Chefs Chef
"Because when I arrive
I, I bring the fire
Make you come alive
I can take you higher
What is this, forgot?
I must now remind you
Let it rock
Let it rock
Let it rock"
Raito hatte seit Ryugas schnellem Verschwinden kein Auge zugetan, bis sich nun der Radiowecker angeschaltet hatte.
Er hatte überlegt. Nachgedacht. Und war zum Schluss gekommen, dass er einen fürchterlichen Fehler begangen hatte.
Er hatte sich in jemanden verliebt, der ihn nur als Spielzeug ansah. Furchtbar.
Aber so etwas ließ ein Yagami Raito nicht auf sich sitzen.
Er würde sich einfach ab sofort entlieben und nun Ryuga als Spielzeug benutzen.
Ganz einfach - Auge um Auge.
Das war der Plan. Das konnte ja wohl nicht so schwer sein. Er müsste... Er müsste nur sein Bettzeug auswaschen, das so unwiderstehlich gut nach ihm roch, seine Schlafshorts, er musste sich die Zähne putzen, um den letzten Rest von Ryugas Geschmack zu entfernen und sich duschen, um alle Berührungen abzuspülen.
Nichts leichter als das.
Er stand auf und machte erst einmal dieses fürchterliche Lied aus. Zwanzig Minuten später ging er die Treppe hinunter.
"Guten Morgen, mein Schatz!", rief seine Mutter.
"Guten Morgen, okasan. Ich... ich habe keinen Hunger", sagte der Brunette im Angesicht des Frühstücks, das schon bereit auf dem Tisch stand und dampfte.
Sofort legte seine Mutter ihm die Hand auf die Stirn. "Fühlst du dich nicht gut? Hast du Fieber?" Schnell schüttelte der Student die Hand ab. "Nein, mir fehlt nichts."
Sayu - wie immer zu spät dran - stürmte die Treppe hinunter und rief: "Bestimmt hat onii-chan Liiiiebeskummer!", und schnappte sich ihres Bruders Frühstück zusätzlich zu ihrem, als sie am Tisch ankam.
Raito wurde rot, bevor er sich fing. "Nein, natürlich nicht! Wer würde mich schon abweisen?", sagte er gespielt arrogant.
Ja, wer würde... außer Hideki Ryuga.
Er verspürte einen kleinen Stich in seiner Brust.
Wie ein Papiertaschentuch... Benutzt und weggeworfen. Ein bisschen an mir aufgegeilt und weg ist er.
Aber zu so einem Spiel gehören immer zwei... Heute in der Uni wird er mir nicht von der Seite weichen können!
"Kommt dich heute eigentlich wieder dein Freund abholen, Raito?", fragt Sachiko, die schon dabei war, das Geschirr abzutrocknen, von dem Sayu mit einem Höllentempo die zwei Portionen runtergeschlungen hatte. Raito hatte noch nicht mal die halbe Tasse seines Kaffees ausgetrunken.
"Ich weiß es nicht." Hoffentlich...
Doch als er sich von seiner Mutter und seiner Schwester verabschiedet hatte und raus zur Einfahrt ging, stand dort kein schwarzer Mercedes.
__________
Erste Vorlesung, Psychologie - Einführung.
Zweite Vorlesung, Soziologie - Verhaltensstrukturen Kleinkinder.
Mittagspause.
Dritte Vorlesung, Soziologie - Kleinkinder/Eltern.
Nichts.
Er war nicht da. Er war heute einfach nicht zur Uni gekommen, er war einfach nicht da.
Raito ertappte sich dabei, wenn er in die Vorlesungsräume kam, den ganzen Saal zweimal mit seinen Augen abzusuchen.
Auf der Toilette starrte er jeden an, um ihn vielleicht irgendwo zu finden ("Hey, du Schwuchtel, schau mir bloß nichts ab!").
In der Mittagspause suchte er Mensa, Park und Café ab.
Nichts. Hideki Ryuga war nicht da.
Diese Erkenntnis traf Raito am Ende seines Uni-Tages mit voller Wucht.
Ryuga hatte wohl kein Interesse an ihm. Auch wenn sie nur Freu
nde wären, hätte er ihm doch irgendwie Bescheid sagen können, dass er nicht kommt, oder?
Raito schluckte.
Verdammter Mistkerl...
Er legte seine Finger leicht auf seine Lippen.
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"Der Mörder muss ein sehr guter Hacker sein; wie meine Ermittlungen ergeben haben, kann er all unsere Korrespondenzen mitverfolgen und all Ihre Daten lesen - selbst dieses Gespräch kann er mitbekommen. Deswegen bekommen Sie jetzt eine handschriftliche Notiz von Watari."
Ein ängstliches Murmeln ging durch den Raum der SOKO, nachdem die Computerstimme Ls verstummt war - er hatte sich in das Hauptsystem der Polizei eingehackt?! Das war so gut wie unmöglich! Mit was für einer Art Gegner hatten sie es wohl zu tun?
Der vermummte Mann, der den Laptop mit dem gothischen L auf dem Bildschirm hielt, stellte diesen nun ab und übergab ein Stück Papier an Oberinspektor Yagami.
Um 14.00 Uhr treffen wir uns im Hotel, das um die Ecke am Polizeipräsidium liegt. Bitte nehmen Sie nur drei ihrer vertrauenswürdigsten Mitarbeiter mit. Watari wird Sie begleiten und bezeugen, dass der Mann, den Sie im Zimmer 1019 vorfinden werden, wirklich der wahre L ist.
Die Handschrift war gestochen scharf.
Wieder ging ein Raunen durch den Saal - drei Mitarbeiter würden mit Yagami gehen dürfen und L höchstpersönlich kennenlernen.
L, die Legende, L, das Vorbild aller.
Ihr Chef sah in die Runde. "Ich nehme Mogi, Aizawa und Matsuda mit." Die ersten beiden nickten förmlich, letzterer strahlte über's ganze Gesicht.
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"Ich bin L."
Völlig perplex starrten sie den gebeugt vor ihnen stehenden Mann an, der aussah, als wäre er gerade einmal knapp über zwanzig.
Ungläubig drehten sich ihre Köpfe zu Watari, der sich, als er seinen Hut und seinen Mantel ausgezogen hatte, als ein älterer Herr im englischen Gentleman-Stil entpuppte. Er nickte.
Yagami starrte L an, und auf einmal fiel es wie Schuppen von seinen Augen.
"Sie... Sie haben doch mit meinem Sohn die Eröffnungsrede gehalten! An seiner Uni! Ich habe den Artikel in der Zeitschrift, die Raito von der Universität mitgebracht hat, gelesen!"
Raito... Er hasst mich jetzt bestimmt... Ich war heute nicht da...
L biss sich auf die Lippe. "Korrekt. Aber Ihr Sohn weiß nicht, dass ich L bin, also behalten Sie es bitte für sich. Und nennen Sie mich ab sofort 'Ryuuzaki'."
Raitos Vater wunderte sich ein bisschen, doch ließ es auf sich beruhen.
Und so fingen die Ermittlungen an. Kein Wort fiel mehr über den Sohn des Oberinspektors, und L tat seinen Job wie immer effizient und wirkungsvoll.
Am Ende dieses Tages, als er die Polizisten entließ, waren sie schon ein gutes Stück im Fall vorangekommen.
Soichiro runzelte die Stirn. Dieser junge Mann war im Alter seines Sohnes. Sein Sohn war aufgeweckt, wenn auch oft gelangweilt, doch er lächelte viel.
An diesem Tag hatte der junge, blasse Mann namens "Ryuuzaki" nicht ein einziges Mal gelächelt.
Endlich sind sie weg...
L warf einen Zuckerwürfel nach dem anderen in seinen Tee, der Löffel in der Tasse stand bereits in der Masse, die sich unten angesammelt hatte.
"Ryuuzaki, ich bitte dich, geh", kam es von einer entnervten Stimme hinter ihm.
L drehte sich auf seine ihm eigene gruselige Weise um hundertachtzig Grad herum und hob eine Augenbraue. "Was?"
"Nun geh schon zu dem Yagami-Jungen", sagte Watari, doch er lächelte leicht.
"Aber..."
"Geh!"
Weniger als fünf Sekunden später war der Schwarzhaarige aus dem Zimmer verschwunden.
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Raito konnte sich nicht erinnern, ob er jemals einen schlimmeren Tag erlebt hatte.
Was bin ich nur wieder melodramatisch... Kaputt, Junge, so kaputt.
Und er wusste ganz genau, wer ihn so kaputt gemacht hatte.
Wer ihm erst einmal seine Langeweile genommen hatte, um bloß wieder zu verschwinden und diesmal eine noch größere Leere zu hinterlassen, als sie davor schon da war.
Er blätterte immer wieder in der Unizeitung, immer wieder...
Und wartete die ganze Zeit auf das metallische Geräusch von draußen.
Heute war keine warme Nacht, und Raito musste sich einen Pullover überziehen. Trotzdem fror er, da die Balkontür sperrangelweit geöffnet stand.
Der Blick des Brunetten fiel auf seinen Radiowecker. 23:47.
Er kommt nicht mehr.
Resigniert seufzend stand er auf und seine Hand umschloss den Griff der Balkontür.
Plonk.
Ein Haken.
Eine weiße Hand.
Eine zweite.
Raitos Herz hüpfte.
"Raito-kun..."
Er stand da. Er stand wirklich und wahrhaftig vor ihm, auf dem Balkon, nur die Balkontürschwelle trennte die beiden.
Und auf einmal war der Geheimhaltungsquatsch egal.
Und auf einmal waren alle Zweifel und jede Wut auf den Schwarzhaarigen völlig nichtig.
Was jetzt zählte, waren die Lippen des einen auf die des anderen, die Hände, die sich in die Haare krallten, die Beine, die sich um knochige Hüften schlangen und diese Augen, diese warmen, weichen, honigbraunen Augen, diese großen, tiefen nachtschwarzen Augen.
Raito spürte den Teppich kaum, als er mit voller Wucht auf seinem Rücken aufprallte, genauso wenig wie Ryuga den Aufprall auf seinen Knien spürte.
Was waren schon blaue Flecken?
Was war schon verletzter Stolz und der Titel des Meisterdetektivs gegen einen Kuss von dem anderen?
Raito wusste, dass, wenn sie sich ein wenig beruhigt hatten, er eine Standpauke halten würde, genauso wie L wusste, dass er sich wieder in Lügen verstricken musste.
Doch das hatte Zeit. Wichtig war, dass sie jetzt wieder zusammen waren, dass schneeweiße auf goldener Haut lag, egal, wie verboten das auch sein mochte.
Ineinander verschlungen lagen sie da, wollten nicht anfangen, zu streiten, obwohl dies unvermeidbar war.
Raito löste sich von dem Kuss. "Du Arschloch", stöhnte er. "Ich hasse dich so sehr."
Ryuga grinste, das konnte der Brunette an seinem Hals spüren, bevor der Schwarzhaarige wieder Küsse darauf verteile, leichter als Federn. "Merkt man", gluckste er.
Den ganzen Tag konnte er weder Lächeln noch Lachen.
Doch das hier...
Die Tür ging auf. "Raito, weißt du..."
Yagami Soichiro erstarrte an der Türschwelle, als er seinen Chef auf seinem Sohn liegend sah.
A/N
Glaubt mir, Raito ist sehr böse auf L, und wird ihm auch nicht so schnell verzeihen, aber... Ihre Körper sind nun mal stärker als ihre Geister.
Zumindest in meiner FF. xD
Und Soichiro-san wird wohl wieder endlich etwas Comedy in die Sache bringen, yihaa! xD
Keine Rechte an Death Note und "Let It Rock" (Kevin Rudolf feat. Lil' Wayne). Ich finde das Lied geil, obwohl's Raito nicht tut. xD