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Wandel

Wer will schon ewig leben?
von

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Fabrice

Fabrice
 

„Will ich noch Leben?“, diese Frage spukt in meinem Kopf, schon seit Jahren weiche ich ihr aus, weil ich Angst vor der Antwort habe. Schon früh wurde ich ein Waisenkind und bin aus dem Heim abgehauen, wollte nicht bemitleidet werden, lieber alles selbst erledigen. Geld verdiene ich durch kleinere Jobs, wie Schuhe putzen oder Einkäufe erledigen, es reicht gerade mal für Essen und Trinken, eine Wohnung hab ich nicht. Oft Frage ich mich, ob ich es verdient habe, noch zu leben. Wahrscheinlich. Sonst wäre ich ja nicht in meinen jungen Jahren so verwahrlost und abgemagert.
 

Nun spaziere ich durch die dunklen Gassen von Paris. Einsam, allein und kalt fühle ich mich. Besitze nicht genug Kleidung um mich im aufkommenden Winter vor Kälte zu schützen, geschweige denn ein windgeschütztes Plätzchen zum Schlafen. Endlich habe ich einen kleinen, beleuchteten und vor allem trockenen Hauseingang gefunden, juhu, ein gemütlicheres Bett kann ich mir nicht vorstellen, Naja, jetzt zumindest. Und wieder falle ich erschöpft nieder, gehockt, um mein Haar nicht allzu sehr auf dem Boden schleifen zu lassen, was mir ohne hin nicht gelingt, da meine Haare schon, in aufrechter Position, bis zu meinen Knien reichen. Ich schlief ein.
 

Am nächsten Morgen wusch ich mir mein Gesicht und meine Hände in einem Brunnen nahe eines kleinen Hofes, wo ich mich bei einem der Bewohner der umliegenden Häuser als Putzfrau bewerben will. Ich kämmte mein Haar mit meinem alten Kamm dem schon einige Zähne fehlen, er ist eines der wenigen Dinge, die ich mein Hab und Gut nennen kann. Abgesehen von diesem Kamm besaß ich noch einen kleinen Lederbeutel, eine alte Armbaduhr eines längst verstorbenen Verwandten und ein Medallion meiner Mutter. Als ich fertig mit der morgendlichen Hygiene war, bewegte ich mich mit halb echtem, halb gespielten Lachen auf ein lila-gelbes Haus zu. Ich klingelte.

Eine etwas ältere Frau machte mir auf. Sie musterte mich streng von oben bis unten, dann fragte sie: „Womit kann ich behilflich sein, junge Dame?“ Meine Antwort kam höflich und direkt: „Ich hoffe eher, dass ich Ihnen helfen kann…Im Haushalt. Ob ich mir nicht eine Mahlzeit mit putzen und wischen bei Ihnen verdienen kann?“ Die Frau lächelte mich an und deutete mir, ich solle hinein kommen. Dann stellte ich mich erst einmal höflichst vor: „Mein Name ist Julie, aber Sie können mich nennen, wie Sie es bevorzugen.“ Die Dame nickte und erklärte mir, was ich zu tun hatte. Morgens musste ich zum Bäcker und frische Brötchen holen, Vormittags soll ich die Fenster reinigen und gegen Abend soll ich noch die Böden schrubben, danach sei es mir gestattet fort zu gehen und Spaß zu haben, wohnen dürfe ich natürlich im Gästezimmer. Auf meine Frage, wie lange ich hier Arbeiten könne, bekam ich zur Antwort: „Solang bis ihr Herz bricht.“ Die alte Frau machte mir Angst.
 

Am nächsten Tag machte ich alles so wie sie es sich Vorstellte, abends ging ich dann ein wenig spazieren, danach gesellte ich mich noch zu meiner freundlichen Arbeitgeberin und ging schlafen. Die ganze nächste Woche tat ich dasselbe. An diesem kalten Montag Abend, der Winter war schneller gekommen als gedacht, warnte mich die nette Dame, ich solle nicht den gewohnten Weg gehen, sonst sei alles vorbei. Da sie mir Angst machte, befolgte ich ihren Rat und ging weiter in die Stadt hinein. Als ich gerade nicht aufpasste, weil ich meinen Gedanken nachhing, passierte es, ich wurde von einem Auto angefahren. Alles wurde schwarz, ich sah nichts mehr und dachte, jetzt würde ich bald meinen Eltern begegnen, dem war aber nicht so. Irgendetwas hob mich hoch, so ein leichtes überirdisches Gefühl besänftigte mich, ich dachte ich würde sterben. Dann fiel ich, oder wurde abgesetzt oder so ähnlich, denn plötzlich spürte ich etwas Kaltes, Weiches um mich herum. Schnee? Ich fühlte Geborgenheit, trotz der Kälte und Frieden, trotz des Unwissens was gerade geschähe. Ich spürte einen Stich, dann noch einen, und noch ein paar mehr. Erst am Handgelenk, dann an der Schulter, im Genick, an der Wirbelsäule, in der Kniekehle und zu letzt an meinem Hals. Was ist das? Langsam bekam ich wieder ein Gefühl in meinem Körper, auch wenn es ein weichendes Gefühl war, ich spürte Etwas, als ob mir mein Leben genommen wird. Dann fühlte ich nichts mehr, nur meine Augen flackerten, ein Schatten bewegte sich davor, presste sich gegen meinen Mund und zwang mich, etwas zu schlucken. Ich kannte den Geschmack nicht. Dann schlief ich ein, oder starb, so wie ich in dem Moment dachte.
 

Plötzlich stieß mich etwas in einen Fluss, ich wurde wach. Erschrocken starrte ich um mich, dann entdeckte ich am Ufer einen schönen, jungen Mann. Er winkte mir. Sollte ich zu ihm kommen? Die Frage blieb mir im Hals stecken, als ich sah wie er zu mir in die Mitte des Flusses schwebte. Er schwebte. Dann vernahm ich seine zarte Stimme: „Na, bist du gut auf der anderen Seite angekommen?“ Er lachte. „Bin ich tot?“, fragte ich sogleich. Er hielt mir eine Hand hin, die ich ergriff. Er nahm mich zum Ufer mit und fing mit der ‚Grunderklärung’ an, wie er es nannte. Er sagte: „Erstens, in gewisser weise bist du tot und doch lebst du noch. Zweitens, schau dich um, für dich strahlt alles wie zur hellsten Stunde des Tages, doch ist es tiefste Nacht. Drittens, du wirst dein totes Leben auf dem Leben der Menschen aufbauen müssen.“ Ich verstand es nicht. Dann blickte ich mich um, er hatte recht, der Mond schien fast gar nicht und doch konnte ich alles klar sehen. Ich setzte zum sprechen an: „Wie…“, er hielt mir den Finger vor den Mund und grinste, nun sah ich sie das erste Mal, Zähne, spitze, länglichere Zähne, in den Mundwinkeln, mir verschlug es den Atem. Er sagte noch einmal: „Von nun an musst du wie ich und die anderen die so sind wie wir, dich von den Leben der Menschen ernähren…von Blut.“ Nun verstand ich. Es fühlte sich an, wie in einem Horrorfilm, doch es war real. Ich starrte vor mich hin. Der junge Mann fasste meine Hand und sagte mir: „Junge Lady, nun muss ich mich verabschieden, ich denke, Sie werden auch ohne meine Hilfe am Leben bleiben, doch falls Sie einmal in Schwierigkeiten stecken…wie sie mich rufen können sollen Sie selbst lernen. Merken sie sich einfach meinen Namen ‚Fabrice’.“ Dann verschwand er in der strahlenden Nacht.



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