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Photoshop

von

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Photoshop

Photoshop
 

If I photoshop you

Out of every picture I could

Go quietly quiet

But would that do any good?
 

(Emilie Autumn, Swollow)
 

Ein wenig kommt sich Rod wie ein Einbrecher vor. Und selbst der Fakt, dass er mit dem Schlüssel, den Farin selbst ihn einmal für Notfälle überreicht hat, hineingekommen ist, macht die ganze Sache nicht besser.
 

Das er geradezu durch den Hausflur schleicht, im tiefsten Mitternachtsdunkeln und auf leisen Zehenspitzen (immerhin besteht ja die Möglichkeit, dass er eventuell doch schläft), lässt ihn sich im Gegenteil sogar noch diebischer fühlen.
 

Und das obwohl er eigentlich nur die besten Absichten hat.
 

Behände sucht er sich einen halbwegs sicheren Weg durch die einzelnen Räumen, in denen das Chaos geradezu diktatorisch herrscht. Bei dem ansonsten so ordnungsliebenden Gitarristen nie ein gutes Zeichen und in den meisten Fällen sogar Garant dafür, dass etwas mächtig schief gelaufen ist.
 

Seufzend bleibt Rod kurz stehen, fährt sich durch die Haare, sammelt sich.
 

Im Prinzip ist es sinnlos sich etwas vorzumachen. Das irgendwas nicht stimmt, dass steht nun wahrlich außer Frage. Schließlich ist es nicht nur das Haus.
 

Das letzte Mal, dass Rod etwas von dem großen Blonden gehört hat ist gute zwei Monate her. Schon damals schien es ihm alles andere als gut zu gehen, aber das er im wahrsten Sinne des Wortes untertauchen würde, damit hätte der Chilene nicht gerechnet. Denn Farin zu erreichen, ist seitdem ein Akt der Unmöglichkeit. Egal ob über die Fanline, das Management oder privat; überall wird man vertröstet oder gar nicht erst durchgelassen. Und das ist selbst für den Älteren ungewöhnlich. Trotz ausschweifender Urlaubsabenteuer und gelegentlichen egozentrischen Divaanfällen.
 

Doch dass wirklich seltsame daran ist, dass es niemanden zu interessieren scheint. Weder Farins Bekanntenkreis, noch seine Familie, ja selbst Bela hat die dauerhafte Abwesenheit seines besten Freundes nur nebenbei zur Kenntnis genommen.
 

Eine für Rod immer noch undenkbare Situation. Die er so nicht stehen lassen kann und will. Weshalb er nun auch Minidetektiv spielt. Denn wenn allen anderen Farin auch egal sein sollte, Rod macht sich Sorgen.
 

Einen Moment nimmt er sich zur Orientierung. Von draußen hat Licht gebrannt, einziger Grund weshalb er sich tatsächlich traute einfach so „einzubrechen“ und wenn er sich nicht irrt, ist es irgendwo im zweiten Stock gewesen. Es ist schwieriger als gedacht, die Stufen in der Finsternis nicht zu verfehlen, aber irgendwie schafft Rod auch das.
 

Auch wenn er sich immer noch nicht sicher ist, was er tut, sollte Farin wirklich da sein.
 

Seinen angestauten Frust loswerden, der aus den Ängsten resultiert, die er sich um den Gitarristen macht? Ihn mit Vorwürfen überhäufen? Das Gespräch suchen? Oder erst mal überhaupt herausfinden, weshalb der andere sich so eigenartig verhält, sich geradezu von seinem Umfeld absondert?
 

Mit einem klammen Gefühl in der Brust, sucht der Schwarzhaarige den Flur mit den Augen ab, findet einen einsamen Lichtstrahl aus dem Arbeitsraum hinten rechts. Auch wenn der Gang nicht lang ist, werden seine Füße mit jedem Schritt schwerer, bis er sie gar nicht mehr bewegen kann. Aber da steht er schon vor den Zimmer.
 

Es ist nur ein Bewegung mehr und die Tür öffnet sich mit einem leisen Quietschen, sodass sich Rod kurz wie der Hauptdarsteller in einem schlechten Horrorfilm vorkommt. Bela hätte damit sicherlich mehr Erfahrung.
 

Der Anblick jedoch, ist weniger verstörend als gedacht.
 

Zwischen einem Haufen Zettel, ein Seitenblick verrät Rod das es sich um Songnotizen handelt, sitz Farin auf den Boden, einen Laptop auf den Schoß. Die Augen starr auf den Bildschirm gerichtet scheint er an irgendetwas hochkonzentriert zu arbeiten. Schließlich hat er immer noch nichts von Rods Anwesenheit mitgekriegt.
 

Der die Gelegenheit auch sofort nutzt den Älteren nach irgendwelchen Auffälligkeiten abzusuchen. Doch außer der üblichen stressbedingten Abgespanntheit und eine, für den Blonden ungewohnt, langen Frisur, kann Rod nichts finden. Was ihn nun doch irritiert.
 

„Farin?“
 

Es ist nur ein Flüstern, doch es reicht um den ganzen Raum auszufüllen. Trotzdem reagiert der Angesprochene nicht, fährt beharrlich in seinem Tun fort.
 

„Farin?“
 

Irgendwie kommt sich Rod veralbert vor und das kommt nicht nur daher, dass er sich selbst eingestehen muss, dass er aus einer Mücke anscheint einen Elefanten gemacht hat. Immerhin geht es dem Gitarristen nach allem was er sieht gut.
 

„Farin!“
 

Man kann es nicht Schrei nennen, aber energischer ist der Ausruf schon. Allein der Ältere nimmt ihn immer noch nicht wahr. Zögerlich macht Rod ein, zwei Schritt auf den anderen zu, schiebt dabei ganze Wälder voll Papier mit dem Fuß vor sich her.
 

Jetzt, auf den zweiten Blick und von Nahmen, fallen Rod dann doch so einige Dinge auf. Die Augen sind stark gerötet, mit dicken Rändern, fast so als hätte er Nächte nicht geschlafen. Die Bewegungen muten fahrig an. Und er hat abgenommen, stark abgenommen. Kann sich Rod doch nicht erinnern, dass Farin jemals solch lockere Sachen getragen hat.
 

Vorsichtig, fast wie bei einem scheuen Tier, hockt er sich neben seinem Gittaristen. Rod verdrängt das beschämende Gefühl von Stolz, dass seine Intuition ihn doch nicht verraten hat.
 

„Hey…“
 

Ein sanfter Hauch mehr nicht. Der Berührung gleich, mit der Rod Farin an der Schulter zu sich und von dem Bildschirm wegdreht. Pure Verwirrung schlägt den Jüngeren entgegen.
 

„Rod… was… wie…“
 

Schmirgelpapier ist sanft gegen Farins Stimme. Rod fragt sich wie lange er sie nicht mehr benutzt hat.
 

„Ich wollte bloß sehen wie es meinem Lieblingsmisanthrop so geht. Und mit was du untreues Ding so deine Zeit vertreibst“
 

Rod versucht sich an einem Lächeln und scheitert kläglich. Im flimmernden Licht des Laptops sieht er erst die Spuren die… was auch immer… bei Farin hinterlassen hat. Und sie sind tief. Ist der Blonde doch nicht nur verwirrt, sondern schon desorientiert, fast weltfremd. Als wenn Rods Dasein eine physikalische Unmöglichkeit ist.
 

„Und?!“
 

Er hofft auf eine Antwort, die nicht kommt. Stattdessen huschen blaue Augen hektisch durch den Raum, suchen Hilfe wo es keine gibt. Rod kann nur beobachten, den Kloß in seinem Hals so gut wie möglich herunterschlucken.

Und blitzschnell reagieren, als Farin den Laptop zuklappen, etwas verheimlichen will. Elegant schnappt Rod sich das elektronische Handbuch und wünscht sich gleich darauf selbst Hilfe.
 

„Was… was… was zur Hölle… Jan!?“
 

Es sind Bilder. Dutzende. Von der Band. Vor und nach der Auflösung. Hochprofessionelle. Private. Aus dem Urlaub. Dumme Schnappschüsse. Solche die nicht zum vorzeigen gedachten sind , aus reinen Nostalgiegründen aufgehoben werden.
 

Nichts verwerfliches also. Nichts schlimmes.
 

Wäre nicht bei jedem einzelnen Bild Bela rauretuschiert. Schlecht zwar, doch stets so, dass noch nicht einmal mehr ein einzige Haarsträhne zu sehen ist. Ein Schauer läuft Rods Rücken herunter.
 

„Jan… was…“
 

„Ich… ich… es… war so dumm. Einfach nur dumm. Ich wollte doch nur… ich wollte doch nur ein Zuhause… irgendein Ort… wo… wo ich… wir hatten… er fühlte sich eingeengt… ein goldner Käfig… ich… ich hab versucht mich zu ändern… hab ihn alle Freiheiten gelassen… hab nichts gesagt über die Abende… über die Mädchen in unserem Bett… es war nicht genug… nie genug… und immer wieder dieser beschissene Käfig… das er sich nicht entfalten könnte… ich… Rod… was sollte ich denn tun… was soll ich…“
 

Rod ist erstarrt. Wegen den Tränen. Wegen den Worten. Er weiß es nicht. Genauso wenig wie er weiß, wie es weiter geht. Oder ob es überhaupt weiter geht. Farin will er es nicht zumuten, nicht wenn der selbst es nicht will. Und Rod selbst. Er weiß nicht ob er Bela nicht das nächste mal eine rein hauen wird, wenn er ihn sieht. Manchmal sollen Schläge ja bekanntlich Wunder vollbringen.
 

Das erste laute Schluchzen seines Gegenübers reißt ihn aus der Bewegungslosigkeit. Ohne nachzudenken nimmt Rod Farin in den Arm, so fest, als hätte er Angst, der andere könnte sich in Luft auflösen, falls er ihn los lässt.
 

„Du… du…“
 

Rod weiß nicht was er sagen soll. Alles ist soviel. Doch gar nichts auch zu wenig. Er übt sich in Schadensbegrenzung. Seinem Meisterfach.
 

„Du legst dich erst mal hin… ja? Schlaf dich richtig schön aus und ich…“
 

Er sieht auf dem Laptop am Boden. Die Bilder, auf dem ihn Bela noch entgegen grinst.
 

„… ich werde das hier zu Ende machen.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  YouKnowNothing
2009-07-30T23:00:39+00:00 31.07.2009 01:00
oO
oha... ich gebe zu, der letzte satz hat mich extrem überrascht... also damit hatte ich wirklich nicht gerechnet

und ich bin wieder beeindruckt wie du aus einer wahren begebenheit ein wahres drama machst... mit aller psychologie, die ich gar nicht fassen kann... das ist unglaublich, auch wenn ich persönlich es nicht glauben kann... ich halte es eigentlich für unlogisch...
aber trotzdem ich mag es weil es so... interessant ist. und gut geschrieben!

LG S-M
Von:  Toozmar
2009-02-15T20:45:29+00:00 15.02.2009 21:45
ich freu mich mit auf die nächsten Kapitel.
Du hast echt nen richtig schönen, fließenden Schreibstil. Liest sich richtig gut....
*Stuhl nehm, vor die Story setz und auf die nächsten Kapitel wart*
Von: abgemeldet
2009-02-15T20:42:44+00:00 15.02.2009 21:42
UiUiUi..
hört sich sehr spannend an. Farin hat mir wirklich etwas angst gemacht, mit den roten, starren Augen.. brr. wenn ich mir das vorstelle..ô.ô xD

Was Bela jetzt mit der ganzen Geschichte genau zu tun hat, find ich auch sehr spannend. Hört sich ja schon einmal komisch an, die Sache mit dem goldenen Käfig. o.O
Aufjedenfall toll geschrieben! Freu mich auf weitere Kapitel! ^^

LG FURT





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