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Der Idiot und die Trennung

Der Idiot und die Trennung
 


 

„Ich bin schwul.“
 

Taylor verschluckt sich an ihrem Pfirsichnektar und sieht mich aus großen Vollmilch-Nuss-Augen an. Ihre Augen sind wirklich wunderschön. Mit langen Wimpern und einem warmen Schimmern darin, immerzu; sie ist das bewundernswerteste Mädchen, das ich kenne.

Oder zumindest hat sie die bewundernswertesten Augen.
 

Ich klopfe ihr auf leicht auf den Rücken, während ihr Tränen in die Augen treten. Es wäre nicht so gut, wenn sie jetzt anfangen würde, zu heulen. Für ihr Make-up, meine ich.
 

Ha. Ha.
 

Ich bin so witzig, findet ihr nicht auch?
 

Was?“, prustet Taylor, während sie den Pfirsichnektar, der ihr aus der Nase läuft, mit einem Kleenex wegwischt.

„Ich habe eine homosexuelle Veranlagung“, sage ich. Vielleicht klingt es für sie so… wissenschaftlicher, vielleicht ist sie dann nicht so emotional geladen und schlägt mich nicht an unangenehmen Stellen.
 

Okay, nehmt das zurück.
 

War klar, dass sie anfängt, zu flennen. Das macht sie immer. Ich habe schon mindestens zehn Mal mit ihr Schluss gemacht, und egal, welche Masche sie davor abzieht, das Heulen kommt immer. Heute hatte sie offensichtlich Lust auf die direkte Lösung: Auf die Tränendrüse drücken und hoffen, dass ich weich werde.

Werd ich aber nicht. Hoffe ich.

„N-n-neiiin! L-lüg mich v-v-v-verda-dammt noch mal nicht an, du Wichser!“, schluchzt sie. Wichsen? Ts, ts. „Wie kannst du m-miiiir das b-b-bloß antu-tu-tun! Ich liebe-be dich, du k-kannst das d-doch nicht ma-machen!“, brabbelt sie weiter, während ich betreten neben ihr sitze und ihr den Rücken tätschle. Die Tränen kullern von ihrem Gesicht und einige davon landen auf ihrem Jeansrock. Sie malen Muster auf dem Stoff und die Tropfen breiten sich aus wie ein verdammtes Kunststück. Plötzlich schreit sie, klatscht mir eine, springt auf: „Du perverser Sack!“ Nun, zumindest stottert sie nicht mehr. Und sie hickst auch nicht. „Starr mir nicht auf die Beine, wenn du verdammt noch mal ’ne Tunte bist!“

Super.

Danke, Taylor, jetzt weiß auch der Rest der Stadt Bescheid. Und ich bin das dumme Alien, das bestaunt wird wie dieser eine Pinguin aus diesem Animationsfilm. Sappy Speed oder so was… Huch. Jetzt hab ich doch tatsächlich zugegeben, dass ich mir den angesehen hab. Aber hey: Ich bin ein Nerd, ein sozial inkompetenter Schüler, ein Vergissmichschnell. Ich darf das.

Taylor, die theatralische Kummerkastentante, noch und nöcher, hat auf jeden Fall ihren Auftritt bekommen. Nach zwei Monaten war das doch mal wieder nötig, oder?

Sie stampft ein letztes Mal mit ihrem Fuß auf, ich sehe kurz ihre Unterwäsche durchblitzen – selber Schuld, wenn sie so was trägt. Pfft – und brüllt zum Abschied:
 

„Fahr zur Schwuchtelhölle!“
 

Damit wirft sie mir umständlich den Ring an den Kopf, den ich ihr ganz zu Anfang unserer On-Off-Beziehung geschenkt habe.

Herrje.
 

„Cool, Mann. Echt.“ Griffin haut mir von hinten auf den Kopf und setzt sich dann in seiner Oberkrasser-Gangster-Pose mir gegenüber. Der Volltrottel.

„Lass mich in Ruhe. Zieh Leine. Verpiss dich. Hau ab. Stirb.“

„Schlecht drauf, huh?“ Griffin grinst böse, während er sich eine Kippe anzündet.

„Sieht wohl so aus, was?“, gifte ich zurück. Jedes Mal, bevor ich mich von Taylor getrennt oder sie so sehr genervt habe, dass sie sich von mir trennt, fühl ich mich richtig gut, egal, welche Ausrede ich nutze, egal, wie schlimm es mit ihr ist oder nicht; aber danach fühl ich mich immer, als hätten mich die süßen, netten Footballer – ihr wisst schon, die vom Format 2m x 2m x 2mm (letztere Angabe für die Gehirngröße) – ein wenig vermöbelt und ich wäre auf der Notfallstation. Ehrlich – damit hab ich genügend Erfahrung.

Wo wir gerade schon bei Footballern sind… „An welcher Ecke hast du Ria stehen lassen, Brigg?“

Griffin verzieht in unübersehbarem Ekel das Gesicht. Strike.

„Nur weil ich mit der dummen Schlampe zusammen bin, heißt das noch lange nicht, dass sie mir die ganze Zeit hinterherlaufen kann, kapiert?“ Er pustet mir den Rauch seiner Zigarette direkt ins Gesicht, aber ich bin viel zu männlich und zu cool, um zu blinzeln, obwohl es höllisch wehtut. Scheiße. Nicht heulen, Andrew, nicht heulen…

Ich mach das nicht, weil ich irgendwie Rias Ehre retten will oder so, sondern einfach nur, weil Griffin und ich nun mal auf so einer Basis kommunizieren. Ria kann sich selbst genauso gut retten. Außerdem hasst sie Griffin. Mit Leib und Seele, und es ist absolut witzig anzusehen, wie sehr ihre Augen, ihre grünblaugrüngraugrünen Augen, dann lodern und verbrennen und da bleibt nur noch die verkohlte Gefühlswelt hinter dem Hass und die ist genauso gruselig wie Griffin und Ria es eben sind; einzeln und getrennt.

„Hör verdammt noch mal auf, dir meine Freundin nackt vorzustellen“, knurrt Griffin, während er mit seinem Zippo spielt, einem altmodischen, das er vermutlich von seinem Großvater geerbt hat, der im zweiten Weltkrieg Überoberunteroffizier war. Vermutlich.
 

Ich sage: „Ich stell sie mir nicht nackt vor.“ Kunstpause. „Nur in Reizwäsche.“
 

„Bastard.“ Seine Antwort ist wie ein schneller Schuss aus einer Pistole. Peng und du bist tot. Das hat er wirklich gut drauf, dieser Typ.

„Hey, Alter, ich bin nicht der, der sie behandelt, als wär sie Dreck“, grinse ich.

„Genau, du bist der, der sie behandelt, als würde sie in die Klapse gehören.“

„Touché.“

„Fuck, was willst’n du jetzt?!“

„Ach, das hat Taylor immer gesagt, wenn ich irgendwas Fieses geantwortet habe.“ Ich grüble. „Aber dann könnte ich eigentlich auf alles, was du sagst, ‚Touché’ antworten…“

„Bastard“, wiederholt Griffin nur.
 

„Hallihallo, ihr hässlichsten aller Erdenbewohner!“ Ria stellt mit Schwung ihre Sporttasche auf den Tisch, dass Griffins Zippo auf den Boden fliegt und meine Colaflasche umkippt.

„Och nee“, nöle ich, „Ria, du weißt ganz genau, dass ich das Zeug ohne Kohlensäure hasse!“

Ria zuckt zwar mit den Schultern, aber sie wäre nicht Griffins Freundin und mein bester Kumpel, wenn sie es nicht mit Absicht getan hätte. Sie setzt sich neben mich, Arme vor der Brust verschränkend, und misst uns beide mit berechnenden Blicken ab. Sie hat einen echten Killerblick drauf, dieses Mädel. Mannomann.

„Okay, Jungs“, sagt sie langsam und betont friedfertig, dieses Luder, „warum heult sich Taylor bei Jenny und dieser neuen Rothaarigen aus? Und warum fragt mich jeder verdammte Arsch, ob du schwul bist?“

Griffin grinst, lehnt sich zurück und genießt die Show. War klar, dass er mein Verderben witzig findet.

„Nun…“

„Andrew Stewart, du kannst mir echt nicht sagen, dass du homo bist. Weißt du noch, in der Neunten? Da hast du mir deine Zunge in den Hals gesteckt. Inbrünstig.“ Griffin setzt sich wieder gerade hin, seine Hände zu Fäusten geballt. Ha. Doch nicht so witzig, stimmt’s, Kumpel? Er zischt leise und ich schaue prüfend auf meine Brust herunter, nur, um sicherzugehen, ob seine Blicke nur so wehtun wie verrostete Dolche oder auch so gefährlich sind. Ziemlich possessiv, der gute Junge. „Du guckst allem nach, was irgendwie weiblich erscheint. Plus du hast anscheinend Taylor auf die Beine gestarrt, als du mit ihr Schluss gemacht hast. Plus in deiner Favoritenliste sind zehn Pornoseiten. Wenn du kein verdammter schwanzgesteuerter Hetero bist, weiß ich auch nicht weiter.“

Ich zucke mit den Schultern und sage nonchalant: „Ich sag ja auch nicht, dass ich schwul bin.“

Ria klappt ihren Mund auf: „Äh-… doch!“

Ich tippe mir gedankenverloren ans Kinn. „Hm…“, mache ich, „stimmt. Du hast gewonnen, Ria.“

„Ich gewinne immer“, sagt sie resigniert, obwohl ich und sie und Griffin wissen, dass das gelogen ist. Zum Beispiel ist sie mit Griffin zusammen und nicht mit Wonderboy Max. Zum Beispiel ist sie mit mir befreundet und nicht mit einem normalen Menschen. Zum Beispiel hasst sie Taylors Kummerkastentantengeschwafel, obwohl jeder es liebt. Zum Beispiel ist sie immer wieder schockiert, dass ich einfach lüge, wenn’s um Taylor geht. So gesehen ist sie eigentlich gefickt fürs Leben, oder?

„Wie auch immer“, fährt Ria fort, „ich geh jetzt nach Taylor schauen und ihr tötet euch nicht gegenseitig und wir sehen uns heute Abend um halb neun vorm Kino?“ Sie schaut Griffin fragend an. Er gibt sich nicht die Mühe, zu antworten, sondern steht auf um Belle, das französische Austauschmädchen, anzupöbeln. Nicht um sie anzumachen. Nein. Um sie fertig zu machen. Mit so vulgärem Französisch, wie sie es vermutlich noch nie im Leben gehört hat. Ria schüttelt den Kopf und ihre Haare wirbeln dabei. Beinahe wirken sie wie diese Schlangen der Medusa. Sie zischt. „Wann wird er endlich aufhören, so ’n Scheiß zu machen?“

„Was? Du meinst deinen Freund?“ Ich starre sie an. „Also bitte, Ria, du kannst mir doch nicht sagen, dass du immer noch hoffst, er wird irgendwann normal.“

„Gut, hast recht“, sagt sie seufzend. Dann schultert sie ihre Sporttasche. „Ich muss zu Geschichte. Wir sehen uns.“

Ich hebe zum Abschied die Hand und schon bin ich allein.
 

--
 

Nachmittags ist es immer langweilig ohne Taylor. An sich ist es sowieso ziemlich langweilig ohne sie. Ich sage nicht, dass sie nicht irgendwie absolut theatralisch und nervig ist, aber sie ist eben auch sehr lustig und fröhlich.
 

Zehn Gründe, nicht mit Taylor zusammenzusein:

1. Sie mischt sich in jedermans Angelegenheiten ein.

2. Sie ist theatralisch.

3. Sie ist nervig.

4. Ich muss immer auf sie aufpassen, weil sie sonst von irgendwelchen notgeilen Arschlöchern angemacht wird.

5. Warum müssen ihre Fingernägel immerzu rot angemalt sein?

6. Sie ist zu nett.

7. Sie ist eine verdammte Kummerkastentante.

8. Dad kann sie nicht leiden.

9. Sie ist Rias beste Freundin.

10. Sie sieht aus wie Mama.
 

Zehn Gründe, mit Taylor zusammenzusein:

1. Sie versucht immer zu helfen.

2. Sie ist sich für keine Arbeit zu schmutzig.

3. Sie ist heiß.

4. Sie ist lustig.

5. Jeden Sonntag backt sie mit ihrem kleinen Bruder Pizzabrötchen und Karamell- und Schokomuffins.

6. Jeden Montag schenkt sie Ria den letzten Karamellmuffin und/oder Schokomuffin.

7. Sie liebt ihre Familie über alles.

8. Sie ist heiß.

9. Wenn sie mich küsst, fliege ich.

10. Sie sieht aus wie Mama.
 

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„Ich wollte nur vorbeikommen, weil ich Romeo und Julia bei dir vergessen habe“, zischt sie mich sofort an, als ich die Tür öffne. Sie hat immer noch denselben Rock an wie heute Mittag, aber ich traue mich nicht, länger als zwei Zehntelsekunden draufzuschauen – man sieht ja, was passiert, wenn es nicht passiert.
 

„Romeo und Julia, eh?“ Aber ich bin schließlich immer noch Andrew, ich kann sie nicht einfach in Ruhe machen lassen, nachdem ich heute mit ihr Schluss gemacht habe, weil ich angeblich homosexuell bin. Schwul. Ei-ne Schwuch-te-el.

„Ja, genau!“ Sie starrt mich böse an, aus ihren großen schönen Augen. Ich grinse. „Hör auf, so dumm rumzuglotzen, Andrew! Hör auf… mich anzustarren! Hör einfach auf, zu existieren, okay?“ In ihren Augen sind wieder Tränen, kugelrund und salzig und sie färben ihre Augen hell, fast bernsteinfarben. Es sieht schön aus, unnatürlich.

Und irgendwie macht es mich traurig.

Sie sagt: „Ich hab keine Lust mehr auf dieses hin und her, Andrew. Wirklich. Ich halt das nicht mehr aus.“ Diese Tränen… sind echt. Sie sind nicht aufgesetzt und sie sind auch nicht bedauernd oder scheu. Taylor hat ihr Limit erreicht. „Ich kann nicht mehr. Bitte, Andrew… ich – ich weiß, dass du nicht schwul bist. Ich… wenn du wirklich mit mir zusammen sein willst, dann sag es bitte jetzt. Wenn… wenn nicht – das kann ich akzeptieren. Sag mir nur einmal, was du wirklich denkst, Andrew. Ich verstehe dich nicht.“

Ich fahre mir durchs Haar. Ich werde nicht wieder mit ihr zusammenkommen. Ich werde es nicht. Das mit uns hat nie funktioniert und wird auch nicht funktionieren.

„Warum wolltest du überhaupt mit mir zusammensein?“ Hey. Es interessiert mich wirklich. In erster Linie will ich ihr zwar nur zeigen, was für ein Flachwichser ich bin und dass ich es nicht wert bin, dass sie traurig ist, aber interessieren tut es mich trotzdem. Und vielleicht, ganz vielleicht, wenn sie lang genug redet, vergisst sie, dass ich ihr noch antworten muss.

Ich bin ein Loser und ein Schisser dazu. Ich geb’s zu.
 

Taylor lächelt schief, ihre Augen in Erinnerung schwimmend. „Maria war das einzige Mädchen, mit dem du geredet hast. Und ich bin um Längen hübscher als sie. Also hab ich versucht, zu verstehen, warum du sie mir vorgezogen hast, und anscheinend war ich so dumm, mich dabei in dich zu verknallen.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Vermutlich hätt ich’s schon damals lassen sollen. Ich hätte mich lieber in Maximilian verlieben sollen. Und jetzt ist der Idiot mit dieser Bohnenstange Gin unterwegs. Kannst du dir das vorstellen? Ein Mädchen, das Gin heißt? Wenn es die Abkürzung von Ginevra – die Hure von Potter – wäre, oder von Gina – wie eine billige italienische Nutte mit unechten Brüsten – oder ein Spitzname für Feranda Justine Chazraél Renaldo – ein Alienname – okay. Aber nein, ihre Mutter hat sie wirklich Gin genannt! Wie kann man nur so eine schlechte Mutter sein? Hallo? Wenn sie nicht so verdammt schön wäre, würde man sie dafür mobben und sie würde als Putze bei Kentucky Fried Chicken enden!“

„Taylor“, sage ich.

„Was?“, blafft sie.

„Du laberst.“

„Ach? Wirklich? Willst du lieber, dass ich wieder so tue, als wäre ich ’ne gottverdammte Heilige, die nie ficken oder Hurensohn oder Spast oder verdammter Sohn einer Schmeißfliege sagt? Willst du lieber, dass ich wieder rumheule? Dass ich sage, dass ich verliebt bin und dass ich nicht will, dass wir für immer und ewig Schluss machen? Soll ich wieder rumkrakeelen, und behaupten, der Sex mit dir wäre der beste meines Lebens gewesen?“

Sie verzieht ihr Gesicht zu einer unattraktiven Grimasse. Die Maske aus Oberflächlichkeit und Make-up zerkrumpelt.
 

Dann fällt ihr Blick auf das Regal, neben dem sie steht. Sie kräuselt die Stirn mit laufender Nase. „Ehrlich, Andrew, deine Mutter sollte öfter mal Staub wischen. Sonst kriegt ihr noch alle Hausstauballergien oder so.“
 

„Das macht immer Dad. Beziehungsweise er sagt, dass er’s macht, und dann macht er’s doch nicht.“
 

Taylor wischt sich mit einer müden Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie sieht mich lang an, sehr lange. Sie seufzt.

„Ich mag dich wirklich sehr, Andrew. Sehr sehr. Sag mir nur bitte, ob’s überhaupt irgendetwas bringt, zu hoffen, dass du irgendwann erwachsen genug bist, um eine vernünftige Beziehung zu führen.“
 

Ich hole tief Luft.
 

10. Sie sieht aus wie Mama.
 

„Meine Scheiße, Taylor. Vernünftige Beziehung? Erwachsen genug?“ Ich grinse abfällig. „Sei nicht albern. Wir sind keine dreißig. Du redest, als würde ich morgen Griffins Beerdigung besuchen müssen. Bist du irgendwie dumm?“

Sie macht den Mund auf und zu, immer wieder, wie ein dummer süßer nerviger Goldfisch.

„Ich weiß, dass ich ’n Wichser bin. Nerv mich nicht damit.“

Taylor schluckt hörbar. Dann strafft sie sich und sieht mich auf die hochnäsigste Weise an, die sie drauf hat: „Stirb, Andrew.“ Es passt zu ihr, dass sie die Tür nicht knallt, als sie die Wohnung verlässt. Sie ist nach allem immer noch erwachsen, nicht wahr?
 

--
 

„Andrew?“ Ria steht vor mir, ihr Blick wandert von der Wodkaflasche zu der Zigarette in meiner Hand. Ihre Stirn ist gerunzelt und alles an ihr drückt diese Mädchenbesorgnis aus, bei der man sich geborgen und verstanden fühlt. Mütter sind so. Und beste Freundinnen. Ich hab das Gefühl, kotzen zu müssen.

Griffin hat einen Arm um Rias Taille. Er grinst ironisch, dann wirft er einen Blick auf die Marke der Wodkaflasche verzieht das Gesicht. „Alter, wenn du dich schon besäufst, dann gib nächstes Mal mehr als drei Dollar aus.“

Ria stößt ihm ihren Ellenbogen in den Magen und löst sich von ihm. „Ihr habt euch getrennt.“ Es klingt nach mehr als dieser Tatsache, wie eine Frage – „Ihr habt euch getrennt?“ – und eine Information – „Taylor hat mich gerade angerufen. Du willst gar nicht wissen, was sie alles gesagt hat“ – und ein wenig wie Enttäuschung.

„Die trennen sich doch immer. Hast du schon mal ’ne Woche gehabt, wo sie sich nicht getrennt haben?“, grunzt Griffin. Und betatscht sie.

„Ich mein–… so richtig, du Vollpfosten. So wie ich mich gleich von dir trenne, wenn du nicht sofort deine Griffel von mir nimmst.“

Griffin grinst zynisch und wuschelt ihr einmal durch die Haare. Sie hassen sich abgrundtief; genauso sehr, wie sie sich lieben. Ria verdreht verliebt die Augen und hockt sich dann zu mir herunter. Sie schaut mich prüfend an.

„Es ist wirklich aus, oder?“

„Mh-hm.“

„Sie ist total in dich verknallt. Wenn du – also… du hättest bestimmt noch ’ne Chance bei ihr.“

„Mh-hm.“

„Aber du willst nicht mehr.“

„Mh-hm.“

„Warum? Und wag es ja nicht, noch mal Mh-hm zu machen!“

„Sie ist’s einfach nicht wert. Nicht diesen ganzen Stress mit Dad, nicht die paar Fummeleien oder die Blicke auf den Schulfluren. Ich-… will’s nicht. Nicht mehr.“
 

Ria steht auf.

Angsthase, sagt ihr Gesicht.

Bin ich auch, antworte ich.
 

Griffin gähnt, die Hände in seine Hosentaschen steckend. „Du willst wirklich, dass es so endet, Mann?“

„Ja.“

Er runzelt die Stirn: „Nur, weil sie wie deine Mom aussieht, musst du nicht andauernd mit ihr Schluss machen.“

„Das ist nicht das Problem“, wirft Ria ein, „es ist alles. Er will keine Beziehung mit ihr. Es ist ihm zu kompliziert und zu gefährlich. Ehrlich? Was soll’s? Es ist nicht mein Problem.“

„Teufel, er ist dein bester Freund, Ria!“

„Na und? Ich bin auch deine Freundin und du behandelst mich wie Scheiße!“

Er spuckt auf den Boden. „Scheiße, wenn ihr alle zu dumm seid, um ein Mal glücklich zu sein – schön, von mir aus.“

Mit diesen Worten schlendert er weg. Weil er niemals geht, weil er zu cool dafür ist.
 

Selbst sein Schlendern ist wütend.
 

„Arschloch“, murmelt Ria.

„Er hat ausnahmsweise mal recht und du beschimpfst ihn trotzdem?“ Ich vergrabe meinen Kopf in den Händen. „Scheiße, ich habe gerade Griffin recht gegeben.“ Mir ist übel von dem billigen Alkohol und auf meiner Zunge liegt der Geschmack von Zigaretten und Pfirsichnektar.

„Genau deswegen ja.“ Sie seufzt dramatisch. „Ich kann verstehen, warum du nicht mit Taylor zusammensein willst. Aber ich an deiner Stelle hätt’s anders gemacht.“

„Ich will’s nicht hören, Ria.“

Sie redet ungefragt weiter. „Ich hätte ihr von meiner toten Mom erzählt. Ich hätte ihr gesagt, dass die beiden sich total ähnlich sind. Ich hätte mehr für diese Beziehung getan.“
 

„Und deswegen“, sage ich abschließend, „bin ich auch ganz froh, dass du nicht ich bist. Weil mir nämlich nichts an dieser Beziehung liegt. Rein gar nichts.“
 

Wenn man sich daran gewöhnt hat, kann man alles ertragen. Rias wütende Blicke. Die Stille. Moms Tod.
 

Und Taylor auch.
 

Die sowieso.
 

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So, der dritte OS. Ich hab dank meines Pragaufenthaltes und dem dortigen Schwarzen Theater eine tolle Idee zu Ari, dem komischen toten Mädchen, und hoffe, dass ich euch bald mit noch mehr Oneshots... erfreuen, vergraulen, belustigen, etc kann.
 

Grüße und ein schönes Restwochenende,

bells



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  PenAmour
2010-03-28T17:56:54+00:00 28.03.2010 19:56
Auch hier kann ich wieder nur auf die bereits genannten Attribute hinweisen. Ich finds erstaunlich wie du Belangloses mit den Wichtigkeiten vermischt und daraus kleine Details ausbaust, die immer wichtiger werden.
Ich hoffe, es geht bald weiter - dann habe ich mir auch was anderes für die Reviews ausgedacht^^
Bis dahin
PenAmour


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