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Kuriose Merkwürdigkeiten Einer Liebe

KURIOSE MERKWÜRDIGKEITEN EINER LIEBE
 


 

Seht ihr diesen Jungen da?

Ja, genau, der mit dem unsteten Blick, der, der die Lehrer zum Weinen und die Jungs zum Sich-In-Die-Hose-Pissen bringt. Dies ist mein Freund, meine große Liebe, mein Seelenverwandter. Glaubt ihr nicht? Stimmt, ich vergaß. Ihr wisst schließlich, wer ich bin und was und wieso und sowieso seid ihr viel klüger als ich, hm?

Ich weiß nicht, was ihr entdeckt, wenn ihr mich anseht – manchmal ist ein Blick eines Dritten gar nicht mal so schlecht – aber wenn ich mich im Spiegel betrachte, dann frage ich mich doch hin und wieder, genau wie ihr, warum ich mit diesem Typen zusammen bin. Ich bin hübsch, oh ja, sehr hübsch. Und ich habe den Ruf als anständiges Mädchen mit süßem Mund weg, seit dieser Liste damals in der Achten, als rumgefragt wurde, wer das heißeste Mädchen der Klassenstufe ist. Nein, ich bin nicht sexiest girl dieser High School, aber ich bin zumindest genug, dass belesene Jungs und untadelige Footballspieler sich nach mir umdrehen.

Dieser Junge, mein Junge, sagt immer, ich bin eine sommerlaue Regennacht – und manchmal frage ich mich, wieso. So wie ich mich in letzter Zeit sowieso immer frage, wieso – denn ich verstehe es leider besser, als es gut für mich und meinen unglaublich labilen Geisteszustand sein würde.
 

„Hey, Ria!“ Merkt ihr’s? Selbst mein Name ist nett. Ma-ri-a. Eklig. Vor mir steht der allseits beliebte und einfühlsame Maximilian, Stufensprecher mit süßem Lächeln und anziehenden Grübchen.

„Hallo, Max.“ Ich warte ab. Und hey – schaut bloß nicht so. Wenn ich warten kann, werdet ihr das auch können. Ihr werdet schon noch die Pointe dieses Gesprächs sehen.

„Ich… ähm, na ja, jetzt, wo ich mich-… um die Belange meiner Mitschüler sorgen soll“, er zuckt unsicher mit den Schultern, „also, was ich fragen will: Bist… bist du noch mit ihm zusammen?“ Na? Seht ihr jetzt, was ich gemeint habe? Mit ihm. Ist sein Name jetzt schon eine ansteckende Krankheit, oder was?

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht, Max.“ Ich kann mittlerweile nicht mehr einschätzen, was für einen Ton ich Leuten wie ihm gegenüber anschlage, und ehrlich – es ist mir auch ziemlich egal.

Max’ Gesicht verzieht sich gekränkt. Natürlich. Wie konnte ich bloß vergessen! Uns verbindet, müsst ihr wissen, eine tiefe und innige Beziehung, wie er des öfteren schon erwähnt hat. Ich mach ihm da keine Vorwürfe – die Stufenwahlen waren knapp und so einen Eyecatcher wie gewisse Hintergrundinformationen zu der größten Sache des Jahres darf man sich nicht entgehen lassen. Und da ich versuche, ehrlich zu bleiben, kommt hier die große Enthüllung: Max und ich – jahhh, wir waren mal miteinander aus. Vor einem halben Jahr bei McDonalds und er hat für mich bezahlt und es war nett – sehr nett. Dass daraus nicht mehr geworden ist, dafür kann schließlich niemand was. Zumindest nicht so sehr. Hoffe ich.

„Ich mach mir Sorgen um dich, Ria.“ Uhh, er zieht das Besorgter-Freund-Register auf! Chapeau! Und ich kann mir ein Lachen nicht verkneifen. „Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Süßer.“ Dann klopfe ich ihm auf die Schulter und gehe den Gang entlang in meine Englischklasse.
 

Was mich dort erwartet, ist nicht viel besser, wenn ich ehrlich bin. In der einen Ecke sitzt Taylor, deren besorgte Blicke ich im Moment echt nicht ertrage, in der anderen Andrew, der gerade mit Taylor Schluss gemacht hat, und gedankenverloren in unsrer Lektüre krakelt. Und natürlich, mitten in der Klasse, sitzt Griffin. Griffin. Griff-in. Grif-fin. Griffin. Komisch. Egal, wie sehr ich den Namen anders intoniere – es ist immer wieder nur ein Name und kein Terrorangriffalarm. Ich frage mich echt, wie dieser Junge es tatsächlich geschafft hat, sich innerhalb einiger Jahre so stark zu etablieren, dass den Frischlingen bei seinem Namen Angst und Bange wird. Die Leute auf dieser Schule werden ihren zukünftigen Sohn niemals Griffin taufen, und sie werden immer wieder dieses mulmige Schluck-Gefühl haben, wenn sie einen Kollegen kennenlernen, der diesen Namen trägt. Ich beiße mir auf die Unterlippe, wühle in meiner Tasche nach meinem Lieblingskugelschreiber und überlege mir noch andere alberne Dinge, um Zeit zu schinden, die ich damit verbringe, panisch zu überlegen, neben wem ich es in den nächsten Minuten am besten aushalten werde und bei wem die Nebenwirkungen und das Gemurmel sich am meisten in Grenzen halten wird. Ich stöhne innerlich, als ich mich Andrew nähere und mich dann mit einem lauten Plumps neben ihn fallen lasse: „Gott des Wahnsinns, rette mich.“ Andrew lacht mich aus und nicht zum ersten Mal in diesen Monaten frage ich mich, ob ich nicht vielleicht eine masochistische Ader habe. Soweit ich weiß, hat meine Mutter meinen Vater schon seit dem Studium an der Backe – freiwillig. So erklärt sich zumindest das. Und wenn ich mal Revue passieren lasse… doch, könnte hinkommen.

Ich zähle mal für euch zusammen: Zuerst treffe ich vor sechs Monaten beim Nachsitzen auf diesen Jungen, Griffin, den Schulbösewicht. Dann verliebe ich mich in ihn. Wollt ihr noch mehr Grausamkeit? Er verliebt sich auch in mich. Und wir kommen zusammen.

Seht ihr? All dies ist fatal.

Jetzt kommt unsre Englischlehrerin in den Raum, eine Frau, deren Blütezeit vorbei ist, und die sich ihre Haare pink gefärbt hat und öfter mal rote Kontaktlinsen trägt, mit Shakespeares berühmten Worte auf den Lippen: „Sein oder nicht sein, das ist hier die Frage!“

Manchmal frage ich mich, ob sie nicht auf so einer Cosplay-Convention besser dran wäre. Oder in einem Hippiezirkus.

Andrew murmelt „Auftritt Arschloch“ und routinemäßig drehe ich mich zu Griffin, der in diesem Moment seine Sachen zusammenklaubt und aus dem Unterricht geht. Ms Thompsen schreibt es nicht mal mehr auf. Vielleicht mag sie ihn ja.

Guter Witz, huh?
 

°°°
 

Normalerweise habe ich mit meinen Freunden in der Kantine gegessen, aber jetzt, wo ich entweder genervt von ihnen, oder sie eben von mir sind, setze ich mich lieber auf eine nette Grünfläche neben dem Sportplatz und esse Haferflocken-Vollkornbrote, die meine große Schwester momentan am liebsten mit Bananenscheiben und Salz belegt, weil sie meint, damit hätten die Maya früher böse Geister vertrieben. Ich will einzig erwähnen, dass es eklig schmeckt. Nur, dass ihr Bescheid wisst und euch niemals von eurer Schwester so’n… Zeug auftischen lasst.

Ein Schatten fällt auf mich und ich weiß, Lady Kummerkasten will mich wieder einmal retten. Ich seufze. „Taylor, setz dich doch.“ Und steh mir gefälligst nicht in der Sonne. Würd ich echt gern sagen – aber ehrlich, ihr würdet euch auch nicht gern mit Taylor anlegen. Schon gar nicht, wenn ihr mit Griffin zusammen seid.

Taylor ist für mich das, was einer besten Freundin am nächsten kommt. Das ist das Problematische, denn ich hasse beste Freundinnen mit ihrer Anhänglichkeit und ihrem Gehabe und ihren Insidern und all dem. Gut, okay, streicht den letzten Satz, der war gelogen. Ich bin ein Mädchen wie jedes andere und ganz einfach aus einer Natur heraus liebe ich es, zu reden und zu giggeln und natürlich auch zu tratschen und mich über albernen Liebeskummer ausweinen zu können. Taylor ist ein liebes Mädchen, in der ganzen Schule bekannt dafür, immer Pfirsichnektar und ein offenes Ohr zu haben, und sie hat mich zu ihrer besten Freundin erkürt. Ich sollte mich geehrt fühlen, so einfach ist das.

Taylor O’Bryan ist eine dieser klassischen Schönheiten mit blassem perfekten Teint und dichtbewimperten nussbraunen Augen und sie nutzt es vollkommen aus. Ihrem Augengeklimper kann niemand widerstehen – wahrscheinlich wird auch Andrew spätestens in zwei Wochen wieder bei ihr zu Kreuze kriechen und sie wird ihn zurücknehmen, weil sie ihm nun mal einfach verfallen ist und weil es so schrecklich gut zu ihr passt, einen intellektuellen Außenseiter mit Scheißdrauf-Image an der Angel zu haben. Nicht böse gemeint. Die Wahrheit ist es dennoch.

„Danke, Maria.“ Taylor ist die einzige Person in dieser und allen anderen Galaxien, der ich es nachsehe, wenn sie mich Maria nennt – und das auch nur, weil sie so eine weiche angenehme Stimme hat, mit der dieser Name tatsächlich nach jungfräulichem Weiß klingt statt nach Fischweib in Camaar. Sie legt ihre Tasche neben meine, setzt sich in den Schneidersitz und holt dann zwei überaus verführerisch aussehende Muffins hervor. Ist euch nun klar, was für ein Biest dieses Mädchen ist? „Karamell oder Schoko?“, fragt sie mit einem Kichern in der Stimme.

„Du solltest wissen, edle Taylor, dass Ria für Karamell morden würde.“ Einsatz Griffin. War so klar. Ich denke, ich brauche keine großen Erklärungen abgeben, liebe Leute. Ihr hört es doch und ihr seid schließlich auch nicht blind. Selbst in diesen zehn Wörtern ist so viel Dynamit und Arschloch enthalten, dass Taylor gar nicht anders kann, als rot zu werden und hastig den Blick zu senken. Griffin grinst spöttisch. Was für ein Wichser. Und den hab ich mir tatsächlich an Land geholt? Ich bin so eine Idiotin.

Und dann – sieht er mich an. Grau sind seine Augen. Sturmwettergrau. In diesem Moment. Hört ihr das? Oh Gott, ich hoffe nicht. Und scheiße, ihr merkt es doch, oder? Wie fahrig meine Hände werden, als ich den Muffin von Taylor nehme, wie unsicher, als ich nach meiner Wasserflasche greife und dabei nahezu Griffins Arm berühren muss.

Das ist die Erklärung dafür. Eine andere gibt es nicht.

Ich bin in diesen Jungen verliebt.

Und so sehr ich mich auch dagegen sträube – ich glaube kaum, dass Griffin mich jemals wieder gehen lässt. Dazu bräuchte er Dinge wie Empathie oder Freundlichkeit oder dieses romantische Denken, das manche Kerle pflegen. Ihr wisst schon: Ich lass dich gehen, weil du nur ohne mich glücklich wirst. Vergiss mich. Ich liebe dich.

Pusteblume. Falls Griffin tatsächlich glücklich ist, wenn er mit mir zusammen ist, falls er wirklich Gefühle für mich hat – dann zählt für ihn alleine das. Dann ist es ein unwichtiger Nebenpunkt, ob ich will oder nicht. Er wird mich niemals gehen lassen.

Ach kommt schon, seht mich doch nicht so skeptisch an! Ja, ich weiß. Niemand von euch Deppen braucht mir zu sagen, dass ich eh nicht gehen will. Es gibt genügend Momente am Tag, an denen mir das selbst klar wird. Schrecklich. Dieses Gefühl. Ich rate euch dringlichst: Wenn ihr der Liebe aus dem Weg gehen könnt, macht das auch. Oder ihr werdet enden wie ich.

Als Taylor sich genügend gesammelt hat, versucht sie ihrer Stimme ein wenig ihrer alten Kummerkastenkraft zu verleihen: „Ich gehe jetzt.“ Aber viel mehr sagt ihr missbilligender Blick. Mach endlich Schluss mit diesem Versager, sagt er. Du hast was Bessres verdient.

Ist mir durchaus bewusst, liebste Taylor. Und, was gedenkst du, soll ich tun?

Sie wendet den Kopf ab, steht schnell auf, erwischt ihre Sachen und läuft Richtung Bücherei. Ich hebe den Blick und schließe meine Augen vor der flimmernden Sonne. Mehr kann ich nicht machen. Niemals mehr.
 

„Hey Ria; hey Arschloch! Na, wie geht’s euch?“ Andrew kommt vorbei, fläzt sich sofort zu uns ins Gras und greift nach meinem unberührten Muffin.

Andrew Parker ist, seit ich denken kann, immer da gewesen. Er war in meinem Kindergarten, in der Primary School, Middle School – und jetzt sogar hier. Wenn ich nicht schon behaupten würde, Griffin sei mein fleisch gewordener Albtraum, würde ich diesen Titel mit Ehre und Sahnetorte an Andrew weitergeben. Aber ich will natürlich nicht gleich einen auf theatralisch machen, was meint ihr?

„Warum gehst du nicht einfach sterben, Alter?“, erwidert Griffin ungerührt und greift in seine Jackentasche nach seiner Zigarettenschachtel.

Oh, ich sehe was, was ihr nicht seht, und das sind eure Stirnen! Noch so’n Laster, steht da drauf, und: Ob der Marihuana raucht? Ich kann euch beruhigen – hoffe ich zumindest, denn falls ihr andere Informationsquellen haben solltet, dann werde ich wohl in Panik ausbrechen müssen, wenn dieser versoffene und arrogante Schleimbeutel auch noch andere Sachen macht. Er raucht. Oft. Er kifft. Manchmal. Und er ist einem Bier – oder zwei, drei, vier – nicht abgeneigt, aber das ist schließlich nichts Außergewöhnliches, in keiner Hinsicht. Nur ist es bei ihm plötzlich der erste Schritt in die Sucht, bis er später an irgendeiner mysteriösen Leberkrankheit plus Lungenkrebs verstirbt, wohingegen alle anderen Jugendlichen auf der Welt nur ein bisschen chillen – welch impertinentes Wort – wollen. Ihr würdet doch niemals über die Stränge schlagen, oder? Ich sehe euch eure hübschen Köpflein schütteln? Sehr schön.

Andrew findet Griffin lustig. Keine Ahnung, was bei dem schief gelaufen ist, aber irgendwie fühlt er sich nicht… beleidigt. Weiß der Geier, wieso. Andererseits ist Andrew auch wie jeder andere von Griffins Potential als Vollspacken des Jahrhunderts überzeugt und somit schließt sich der Kreis wieder und wir sind beim Anfang. Und drehen uns weiter. Immer und immer wieder.

„Lass mich in Ruhe, Andrew“, sage ich.

Er zuckt unberührt mit den Schultern: „Hast du Taylor gesehen?“

„Nein“, lügt Griffin sanft. „Haben wir nicht.“ Wer würde ihm nicht glauben?

Andrew hebt eine Augenbraue, aber das ist eigentlich ziemlich egal. Ich ächze und halte mich nur knapp davon ab, ihn zu schlagen. „Geh sie einfach suchen.“

Er küsst mich als Antwort auf die Wange, wuschelt mir einmal mit Schwung durch die Haare und weg ist meine Frisur und mein bester und komischster Freund dazu.
 

Und dann sind wir allein. Furchtbar.
 


 

Ihr fragt euch sicherlich, was ein Mädchen wie ich und ein Junge wie Griffin machen, wenn sie alleine sind. Am besten noch in einem leeren Klassenzimmer oder auf der Mädchentoilette, um die pervers Angehauchten unter euch zufrieden zu stellen. Sicherlich, wir könnten rumknutschen und fummeln und all das. Könnten wir. Tun wir aber nicht.

Oh, und streicht das Klassenzimmer weg. Die Schule ist aus.

Also machen wir uns auf zu mir nach Hause, und auf dem Weg dahin reicht es mir, dass Griffin mich so komisch wie immer ansieht und ich mir vorkomme, als hätte ich ein Loch in meinem Bauch, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob meine Gedärme rausfallen oder nicht. Iehh. Ich bin eklig.

Wir gehen eigentlich immer zu mir. Oder irgendwo anders hin. Um genau zu sein, habe ich Griffins Heim ungefähr fünf Mal innerhalb von sechs Monaten gesehen und davon auch nur Toilette, Küche und Griffins Zimmer. Das Gute an zu mir ist die Tatsache, dass meine Eltern in einem kleinen Familienbetrieb mit meinen beiden Tanten und ihren Männern arbeiten und sie so gut wie alles selbst arbeiten – dementsprechend spät kommen sie auch immer nach Hause.

Zwei Punkte sind damit erfüllt: Privatsphäre. Und Heimvorteil.

Was auch immer das mir bei Griffin helfen soll.

Er verändert sich nicht, das ist das Problem. Griffin ist… einfach immer Griffin, in jeder Situation, und es hat absolut nichts mit Image zu tun, dass er immer so ein Riesenwichser ist und jeden beleidigt und sowieso. Ich hab ihn mal gefragt, ob er wirklich alle so verabscheut, wie er tut, und er hat gesagt, dass er es nicht weiß – was mich schließen lässt, dass all diese Leute ihm tatsächlich nicht wichtig genug sind, dass er sich nicht zumindest ein kleines wenig um sie kümmert.

Auf einmal aber weiß ich nicht, ob ich ihm wichtig genug bin, und dann bemerke ich wieder, wie mädchenhaft ich mich verhalte, weil ich doch schließlich zumindest das Eine weiß, und das ist, dass Griffin tatsächlich in mich verliebt ist. Wenn schon nichts anderes Positives für ihn spricht, dann zumindest das. Liebe ist doch immer ein edler Punkt, oder?

Das sagen die Leute zumindest andauernd, aber wenn ihr selbst ehrlich seid, dann müsst ihr zugeben, dass es eine langatmige Floskel ist, oder? Mir zumindest hat seine Liebe nichts als Ärger gebracht, zumindest von dem einen Gesichtspunkt aus gesehen: Mein Image ist jetzt nur noch schlagzeileninteressant, meine Clique hat sich aufgelöst, weil ich mit diesem Megasuperschurken zusammen bin, und alle Welt fragt mich verdammt noch mal, ob ich den Verstand verloren habe, mit solch einem rohen Kerl verkehren zu können. Hat das was Positives? Ich hab zumindest bisher noch nie gehört, dass er vielleicht ein Idiot ist, aber doch irgendwas haben muss, weil er in mich verliebt ist. Ihr etwa? Wenn ja, sagt mir Bescheid – würd mich aufmuntern.

Liebe hat nie etwas in den Augen der Menschen geschaffen, das sich positiv ausgewirkt hat, wenn der eine nicht passt. Oder glaubt ihr, man würde einem Mörder ein wenig mehr Nächstenliebe entgegenbringen, wenn er ganz offensichtlich seine Frau abgöttisch liebt? Sicherlich nicht.

Und damit klärt sich auch diese Frage.
 

°°°
 

Ich sehe kaum die Hand vor Augen, als mein Freund – findet ihr den Klang dieser Worte in Verbindung mit Griffin auch so ekelhaft? Ja? Gut, dann bin ich zumindest nicht die einzige – und wir über das Tor zum Stadtpark klettern und uns irgendwo in der Nähe eines Brunnens auf eine Bank setzen.

Merkt ihr, wozu er mich verleitet? Ich tue illegale Dinge! Seht her, irgendwann werde ich vielleicht sogar einen Kaugummi klauen gehen! Oder schlimmer! Kein Trinkgeld zahlen!

Griffin steht nicht so auf dieses Kitschi-Liebesbekundigungszeug. Meistens sagt er mir, dass er mich liebt, wenn ich Dinge labere wie „Ich muss mal“ oder „Spaghetti oder Spirelli?“

Es ist zum Mäusemelken.
 

„Tut mir leid“, murmelt er irgendwann in die Dunkelheit. Zwischen uns ist immer noch dieser Sicherheitsabstand, den, den ich suche, wann immer ich kann. Weil ich vielleicht doch noch Angst vor ihm habe.

„Was?“ Ich schlucke rau.

„Das alles. Dass ich nicht mit dir Schluss mache.“

„Und wirst du?“

Er schüttelt sachte den Kopf und seine dunkelbraunen Haarfransen fallen ihm ins Gesicht. Sein Lächeln ist selbstironisch. Und ein bisschen traurig. „Sorry, das ist nicht mit drin.“

Na, was hab ich gesagt? Er funktioniert nicht so. Was man von ihm erwartet, das wird man sicherlich nicht finden. Niemals. Dafür hat er gesorgt.

Er sucht meine Hand im Dunklen, findet sie. Wisst ihr, wie das ist? Dieses flatternde Ding in der Brust zu spüren, das Sachen veranstaltet, die ihr bei vollem Verstand nicht einmal denken würdet?

Griffin hebt meine Hand, führt sie an seinen Mund, berührt sie, nur ganz kurz. Weil das reicht. Mein Herz bebt. Mit der freien Hand fahre ich in sein Haar. „Du solltest mal wieder zum Friseur, Bursche.“

Seine Augen sind durchsichtig in der mondlosen Nacht, und ich sehe darin so plötzlich alles, dass ich mich geplättet fühle. Er will mich küssen. „Willst du mit mir Schluss machen, Ria?“ Er grinst verächtlich. „Das könnte ich gut nachvollziehen, weißt du? Max würde dich sofort nehmen.“

„Natürlich will ich, du Depp. Ich hasse dich“, antworte ich schnippisch.

„Gut“, murmelt er. Dann küsst er mich. Da ist keine Sanftheit, aber die hat es bei ihm noch nie gegeben. Realität. Verlangen. Und dahinter diese schroffe Liebe, die ich auf seiner Zungenspitze schmecke, die Echtheit seiner Gefühle hinter der Maskerade, die keine ist und es niemals sein wird. Ich falle. Für diesen Moment.
 

Ich denke, ihr könnt es nicht glauben. Ich kann es ja selbst nicht glauben. Aber das ist der Grund dafür, dass ich nicht einfach gehe.

Weil er mich nicht gehen lässt.

Weil du nicht gehen willst. Genau, Leute. Vielleicht liebe ich ihn ja doch. Vielleicht zwingt er mich gar nicht.
 

Irgendwann seht ihr’s noch ein. Versprochen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  PenAmour
2010-03-26T23:03:04+00:00 27.03.2010 00:03
Ich bin sehr begeistert von deinem Erzähl- und Schreibstil. Der unterschwellige Sarkasmus umschmeichelt den Leser, während die Erzählperspekte - personaler Ich-Erzähler ist normalerweise gar nicht mein Ding - hier sehr gut gewählt ist, weil dieses Gespräch zwischen Ria und dem Leser erfrischend und gleichzeitig sehr mitreißend ist.
Bis dahin
PenAmour
Von:  Sans
2009-10-04T14:47:30+00:00 04.10.2009 16:47
Also eiegntlich lese ich ganz selten "eigene serie" Geschichten, aber bei deiner bin ic neugierig geworden.
Und siehe da, ich wurde nicht enttäuscht. Mir gefällt die Geschichte und deinen SChriebstil liebe ich ja sowieso. [Ich bin SChwarzleser, deswegen weißt du vllt nicht, dass ich deine ganzen FF´s gelesen hab ^^]

Zurück zum Thema. Die Story ist total cool, ich liebe dieses zynische, und auch das es keine kitschige liebsegechichte ist.! Wirklich wundertoll.!
LG Sans
Von: abgemeldet
2009-05-27T11:37:58+00:00 27.05.2009 13:37
Dies ist mitunter die klischeeunbehafteste, realitätsnächste und zynischste FF die ich bis jetzt zum Thema Liebe gelesen habe und jeder Augenblick davon war ein Segen gegen das übliche Bubblegumverhalten der virtuellen und realen Welt. Danke für 5 Minuten Dauergrinsen und die Erkenntnis, dass Liebe irgendwie toll sein kann. Bedingt.
Von:  Number42
2009-05-04T17:45:33+00:00 04.05.2009 19:45
wow...ich weiß nicht was ich schreiben soll, das is eine dieser ff's wo man einfach nur denk "wow" (ich hoffe du verstehst was ich mein)
auf jeden fall ist diese ff einfach hammer und jeder der was anderes behauptet gehört geköpft, besonderst dein schreibstil ist toll
ok, mehr kann ich nicht schreiben, da ist immer noch dieser wow-effekt^^
*kekse hinstell* lg, mimi-moon


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