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Ein Leben ohne Vergangenheit?

Isamu - Die Suche nach dem Ich
von

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Der Schattendieb

Es war noch dunkel, als er erwachte. Lautlos zog er sich an und schlich durch die vertrauten Winkel von Meister Chi-on´s Gehöft. Alles war still und doch wusste er, wo jeder einzelne der Wachen stand. Ohne auch nur den geringsten Laut zu verursachen, näherte er sich Yuzo, welcher sich auf dem Dach nach Feinden umsah.

»Bald wird die Sonne aufgehen, leg dich noch etwas schlafen«, flüsterte er seinem Freund zu, welcher zusammenzuckte.

»Isamu! Hast du mich erschreckt. Ich habe dich nicht einmal kommen hören. – Ich muss sagen, du hast dich in den letzten Monaten stark verbessert«, grinste Yuzo seinem ehemaligen Schützling entgegen. »Ich werde noch ein wenig ruhen, bevor wir wieder zu Meister Chi-on gehen«, verkündete dieser und unterdrückte ein herzhaftes Gähnen.

Dann verschwand er und Isamu beobachtete die weite, noch im Dunkeln liegende Landschaft.

Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, die er nun schon bei dem alten Meister lebte. Seit jener Nacht, in der er erfuhr, dass er gegen Darc kämpfen müsse, wurde er jeden Tag aufs Neue für diese entscheidende Schlacht ausgebildet. Er erinnerte sich an den darauf folgenden Tag, an dem ihm das Schweben-lassen eines Steines gelang. Danach lernte er, ihn als Waffe auf den Feind zu schleudern oder als Schild um sich selbst kreisen zu lassen. Doch was ihn am meisten verwunderte, war der Entschluss Meister Chi-on´s, ihm zunächst keine weiteren magischen Techniken lehren zu wollen. Dieser richtete sein Augenmerk auf die herkömmliche Kriegsführung. So wurde er im Umgang mit dem Katana sowie in den Künsten der Ninja unterrichtet. Er lernte, sich so leise wie ein Schatten zu bewegen, ohne auch nur ein einziges Mal seine magische Kraft nutzen zu müssen.

»Isamu, der Feind kann unsere magische Kraft spüren. Wenn du sie einsetzt, während du unerkannt bleiben willst, dann wirst du entdeckt. Du musst lernen, wie du die Aura, die dich umgibt, verbergen kannst. Und du solltest sie nur in Zeiten der Not freisetzen«, lautete die Begründung des Alten.
 

Als die Tage dann immer kürzer und auch kälter wurden, gelang es ihm, sich an Yuzo heranzuschleichen, ohne, dass dieser ihn spüren konnte.

»Isamu, deine Magie vermag ich nun nicht mehr zu spüren, aber du bist immer noch so laut wie ein Ochse. – Hier fang«, sagte sein junger Lehrer ruhig und warf ihm ein Holzschwert zu. Isamu´s Hand zuckte blitzschnell zur Seite und hielt dann den hölzernen Griff fest umklammert. Mit einem kräftigen Hieb eröffnete Yuzo den Kampf. Nachdem Isamu geschickt parierte, lächelte er. »Gut. Gegen die Menschen zu kämpfen wird dir keine Probleme bereiten. Doch was ist, wenn ein Ma dich mit hoher Geschwindigkeit angreift?« Isamu sah nur noch einen Schatten an sich vorbei rauschen und plötzlich stand der Angreifer hinter ihm. Dieser hob sein Schwert und schlug schnell auf ihn nieder. Isamu konnte gerade noch ausweichen und duckte sich zur Seite ab. Doch kaum hatte er den einen Angriff überstanden, folgte schon der nächste. Er parierte. Einen Augenblick später jedoch spürte er etwas Raues an seinem Hals.

»Nun, da musst du noch etwas schneller werden«, sagte Yuzo erfreut über seinen Sieg. Dann wurde er wieder ernst. »Noch mal.«

Isamu schloss seien Augen. Er spürte wie das Blut durch seine Adern schoss. Immer lauter drang das nun schneller werdende Rauschen in sein Ohr. Dann entzweite er seine Lieder und sah nur noch einen dunklen Schatten, wie er sich ihm schnell näherte. Isamu hob sein Schwert, doch Yuzo wich zur Seite aus und griff ihn nun von hinten an. Er spürte kaum noch was er tat. Sein Körper schien sich von allein zu bewegen. Wieder wich er geschickt aus und hob nun sein Schwert zum Angriff. Der Schlagabtausch dauerte kaum mehr als einige wenige Augenblicke, doch für die beiden Kämpfer geschah alles sehr langsam.
 

Beide stoben auseinander und waren nun ein paar Schritte voneinander entfernt. Yuzo sah ihn an.

»Das war gut. Du wirst immer besser. Doch konzentriere dich, denn es folgt gleich der nächste Schlag. Bleibe ruhig und sammle deine innere Energie. – Fertig?«

Isamu stand da, wieder mit geschlossenen Augen und befolgte den Rat. Doch wie konnte er nur gegen Yuzo bestehen? Dieser war schneller als er und beherrschte das Katana besser als jeder andere, den Isamu je gesehen hatte. Yuzo war nicht zu spüren, doch Isamu konnte dessen Schwert spüren. Da kam ihm eine Idee. Doch bevor er weiter überlegen konnte, bemerkte er, dass sich die Waffe rasch näherte. Diese Aura konnte er viel deutlicher spüren, als er es mit seinen Augen hätte wahrnehmen können. Seine Arme bewegten sich zur Parade. Weiterhin hielt er seine Augen geschlossen, um sich auf die Waffe des Gegners konzentrieren zu können. Doch plötzlich fiel sein eigenes Schwert zu Boden. Als er die Lieder entzweite sah er, dass Yuzo es ihm aus der Hand gerissen hatte. Schnell wich er einem weiteren Angriff aus und rollte zur Seite. Dann griff er an seinen Gürtel und zog einen kleinen Dolch. Mit erhobener Waffe tauchte Yuzo erneut vor ihm auf.

Einen Herzschlag später standen sich beide reglos gegenüber. Yuzo noch immer mit erhobenem Schwert. Isamu jedoch hielt ihm seinen Dolch an den Hals. Langsam lösten sie sich und zufrieden schlug Yuzo ihm auf die Schulter.

»Das war wirklich gut. Mit magischer Kraft mein Schwert zur Seite zu bewegen war eine gute Idee von dir.« Er lächelte. »Doch du solltest bei einem Kampf stets die Augen geöffnet halten. Du hast nicht einmal bemerkt, wie ich mich schneller bewegt habe als meine Waffe und so deine eigene entwenden konnte. Du musst lernen, sowohl mit deinem inneren geistigen Auge zu sehen,« und dabei tippte er sich mit dem Zeigefinger leicht an die Schläfe, »als auch mit deinen beiden in deinem Kopf. Du kannst dich nicht nur auf eines der beiden verlassen.«
 

So vergingen die Jahreszeiten. Es wurde kühler und dann wieder wärmer. Tag um Tag übte Isamu verbittert, mit seinem Freund und Lehrer, die verschiedensten Kampftechniken. Unter Meister Chi-on´s Aufsicht wendete er sich nicht nur dem Kämpfen zu. Viele Gespräche wurden bei einer Tasse Tee geführt. So lernte er viel über die Prinzipien des Geistes und dem eigenen Chi kennen. Einige Abende verbrachte er zusammen mit Yuzo und einigen anderen aus Meister Chi-on´s Gefolge in der örtlichen Taverne, bei einem Schälchen Sake.
 

Wieder in der Gegenwart wurde er bald von einer weiteren Wache abgelöst. Auf dem Weg zu Meister Chi-on hörte er schon von fern her zwei Stimmen, welche eindringlich aufeinander einredeten.

»Ich halte das für zu gefährlich Meister. Wenn er Kontakt zu ihr aufnimmt, dann gefährdet er ihre Tarnung.«

»Yuzo, die Gefahr ist mir durchaus bewusst. Jedoch müssen wir wissen, ob sich unsere Befürchtungen bewahrheiten. Dies Dokument ist von äußerster Wichtigkeit. Wir müssen es bekommen! Er kann es schaffen. Und wenn er mit unserem Spion nicht gesehen wird, dann wird auch niemand - .«

Die Stimme von Meister Chi-on verstummte. Nichts war nun mehr zu hören. Isamu stand vor der Tür hinter welcher Meister Chi-on und Yuzo sich befanden. Dann ertönte die Stimme des Alten erneut. »Komm herein Isamu.«

»Du hast dich geschickt verborgen Isamu. Jedoch musst du künftig darauf bedacht sein, deine Magische Kraft dauerhaft zu unterdrücken.«, sprach Yuzo in ernstem Ton.

»Verzeiht. Ich war verwirrt von dem, was ich hörte. Da habe ich alles andere um mich herum vergessen.«

»Nun, Isamu.«, ergriff Meister Chi-on das Wort, »wir wissen von einer kleinen Truhe. Diese ist von großer Wichtigkeit. Sie befindet sich am Hofe des Landesfürsten Mino. Es scheint, als gehe er ein Bündnis ein. Wir müssen wissen, ob dem so ist.«

»Meister Chi-on, was befindet sich in der Truhe?«, fragte Isamu neugierig.

»Erinnerst du dich noch an Shinichi´s Nachnamen?«, fragte Yuzo. Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr dieser fort. »Er gehört der Familie Yamato an. Wir wissen nicht viel über die genauen Umstände. Seinem Vater gehörten weite Landstriche. Er war ein weiser und umsichtiger Landsherr, welcher Krieg verabscheute und den Frieden suchte. Doch eines Tages verstarb sein Vater sowie seine Mutter. Jedoch soll er einen jüngeren Bruder gehabt haben. Da beide noch nicht das Mannesalter erreicht hatten, regierte vorerst ein Vertreter der Yamatos. Zunächst war er auf das Wohlbefinden der beiden Knaben bedacht. Doch mit der Zeit wurde er selbstsüchtig. Er wollte nicht die ihm geliehene Macht weitergeben. Mit allen Mitteln versuchte er Shinichi davon abzuhalten, eines Tages selbst Oberhaupt der Familie zu werden. Er nahm auch nicht die Verfolgung auf, als die zwei Jungen flohen, da er sich sicher war, dass sie als Flüchtlinge keine Gefahr darstellten. – Um nun wieder zu der ursprünglichen Frage zurück zu kommen, was in der Truhe sein könnte. Die Ma verhandeln mit dem Landefürsten Mino. Wenn nun ihr Anführer Darc in Wahrheit Shinichi ist, dann fürchten wir, dass er sich sein Erbe zurückholen wird. Er wird den Vertreter verbannen oder ihm schlimmeres antun. Dann, wenn niemand ihm mehr im Wege steht, wird er das Land für sich beanspruchen. Da der Hauptsitz der Familie Yamato nicht sehr weit entfernt von unserem, werden uns die Ma hier aufspüren. Wenn erst das Land mit unseren Feinden gespickt ist, dann können wir gegen sie nicht bestehen. Es sind zu viele. Deshalb müssen wir wissen, ob die Ma beabsichtigen das Land der Yamatos zu besetzen. Sollten sich unsere Vermutungen bewahrheiten, so schließt Darc mit dem Landesfürsten Mino einen Friedenspakt. So wäre es ihm möglich seine Vorräte in Mino´s Reich aufzufüllen und im Gegenzug wird er diesen nicht angegriffen. Mino weiß um Darc´s Macht bescheid, auch wenn er sie unterschätzt. In dieser Truhe, welche wir benötigen, ist vermutlich dieser Pakt besiegelt. - Bisher konnten wir die Ma immer in den Norden Japans zurückdrängen. Doch dieser Pakt entscheidet nun, ob wir uns auf eine baldige Schlacht im eigenen Lande einstellen müssen oder nicht.«

Ein kurzes Schweigen lag bleiern in der Luft, dann sagte Meister Chi-on eindringlich: »Dies ist nun also der Grund, warum die Truhe gestohlen werden muss. Isamu, du wirst dies gemeinsam mit Yuzo erledigen. Ihr werdet euch als Reisende ausgeben und Landesfürst Mino um ein Nachtlager bitten. In der Dunkelheit sucht ihr dann die Kammer mit der Truhe auf und bringt diese zu mir.«

»Ich soll mit Yuzo die Truhe stehlen?«

Isamu war völlig verdutzt, als er diesen Auftrag erhielt. Reichten seine Fähigkeiten aus, um den Feind zu täuschen? Und was konnte er unternehmen im Falle eines Kampfes? Er hatte bei Meister Chi-on doch bisher nur gelernt sich mit irdenen Waffen zu wehren. Doch seine magische Kraft konnte er nicht zur Verteidigung einsetzen. Gewillt jedoch seinen Meister nicht zu enttäuschen antwortete er: »Ich werde Eurem Wunsch entsprechen und die Truhe für Euch stehlen.«
 

Am nächsten Tag brachen Yuzo und er gemeinsam auf. Beide mussten sich ein Pferd teilen, da Isamu kein eigenes besaß. Immer weiter ritten sie durch fruchtbare Täler, kleine Flüsse und als es langsam dunkel wurde, ritten sie durch einen dichten Wald. Nur noch wenige Sonnenstrahlen gelangten durch das dichte Blätterdach welches in beträchtlicher Höhe über ihnen schwebte.

»Hier werden wir bis morgen rasten«, sagte Yuzo, als das Pferd zum Stillstand kam. »Zunächst benötigen wir ein Feuer, damit wir uns etwas wärmen können.«

Dann schwärmten beide aus und begannen in der nun einbrechenden Dunkelheit Holz zu sammeln. Auf seiner Suche sah Isamu riesige Bäume, die in den Himmel ragten. Gelegentlich sah er einen kleinen Ast, welchen er zu dem anwachsenden Bündel in seinen Armen legte. Als er nicht mehr aufnehmen konnte, kehrte er zu dem Rastplatz zurück. Yuzo rieb dort bereits zwei Hölzer schnell aneinander.

»Ohne magische Kraft ein Feuer zu entfachen ist ein Graus!«, sagte Yuzo wütend zu sich selbst. Nach einiger Zeit begann endlich ein leichter Rauch aufzusteigen und Yuzo rief fröhlich aus: »Ha! Wird auch Zeit.«

Einige Augenblicke später brannten die Hölzer mit heller Flamme.

»So. Nun lass uns noch ein wenig ruhen, bevor wir morgen wieder weiter reiten müssen.« gähnte sein Lehrer Isamu entgegen. Beide suchten sich noch ein wenig Laub zusammen und legten sich dann hin zum Schlafen.

Isamu übermannte ein traumloser Schlaf.

Als er erwachte war es bereits hell. Das kleine Feuer brannte noch, doch die Nacht lag noch immer eisig über ihm. Er setzte sich zu seinem Gefährten, welcher im hellen Schein der Flammen saß und durch die dichten Bäume spähte.

»Yuzo, was sind das für hohe Bäume rings um uns?«

»Das sind Sicheltannen. Die sind weit verbreitet in unseren Wäldern und können etwa 12 Jō hoch werden. Lass uns auf sie klettern, um uns ein wenig umzuschauen.«

Es war kein leichtes Unterfangen bis ganz nach oben zu gelangen. Doch als beide die Spitze einer hoch gewachsenen Sicheltanne erreichten, blickten sie auf eine weitläufige Landschaft.

»Kannst du die Burg dort erkennen? Dorthin führt unser Weg«, und Yuzo deutete mit dem Finger drauf.

Isamu sah hinter dem lang gestreckten Wald ein weites Tal, durch welches sich drei große Flüsse schlängelten. Um eine Stadt herum, welche die Burg umschloss, wurden riesige Flächen für den Ackerbau genutzt. Einige Obstplantagen stachen mit ihren bunten Farben aus der sonst so eintönigen Landschaft heraus.

»Es wird Zeit, dass wir aufbrechen«, sagte Yuzo plötzlich.

»Warum? Ich dachte wir wollen uns als Reisende ausgeben. Wäre es dann nicht klüger, wir würden erst ein paar Stunden vor Einbruch der Dunkelheit in der Burg eintreffen?«, fragte Isamu.

»Das stimmt auch. Wir werden auch erst ein paar Stunden vor Einbruch der Dunkelheit in der Burg eintreffen. Doch bevor es soweit ist, werden wir uns in der Gegend noch ein wenig umschauen«, antwortete Yuzo mit einem Blitzen in den Augen und beide liefen los.
 

»Isamu, es ist soweit. Überlass´ das Reden mir. Und achte darauf, dass deine Aura stets unterdrückt bleibt. Hörst du, das ist sehr wichtig!«

Isamu nickte und beide zogen sich einfache Reisegewänder an. Yuzo überprüfte noch einmal ihre gemeinsame Verkleidung und dann begaben sie sich an das große Tor der Burg.

»Wir ersuchen den Herrn dieser Festung. Wir sind reisende Gesandte und benötigen eine Bleibe für die Nacht. Erlaubt uns einzutreten«, rief Yuzo der Wache auf der anderen Seite des eisenbeschlagenen Tors zu.

»Welchem Herrn dient Ihr? Wer schickt Euch durch unsere Lande?«, schallte es zurück.

»Wir handeln nach den Befehlen von Fürst Musashi. Lasst uns ein!«

Wenige Augenblicke später öffnete sich das Tor mit einem ohrenbetäubenden Quietschen. Ein grimmig aussehender Mann trat aus dem Schatten hervor.

»Tretet ein. Fürst Musashi´s Gesandte werden bei uns stets empfangen.«

Zufrieden begaben sich die beiden selbsternannten Gesandten zu Fürst Mino. Flankiert von einem Trupp Soldaten gelangten sie ohne Weiteres in eine große Eingangshalle, in welcher viele Kostbarkeiten die Macht des Fürsten verdeutlichten.

»Sprecht, wieso seid ihr hier?« fragte der Fürst mit tiefer Stimme.

»Wir sind Gesandte des Fürsten Musashi. Wir erbitten von Euch, Fürst Mino, Fürst über weite Landstriche und Freund des Fürsten Musashi, eine Bleibe für die Nacht.«

»Von Fürst Musashi also?«, fragte Fürst Mino misstrauisch. »Ihr seid recht wenig Mann. Ich kenne den Fürsten gut. Er schickt nie seine Gesandte ohne Schutz. Wie kommt es, dass ihr allein hier seid?«

Isamu stockte der Atem. War ihre Tarnung bereits durchschaut worden? Wenn ja, dann würden sicher gleich die Wachen sich ihnen entgegenstellen. Doch Yuzo antwortete, als entspräche es der Wahrheit: »Wir zogen los mit drei Samurai uns zu schützen. Doch im Lande der Yamato´s gerieten wir in eine Auseinandersetzung. Wir beide flohen vor der Gefahr. Denn wir haben den Umgang mit dem Schwert nie gelernt. Nichts vermochte uns zur Verteidigung dienen. Nur die dichten Büsche gaben uns noch Schutz. Als der nächste Morgen dämmerte und das Aufeinandertreffen der Schwerter schon längst verhallt war, krochen wir aus unserem Versteck. Unsere Drei Begleiter gaben ihr Leben im Dienste unseres Fürsten. Seit nunmehr drei Tagen irren wir umher, auf dem Weg zurück zu unserem Herren.«

»Seid unbesorgt. Hier seid Ihr in Sicherheit. Ihr werdet gleich morgen Früh mit ein paar meiner Männer Euren Weg fortsetzen. So könnt Ihr Eurem Herrn schnell diese Nachricht übermitteln.« Er klatschte zweimal in die Hände und ein Mann betrat die Halle mit gesenktem Blick. »Führe sie in ihr Gemach. Du weißt welches.«

Mit einer tiefen Verbeugung bedankten sich die beiden Gesandten bei Fürst Mino und dann folgten sie dem Mann, welcher sie zu ihrem Nachtquartier bringen sollte. Beim Verlassen des Raumes sah Isamu im Augenwinkel noch, wie ein Vertrauter des Fürsten ihn mit unverhohlenem Blick anstarrte. Er war nicht sonderlich stämmig, doch in seinen Augen funkelte die blanke Boshaft. Mit einem hinterlistigen Grinsen wandte er seinen Blick ab und redete nun auf den Fürsten ein.
 

»Wir müssen uns in Acht nehmen. Mino misstraut uns. Sonst hätte er uns nicht in dieses Loch gesteckt!«, fluchte Yuzo leise vor sich hin.

Beide befanden sich in einem kleinen und schäbigen Raum. Die Wände bedrückten allein durch ihr heruntergekommenes Äußeres. Die Liegen waren mottenzerfressen und nur ein winziges Fenster ließ Licht in die enge Kammer.

»Die besten Gemächer sind den Gesandten vorbehalten. Wir jedoch werden hier drin untergebracht.«

Dann setzte sich Yuzo auf den Boden und dachte eine gefühlte Ewigkeit nach. Isamu betrachtete die Kammer. Die Wände schienen mit massiven Steinen gemauert zu sein. Decke und Boden vermutlich ebenso. Sogar die Tür war aus dickem Holz gezimmert. Er schritt zu dem Fenster, in der Hoffnung wenigstens den weiten Himmel sehen zu können. So schaute er durch das einzige Loch in dem dünnen Reispapier. Es war lediglich ein Finger breit, sodass Isamu nur wenig erkennen konnte. Doch vermutlich hätte ihn auch kein größeres Loch erfreuen können, denn er sah, dass sich unweit des Fensters eine Wand erstreckte, die jedweden Himmel verdeckte. Dann hörte er von irgendwo her eine Stimme.

» … dass die beiden Gesandte des Fürsten Musashi seien. Was meinst du, wo die gerade herkommen?«

»Woher soll ich das denn wissen?«, schnauzte eine andere Stimme zurück. Dann war eine Weile nichts mehr zu hören. Leise trat Yuzo ans Fenster. »Wachleute«, flüsterte er Isamu zu.

Dann ertönte wieder die zweite Stimme. »Die werden wohl von irgendwo im Westen des Landes her kommen. Wir sollten jedoch nicht zu lange hier bleiben. Oder willst du, dass uns der Hauptmann erwischt?« Dann hallten leise Schritte von den Wänden wieder, welche nach und nach verebbten.

»Isamu«, flüsterte Yuzo leise. »Wir werden das Dokument heute Nacht stehlen. Zunächst müssen wir jedoch in Erfahrung bringen, wo es sich befindet.«

»Und wie bringen wir das in Erfahrung?«, fragte Isamu skeptisch.

»Bei Anbruch der Nacht werden wir hier ausbrechen und dann ein paar Wachen fragen wo es ist.«

»Wachen?«, platzte es Isamu heraus.

»Ja, Wachen. In gefesseltem Zustand sind die Kerle recht redselig. Doch wir werden bald entdeckt werden, deshalb müssen wir schnell finden, wonach wir suchen und dann noch schneller wieder von hier verschwinden.« Yuzo sah kurz zweifelnd zu Boden. Doch mit neuer Zuversicht in dem Blick sagte er: »Wir schaffen das. Wir haben beide so lange das Schattenschleichen geübt, da werden wir doch nicht weiter auffallen. - Ach und Isamu. Was immer du tust, nutze nicht deine magische Kraft. Hast du mich verstanden. Du hast doch sicher den Kerl neben dem Fürsten Mino bemerkt. Der mit dem fiesen Blick.«

Isamu nickte.

»Das war ein Ma. Ein ziemlich schlimmer Kerl. Ich habe bereits von ihm gehört. Er tötet aus reinem Vergnügen. Egal ob Frauen oder Kinder. Doch er ist nicht dumm. Darc wird gewusst haben, warum er gerade ihn zu Mino schickt. Denn Mino hat Angst vor ihm. Wir dürfen auf keinen Fall seine Aufmerksamkeit erregen.«

Isamu stellte sich gerade recht lebhaft vor, wie sich diese boshaften Augen noch einmal auf richteten. Diesmal in dem Wissen, dass er ein Ma ist. Würde er ihn ohne Vorbehalt angreifen? Oder Würde er auf einen günstigen Augenblick warten?

»Kann er uns denn nicht bereits spüren?«, fragte er.

»Doch, das kann er. Jedoch spüre ich bei dir keinen Unterschied zu normalen Menschen. Das scheint eine deiner Gaben zu sein.«, grinste Yuzo. »Und ich habe gelernt meine Aura denen der Menschen anzupassen. Wenn wir also keine magische Kraft nutzen, fallen wir nicht weiter auf.«

»Hat denn jeder Mensch eine Aura?«, fragte Isamu neugierig.

»Ja. Ich kenne nur eine Person, die ihre Aura bereits verstecken konnte, bevor sie von Meister Chi-on unterrichtet wurde. Alle anderen, die ich kenne haben es erst bei ihm oder einem anderen Meister der Kura-Ki-Batsu gelernt.«

»Kenne ich ihn? Wie lautet sein Name«

»Wie kommst du darauf, dass es ein Mann ist? Denn du irrst dich. Es ist eine Frau, welche ich meine. Aber um deine Frage zu beantworten, ob du sie kennst. Nein, ich glaube nicht, dass ihr euch schon einmal begegnet seid. Momentan ist sie hier, bei Fürst Mino. Meister Chi-on wollte wissen, was hier vor sich geht, und da sie bereits Kontakt zu Mino hatte, bot sie ihre Hilfe an. Sie hat bereits wichtige Informationen gesammelt. Ohne ihr Zutun hätten wir keine Ahnung, was hier, so nah an unseren Landen, vor sich geht. Die Ma festigen ihre Stellungen. Soweit war uns bekannt, doch wussten wir nicht, wie sie das anstellen. Doch nun können wir davon ausgehen, dass sie die Händlerwege von hier bis nach China beaufsichtigen. Ihre Hochburg befindet sich bei Kanazawa. Doch ob dies nur eine Ablenkung ist, wissen wir nicht. Ich bezweifle, dass sich dort auch der befindet, den wir zu bekämpfen versuchen. Shinichi wird wohl kaum so dumm sein und sich dort aufhalten, wo wir es vermuten. Wir müssen unsere Stellungen ebenso ausbauen, wie die Ma. Dennoch haben wir einen großen Nachteil.«

»Und welchen Nachteil haben wir?«, wollte Isamu wissen.

»Die Ma überwachen die Handelswege. Sie haben großen Einfluss auf den Norden des Landes. Ihre Schar ist groß, und unserer zahlenmäßig weit überlegen. Einen offenen Krieg können wir nicht riskieren. Wir müssen im Verborgenen handeln.«, antwortete Yuzo. »Wir sind auch nicht in der Lage wichtige Fürsten zu bestechen, wie unsere Feinde es vermögen. Diese Bestechungen bieten den Ma zusätzliche Handlungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel die offene Suche nach neuen Anhängern. Doch wir haben die Möglichkeit zu siegen. Wir müssen nur abwarten. Wie die Spinne auf ihre Beute. Wir spinnen unser Netz. So unscheinbar wie möglich. Und dann schlagen wir zu. Wir haben gute Beziehungen zu einigen Meistern im Westen des Landes. Wenn wir die Ma im Verborgenen schwächen, können wir anschließend einen Angriff wagen. Doch das verlangt gute Vorarbeit. So ist auch unser Auftrag ein Teil des Ganzen. Wenn wir das Dokument haben, können wir weitere Schritte der Ma abschätzen.« Yuzo schaute in Richtung des kleinen Fensters.

»Gut, es ist soweit. Also wie abgemacht. Wir überfallen ein paar Wachen, stehlen das Dokument und verschwinden dann schleunigst. Unser Pferd wird wohl noch im Wald sein. Bis dorthin werden wir rennen. Aber wie ich dich kenne wird das kein Problem sein.« Yuzo grinste ihn an.
 

Es wurde dunkel, als der runde Mond sich hinter einer dichten Wolke verbarg. Mühelos zerriss Yuzo das dünne Reispapier. Die nun freie Sicht offenbarte eine schräge Mauer, an dessen Fuß ein kleiner Rundweg für die Wachen angelegt war. Lautlos rutschten die beiden vermummten Krieger in die Tiefe. Katzengleich landeten sie auf dem Boden und verschmolzen mit der Dunkelheit. Kurze Zeit später entdeckten sie den Hauptmann, als er gerade die Wache am Tor zehn Runden um die Burg laufen ließ.

»Und wenn ich euch das nächste Mal beim Schlafen erwische, dann lauft ihr die ganze Nacht!«, brüllte dieser durch die Dunkelheit. Nach einiger Zeit setzte er seinen Rundgang fort.

Mit einer kurzen Handbewegung signalisierte Yuzo, dem Hauptmann zu folgen. Er saß am Lagerfeuer, als sie ihn einholten stocherte lustlos in der Glut herum.

»Ihr seid also bereits fertig mit eurem Rundgang.« ertönte eine tiefe Stimme.

Isamu erblickte den Vertrauten des Fürsten. Mit einem grimmigen Lächeln näherte er sich dem Hauptmann.

»Noch nicht. Doch seid unbesorgt. Ich werde mich sogleich vergewissern, ob Euer wichtiges Dokument noch an seinem Platz ist.«

»Dummkopf! Erwähnt nicht, dass es sich hier befindet, in dieser Burg. Niemand darf es finden, habt Ihr mich verstanden?!«

»Seid unbesorgt«, wiederholte der Hauptmann. »Niemand weiß, wo es sich befindet. Jeder würde es in der Schatzkammer vermuten, doch das ist eine Falle. Nur ich und der Fürst wissen, wo es ist. Ich werde sogleich nach dem Rechten sehen.«

»Das will ich Euch auch geraten haben. Erinnert Ihr Euch an die Gesandten, welche heute um ein Nachtlager baten. – Ich traue ihnen nicht. Sie könnten Spione von dem alten Narren sein, welcher nun im Namen der ehrenwerten Familie Yamato regiert. Der Alte wittert sein Ende. Doch wenn mein Meister erst die Grenzen mit seiner Armee überschreitet, dann wird der Alte keinen Platz des Friedens mehr finden können.«

Ein tiefes und grauenerweckendes Lachen donnerte durch die Luft. »Und nun verschwindet und seht nach dem Dokument.«

»Wie Ihr befehlt«, antwortete der Hauptmann. Er war kreidebleich und erschüttert von diesem teuflischen Lachen. Zügig verließ er das wärmende Feuer und eilte schnellen Schrittes davon. Nur mit Mühe konnten Yuzo und Isamu ihm folgen ohne gesehen zu werden. Als der Verfolgte endlich vor einer schweren Eisentür zum stehen kam, ertönte das klimpernde Geräusch eines Schlüsselbundes. Er stocherte mit einem dieser Metallstifte im Schloss herum und im Anschluss war ein leises Klicken zu hören. Leise schwang die Tür zur Seite und der Hauptmann trat ein.

Yuzo wartete einige Augenblicke, dann sagte er: »Welch Glück, dass man von innen nicht zuschließen kann. Hast du gesehen, der Gang führte in die Tiefe. Es scheint eine Art Keller zu sein. Nun sollte er weit genug weg sein, dass wir ihm folgen können.«

Im Keller ertönten nicht weit entfernte Schritte, welche augenblicklich später verstummten. Ein weiteres mal klimperte der Schlüsselbund und eine Tür am Ende des Ganges öffnete sich.

»Na also. Alles ist noch an seinem rechtmäßigen Platz«, sagte der Hauptmann zufrieden zu sich selbst.

»Aber nicht mehr lange«, antwortete Yuzo, welcher hinter dem Verfolgten stand und ihn mit einem gezielten Hieb bewusstlos schlug. »Wir haben keine Zeit, um die Truhe hier aufzubrechen. Isamu, wir nehmen sie mit und werden sie später öffnen.«

»Nicht nötig. Sieh nur. Der Schlüssel vom Hauptmann passt in das Schloss.«, antwortete Isamu erfreut, als er den letzten Schlüssel probierte.

»Ausgezeichnet. Wir haben das Dokument. Jetzt müssen wir es nur noch zu Meister Chi-on bringen.«
 

Die kühle Nachtluft peitschte um Isamu´s Gesicht als beide durch die Dunkelheit flohen. Plötzlich ertönte eine laute Glocke und ein leiser Ruf war zu hören. Irgendwo in der Ferne rannten einige Wachen hin und her.

»Wir wurden entdeckt.« Yuzo blieb stehen und sah sich um. »Isamu, du nimmst das Dokument und ich lenke die Wachen auf eine falsche Fährte. Wir treffen uns im Wald, an der Stelle, wo wir mein Pferd angebunden haben. Weißt du noch, wie du dorthin gelangst?«

Isamu nickte.

»Gut, dann viel Glück.«, und Yuzo verschwand.

Gut verborgen wartete Isamu noch eine Weile, ehe er die Flucht fortsetzte.

»Hier ist er!«, hallte es durch die Gassen. Kurz darauf rannten einige Wachen mit ihren klappernden Rüstungen und mit Lanzen bewaffnet an seinem Versteck vorbei, in die Richtung, in welche Yuzo verschwunden war. Dann war es wieder Still.

Noch ein letzter Blick, ob sich auch niemand in der Nähe befand, und schon rannte Isamu an den verschlossenen Fenstern der Kaufmannshäuser vorbei. Er war noch nicht weit gekommen, da hörte er, wie etwas durch die Luft schnellte. Kurz darauf wickelte sich etwas Schweres um sein Bein und er fiel zu Boden. Als er wieder wusste, wo er war, folgte sein Blick einer langen, eisernen Kette, welche der Grund für seinen Sturz war. Mit festem Griff zog ein Schatten die Eisenglieder straff.

»Gebt mir das Dokument!«



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