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Long road to ruin

von

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# 0

„Jefferson, ich hasse Japan.“
 

Sie konnte sein tonloses Stöhnen hören, wusste, dass er die Augen verdrehte, ohne, dass sie den Kopf zur Seite drehen und es sich direkt ansehen musste. Immerhin wiederholte sie diesen Satz jetzt mindestens zum vierzigsten Mal in dieser Stunde und die ersten zehn Mal hatte er genau dieses Verhalten gezeigt. Der Blick aus den Augenwinkeln zeigte, dass seine Finger sich für einen Augenblick lang verkrampften, ehe er seine akkurat gefalteten Hemden auf das oberste Brett des Schrankes legte. Mindestens so penibel, wie er sie mit Sicherheit auch eingepackt hatte. „Du musst diesem Land eine Chance geben, Mer.“ „Vielleicht möchte ich das erst gar nicht.“ Im Gegensatz zu ihm stopfte sie den Inhalt ihres Koffers gerade einfach nur so in den Schrank, wie es ihr in die Finger fiel. Sie hatte nicht vor, sich hier häuslich einzurichten, sie hatte nicht vor, hier lange zu bleiben, hätte er nicht darauf bestanden, dann hätte sie erst gar nicht ausgepackt. Man konnte ganz wunderbar aus dem Koffer leben. Außer man hieß Theodore Jefferson. Aber dann mochte man auch Japan und hatte die unsägliche Landessprache sogar studiert.
 

Und stieß gerade erneut ein tiefes, fast schon bedauerndes Seufzen aus. „Du präsentierst dich gerade als Bilderbuchamerikaner, das ist dir schon bewusst, oder?“ Sie stieß die Schublade mit Wucht zu, drehte sich dann zu ihrem Partner um und stemmte die Hände in die Hüften. „Bitte?“ „Intolerant, nicht bereit, den eigenen Horizont zu erweitern… findest du Japan eigentlich auf dem Globus oder muss ich dir dabei helfen?“ Das süffisante Grinsen hätte sie ihm gerade wirklich gern aus dem Gesicht geprügelt, aber das Schlimme an der Sache war, dass Jefferson durchaus in der Lage war, sich zu wehren. Auch, wenn man das nicht unbedingt annahm, wenn man ihn kennen lernte. Eigentlich… eigentlich glaubte man es nicht einmal, wenn man jahrelang mit ihm zusammengearbeitet hatte.
 

„Ich bin durchaus bereit, meinen eigenen Horizont zu erweitern, Ted. Aber sogar ein experimentierfreudiger Mensch wie ich hat seine Grenzen.“ Noch während sie redete, hatte sie begonnen, in ihrer Tasche nach der Schachtel Zigaretten zu suchen, die sie dort vor dem Flug verstaut hatte. „Und die beginnen, wenn wir ein Land betreten, in denen roher Fisch, mit gekochtem, ungewürztem Reis, in Algen eingewickelt, allen Ernstes als Essen bezeichnet wird.“ Eine Sache, mit der sie sicherlich nicht alleine war. „Ganz zu Schweigen davon, dass das mit Holzstöcken gegessen wird.“ Und das war nun wirklich nur die Spitze des Eisbergs der Probleme, die sie mit diesem Land hatte. „Du hast es nicht einmal getestet, Mer… und wenn du deine Zigaretten suchst, die habe ich.“
 

Ein wenig irritiert hörte sie auf, den Inhalt ihrer Tasche auf dem Bett zu verteilen und sah ihren Partner an. „Warum hast du die?“ „Wolltest du nicht aufhören?“ Na prima. Eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet und dann auch noch den Finger auf einen mehr als nur wunden Punkt gelegt. „Wollte ich. Sag danke an Japan, dass ich wieder damit anfange.“ Gereizt nahm sie ihm die Schachtel ab und riss das Plastik auf, welches sie von dem Inhalt trennte. „Wer kann das Land denn freiwillig außer dir schon toll finden?“
 

„Brad Crawford.“
 

Sicher. Das war der Grund, weswegen sie hier waren, aber… nein, es gab kein aber. Es war durch und durch richtig gewesen, das zu erwähnen, nur konnte sie dafür auch nicht zwingend Begeisterung aufbringen. Crawford war ein Phantom, ein Name, der irgendwo auf eine FBI-Akte aufgedruckt war, die sich sicherlich auch in ihrem Gepäck befand und von dem Einige hofften, dass er entweder nur ein Scherz oder einfach schon tot war. Leider war bis jetzt keine der beiden Versionen eingetreten, denn ansonsten wären sie nicht hier. Dass sie hier waren bedeutete vielmehr, dass es vernünftige Hinweise darauf gab, dass Brad Crawford mit einem strahlenden Lächeln hier herum lief, sich des Lebens freute und nur darauf wartete, dass jemand kam und ihn in Handschellen abführte. Und netterweise hatten die japanischen Behörden tatsächlich zugestimmt, dass Amerika seine eigenen Verbrecher zurück nach Hause holen durfte. Vorausgesetzt, sie fanden ihn hier. Eine Sache, an der sie zweifelte, seitdem sie den Flughafen verlassen hatten.
 

Mürrisch zog sie eine Zigarette aus der Packung und fingerte nach dem Feuerzeug in ihrer Hosentasche. „Mer, du bringst dich damit selbst um.“ „Ist meine Sache, oder? Außerdem hilft es mir beim Denken. Und sobald wir Crawford haben, höre ich ein für allemal damit auf.“ Teds Blick war mehr als zweifelnd, aber sie schenkte ihm das erste Lächeln auf japanischem Boden. Woran die Zigarette, an der sie endlich ziehen konnte, nicht ganz unschuldig war. „Ich schwöre es hoch und heilig.“ Und ein Teil von ihr, der meinte es gerade wirklich ernst damit. Schließlich wäre es dann ungefähr das vierte Mal, dass sie versuchte, sich das abzugewöhnen. Irgendwann musste es ja mal klappen. „Also, Mister Jefferson, wie sieht unser Schlachtplan für die nächsten Jahre aus?“

Die Matratze quietschte leise, als sie sich auf ihr Bett setzte und nach hinten kippen ließ, die rechte Hand, welche die Zigarette hielt, nach oben gestreckt, um nicht am Ende in den ersten Minuten in einem Hotelzimmer Asche auf der Decke zu verteilen. „Morgen will uns der Polizeichef sehen, dann werden wir dort das an Informationen bekommen, was uns noch fehlt und dann… dann werden wir entscheiden, wie wir explizit weiter vorgehen.“
 

Das liebte sie an ihm. Schritt für Schritt. Ruhig und bedacht, vernünftig geplant und alles immer erst dann, wenn man genug Informationen hatte, um sich und das, was man tat, so abzusichern, dass es fast nicht möglich war, zu versagen. „Denkst du, wir kriegen ihn, Ted?“ Eine Weile blieb er ihr die Antwort schuldig, Zeit, in der sie ein weiteres Mal an der Zigarette zog, sich leicht auf die Seite drehte, um den oberen Teil der Schachtel als Aschenbecher zu nutzen. „Ich weiß es nicht, Mer. Wir sind nicht die Ersten, die das versuchen. Und wer weiß, was er für Vorbereitungen getroffen hat. Vielleicht wartet er nur darauf, dass irgendwann jemand kommt.“ „Tun sie das nicht alle?“ Wieder ließ er sich Zeit mit der Antwort. „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe nur das Gefühl, dass das anders wird, als vorher. Als könnten wir gar nicht darauf vorbereitet sein.“
 

Hätte das jemand anderes von sich gegeben, dann wäre ein wenig Spott in ihr aufgekommen, der wahrscheinlich auch geäußert worden wäre. Aber Jefferson… er neigte sonst nicht dazu, Sätze von sich zu geben, die in einer weiteren Fortsetzung von ‚Das Schweigen der Lämmer’ ganz großartig ins Drehbuch hätten eingeflochten werden können. „Komm schon Ted. Wenn ihn einer kriegen kann, dann wir. Du sprichst Japanisch. Was sollte uns aufhalten?“ Als sie sich wieder auf die Seite drehte, um abzuaschen, lag die Antwort direkt auf seinem Gesicht. Brad Crawford. Weil über ein Phantom niemand Bescheid wusste.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Carcajou
2009-07-22T17:38:25+00:00 22.07.2009 19:38
Was, hier noch kein Kommentar?
mal wieder nicht ganz nachzuvollziehen... aber egal.

ich finde die Idee, das Weißkreuz-Universum aus der Sicht zweier amerikanischer Agenten zu betrachten wirklich interessant.
Gerade die Fähigkeiten und Aktionen Schwarz' aus der Perspektive zweier völlig ahnungsloser Normalos verspricht einiges an Spannung und Überraschungen.
Vom alltäglichen Wahnsinn des japanischen Alltagslebens mal abgesehen...*lach*
das gibt dem ganzen einen realistischen Anstrich und könnte den Leser dadurch nur noch tiefer in die WK-Welt eintauchen lassen.


ich bin hoch gespannt, wie es weitergeht!


vlg,
Carcajou




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