Zum Inhalt der Seite

Schneegestöber

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ball

Zur selben Zeit auf Schloss Kuno verstand man sein eigenes Wort nicht mehr. Überall torkelten wildgewordene Menschen, die ihren Alkoholkonsum nicht mehr ganz unter Kontrolle hatten, von einer Ecke des Saales in die andere. Einige schliefen bereits im gemütlichen Teil des Raumes, der mit hunderten von Kissen ausstaffiert worden war, um eine gemütliche und kuschelige Atmosphäre zu kreieren. Was an den schnarchenden Hünen allerdings gemütlich sein sollte, blieb fraglich. Die Bediensteten des Hauses Kuno waren hoffnungslos überfordert mit ihren Aufgaben und die Musik, die eher einem Katzenkonzert glich, wurde leichtfertig vom lallenden Geschnatter und lauten Kunststücken übertönt. Kurz, es herrschte Chaos. Aber das schien niemanden sonderlich zu stören, denn jeder kam hier auf seine Kosten und amüsierte sich prächtig, um nicht zu sagen, gar königlich.

Nur ein einziger Gast verharrte griesgrämig in seiner Ecke…

‚Candlelightdinner. Zu Zweit. Also wirklich! Welcher Kerl lässt sich denn auf so etwas ein? Und das an Silvester! Tzz.‘

Verwirrt blickte Ranma hinauf zum Firmament und sah wie hunderte von kleinen Sonnen in allen Farben explodierten und elegant wieder zurück auf die Erde tanzten.

Ganz und gar unerwartet und auch ein wenig gespenstisch zog auf einmal der Rauch des entzündeten Feuerwerks an ihm vorbei und schob sich wie eine Wand vor seine Augen. Und plötzlich sah er nur noch sie. Ihre Augen, ihre Haare, die sich wie ein Umhang um ihr Gesicht legten, aber vor allem ihr Lächeln, mit den zwei mondähnlichen Grübchen, die nicht ganz denselben Abstand zu ihren Mundwinkeln hatten.

‚Akane…‘

Seine Hand krampfte sich unbewusst in dem blass-beigen Vorhang zusammen und er schloss rasch seine Augen, um ihr hübsches Antlitz aus seinem Kopf zu bekommen.

„Akane…“

Er hätte diesen Abend gerne mit ihr zusammen verbracht. Aber nicht so. Nicht zu diesem Preis.

Mit einem leichten Seufzer löste er sich aus seiner verkrampften Haltung und schaute suchend durch die Menge dieser lächerlichen Veranstaltung, wohlwissend, dass er sie hier unter den vielen jungen Damen nicht finden würde.

Er erblickte nur Kodachi, die ebenfalls schon mächtig einen im Tee hatte, und sah wie sie langsam aber sicher ihr Gleichgewicht nach etlichen Drehungen verlor und recht unsanft auf ihr Hinterteil fiel. Ihr Überrock war dabei unglücklicherweise ein bisschen zu weit hochgerutscht und entblößte nicht nur den riesigen Reifrock darunter, sondern auch die pink-weiß gestreiften fluffigen Unterhosen, wie sie wohl damals in Frankreich in Mode gewesen sein mussten. Mit diesem Anputz, der weißen Perücke und dem falschen Schönheitsfleck hielt sie sich anscheinend für Marie Antoinette an diesem Abend. Ziemlich albern, aber das war ja nichts Neues im Hause Kuno. Die Szene konnte nur noch übertrumpft werden von dem anschließend vergeblichen Versuch Kodachis wieder aufzustehen. Mittlerweile hatte sich auch eine größere Traube Menschen um sie herum versammelt und statt ihr beim Aufstehen zu helfen, amüsierten sie sich lieber bei dem herrlichen Anblick wie Kodachi mit ihren stählernen Reifrockauf dem Boden herum rollte und ihre geringelten Beine in der Luft zappelten. Ranma erinnerte sie inzwischen nur noch an eine unglückselige Schildkröte, die auf ihrem gepanzerten Rücken liegt und vergebens versucht wieder auf die Beine zu kommen. Er bekam ein wenig Mitleid mit der armen Schildkröte Kodachi. Lustlos stieß er sich vom Fensterbrett ab und durchquerte den Raum um dieser peinlichen Szene endlich ein Ende zu bereiten.

Er war sich den schrecklichen Konsequenzen, die seine Heldentat für ihn bereit halten würde, überaus bewusst. Wahrscheinlich würde Kodachi den Rest dieses grauenhaften Abends wie eine Klette an ihm hängen. Genau wie seine anderen Verlobten auch, weil sie wieder furchtbar eifersüchtig sein würden. Bis auf eine. Er atmete noch einmal tief ein und beugte sich dann hinab, um Kodachi endlich aufzuhelfen.

Zehn Minuten später spielte sich alles genau wie erwartet ab. Kodachi hing volltrunken und Liebesschwüre säuselnd an seinem rechten Arm, Ukyo an seinem linken, während Shampoo wild um die drei herum hüpfte, unentschlossen, wen sie als erstes herausfordern würde.

‚Hoffentlich entscheidet sie sich bald‘, dachte Ranma gequält. Genervt, wie er war, hatte er seine Augen halb geschlossen und wartete auf den üblichen Streit seiner Verlobten, der früher oder später eskalieren würde. Und sie enttäuschten ihn wieder nicht. Eigentlich enttäuschten sie ihn nie in dieser Hinsicht. Ein Wort gab normalerweise das andere und schon zogen sie sich an den Haaren. Diese Art von Konkurrenzkampf war mittlerweile zu einer festen Konstante in seiner momentanen Lebensphase geworden. Nur bei Akane konnte man sich nie wirklich sicher sein.

‚Akane…‘

Als er den drei jungen Damen dabei zusah, wie sie mehr oder weniger grazil ihre hübschen Kleidchen ruinierten, musste er schmunzelnd daran denken, wie er Akane heute Nachmittag ungewollt bei einer kleinen privaten Modenschau beobachtet hatte. Er sollte ihr eigentlich nur kurz mitteilen, dass Kasumi ihr Essen bereits in die Mikrowelle gestellt hatte (um so viele Möglichkeiten einer Katastrophe wie möglich auszuschließen), als er kurz bevor er an ihre Tür klopfen wollte, durch den offenen Türspalt sah, wie sie sich gerade ein knielanges Kleid anzog. Er trat schnell ein paar Schritte zurück und drehte sich sofort um, weil er schon befürchtete zu viel nackte Haut für Akanes Geschmack gesehen zu haben, als ihm auffiel, dass diese ihn noch gar nicht bemerkt hatte. Lautlos bewegte er sich wieder zurück und sah sie ein paar Meter entfernt im Lichtkegel stehen, wie sie in hellblauer Unterwäsche vor ihrem Spiegel stand. Akane war ganz fixiert auf das Kleid, das sie behutsam und vorsichtig über ihre Haut gleiten ließ. Von Ranma aus gesehen saß es perfekt, wie eine zweite Haut, aber Akane schien ganz und gar nicht zufrieden mit sich zu sein. Als Ranma genauer hinsah, bemerkte er, dass ihr BH an einigen Stellen hervor blitzte und es den Anblick von Akane in diesem wunderschönen Kleid tatsächlich etwas störte. Kurzerhand zog sich Akane den BH aus und rückte mit leicht geröteten Wangen alles wieder in die richtige Position. Ranma schluckte ein paar Mal schwer und versuchte krampfhaft seinen Speichelfluss wieder anzuregen, aber sein Mund schien wie ausgedörrt. Er konnte nicht fassen, was er da gerade sah! Akane in diesem atemberaubenden Musselinkleid. Und oben ohne! Er wusste nicht einmal, dass sie so ein anzügliches Kleid besaß, von dieser Art Unterwäsche ganz zu schweigen!

‚Ok Ranma‘, ermahnte er sich, als ihm plötzlich wieder der Grund für seine Anwesenheit einfiel. ‚Du wirst jetzt keinen Fehler machen. Alles wird gut. Du wirst jetzt aufhören, Akane wie ein geiler Kater mit heraushängender Zunge anzustarren und dich, ohne, dass sie dich bemerkt wieder von hier entfernen……Und du wirst vor allem erst einmal eine kalte Dusche nehmen, bevor du ihr Kasumis Nachricht ein zweites Mal überbringst.‘

Im Nachhinein kam sich Ranma vor wie ein pubertierender Junge, der beim Spannern erwischt wurde und musste über sich selbst ein wenig lachen, als er bemerkte, wie ihm die Schamesröte mit einiger Verspätung ins Gesicht stieg.

‚Sie hat wirklich wunderschön ausgesehen‘, musste er sich eingestehen, ‚Keine einzige in diesem Saal könnte ihr das Wasser reichen, wenn sie heute Abend hier wäre.‘

Aber sie hatte sich nun einmal gegen diesen Narrenball und für einen Abend, eine Nacht, allein entschieden.

Mit ihm.

Ranmas Miene verfinsterte sich schlagartig bei diesem Gedanken und er verspürte auf einmal das dringende Bedürfnis jemanden k.o. zu schlagen.

Jetzt.

Sofort.

„Dieser Trottel.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-01-20T20:12:04+00:00 20.01.2009 21:12
hört sich wirklich interessant an,mach weiter so!


Zurück