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Götterwelten

von

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Petrus und Amor

Sein deprimierter Seufzer musste im ganzen Himmel zu hören gewesen sein, denn das Publikum war sofort zur Stelle. „Hallo Petrus. Was macht das Wetter?“

Er hasste Witze dieser Art. Seit man ihm die Zuständigkeit für die Witterung übertragen hatte, musste er sich diesen stumpfsinnigen Unsinn anhören. Allmählich hatte er es wirklich satt. Dummer Weise handelte es sich bei dem Besucher um jemanden, dem man unmöglich böse sein konnte - selbst wenn man es von ganzem Herzen wollte. „Amüsierst du dich?“, knurrte Petrus und entschied spontan, die Temperatur auf der Erde um zwei Grad zu erhöhen. Momentan hatte er Europa auf dem Kieker.

„Absolut“, der Junge schenkte ihm ein umwerfendes Lächeln. „Was kann ich für dich tun Petrus? Wie wär’s mal wieder mit einer kleinen Liebschaft?“, fragte er und spannte demonstrativ den Bogen. Es war ein Irrtum und ein ziemlich kitschiger noch dazu, dass Amors Pfeile ein Herz an ihrer Spitze trugen. Tatsächlich waren es, zumindest äußerlich, ganz gewöhnliche Pfeile. Weshalb der einzige Grund, weshalb diejenigen auf die er sie richtete nicht sofort die Flucht ergriffen der war, dass er ein so einnehmend schönes Wesen war. „Du kannst dir das leisten Amor. Dich hält man ja auch nicht für einen bärtigen, senilen, alten Sack.“

Er war frustriert. Amor ließ den Bogen sinken und schenkte ihm einen mitfühlenden Blick. Tatsächlich waren die Vorstellungen der Menschen von seinem Äußeren auch nur bedingt zutreffend. Meist wurde er puttenartig, als ein kleiner nackter Junge dargestellt. Mochten die Götter auch noch so lüstern sein, DAS ging nun wirklich nicht. Früher hatte Amor die Kleider der Römer bevorzugt, sich aber später den Vorstellungen der nachfolgenden Generationen angepasst. So hatte er über lange Zeit, abgesehen von ein wenig schlichtem Schmuck, kaum mehr als ein Tuch um die Hüften getragen. Kein Wunder, dass Zeus sich anderweitig nach Partnerschaften umsah. Seine Gattin war über alle Maßen jähzornig. Amor selbst war, rein optisch betrachtet, ein Knabe von etwa 15 Jahren. In Wirklichkeit war er selbstverständlich um ein Vielfaches älter. Seit Anbeginn der Götterzeit existierte er in der Himmelswelt, so wie alle anderen Götter und göttergleichen Wesen auch. Oder zumindest fast alle. Götter wurden geboren, wann immer die Menschen an sie zu glauben begannen. Davor existierten sie schlichtweg nicht. Wenn sie es taten, dann in einer Form, in der sie keinerlei Bedeutung hatten. Erst der Glaube der Menschen ermöglichte es ihnen, sich in einem stabilen, meist menschenähnlichen Körper zu manifestieren. Letztlich verdankten die Götter ihre Existenz also den Menschen, weshalb man sich durchaus fragen konnte, wer denn nun der eigentliche Gott war. Bei der Erschaffung Amors jedenfalls, hatten sie sich selbst übertroffen. Was Aphrodite bei den Frauen war, war der Liebesbote bei den Männern. Selbst unter den Göttern war er eine absolute Schönheit. Und einer der wenigen, der mit der Zeit ging statt alten, vergangenen Tagen nachzutrauern. So war aus dem blonden Jüngling mit dem golden schimmernden Haar ein Knabe mit schwer gelocktem, tiefschwarzem Haar geworden, das verhüllende Tuch Boxershorts gewichen. Beides stand ihm gut. Ebenso wie die Ohrringe die er trug. Obwohl er all das natürlich nicht nötig gehabt hätte. Nichts vermochte seine Schönheit noch zu steigern und nichts sie zu schmälern. Und obwohl er es nicht mit Sicherheit sagen konnte, war sich Petrus sicher, dass der Junge das vielleicht einzige Wesen war, das tatsächlich dann perfekt war, wenn es sich so zeigte, wie Gott es geschaffen hatte. Petrus war eine spätere Erfindung und als solche weitaus menschlicher ausgefallen. Aber das war nicht das Problem. „Na ja, ich würde auch gerne mal als cooler Typ bezeichnet werden und nicht immer nur als puttiges Babyface an irgendwelchen Fassaden rumhängen.“

Sein Jugendslang war inzwischen allgemein bekannt, wenn auch nicht bei allen gleichermaßen beliebt. Immerhin, er brachte dadurch frischen Wind in die verstaubten Machtgefilde. Wie auch immer - er hatte Recht. Wer auch immer etwas für Amor zu empfinden glaubte, und das waren sowohl Götter als auch Menschen in rauen Mengen, befürchtete sofort einen Lolitakomplex und - insbesondere und ausschließlich die Menschen - eine Anklage wegen Verführung Minderjähriger. Das machte es für Amor unglaublich schwer einen Partner zu finden. „Wie geht es Psyche?“

Der Knabe verzog das Gesicht und ließ sich dann neben Petrus auf der Kumuluswolke nieder. Er lächelte, wirkte aber betroffen. Es schien ihn nur noch schöner zu machen. „Das ist nicht nett von dir“, erwiderte er halb schmollend - er war so süß, auch wenn einen seine Betrübtheit unweigerlich traf -, dann beantwortete er die Frage: „Gut denke ich.“

Mit anderen Worten: er wusste es nicht. „Die Menschen sind auch nicht nett.“

Der Junge legte den Kopf schief und schenkte ihm einen ebenso mitfühlenden wie ermutigenden Blick. Er wollte sich sein Gejammer also ganz offensichtlich tatsächlich anhören. Fast schämte sich Petrus dafür, dass es im Grunde immer das Gleiche zu beklagen gab. „Lasse ich die Sonne scheinen, jammern sie über die Hitze, lasse ich die Temperatur wieder sinken, sind sie auch unzufrieden. Ist es kalt fluchen sie, lasse ich es regnen, um ihre Pflanzen gedeihen zu lassen, beschweren sie sich auch. Allmählich bin ich es leid sie immerzu unzufrieden zu sehen.“

Amor lächelte ihn sanft an. „Sie wissen eben nicht, was sie an dir haben“, meinte er versöhnlich und beinahe wäre der Andere rot geworden. Aber dafür war er einfach zu frustriert. „Weißt du es denn?“, grummelte er und blickte ihn fast feindselig an. Doch der junge Gott ließ sich nicht beirren. „Nein.“

Manchmal hätte Petrus sich gewünscht - so sehr er Ehrlichkeit sonst auch schätzen mochte -, dass der Andere nicht ganz so ehrlich wäre. Amor, der offenbar genau das erreicht hatte, was er hatte erreichen wollen, beugte sich zu ihm, bis ihre Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. „Aber ich würde es gerne wissen“, er kam ihm noch näher, seine Absicht war unverkennbar. Petrus war zumeist ein ruhiger Zeitgenosse, nicht gerade bekannt dafür, dass er Witze, ganz gleich welcher Art, liebte - was abgesehen von seiner Aufgabe auch auf seinen Status im Himmel zurückzuführen war - und er konnte, einmal aus dem Konzept gebracht, ausgesprochen launisch sein. Nach einem kurzen Moment der Überraschung stand er auf. Er war ganz offensichtlich verärgert. Schwerer zu sagen war dagegen, ob es daran lag, dass er glaubte, dass der Andere sich einen Scherz mit ihm erlaubte - was nur bedingt der Fall war, Amor hatte es durchaus Ernst gemeint, es war nur seine Art sich auszudrücken - oder weil er tatsächlich rot geworden war. Ein paar Sekunden lang zeigte Petrus dem Anderen seine Wut, blickte direkt in die sanften Augen des Jungen, dann wandte er sich von ihm ab und ließ ihn allein. Amor sah ihm noch eine Weile nach, dann seufzte er und ließ die Beine baumeln. Ohne Pfeile war es eben doch nicht so einfach...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  kurayamide
2009-06-26T13:29:13+00:00 26.06.2009 15:29
Wundervoll, wundervoll. Wie kommst du auf die Idee, ich würde es nicht mögen? (Mehr davon, bitte.)
Made my day!


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