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Fake Freak's Kiss

von

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Ein weiterer Anlauf

Flupp, Nummer 9.
 

Ben hielt sich am Montag konsequent von Tobias fern. Er tauschte nach Absprache mit diversen Mitschülern auch seinen Sitzplatz in den drei Profilfächern, so dass er nicht mehr neben Tobias saß. Ab und zu sah Tobias im Unterricht zu ihm herüber, doch Ben ignorierte ihn völlig und schrieb brav mit. Während der Biostunde kritzelte Tobias also kleine Mangafigürchen in seinen Block. Viel mehr als Chibis brachte er noch nicht auf die Reihe, aber er fand sie niedlich mit den runden Köpfen und den komischen Augen. Symmetrie war bei seinen Werken auch noch nicht zu erkennen.

Ben schien schnell anderswo Anschluss zu finden. Tobias sah ihn schon in der zweiten Pause mit ein paar Jungs abziehen, um ins Einkaufszentrum gegenüber der Schule zu gehen. Es fiel Tobias schwer zu leugnen, dass ihn Bens Verhalten verletzte. Er lachte mit seinen neuen Kameraden, er riss Witze mit ihnen und machte Faxen, wie er es eigentlich mit Tobias zu tun pflegte.

Tobias hatte sich nie für einsam an dieser Schule gehalten, aber faktisch war er es. Seine Profilkameraden hatten ihre eigenen Freunde und Tobias war zu schlecht gelaunt, um sich jetzt irgendwo einzuschleimen, um sich nicht zu langweilen. Sei einziger wirklicher Freund war Ben. Diese Erkenntnis tat erst richtig weh.

Tobias zog sein Handy aus seinem Rucksack und schaltete es ein, um sich mit sinnlosen Handyspielen abzulenken. Kurz darauf fing es an zu vibrieren. Er hatte eine Nachricht bekommen, aber sie war offenbar noch ganz frisch. Höchstens ein oder zwei Stunden alt. Tobias öffnete sie, nachdem er gesehen hatte, dass sie von Monami war.

"hey tobias weiß du hast schule aber magst du dich trotzdem treffen ich brauch dich ild monami", lautete der Text. Monami schrieb ihre Kurznachrichten konsequent klein und ohne Satzzeichen. Tobias lächelte leise. Monamis Nachricht war genau das Geschenk des Himmels, auf das er gewartet hatte. Rasch tippte er seine positive Antwort ins Handy und schlug ihr vor, sich in einer halben Stunde bei ihm zu treffen. Während er sich auf den Weg zu seinem Fahrrad machte, bejahte Monami bereits. Tobias schaltete sein Handy wieder aus und fuhr nach Hause.
 

Monami weinte, als sie Tobias an seiner Wohnungstür in die Arme fiel. Tobias zog sie sanft in die Wohnung und streichelte ihr übers Haar, nachdem er die Tür geschlossen hatte. "Hey, Monami, was ist denn passiert?", wollte er wissen, zog sie in eine tröstende Umarmung und lotste sie erst einmal in sein Zimmer. Monami schwieg, bis sie auf Tobias' Bett saß, dann erzählte sie endlich, was sie beschäftigte.

"Meine Eltern haben von dir erfahren", heulte sie und wischte sich vergeblich die Tränen aus dem Gesicht. "Ich hab ein Foto von dir unter mein Kissen gelegt, damit ich morgens drunter greifen und dich ansehen kann, so richtig schön kitschig. Und heute morgen hat mich mein Vater dabei erwischt und mich dazu gezwungen, ihm alles zu erzählen. Er hat mir Hausarrest erteilt und mir verboten, dich je wieder zu sehen." Geräuschvoll zog Monami die Nase hoch. Tobias stand auf und ging zum Schreibtisch, wo er noch eine Packung Taschentücher fand. Mit einem ziemlich hilflosen Lächeln hielt er Monami die Packung hin, als er sich wieder setzte.

"Er hat mir sogar meine Schlüssel weggenommen, alle Wohnungsschlüssel beschlagnahmt und die Wohnungstür abgeschlossen, als er und Mama gegangen sind. Ich war eingesperrt und hab dann den Hausmeister angerufen, damit er seinen Ersatzschlüssel benutzt, um mich raus zu lassen. Ich bin so schnell wie möglich zu dir." Tobias nahm Monami in den Arm, während er sich im Stillen fragte, wie sie es bei so einem Vater ausgehalten hatte. Monami schmiegte sich mit einem Taschentuch an der laufenden Nase an ihn und weinte sich zuckend aus.

Nachdem Monami sich ansatzweise beruhigt hatte, legten sie sich bequem nebeneinander hin. Tobias schwieg, während Monami sich ihre Enttäuschung und Wut über ihren Vater von der Seele redete. "So was hat er sich noch nie geleistet", erzählte sie. "Was der alles wissen wollte! Wo ich dich kennen gelernt hab, was ich mir mit dir vorgestellt hab, wieso ich mir 'nen "Punker" angelacht hätte... Verdammt, es heißt Punk und du bist kein Punk!" Tobias schmunzelte unwillkürlich. Nein, er sah sich auch nicht als Punk. "Falscher Freak" war schon eine ganz angenehme Stilbezeichnung. Außerdem hatte es etwas einzigartiges.

"Stell dir vor, der fragt mich ernsthaft, ob ich schon Sex mit dir gehabt hätte! Boah!", berichtete Monami verärgert. Tobias hob die Brauen. "Findest du das so abwegig?", fragte er kleinlaut. Monami sah ihn erstaunt an, dann errötete sie. Tobias machte sich für einen Augenblick ernsthaft Sorgen um seinen Preis für die am schönsten gefärbte Tomate.

"Du würdest mit mir schlafen wollen?", fragte Monami verlegen. "Warum sollte ich nicht wollen?", stellte Tobias eine Gegenfrage. "Ich liebe dich und ich find dich tierisch sexy, wie kommst du also auf die Idee, ich würde nicht wollen?" Monami wandte den Blick verlegen von Tobias ab und der Zimmerdecke zu. "Du hast nie was versucht, daher dachte ich einfach, du würdest nicht wollen", gab sie zu. "Nicht denken", schmunzelte Tobias. "Fragen. Verhütet Missverständnisse."

Monami zuckte zusammen, als Tobias sich verspielt über sie wälzte und sie flüchtig küsste. "Äh, Tobias, was wird das?", fragte sie. "Nichts", lachte Tobias und küsste sie erneut, diesmal intensiver. Er hatte wirklich nichts vor. Eigentlich probierte und spielte er nur herum.

"Tobias?", flüsterte Monami und legte die Hände auf seine Schultern. Tobias zog ein fragendes Lächeln. "Warum hast du eigentlich nie was versucht, wenn du's doch eigentlich willst?", wollte Monami peinlich berührt wissen. "Weil du mir gesagt hast, du seist noch Jungfrau", erwiderte Tobias. Monami hob die Augenbrauen. "Und was erklärt das?", fragte sie verwirrt. "Sein erstes Mal sollte man nicht mit einer beliebigen Person erleben", seufzte Tobias und kuschelte sich wieder neben Monami. Eigentlich war es viel zu warm zum kuscheln, aber mit Monami war ihm das egal.

"Du bist ja auch keine beliebige Person", widersprach Monami. "Ich wollte, dass sich unsere Beziehung erst mal festigt", gab Tobias zu bedenken. "Schließlich sind wir erst 'ne Woche lang zusammen." "Wir könnten schon länger zusammen sein, wenn ich mal das Maul aufbekommen hätte", lachte Monami. Tobias stockte. "Wie jetzt?", machte er ungläubig. Monami grinste ihn verschmitzt an. "Erst hab ich dich einfach nur für so 'nen Freak gehalten, der 'ne Gleichgesinnte gesucht hat", gab sie zu und ihr Grinsen wurde zu einem schüchternen Lächeln. "Aber ab dem ungefähr vierten Treffen hatte ich Herzklopfen, wann immer ich an dich gedacht oder dich gesehen hab."

"Jetzt ernsthaft?", hakte Tobias fassungslos nach. "Jetzt ernsthaft", nickte Monami. Tobias atmete tief durch, dann lächelte er Momani einfach nur verliebt an. "Du bist so süß, Monami", murmelte er und zog sie sehnsüchtig in seine Arme. Sie schmiegte sich wieder an ihn und seufzte leise.

Eine Weile lang lagen sie so da, dann sagte Monami: "Mein Vater wird mich umbringen und zum Frauenarzt schleppen, wenn ich nach Hause komme." "In der Reihenfolge?", versuchte Tobias einen halbherzigen Witz. Monamis Mundwinkel zuckten sogar ein wenig. "Wieso zum Frauenarzt?", fragte Tobias dann verwundert. "Na, um meine Unschuld zu überprüfen", schnaubte Monami. "Zu meinem Glück gibt’s 'ne ärztliche Schweigepflicht, ich könnt ihren Erfinder knutschen." "Knutsch lieber mich", brummte Tobias in gespielter Eifersucht. Monami lachte und küsste ihn zärtlich.

Tobias mochte es, Monami zu küssen, keine Frage, doch wo sie schon einmal bei dem Thema waren, fehlte ihm ein Funken Leidenschaft. Und genau diese Leidenschaft versuchte er jetzt in diesem Kuss zu finden. Ohne sich von Monamis Lippen zu trennen wälzte er er sich wieder über sie und ließ den Kuss ein wenig fordernder werden. Als er jedoch ganz vorsichtig den Mund öffnete und ihre Lippen mit seiner Zunge anstupste, wich Monami verlegen zurück.

"Das hat sich komisch angefühlt", gab sie zu. Tobias lächelte. "Kein Kunststück, ging mir ähnlich beim ersten Mal, als mir jemand die Zunge in den Hals schieben wollte", beichtete er. Monami errötete. "Ich vergess immer wieder, dass erfahrene Leute auch mal 'n erstes Mal hatten", grinste sie verlegen. Tobias drückte ihr einen Kuss auf die Nasenspitze, dann legte er sich wieder neben sie. Vielleicht war Monami einfach noch nicht so weit.

"Erzähl doch mal", bat Monami. "Wie war's für dich beim ersten Mal?" Tobias lächelte schräg. Das war alles andere als sein Lieblingsthema. "Meinst du jetzt meinen ersten Zungenkuss oder meinen ersten Sex?", schindete er amüsiert Zeit und stützte seinen Kopf in eine Hand. Monami biss sich mit roten Wangen auf die Unterlippe. "Deinen ersten Sex", murmelte sie verlegen. Tobias seufzte lächelnd. Wenigstens war Monami selbst verlegen.

"Beschissen", fasste er erst einmal zusammen. "Und das zweite Mal war auch nicht besser, danach wurde es dann recht schnell besser." "Seit wann so kurz angebunden?", stichelte Monami. "Ich war ja auch noch nicht fertig, meine liebe, ungeduldige Monami", schmunzelte Tobias. "Naja, sie war die Jahrgangsmatratze, irgendwie hatte sie mit fast jedem was gehabt, also hab ich auch mein Glück versucht. Ich war grad vierzehn geworden und ziemlich draufgängerisch für jemanden, der 'ne Scheißangst vor Mädchen hatte." "Du hattest Angst vor Mädchen?", wiederholte Monami skeptisch. "Warum das denn?"

Tobias schnappte sich eine ihrer Haarsträhnen und spielte sinnierend mit ihr. "Ich hab sie nicht verstanden, so was schreckt echt ab", erklärte er. "Gut, ich versteh euch Frauen bis heute nicht wirklich, aber besser als damals allemal." Monami lächelte ihn gedankenverloren an. "Red weiter", bat sie. "Wenn's denn sein muss", kicherte Tobias. "Okay, jedenfalls hab ich sie halt angemacht. Es war nach dem Sportunterricht. Wir hatten den gleichen Sportkurs. Sie hat mich erst mal mit zu sich geschleppt und mir was zu trinken gegeben, ohne mir zu sagen, dass es Alkohol war. Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich Schnaps getrunken hab. Und glaub mir, ich tu's nie wieder."

Tobias unterbrach sich, als Monami sich enger an ihn schmiegte. "Hey, alles klar?", fragte er überrascht. Die wachsende Nähe verschaffte ihm eine Gänsehaut. Ihr Körper fühlte sich so angenehm an. "Ja, alles klar, sorry", lächelte Monami zu ihm hoch. "Red weiter, ich bin nur ein bisschen erschöpft." "Na gut. Aber nicht wegpennen, noch mal erzähl ich dir das nicht", schmunzelte Tobias. Monami schüttelte kichernd den Kopf.

"Okay, wo war ich...?" Zerstreut schob Tobias seine Zunge zwischen seine Lippenpiercings und schloss kurz die Augen. "Ah, ja", machte er, als es ihm einfiel. "Jedenfalls hat sie dann irgendwann angefangen, mich auszuziehen. Mir ist das Herz in die Hose gerutscht, weil ich keinen Dunst hatte, was ich machen sollte. Als sie das gemerkt hat, hat sie kurzerhand die Führung übernommen. Naja, typisch Anfänger hab ichs halt total versaut." Tobias beeilte sich mit dem letzten Satz, da ihm gerade der an der ganzen Geschichte nicht gefiel.

Zwischen ihn und Monami hätte nun wohl kein Blatt mehr gepasst, so eng lag sie bei ihm. Tobias hatte nicht wirklich das Gefühl, dass Monami ihm zugehört hatte. Sie sah ihn unsicher an und knabberte auf ihrer Unterlippe herum. "Hey, irgendwas beschäftigt dich doch, oder?", fragte Tobias und küsste sie auf die Stirn. Monami schluckte, ihre Wangen waren wieder mit einem roten Schimmer überzogen. "Würde...", fing sie an, brach ab und schluckte erneut. Tobias schwieg und lächelte sie nur fragend an. "Würde... würde es dir was ausmachen..." Erneut biss Monami sich auf die Unterlippe.

Tobias legte eine Hand auf ihre Wange und küsste sie liebevoll. So ein Kuss hatte manchmal erstaunliche Beruhigungsmittelqualitäten, wie Tobias wusste. Dass allerdings Monami sich plötzlich an einem Zungenkuss versuchen würde, hatte er nicht erwartet, aber er ging mit Freuden darauf ein, spielte mit ihrer Zunge, lockte sie in seinen Mund oder drängte sie zurück in ihren. Völlig atemlos drückte Monami ihn schließlich von sich. "Du küsst mich schwindlig", behauptete sie mit scharlachroten Wangen.

Tobias grinste nicht ganz ohne Stolz. "Wolltest du mich danach fragen?", wollte er amüsiert wissen. Monami schüttelte sofort den Kopf. "Nein, das war es nicht", seufzte sie. "Ich trau mich nicht, dich zu fragen." Tobias setzte sich gemächlich auf. "Wir können das auch später besprechen", fand er. "Oder ist es dringend?" "Nicht direkt", murmelte Monami beschämt. "Gut", grinste Tobias ahnungslos. "Ich hab nämlich Durst. Willst du auch was trinken?" Monami nickte ein wenig abwesend. Tobias streichelte ihr besorgt übers Haar. "Scheint ja wirklich was mächtiges zu sein, wenn's dich so beschäftigt", stellte er fest. Monami lächelte ihm hilflos zu, dann stand sie auf, zupfte ihren Rock zurecht und folgte ihm in die Küche.

Während sie mit jeweils einem Glas eiskalter Cola in der Küche saßen, kam Tobias' Mutter nach Hause. Sie hatte wohl Mittagspause und schien überrascht, Tobias zu sehen. "Wieso hast du denn schon... Wen haben wir denn da?" Ihr Blick war auf Monami gefallen. "Ich dachte erst, du hättest Ben wieder angeschleppt, aber..." Sie schüttelte lächelnd den Kopf. "Sag mal, Mama, willst du heute noch wieder damit anfangen, deine Sätze zu beenden?", scherzte Tobias. Dana schnaubte amüsiert. "Sicher doch, mein Söhnchen", erwiderte sie.

Monami lächelte ob der Unterhaltung von Mutter und Sohn. "Hey, du lächelst ja wieder!", bemerkte Tobias sofort begeistert. "Ey, ich hab die ganze Zeit gelächelt", erwiderte Monami amüsiert und nahm einen Schluck aus ihrem Glas. "Darf ich jetzt endlich erfahren, wo mein Sohn so eine hübsche junge Dame her hat und wie sie heißt?", mischte sich Dana wieder ein. "Mein Name ist Lena-Katharina Bierke, ich bin Tobias' Freundin", antwortete Monami. "Aber ich werde von allen nur Monami genannt, wenn es Sie nicht stört." "Ach, eine Freundin und ich weiß nichts davon, typisch Tobi", schmunzelte Dana. "Na gut, Monami, ich bin Tobias' große Schwester, wie du sicher schon bemerkt hast" – Tobias prustete in seine Cola – "mein Name ist Dana und du darfst mich gern duzen. Tobias, hör auf zu lachen!" "Ey, komm, Mama, für 'ne große Schwester bist du echt zu alt", lachte Tobias und hatte das Gefühl, an seinem eigenen Gelächter zu ersticken. "Du bist zwanzig Jahre älter als ich!" "Man redet nicht mit einer Frau über ihr Alter, Tobias", erinnerte Monami ihn dezent.

"Ach, bist du süß!", rief Dana entzückt aus und drückte die freudig quietschende Monami an ihre Brust. Tobias hörte schlagartig auf zu lachen, als er feststellte, dass die beiden in etwa die selbe Körbchengröße hatten. Das hatte schon etwas befremdliches.

"Da haben sich wohl zwei gefunden", merkte er an, um sich selbst von seinen beknackten Gedanken abzulenken. Die beiden ignorierten ihn einfach und knuddelten glücklich weiter. Tobias erhob sich. "Ich bin mal eben auf'm Klo", verkündete er ein wenig beleidigt. "Du kennst ja den Weg", grinste Dana und ließ Monami los. "So, du musst mir jetzt alles..." Tobias schloss die Küchentür hinter sich und ging ins Badezimmer. Er wusste, dass seine Mutter Monami jetzt ausquetschen würde. Eltern – besonders Mütter – konnten schon peinlich sein.

Als Tobias wieder in die Küche kam, erzählte Monami Dana gerade von Tobias' Geburtstag. Tobias zog die Tür geräuschvoll zu. Monami unterbrach sich. "Du Schuft", grinste Dana sofort an Tobias gewandt. "Du hast mir 'ne Woche lang dieses quietschsüße Energiebündel verschwiegen, das dir den Kopf verdreht hat? Frechheit!" "Pfff...", machte Tobias. "Ihr Frauen könnt euch echt gut miteinander beschäftigten", seufzte er, ohne die Worte seiner Mutter zu beachten. "Ich geh in mein Zimmer. Monami, du kannst ja nachkommen, wenn Mama dich fertig ausgequetscht hat."

Und damit hatte er die Küche auch schon wieder verlassen. In seinem Zimmer erwartete ihn eine unangenehme Hitze. Er warf sich beleidigt aufs Bett und schaltete per Fernbedienung seine Anlage an, um sich mit The Rasmus beschallen zu lassen. Kurz darauf klopfte es an seiner Tür. "Ja?", rief er desinteressiert und Monami öffnete zaghaft die Tür. Tobias machte die Musik leiser und sah Monami fragend an. Sie trat ein, schloss die Tür hinter sich und setzte sich aufs Bett. "Entschuldige bitte, Tobias", murmelte sie. "Ich werd nur selten von meinen Eltern was gefragt. Dass deine Mutter mich eben so ausgefragt hat, war... keine Ahnung, endlich hat sich mal 'ne Mutter für mich interessiert. Auch wenn's nicht meine eigene Mutter war,verstehst du?"

Tobias richtete sich auf und lächelte unwillkürlich. "Oh, das versteh ich gut", nickte er. "Das ist ja mein Problem. Mich fragt Mama nie irgendwas und plötzlich sitzt du da und sie wird zum Fragebogen, da war ich glatt eifersüchtig." Monami legte den Kopf in Schieflage. "Das musst du doch nicht sein. Ich nehm sie dir schon nicht weg." Ihr Grinsen war so schräg wie ihr Kopf. "Ich weiß", seufzte Tobias lächelnd. "Entschuldige, das war Kurzschluss."

Monami fiel Tobias um den Hals. "Ich dachte schon, du wärst sauer auf mich", lachte sie. Tobias war durch ihr plötzliches Gewicht wieder in die Kissen gefallen. Nun legte er versonnen lächelnd die Arme um sie. "Wie könnte ich?", seufzte er glücklich und vergrub das Gesicht in ihrer Halsbeuge. "Kann ja mal passieren", gluckste Monami und kuschelte sich in seine Arme.

"Sagst du mir jetzt, was dich vorhin so beschäftigt hat?", fragte Tobias nach einer Weile. Monami zuckte spürbar zusammen und drückte sich enger an ihn. "Weiß nicht", murmelte sie. Tobias schmunzelte unwillkürlich. "Muss ich's aus dir raus kitzeln?", fragte er und rieb seine Nase an ihrem Hals. Nachdem das Thema Sex schon einmal angesprochen worden war, hatte er Lust, Monami zu berühren. Ungeniert legte er die Hände auf ihre Seiten und streichelte sie sanft mit den Fingerspitzen. Monami erzitterte.

"Wie fühlt sich das an?", fragte Tobias mit sanfter Stimme, ohne dass seine Finger innehielten. "Es kitzelt ein wenig", flüsterte Monami. "Aber es ist schön..." Tobias lächelte und streifte mit den Fingerspitzen den Saum ihres wie immer tierisch knappen Oberteils. Monami zuckte sachte zusammen, sagte aber nichts. Sie war so sensibel. "Hat dein Ex dich nie angefasst?", wollte Tobias amüsiert wissen und schob frech seine Finger unter ihr enges Oberteil. "Wir waren beide zwölf, da ist so was noch kein wirkliches Thema", erwiderte Monami und fuhr heftig zusammen, als Tobias seine Hände zärtlich über ihre Brüste wandern ließ.

"Soll ich aufhören?", fragte er sofort und wollte sich schon zurückziehen, als Monami mit einem beschämten Lächeln den Kopf schüttelte. "Es ist nur ungewohnt", widersprach sie. "Ich sag schon, wenn ich was nicht will." Tobias atmete beruhigt durch und küsste sie flüchtig. "Aber wirklich, okay?", hakte er nach. Monami nickte.

Tobias zupfte leicht an ihrem Oberteil. "Darf ich's dir ausziehen?", fragte er. Monami setzte sich auf und hob die Arme, um es ihm leichter zu machen. Tobias zog ihr das blaue Kleidungsstück über den Kopf und ließ es achtlos zu Boden fallen. Unter dem Teil trug Monami einen schlichten schwarzen BH. Tobias lächelte, als sie schüchtern den Blick abwandte. "Hey, du musst dich für nichts schämen, okay?" Monami verzog leicht das Gesicht. "Folgender Vorschlag", sagte sie und Tobias hob überrascht die Augenbrauen. "Für jedes Kleidungsstück, dass ich lasse, musst du auch was ausziehen, okay?" Erst glotzte Tobias Monami verblüfft an, dann nickte er. "Meine kleine Emanze", schmunzelte er, doch bevor er dazu kam, sich sein Shirt auszuziehen, klopfte es an der Tür.

"Tobias? Ich geh dann mal wieder zur Arbeit", rief Dana durch die Tür. "Lasst die Wohnung heile, okay? Tschüss!" "Tschüss, Mama!", erwiderte Tobias halbherzig, dann wandte er sich wieder Monami zu. "Hilfst du mir?", fragte er, als hätte seine Mutter sie nie unterbrochen Monami lächelte verschmitzt, bevor sie den Saum seines T-Shirts ergriff und es ihm auszog.

So verfuhren sie weiter. Tobias genoss das kleine Spiel. Er entledigte Monami ihres Rocks, sie zog ihm die Jeans von den Beinen. Und zwischendurch streichelte er sie weiter, erkundete mit den Händen ihren schlanken Körper und verliebte sich in Monamis unerfahrenes Zittern. Ihr Körper reagierte auf wirklich jede Berührung.

Als Tobias sich schlussendlich dem Verschluss ihres BH zuwandte, hielt Monami ihn mit zitternden Fingern auf. "Tobias...", fing sie unschlüssig an und fing seinen Blick mit ihren Augen ein. Sie blickte wie ein verschrecktes Reh. "Hey, es passiert nichts, was wir nicht beide wollen", versprach Tobias ihr lächelnd und ließ seine Hände vorerst auf ihrem Rücken liegen, falls sie ihm ihr Einverständnis gab. Wenn Monami es wollte, würde er gleich jetzt mit ihr schlafen, aber das machte er von ihr abhängig. Schließlich wäre es ihr erstes Mal, nicht seines.

"Das heißt, du würdest...?", fragte Monami. Wieder glühten ihre Wangen rot. Tobias nickte und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. "Liebend gern", erwiderte er. "Ich möchte nur, dass du es auch ganz sicher willst. Aber selbst wenn du willst, können wir jederzeit abbrechen, wenn du Angst bekommst, kein Problem."

Monami schmiegte sich an ihn und barg ihr Gesicht in seiner Halsbeuge. "Ich würde gern ausprobieren, wie weit ich gehen kann", murmelte sie. Tobias hauchte zarte Küsse auf ihren Hals, was sie wieder erzittern ließ. "Dann probieren wir es doch aus", schmunzelte er und legte die Finger an ihren BH-Verschluss. "Darf ich?", fragte er sicherheitshalber noch einmal nach. Monami nickte zaghaft und Tobias nahm ihr den BH mit geübten Fingern ab.

Die Frage nach Monamis Einverständnis stellte Tobias an diesem Nachmittag noch oft, bis er das Gefühl hatte, dass sie keinen Rückzieher mehr machen würde. Die meiste Zeit über dachte er nur daran, dass es Monami gefallen sollte. Entsprechend überrascht war er, als sie ihn zögerlich anfasste. Ihre Hand fühlte sich kühl an, doch ihre schüchternen Finger, die ihn fast versehentlich zu reizen schienen, machten ihn unwahrscheinlich heiß.

Tobias war beim Sex noch nie so vorsichtig gewesen. Es zog das Ganze noch mehr in die Länge, aber das störte ihn nicht. Viel mehr störte es ihn, dass Monami anfangs Schmerzen hatte, die sich allerdings mit der Zeit verzogen.

Als Monami sich hinterher schwer atmend in seine Arme schmiegte, hatte Tobias brutales Herzklopfen. Ein bescheuertes Dauergrinsen setzte sich in seinem Gesicht fest, obwohl ihm irgendwie sein gedankenleerer Kopf fehlte, den er sonst nach dem Sex hatte. Das war sein erstes Mal gewesen, bei dem Gefühle im Spiel gewesen waren und das bescherte ihm ein nahezu perverses Glücksgefühl.

"Eigentlich sollten wir uns jetzt waschen, oder?", murmelte Monami. Sie wirkte ein wenig schläfrig. "Eigentlich ja", bestätigte Tobias mit einem Mal unwillig. Das war ein brutaler Stimmungswechsel gewesen. Da benutzte man schon Kondome und konnte hinterher trotzdem nicht ruhig liegen bleiben. Tobias' größter Wunsch in diesem Zusammenhang war es, einfach mal nach dem Sex in aller Ruhe einschlafen zu können, mit dem Mädchen im Arm, das er liebte. "Dann lass uns noch mal aufstehen", bat Monami. "Ich möcht nicht, dass hier noch irgendwelches Sperma rumkrebst." Tobias schmunzelte über ihre Formulierung, dann kämpfte er sich schwerfällig hoch. "Na gut, dir zuliebe", seufzte er. Monami stand langsam auf. Sie war etwas wackelig auf den Beinen. Tobias stützte sie auf dem Weg ins Badezimmer. Erst dort fiel ihm auf, dass Monami ein dünnes Blutrinnsal den rechten Schenkel hinab lief.

"Sag mal, Monami, deine Tage hast du nicht, oder?", fragte er unsicher. Monami blickte an sich herunter, dann schüttelte sie belustigt den Kopf. "Beim ersten Mal kann's schon mal blutig werden, wusstest du das nicht?", erwiderte sie, während Tobias sie in die Dusche bugsierte. Sie zog ihn hinterher, als er zögerte. "Nö", bestätigte Tobias. "Wieso denn?" "Weil das Jungfernhäutchen zerreißt, du Nuss", grinste Monami. "Dass du so was nicht weißt... Tz, tz, tz, ich bin enttäuscht." "Jetzt weiß ich's ja", schnaubte Tobias und drehte das Wasser auf.
 

Zehn Minuten später lagen sie beide wieder entspannt nebeneinander im Bett. Es war noch hell draußen und die Uhr sprach auch noch nicht von Schlafenszeit, aber Tobias war müde und Monami war schon auf dem Rückweg aus dem Badezimmer fast eingeschlafen. Nun lag sie leise atmend und schlafend in seinen Armen. Tobias hatte unter seinem Kissen eine dünne Kuscheldecke hervor gezogen, weil es für seine eigentliche Decke noch viel zu heiß war. Allerdings lag Tobias auch nicht gern nackt in der Gegend herum. Er brauchte einfach eine Decke.

So richtig einschlafen konnte er dann allerdings doch nicht. Es war einfach zu warm. Still lag er also da und blickte im Zimmer umher. Sein Blick fiel auf seine Schultasche. Er hatte heute morgen immerhin seinen zweiten Leistungskurs geschwänzt, was so gar nicht sein Stil war. Überhaupt schwänzte er irgendwie immer dann, wenn er Probleme mit Ben hatte.

Tobias seufzte schwer. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er sich sein Gehirn aus dem Kopf gezogen und wütend hinein gebissen, um es zu bestrafen, weil es ihm schon wieder eine Überleitung zu Ben beschert hatte. Gut, Gehirnmasse schmeckte wahrscheinlich auch nicht allzu gut. Und seine Probleme mit Ben schmeckten auch nicht. Er hatte keine Lust, Ben nicht mehr sehen zu können. Faktisch konnte er ihn sehen, aber er konnte nicht mit ihm reden, nicht mit ihm herum albern, keinen Scheiß mit ihm bauen. Ben fehlte ihm. Das tat er schon, seit Tobias am Sonntag Bens Wohnung verlassen hatte. Es fehlte ihm, dass ihn keiner mehr "Koala" nannte. Ohne Ben fehlten ihm knapp dreizehn Jahre seines Lebens. Und das war ein großer Teil seines Lebens, immerhin war er erst siebzehn.

Tobias schüttelte leicht den Kopf. Er wurde melodramatisch, das sah ihm nicht ähnlich. Bedrückt stupste er Monami an, um sie zu wecken. Er wollte nicht liegen bleiben, er brauchte ein bisschen frische Luft. Monami wachte nicht auf. Tobias zog vorsichtig seinen Arm unter ihr hervor und kletterte über sie drüber aus dem Bett. Monami schlief ungerührt weiter. Beruhigt öffnete Tobias seinen Kleiderschrank und zog sich an. Danach schrieb er Monami eine kleine Notiz und klebte sie per Klebestreifen an die Tür. Erst dann verließ er das Zimmer, zog sich im Flur seine Schuhe an und betrat den Hausflur.
 

Die Nachmittagssonne brannte Tobias brutal ins Gesicht. Er hatte keine Lust, irgendwo hin zu gehen. Normalerweise wäre er jetzt zu Ben gegangen, aber das kam ja nicht in Frage. Also latschte er einfach los, mal um diese Kurve, mal um jene Kurve, mal geradeaus. Er hatte seinen MP3-Player vergessen und konnte nicht einmal Musik hören. Geld hatte er auch keines mit. Und ungestylt war er auch noch. Er befand sich so ziemlich in der miesesten Verfassung, die er sich derzeit vorstellen konnte. Und Ben war dran schuld.

Tobias seufzte schwer und lehnte sich an die nächstbeste Hauswand. Ben trug keinerlei Schuld an seiner Gefühlssituation, aber er hatte verdammt noch mal nicht das Recht, Tobias so abzuservieren, oder? Tobias schüttelte den Kopf. Natürlich hatte Ben das Recht. Es war nicht nett, aber wenn er wirklich an Tobias "kaputt ging", wie er sich so schön ausgedrückt hatte, dann war es wohl besser so.

Nichtsdestotrotz tat es weh. Besonders, weil Ben so schnell neue Freunde gefunden hatte. Tobias war, so ungern er es sich auch eingestand, eifersüchtig auf diese neuen Freunde. Er hatte nur Stefan aus seinem Profil erkannt, die anderen beiden kannte er höchstens vom Sehen.

Tobias unterdrückte den Impuls, einfach los zu schreien und zu weinen. Er wollte Ben wieder haben, mehr Probleme hatte er nicht. Nur hatte Ben Probleme mit ihm. Tobias tat es unsagbar leid, dass er Bens Gefühle nicht erwidern konnte. Es wäre so viel einfacher gewesen, doch Tobias war nun einmal nicht schwul.

Noch lange stand Tobias an seinem schattigen Plätzchen. Erst, als sich die Schatten in die Länge zu ziehen begannen, machte Tobias sich auf den Rückweg. Monami reagierte ein wenig beleidigt, weil er sie allein gelassen hatte, doch als er sich wieder zu ihr kuschelte, sagte sie nichts mehr. Jetzt konnte er auch endlich einschlafen.
 

Bis Donnerstag blieb es still zwischen Ben und Tobias. So lange verbrachte Tobias seine Pausen in stiller Frustration beim McDonald`s im Einkaufszentrum gegenüber der Schule und kritzelte seinen neuen Zeichenblock voll.

Monami sagte er nichts von Ben. Sie hatte genug eigene Probleme mit ihrem Vater, der ihr derzeit die Hölle heiß machte. Als Monami über Nacht bei Tobias geblieben war, war er komplett ausgerastet und hätte laut Monami beinah die Küche zerlegt. Zwar hatte er ihren Arrest aufgehoben, weil er gemerkt hatte, dass es eh nichts brachte, allerdings hatte er auch ihr Handy und ihren Laptop konfisziert. Das einzige Telefon in der Wohnung stand im Arbeitszimmer des Vaters, welches ohnehin immer abgeschlossen war.

Folglich tauchte Monami häufig unangemeldet bei Tobias auf, aber das störte ihn nicht. Er mochte ihre Gesellschaft, auch wenn sie seinen besten Freund auf Dauer natürlich nicht ersetzen konnte.

Das musste sie aber auch nicht, denn Ben ließ sich am Donnerstag wieder blicken. Tobias saß wie so oft in letzter Zeit beim McDonald's im Einkaufszentrum und zeichnete kleine Mangafiguren in seinen Block, während er sich langsam seine Pommes in den Mund schob, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Tobias hätte sich beinah an seinen Fritten verschluckt. Hustend wandte er sich halb auf seinem Stuhl um und sah Ben direkt ins Gesicht.

"Du machst dich ja ziemlich bei deinem Gekritzel", begrüßte Ben ihn mit einem zaghaften Grinsen. Tobias wurde endlich seinen Hustenanfall los. "Geile Begrüßung nach vier Tagen", stellte er fest, gab sich ablehnend. Sofort verschwand Bens Grinsen und wurde zu einem bedrückten Verziehen der Mundwinkel. "Ich weiß", seufzte er schuldbewusst. "Aber ich musste halt wieder runter kommen, verstehste?"

Tobias schwieg sekundenlang, zeichnete ungerührt weiter und ignorierte Ben erst einmal. "Hey, Tobias...", setzte Ben in fast bettelndem Tonfall an. "Falscher Name", brummte Tobias sofort und blickte verärgert zu ihm hoch. "Wie bitte?", fragte Ben verwundert. "Früher hast du mich Koala genannt, was ist inzwischen so schlimm daran?", erklärte Tobias wütend. Ben ging um ihn herum und ließ sich auf den Stuhl links von ihm fallen. "Es fühlt sich seltsam an, dich so zu nennen, frag mich nicht, wieso", seufzte er kopfschüttelnd.

Tobias blickte auf seine Zeichnung, weil er Ben nicht mehr ansehen wollte, und schob sich eine neue Fritte in den Mund. "Na gut, dann lass es halt", murmelte er enttäuscht. "Aber ich mochte es, wenn du mich so genannt hast."

Sie verfielen in Schweigen, ignorierten die Tatsache, dass der Unterricht in diesem Augenblick begann. Sie schwiegen einander an und keiner wagte es, die Stille zu durchbrechen, die zwischen ihnen lag. Um sie herum war es laut und hektisch, doch zwischen ihnen war es vollkommen still. Sie sahen einander nicht einmal an.

"Ey, Ben, wir kommen zu spät!", rief plötzlich eine Jungenstimme und einer aus Bens neuer Clique schlug ihm sachte auf die Schulter. Wie aus dem Nichts stand er plötzlich da. Tobias kannte seinen Namen gar nicht, aber er wusste, dass sie zusammen Sport hatten. "Ich komm nach, Micha",versprach Ben unbeeindruckt und sah Tobias an. "Ich hab hier nur noch was zu klären." "Yo, geht klar", schnaubte Micha und klang beleidigt. "Quatsch dich nur nicht zu sehr fest. Du kennst Ehlers ja." Und damit war er an ihnen vorbei gerauscht.

"Ehlers? Ach ja, du hast ja jetzt Deutsch." Tobias kam sich selbst dumm vor, dass ihm das so spät einfiel. "Willst du da nicht lieber hin?" "Nicht, bevor wir wieder miteinander reden können", erwiderte Ben ungerührt. "Wozu brauchst du mich noch?", erging Tobias sich in Selbstmitleid. "Du hast doch neue Freunde, diesen Micha da zum Beispiel." Ben seufzte lächelnd. "Das sind Kumpels, Kameraden, Kollegen, wie du's nennen willst", winkte er ab. "Aber du bist halt mein Koala, mein bester Freund. Ich weiß, irgendwie klingt das mädchenhaft, aber... keine Ahnung, das ist halt mein Weltbild." "Das ist mädchenhaft und kitschig", setzte Tobias noch einen drauf und verstand sich selbst nicht. Er hatte sich Ben so sehr zurück gewünscht und jetzt stieß er ihn selbst von sich.

"Mensch, Tobias, es tut mir leid, dass ich dich seit Montag ignoriert hab", brauste Ben jetzt auf. "Ich brauchte Zeit, um mir darüber klar zu werden, wie die Dinge stehen, okay?" Er sprang auf die Füße und wandte sich zum Gehen. "Ich möchte einfach nur meinen besten Freund wieder haben, aber dass du nicht willst, krieg ich ja grad nach allen Regeln der Kunst rein gewürgt. Entschuldige mich." Und schon war er los gelaufen. Tobias saß da und starrte auf seine Zeichnung. Er wollte Ben hinterher, doch er konnte seine Sachen schlecht hier liegen lassen. Außerdem hatte er das komische Gefühl, dass Ben ihn gar nicht sehen wollte. Aber so konnte Tobias die Dinge auch nicht stehen lassen.

"Scheiße", murmelte er sich selbst zu und packte sein Zeug ein, warf sich den Rucksack über die Schulter und rannte los. Wenn er Glück hatte, hatte die Verkehrsampel Ben aufgehalten. Tobias passierte den Ausgang und stand mit einem Mal im strömenden Regen.

"Scheiße!", rief er zornig aus und rannte unter das Vordach des nächsten Eingangs. "Tja, jetzt sind die Zeichnungen nass", bemerkte jemand hinter ihm. Es war Ben, was Tobias doch ein wenig verwunderte. Ben war eigentlich nicht der Typ für mutwillige Verspätungen. "Was machst du denn noch hier?", fragte Tobias ohne jeglichen Vorwurf in der Stimme. Ben schnaubte leise und zog genüsslich an der Zigarette in seiner Hand. Das Bild hatte noch immer etwas äußerst bizarres. "Oh, entschuldige bitte, wenn ich nicht mitbekommen habe, dass dieser Bereich plötzlich schwulenfreie Zone ist", fasste Ben Tobias' Worte völlig falsch auf.

Tobias stampfte verzweifelt mit dem Fuß auf. "Jetzt bezieh doch nicht alles, aber auch wirklich alles, was ich sage, darauf, dass du auf Männer stehst!", schrie er und schubste Ben grob gegen die Wand des Einkaufszentrums. "Wenn das deine Art von Selbstmitleid ist, meinetwegen, aber tu nicht so, als wäre ich schwulenfeindlich, ja?" Tobias hörte, wie Bens T-Shirt zerriss, als er ihn ziemlich brutal bei den Schultern packte, aber er nahm es nicht wirklich wahr. "Verdammt, Ben, ich hab dich vermisst wie Sau, als du plötzlich weg warst. Ich hab dich mit den anderen gesehen, du sahst total unbekümmert aus! Aber mir hast du erzählt, dir ginge es so scheiße wegen mir. Entscheid dich doch mal!"

Es reichte. Tobias konnte nicht mehr. Ihm rollten die Tränen über die Wangen, als er sich wimmernd gegen Ben lehnte und kraftlos mit einer Faust gegen seine Brust schlug. "Ich will meinen besten Freund wieder haben", murmelte er mit erstickter Stimme.

Ben legte zaghaft eine Hand auf Tobias' Rücken. "Mann, Koala, du Idiot", seufzte er. Jetzt fiel Tobias auf, dass Ben eben doch Rauchgeruch anhaftete. "Selber", murmelte er stockend, als Ben plötzlich in die Hocke ging und ihn mit sich zog. "Setz dich hin, Koala", ordnete Ben mit sanfter Stimme an. Tobias tat, wie ihm geheißen, setzte sich neben Ben und legte aus einem inneren Impuls heraus den Kopf auf seine Schulter. Sein Herz schlug noch von der Aufregung und seine Augen tränten weiter vor sich hin.

"Brauchst du 'n Taschentuch?", fragte Ben leise. "Wäre in Erwägung zu ziehen", murmelte Tobias schniefend. Ben kramte eine Weile lang in seiner Tasche herum, dann zog er ein Päckchen Taschentücher hervor und reichte es Tobias. Er zog dankend ein Taschentuch heraus und putzte sich geräuschvoll die Nase. "Alles raus, was keine Miete zahlt", kommentierte Ben in liebevoller Ironie. Tobias konnte sich ein schwaches Auflachen nicht verkneifen und knüllte das Taschentuch zusammen. Ben reichte ihm ein weiteres, mit dem er sich die Tränen aus dem Gesicht wischen und das er noch einmal voll schnauben konnte.

Freilich nützten die Taschentücher nicht viel, da Tobias immer noch am Heulen war. Ben versorgte ihn großzügig weiter mit Taschentüchern. Auf die Frage hin, weshalb er so viele dabei hatte, erwiderte er nur: "Die vermehren sich in meiner Tasche. Phänomenal, oder?" Das entlockte Tobias erneut ein halbherziges Lachen.

"Es tut mir leid, Ben", seufzte Tobias irgendwann mit dem Gefühl, dass er das viel zu oft sagte, um noch glaubwürdig zu klingen. "Vielleicht sollte ich das auch mal sagen", seufzte Ben allerdings. "Wir benehmen uns beide wie idiotische, pubertäre Teenager." "Wir sind ja auch pubertäre Teenager", brummte Tobias. "Und das "idiotisch" möcht ich auch nicht unbedingt streichen." "Eher unterstreichen, was?" Ben grinste müde und zog an einer neuen Zigarette.

"Warum rauchst du eigentlich?", wollte Tobias wissen und wedelte den Qualm mit einer übertrieben tuntigen Handbewegung von sich weg. Ben sah Tobias verwirrt an, dann betrachtete er seine Zigarette. "Keine Ahnung", gab er zu. "Ich hab gehört, es wirke beruhigend. Jetzt bin ich abhängig und nervös bis zum Anschlag, wenn ich nicht rauchen kann. So 'ne Scheiße aber auch, was?" "Wann hast du angefangen?", überging Tobias Bens wahrscheinlich ohnehin rhetorische Frage mit einer Gegenfrage. Ben hob die Augenbrauen und blies in aller Seelenruhe den Rauch aus, bevor er antwortete: "Als ich mich in dich verliebt hab, glaub ich. Vor knapp anderthalb Jahren also." Tobias rutschte instinktiv ein paar Zentimeter von Ben weg. "Bitte was?!"

Ben lachte. "Kleiner Spaß", behauptete er. Tobias wollte ihm nicht so recht glauben. "Ich hab mit dem Rauchen angefangen, als Jonas mit mir Schluss gemacht hat", erzählte Ben. "Und das ist zwei Jahre her." "Jetzt erzähl mir nicht, du bist wirklich schon seit anderthalb Jahren in mich..." Tobias konnte seinen Satz nicht beenden. Wieder lachte Ben. "Schwachsinn, Koala", versicherte er. "Nein, das ist noch nicht so lange her." "Und wie lange?", fragte Tobias, wo sie schon einmal bei dem Thema waren. Ben schmunzelte leise und legte einen Finger an die Lippen. "Das verrate ich dir vielleicht, wenn ich mich neu verliebt hab", gab er sich geheimnisvoll und führte seine stinkende Zigarette wieder an den Mund.

Eine Weile lang saßen sie erneut in Schweigen gehüllt da, bis Tobias leise fragte: "Also kommst du in den Ferien mit nach Warns?" "Wenn du mich dabei haben möchtest, gerne", erwiderte Ben. "Willst du denn dabei sein?", wollte Tobias ernst wissen. Ben rauchte die letzten zwei Züge seiner Zigarette und drückte sie dann sorgfältig auf dem Boden aus. "Ich wäre gern dabei. Wenn du mir versprichst, Kotztüten für mich mitzunehmen." Tobias lachte. "Du kannst dich über die Reling hängen, da hast du doch schon Erfahrung mit", meinte er amüsiert. Ben streckte ihm die Zunge heraus, dann blickte er nachsinnend zur Schule hinüber.

"Meine Mum bezahlt mir übrigens 'n neues Piercing", wechselte er nachdenklich das Thema. "Hast du denn noch Platz für eines?", gluckste Tobias. Bens Ohren waren voller Piercings, er hatte eines in der Lippe und an der Augenbraue hing auch noch eines. Wenn er sich noch viel machen ließ, würde er bald nicht mehr gut aussehen.

"Zungenpiercing", seufzte Ben. "Das wollte ich schon haben, als ich pissige zwölf Jahre alt war, aber meine Mutter hatte immer Angst um meine Geschmacksnerven. Jetzt bin ich angeblich alt genug, um mich nicht mehr bei ihr ausheulen zu dürfen." "Und sie reich genug, um dir das zu bezahlen", schob Tobias grinsend hinterher. "Wann lässt du's machen?"

Ben sah Tobias an, dann antwortete er: "Heute Abend. Ich weiß, dass das nicht mehr bis zum Urlaub verheilt, aber ich wollt's nicht machen lassen, bevor ich mich mit dir versöhnt hab." "Schon kapiert", grinste Tobias. "Du brauchst 'nen Freund zum Händchenhalten." "So in etwa", seufzte Ben lächelnd.

Tobias war bei jedem Piercing dabei gewesen, das Ben sich hatte stechen lassen. Es war unsagbar amüsant dabei zuzusehen, wie Ben zitternd und schwitzend darauf wartete, dass der Piercer endlich anfing. Und noch lustiger war es, wenn er anfing zu beten, es möge bald vorbei sein. Bei einem Zungenpiercing würde das mit dem Beten schwer werden, aber Tobias freute sich trotzdem mit nicht geringer Schadenfreude auf den Termin.

"Also heute Abend? Wann genau?", fragte er nach. "Ich fahr von der Schule aus gleich zum Studio", erwiderte Ben mit einem wissenden Lächeln. "Vergiss es, ich werde nicht wieder jammern." "Das hast du die letzten vier Male auch gesagt", schmunzelte Tobias. "Also gleich nach der Schule. Treffen wir uns bei den Fahrradständern?" Ben nickte. "Apropos Schule", fügte er hinzu. "Der Regen lässt nach und wir haben beide noch zwei Schulstunden. Also, kommst du?" "Yo." Tobias rappelte sich auf und hielt Ben eine helfende Hand hin, die dieser dankend annahm. Während sie mit schnellen Schritten zur Schule liefen, um nicht allzu nass zu werden, fragte Tobias sich bedrückt, wie lang ihre Freundschaft dieses Mal halten würde.



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