakura zuckte zusammen, als hätte man sie geohrfeigt und das mit aller Kraft. Ihre ganzen Muskeln

spannten sich an, ihre Sinne waren aufs äußerste geschärft. Mit forschenden Augen tastete sie den Gang ab, als wären ihre Blicke vorsichtige Finger und erkannte dann einen großen, hageren Mann.

Er hatte langes, nachtschwarzes Haar, fast weiße Haut und sein Gang wirkte schleichend, sich windend wie eine Schlange.

Als er näher kam, konnte sie auch sein Gesicht erkennen, das ihr mit schlitzartigen, matt goldenen Augen und einem dämonischen Funkeln darin, einen kalten Schauer über den Rücken jagte.

Wie alt mochte der Kerl sein? Sie wusste es beim besten Willen nicht, ihr Kopf schien so leer, als wäre ihr Verstand mit dem Erscheinen des Mannes eingefroren. Die Mädchen stoben auseinander, gaben den Blick frei auf Sasuke, der die Hände auf die Knie gestützt um Atem rang. „Ich dachte, ich hätte sie schon abgehängt.“, wisperte er fassungslos vor sich hin.

Sakura hätte jetzt eigentlich erwartet, dass Sasuke sich zumindest bei dem Mann bedankte, aber dem war nicht so.

“Sasuke Uchiha, war ja klar, dass du wieder für so einen Aufruhr verantwortlich bist!”, keifte der schlangenartige Typ auch schon, aus seinen Augen sprach purer Hass. Was das Mädchen wunderte war, dass Sasuke kaum reagierte, als wäre es ihm egal, dass er gerade verantwortlich gemacht wurde. Dabei war er doch gar nicht schuld!

Woher sie den Mut nahm, wusste sie selbst nicht genau, doch mit einem Mal stieg in ihr die Wut auf diesen Unbekannten, der anscheinend Freude daran hatte, einen Unschuldigen anfahren zu können.

„Sasuke hat doch gar nichts gemacht!”, rief Sakura aufgebracht, die Augen zu Schlitzen verengt, wieder in einem stechenden Smaragdgrün.

Verwundert, aber wütend, wer da gerade so unverschämt zu ihm war, drehte sich der Mann langsam um, streifte ihren Blick.

“Und wer bist du, Kleines?”, zischte er leise, einer Schlange gleich.       

“Sakura Haruno.”, antwortete sie mit fester Stimme, wich dem kalten Blick nicht aus, wandte das Gesicht nicht ab, als er sich tiefer und tiefer mit den goldenen Augen in ihren Mut, in ihr Gewissen bohrte.

Er war hier derjenige, der unfair handelte, nicht sie! Warum sollte sie Angst haben?

“So, so. Sakura Haruno. Dann bist du die Neue.”, immer noch war seine Stimme verräterisch leise und dunkel. Ein böses Lächeln umspielte seine Mundwinkel bei seinen nächsten Worten:

“Dann wirst du Uchiha hier vor der Tür Gesellschaft leisten. Wenn ich nur ein Wort höre, werdet ihr beide heute Nachmittag zwei Stunden nachsitzen, verstanden?!”

Sakura antwortete nicht, zuckte nur mit den Schultern und verschränkte stur die Arme vor der Brust. Eine Geste des gebrochenen Stolzes für den Mann, eine Geste zurückgehaltener Wut für Sakura.

Was bildete der sich eigentlich ein? Wenn er sie so bestrafen durfte und ihren Namen kannte, dann war er zwar wahrscheinlich ein Lehrer, aber-. Oh Gott.

Jap, Süße. Du hast gerade einen Lehrer angekeift.

Aber, aber, was mach ich denn jetzt?

Am besten still auf dem Flur bleiben und warten.

Stimmt. Nachsitzen am ersten Tag kommt nicht so gut.

Genau das. Außerdem warum hast du Sasuke denn verteidigt?

Es geht nicht darum, dass ich "Sasuke" verteidigt hab, sondern, dass ich ihn verteidigt habe.

Ja, klar. Alles nur wegen deinem Gerechtigkeitssinn.

Was sollte ich sonst für einen Grund haben?

Das musst du selber herausfinden.

Und warum?

Weil ich dir dabei nicht helfen darf. Berufspflicht. Deshalb muss ich verschwinden, bis du den Grund gefunden hast.

Wie?

Na, ich muss solange weg. Du packst das schon. Ich vermiss dich jetzt schon, Süße!

Aber, aber…

Stille. In Sakuras Kopf herrschte eine Ruhe, die sie seit sieben Jahren nicht mehr hatte genießen können. Doch jetzt schmerzte dieses Schweigen. Ihre innere Stimme war weg. Einfach weg.

Traurigkeit schmückte ihr Gesicht, wie ein Vorhang aus Regen, trüb, verschwommen und einsam.

Ihre Augen wurden leer, der Stolz, die Wut verschwanden aus dem Grün, dass jetzt seinen Glanz zu verlieren schien. Die kleine Sakura... war weg.

 

 

Ungläubig musterte Sasuke das Mädchen, das sich jetzt zitternd, ob vor Wut oder Angst, an die Wand lehnte. Ihre ganze Haltung versprach Trotz, eine Dickköpfigkeit, die er von Neji, aber auch von sich selbst kannte. Wenn er etwas getan hatte, das seiner Meinung nach richtig und laut den anderen falsch war, dann verhielt er sich genauso. Verschränkte stur die Arme vor der Brust, senkte den Blick und starrte den Boden an, als wäre er Schuld an allem Leid der Welt. Er schmunzelte. Diese Seite an ihr, sie war ihm so ähnlich. Normalerweise tat er sich schwer damit, einen Funken von sich selbst auch in anderen zu erkennen.

Doch das unmerkbare Lächeln verschwand von seinen Zügen, als ihre Augen mit einem Mal den Glanz verloren, trüb und leer wurden wie die einer Toten.

Sie rutschte an der Wand entlang, bis sie auf dem Boden saß, das Haar hing ihr in das emotionslose Gesicht, die Arme schlang sie um die Knie.

Verwirrt stellte er sich genau vor sie, ging vor ihr in die Hocke, doch sie schien ihn nicht zu sehen, auch nicht zu hören, sie nahm ihn gar nicht wahr.

“Sakura?”, flüsterte er leise, suchte ihren Blick, verborgen in den dunklen Schatten, die ihre Augen wie ein Gefängnis verhüllten. Sie reagierte nicht.

“Sakura?”, seine Stimme wurde ein wenig lauter, doch das Mädchen hockte weiterhin stumm und ignorierte ihn.

“Sakura, was hast du?”, fragte er. Behutsam und vorsichtig legte er ihr seine Hand unter das Kinn, hob es sanft an, damit sie ihn endlich ansah. Er wünschte, er hätte es nicht getan. Ihre Augen waren so leer, strahlten Trauer und Einsamkeit aus, dass es ihm fast den Verstand raubte.

“Ich hab was verloren.”

Die Worte schwebten durch den Raum, so leise gesprochen, so von Verlust und Schmerz getränkt, dass Sasuke erschrocken den Kopf hob, ihr in die stumpfen Augen schaute und sachte mit dem Daumen über ihre Wange fuhr. Eine tröstende Geste und er wusste nicht, warum ausgerechnet er das tat.

Irgendetwas an ihr musste anders sein.

Aha. Sie ist anders.

Du störst gerade.

Warum sie dich wohl verteidigt hat?

Ich hab gesagt, du störst.

Was hat sie denn verloren?

Das wollte ich ja herausfinden, aber dann kam da so eine bescheuerte Stimme und hat mich abgelenkt.

Oh, das wollte ich nicht.

Zu spät.

Ich weiß. Egal. 

Gut. Dann lass mich jetzt in Ruhe.

Ausnahmsweise. Bis zum nächsten Mal und streng dich an.

Womit?

Schweigen.

Hey! Womit?

Ich darf dir nicht antworten, weil ich dich in Ruhe lassen soll. Aber wenn ich dich nicht in Ruhe lassen müsste, würde ich sagen streng dich an, vielleicht kriegst du schon heute den ersten Kuss von ihr.

Was redest du da eigentlich für einen Schwachsinn?

Wenn ich mit dir reden dürfte, würde ich dir sagen, dass das kein Schwachsinn ist, sondern das, was du eigentlich willst.

Was zum-. Ach, egal.

Mühsam unterdrückte Sasuke den Drang, genervt die Augen zu verdrehen, denn Sakura würde das wahrscheinlich auf sich beziehen. Das wollte er nicht, sie war sowieso schon fertig.

“Hey, ganz ruhig. Was hast du verloren?”, ohne, dass er es wollte, klangen die Worte, gewispert in die erdrückende Stille, sanft, legten sich wie eine warme Decke auf den Flur. Das Mädchen schwieg.

“Sakura, was ist es?”, fragte er etwas lauter, seine Hand wanderte von ihrer Wange zu ihrer Schulter. Zögerlich berührte er die nackte Haut.

“Warum willst du das wissen?”, ihre Stimme klang rau, als hätte sie seit langer Zeit nichts getrunken, und war so gespenstisch, leise, wie sie von den Wänden widerhallte.

“Warum hast du mich verteidigt?”

Ein Reflex. Zu seinem eigenen Schutz. Er hasste es, über seine Gefühle zu reden, er hasste es, sie überhaupt zu spüren, in jedem winzigen Augenblick, wenn ihn Wellen aus flammender Wut oder kleinem Glück überrannten.

“Sag du zuerst.”, müde schaute Sakura ihn an.

“Ich weiß es nicht genau, aber du siehst einfach traurig aus. Ist es da nicht normal, dass ich den Grund wissen will?”

“Du hast Recht. Aber warum sollte ich dir den verraten?”

“Keine Ahnung, du bist jetzt nicht dran mit Fragen stellen. Warum hast du mich verteidigt? Orochimaru war noch gnädig, das solltest du wissen.”

“Ich weiß nicht. Ich fand das einfach so ungerecht. Du kannst doch nichts dafür, wenn diese Mädchen bei deinem Anblick rumschreien, wie bei einer Naturkatastrophe.”

Der Uchiha nickte, ignorierte, dass sein Ego doch einen Seitenhieb verspürte. Er war also eine Naturkatastrophe. Aber schließlich kannten sie einander nicht, da konnte er wohl nichts anderes erwarten.

Unsicher huschten Sakuras Augen über den Boden, immer wieder presste sie die schönen Lippen zusammen, als wollte sie verhindern, dass ihnen auch nur ein Wort entschlüpfen konnte.

“Weißt du, ich hab mich dran gewöhnt, dass die Schlange mich nicht mehr leiden kann.”, sagte er dann mit abwesendem Blick und setzte sich neben sie. Sakura nickte, doch Sasuke war sich nicht sicher, ob sie ihn verstanden hatte. Endlose Minuten saßen sie so da, hingen beide ihren Gedanken nach. Die Stille war nicht unangenehm, die Situation war nur so fremd, etwas Unbekanntes, vor dem man sich anfangs fürchtet. Wie der Sprung von einem besonders hohen Brett im Schwimmbad. Plötzlich seufzte Sakura auf, drückte sich mit den Händen vom Boden ab und schaute ihn von oben herab an.

„Warum bist du auf einmal so nett?”, fragte sie, wobei ihre Augenbrauen sich kritisch zusammen zogen. Sasukes Blick bohrte sich kalt in ihren, doch sie wich nicht aus. Ärgerlich kniff er die Lippen zusammen, betrachtete angestrengt seine Knie, die er angewinkelt hatte.

„Jetzt weich mir nicht aus!”, sagte Sakura und verschränkte störrisch die schmalen Arme vor der Brust.

„Ich weich dir nicht aus.” Es war ein Knurren. Sasuke sah ihr wieder in die Augen, aus denen die Leere wie verbannt schien. Wo war die Traurigkeit, die Hoffnungslosigkeit hin, die sich bis eben auf ihrem ganzen Gesicht widergespiegelt hatte?

“Doch. Erst ignorierst du mich komplett, dann soll ich dir ein Ständchen bringen und jetzt interessieren dich meine Probleme. Verzeihung, wenn ich das verwirrend finde.”

Warum musste sie jetzt so stur sein? Jede andere wäre bei dem Blick, den er ihr zuwarf, schnell, wie ein flüchtender Hase, davongerannt. Aber sie? Sie musste ja stehen bleiben und auch noch rumzicken.

“Sakura. Ich hab dir gerade eben gesagt, dass es du offensichtlich traurig warst und ich aus Höflichkeit nachgefragt habe.”, sein Stimme war scharf, durchschnitt blitzend, wie ein Messer, die staubige Luft auf dem Korridor. Überrascht musterte sie sein Gesicht, dachte kurz nach.

„Stimmt.”, murmelte sie leise, aber sie schien nicht hundertprozentig zufrieden damit. Aber das war schließlich nicht sein Problem.

 

 

Sasuke verzog sich, ein deutliches Signal, dass er nicht mehr mit ihr reden wollte und Sakura starrte auf den Fußboden, als könnte sie dort irgendein Geheimnis entdecken. Aus Höflichkeit. Seine Worte hörten sich hässlich gestochen an und Sakura konnte nicht umhin zu bemerken, dass da auch ein wenig Schamgefühl in ihr war. Als ob er verpflichtet wäre, ihr seine Gründe zu nennen. Als ob er verpflichtet wäre, sich Sorgen um sie zu machen oder sich vor ihr für irgendetwas rechtfertigen müsste.

Das Gespräch wiederholte sich in ihrem Kopf wie ein Lied auf Dauerschleife und langsam aber sicher hatte sie das Gefühl, sich richtig dämlich angestellt zu haben.

Er war doch eigentlich nur nett zu ihr gewesen. Sanft und vorsichtig, zärtlich, wie ein Windhauch. Sie wurde rot und versuchte den Gedanken wegzuschieben, aber es funktionierte nicht. Wärme strömte durch ihren Körper und brachte ihre Haut zum Kribbeln. Was hatte er denn schon getan, um solche Reaktionen in ihr hervorzurufen? Er war ein merkwürdiger, arroganter, merkwürdiger Typ mit schönen Augen, der offensichtlich Probleme mit sozialen Interaktionen hatte. Er war kalt und launisch und hatte eine raue Stimme, der sie stundenlang zuhören könnte. Das war mal wieder typisch, in ihrem Kopf herrschte absolutes Chaos.

Dieses Durcheinander in ihrem Kopf machte sie fast wahnsinnig, als würden ihre Gefühle, ihre Gedanken gegeneinander kämpfen, sich im Eifer des Gefechts niederstechen und wieder aufhelfen, bis sie nicht mehr wusste, ob dieses Gefühl nun gut oder schlecht war. Ob sie die Einzige mit einem solchen inneren Tumult war? Bestimmt. Sakura Haruno kann nun mal nicht normal sein.

Schizophren, ohne Macht über Gefühle, Gedanken und Meinung, mit einem Wort: Geisteskrank. Das musste es sein. Sie war einfach nur ein bisschen gestört im Kopf.

Aber warum fühlte sie sich dann trotzdem noch so, als wäre sie bei klarem Verstand?

Das Mädchen stöhnte, lehnte die Stirn gegen die Wand und schloss die Augen.

„Interessante Selbstgespräche”, sagte eine Stimme direkt neben ihr. Sie schielte aus dem Augenwinkel zu Sasuke hinüber, der sie düster anlächelte. Seine Augen waren erstaunlich kalt. Leer, wie tiefe, schwarze Löcher. Ein Schauer lief Sakura über den Rücken, als würden hunderte Eiskristalle ihre Wirbelsäule hinab purzeln. Sie drehte sich zu ihm. Warum lachte er allein mit dem Mund?

„Bist du wirklich schizophren?”, eindringlich starrte Sasuke sie an, nahm ihre Augen mit den seinen gefangen, als wäre sie in einem riesigen Spinnennetz gelandet.

„Nicht wirklich.”, stammelte Sakura und versuchte seinem Blick zu entkommen.

„Soll heißen?”

„Nicht im medizinischen Sinne. Ich-. Vergiss es einfach.“

„Warum behauptest du dann, du wärst es?”

„Ich-”, sie zögerte. Er würde sie bestimmt auslachen. Aber, vielleicht, wenn sie nur überzeugt genug war, würde er ihr Glauben schenken. “Ich habe so etwas wie eine innere Stimme.”

Nervös beobachtete sie seine Reaktion, jeden Moment dazu bereit, vor seinem Lachen, wie vor einer Horde bösartiger Bestien zu fliehen.

Doch es geschah nichts. Er schwieg. Sah sie an und schwieg.

Sie glaubte, etwas wie Erleichterung in seinen Augen zu sehen und war umso mehr verwirrt, als er plötzlich ihre Hand in seine nahm und sie eindringlich ansah. Ihre Kinnlade klappte nicht nach unten, sie fiel eher, als würde ein Gewicht von mehreren Tonnen an ihr hängen.

„Du bist nicht die Einzige, die so etwas hat.”, flüsterte er und, bildete sie sich das Funkeln in diesen nachtschwarzen Augen nur ein oder war das wirklich?

„Was?”, kam es verwirrt aus ihrem Mund. Sie bewegte sich kein Stück, war wie festgefroren in ihrer Position, händchenhaltend mit Sasuke, mit staunenden Augen und offenen Lippen.

„Dieses zweite Ich, diese Stimme im Innern. Das habe ich auch.“

„Du verarschst mich.“

„Nein, Sakura, ich-.“

Natürlich ging just in diesem Moment die Tür hinter Sakura auf und knallte mit einem unschönen, dumpfen Laut gegen ihren Kopf.

„Was zum-!“ Orochimaru stand einen Moment lang unschlüssig auf dem Flur, dann wies er Sasuke an, Sakura auf die Krankenstation zu bringen. Sie verbrachte den Rest des Tages und die ganze Nacht dort, damit eine Gehirnerschütterung ausgeschlossen werden konnte.

 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallöchen ihr Lieben!

Ich habe jetzt zwar keine Ahnung, wer sich das überhaupt noch durchliest, aber hier ist es:
das erste, überarbeitete Kapitel von "Regenlieder". Ich war jetzt, wo doch einige Zeit vergangen ist, seit ich hier etwas hochgeladen habe bzw. seit ich an dieser Fanfic geschrieben habe, so unzufrieden damit, dass ich sie nicht so stehen lassen konnte. Ich liebe diese Geschichte. Sie hat wirklich einen besonderen, kleinen Platz in meinem Herzen und deshalb ist es mir auch wichtig, dass ich sie noch einmal bearbeite.
Das bedeutet zum Einen, dass Teile herausgekürzt wurden (auch wenn das erste Kapitel trotzdem ein Ungeheuer bleibt), zum Anderen aber auch vor allem, dass ich Dinge umändere. Das betrifft z. B. das Alter meiner Charaktere, da mir die ursprüngliche Altersangabe inzwischen doch sehr jung vorkommt und die Charaktere sich auch nicht wirklich dem ursprünglichen Alter entsprechend verhalten. Sie sind eben doch etwas reifer und da es auch gut sein kann, dass ich spätere Kapitel als Adult einstufen muss, gibt es da dann natürlich sowieso Probleme.
Nichtsdestoweniger hoffe ich natürlich, dass sich der ein oder andere diese Geschichte durchliest, sie eventuell sogar mag.
Und wenn sie niemand liest, habe ich immerhin mal ein Projekt zu Ende gebracht.

Herzallerliebste Grüße
Shani ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Inori-Yuzuriha25
2013-06-09T07:41:33+00:00 09.06.2013 09:41
Ich LIEBE diese FanFic schon jetzt und das erste Kappi ist auch schon so MEGA LANG, finde ich nämlich SUPER!!! Das war ein tolles Kappi xDD
Von:  lilaliebe
2010-08-24T19:44:07+00:00 24.08.2010 21:44
ich hab deine FF gerade entdeckt :9
und dann habe ich die sachen bei sein oder ihr lied gesehen und dann hab ich geschrien xD
ohhh man du hast dir so geniale lieder hingeschrieben <3 wie sakura mit woderwall ich liebe das lied oder sasuke mit numb einfach genial :) tolle liedauswahl du bekommst für die chara beschreibung von mir schon ein fettes lob :D
das kapi war auch toll und als sakura dann listen to my heart gesungen hat oh man wie *mir fehlen die worte :D

freu mich aufs negste kapi mach weiter so

lg Kim
Von:  e-xoxo
2010-01-09T21:32:23+00:00 09.01.2010 22:32
Buwahhhh o_O
Das war das längste und geilste Kapi das ich je gelesen hab

Ich mag die FF total und geh schnell weiter lesen : D
Von: abgemeldet
2009-03-18T16:23:01+00:00 18.03.2009 17:23
Hey, hab deine FF gerade entdeckt.
Wirklich gut gemacht. <3
Die Länge ist toll... *♥*
Und alles so genial geschrieben... <3~
Schade, dass es bis jetzt so wenige Kommentare sind... .__.
Aber hiermit hast du einen mehr. :D
Das andere Kapitel werde ich wohl erst später lesen können... oO
Keine Zeit mehr...
Aber der Kommi kommt noch, versprochen. ;)
Weiter so, selten so eine tolle Geschichte gelesen.
Unterhaltsam und fehlerfrei, das hab ich gern. <3
lG
chibichan
Von: abgemeldet
2008-10-17T18:54:28+00:00 17.10.2008 20:54
hiiiii duuhuu bin auf deine ff gestoßen & die ist genial!
mach pls weiter so =)
würde mcih freuen wenn cih per ENS nachricht bekommen würde wenn das nächste kapi oni ist =)
Von:  JuKatzuragi
2008-10-16T21:18:10+00:00 16.10.2008 23:18
omg!!!! so ein lange ff hab ich noch nie gesehn
un das ist ers kapi 1...
*baff bin*
freu michs chon wenns weiter geht
lg yumikoXD


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