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Götterwelten

von

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Allahs Nase

„Es ist furchtbar!“

Das dachte Petrus auch. Wenn Aphrodite, die Schönste der Schönen, hysterisch kreischend durch das Götterreich fegte, dann musste es allerdings furchtbar sein. Allerdings konnte Petrus noch nicht sagen was es war. Er war gerade mit der Regenzeit in der Sahara beschäftigt und nicht informiert worden. „Was ist los?“, erkundigte sich der Wetterpatron, wenn auch gänzlich desinteressiert. Dass Amor hin und wieder vorbeischaute war ja noch ganz nett, aber warum zum Henker musste man ihn andauernd bei der Arbeit stören?! Offenbar hatten die übrigen Götter nichts zu tun. Aphrodite konnte man das schwerlich zum Vorwurf machen. Ihre Aufgabe bestand nun einmal darin schön zu sein, damit andere sich daran erfreuen konnten - und schön war sie, keine Frage. Sie schien ihn erst jetzt wirklich zu bemerken, was Petrus’ Stimmung nicht gerade verbesserte. Er wurde nicht gern übersehen, was zu seinem Leidwesen - wenngleich er sich nicht allzu viel daraus machte - jedoch relativ häufig vorkam. „Allah hat Nasenbluten!“

Der Gott des Islam? Das überraschte Petrus jetzt doch. Allah hatte es seiner und auch der Meinung vieler anderer nach von allen Göttern am schlechtesten getroffen. Sicher, nicht alle von ihnen hatten ein hübsches Gesicht, aber sie hatten wenigstens eines! Selbst den Gott des Christentums, von dem man sich ja angeblich auch kein Bild machen durfte, hatte es gelegentlich auf eine Leinwand oder wenigstens in ein Comicheft verschlagen. Allah, der bedauernswerte, hatte da weniger Glück. Man hatte ihm, so oft er auch wo auch immer zu sehen war, ein Gesicht vorenthalten. Blieb ein Problem. Wenn man kein Gesicht besaß, besaß man logischer Weise auch keine Nase. Und das wiederum schloss Nasenbluten eindeutig aus. Aber Petrus wollte nicht voreilig sein. Schließlich befanden sie sich hier im Reich der Götter. „Er hat keine Nase“, bemerkte er trocken. Aber das schien Aphrodite nicht wirklich beruhigen zu können. Im Gegenteil - sie wurde noch viel hektischer. „Das ist es ja eben! Ich habe Angst, dass er explodiert!“

Petrus bezweifelte, dass er das tun würde. Obwohl es durchaus etwas Neues gewesen wäre. Manchmal vergaßen eben auch die Götter, dass sie Götter waren und damit - einmal ins Leben gerufen - so gut wie unsterblich. Es gab allerdings etwas anderes, das Petrus noch weitaus mehr interessierte. „Woher weißt du das? Du willst mir doch nicht erzählen, dass er es dir gesagt hat?“

Schwer vorstellbar. Allah besaß keinen Mund. Deshalb war er auch nicht als Partner für die Göttinnen geeignet. Er brachte glaubensbedingt einfach keine Zungenküsse zustande. Armer Kerl - er konnte einem wirklich leid tun. Petrus mochte seine ruhige Art. Die Methoden einiger seiner Anhänger dagegen weniger. Der Gesichtslose oder vielmehr seine Vertreter auf Erden, waren schwer in Verruf geraten. Nun, wenigstens brauchten sie sich, im Gegensatz zu den Christen, nicht zu fragen, weshalb ihr Gott ihnen nicht antwortete. Eigenverschulden. Aber vielleicht würde ihnen das ja eines Tages auffallen und der arme Mann von seiner schweren Bürde erlöst. Menschen konnten ganz erstaunlich herzlos sein. „Red keinen Unsinn, Petrus!“

Sie war schön wenn sie wütend war. Amor wurde nicht wütend, aber bei ihm hätte es sich gewiss genauso verhalten. Und wenn er die Wahl hätte, wäre ihm Amors Gesellschaft stets die liebste. „Er ist rot geworden!“

Das war zu viel. Entgegen seiner ursprünglichen Laune prustete der Wetterpatron los und es dauerte eine ganze Weile, bis er sich wieder beruhigt hatte. Die Art wie sie die Unterlippe vorschob, machte die Verwandtschaft unverkennbar. „Aphrodite meine Liebe, wer würde bei deinem Anblick nicht erröten?“

Sie errötete selbst ein wenig - man sah Petrus nur sehr selten so heiter -, besann sich dann aber wieder auf den eigentlichen Punkt ihrer Unterredung. „Ich meine richtig rot! Fast blutrot! Ich habe Angst, dass ihm etwas zustößt!“

Ja, ja, die Lüsternheit, dachte Petrus und unterdrückte ein Grinsen, da das Ganze ob seiner Kuriosität zwar zum Lachen reizte, genauer betrachtet aber alles andere als lustig war. Gerade die Götter waren alles andere als abgeneigt. Einige mochten nicht so helle sein, aber unschuldig war hier definitiv keiner. Schließlich waren sie von Menschen ersonnen worden. „Ist unser Messias schon zurück?“

„Seit etwa 2000 Jahren, ja.“

Petrus machte eine Geste als wolle er sagen: na siehst du. Tatsächlich sagte er: „Dann ist es doch kein Problem. Ehrlich gesagt, ich glaube nicht, dass Al etwas passiert und falls doch, kann Josh ihn doch heilen.“

„Sprich bitte nicht so respektlos über die anderen Götter“, tadelte sie ihn, wenn auch ohne die nötige Strenge. Petrus zuckte nur gleichgültig mit den Schultern. Sie konnte nichts dafür. Es lag in ihrer Natur. Das gleiche sanfte Wesen wie Amor und von ebensolcher Schönheit. Nur was das Temperament anging, war sich Petrus mit sich selbst noch nicht ganz einig. Zu wenig Input. Aphrodite hatte inzwischen über seine Worte nachgedacht und obwohl sie mit dieser Erklärung nicht wirklich glücklich zu sein schien, bedankte sie sich brav und verabschiedete sich - nachdem sie ihm einen Kuss auf die Wange gegeben hatte- mit einem umwerfenden und absolut entwaffnenden Lächeln. Die Verwandtschaft war unverkennbar. Selbst ihre Bewegungen als sie davoneilte erinnerten an ihn. Petrus seufzte und kehrte auf seine Wolke zurück. Was für ein Aufstand. Eine Liaison zwischen dem alten Griechenland und dem Islam? Rührende Geschichte. Geradezu herzergreifend. Der Wetterpatron nannte so etwas Ironie des Schicksals. Er warf einen Blick auf die Erde und verzog angesäuert das Gesicht. Hermes, dieser windreitende Idiot, hatte bei seinen Streifzügen mal wieder alles durcheinander gebracht. Jetzt waren die Wolken wieder überall, nur nicht da, wo sie sein sollten. Und mit ihnen der Regen. Das war das Problem in einer multireligiösen Gemeinschaft. Es gab für die komplexeren Aufgaben einfach zu viele Doppelbesetzungen. Aber man konnte es ihnen auch nicht überlassen. Als er einmal auf Wunsch einen nordischen Gott seine Aufgabe hatte übernehmen lassen, hatte er die Welt gerade noch vor einer dritten Eiszeit bewahren können. Ein anderes Mal hatte er seine liebe Not damit gehabt, dem Anderen klar zu machen, dass die gleichzeitige Eruption aller noch aktiven Vulkane der Welt aus verschiedenen Gründen kein anzustrebendes Ereignis war. Und dann Hermes, dieser unverbesserlich Hohlkopf. Er hatte auch seine guten Seiten, sicher, wer nicht? Aber dieser unmögliche Weiberheld schoss mit seinen idiotischen Winden einfach zu oft über das Ziel hinaus. Sicher war es ärgerlich, wenn einem die Freundin den Laufpass gab, aber musste man deshalb derart durch die Gegend fegen? Ob nun absichtlich oder nicht, Kyrill hätte er sich wirklich sparen können. Anstatt in sich zu gehen und darüber nachzudenken, welchen Beitrag er zur Verbesserung der Situation beitragen konnte und welche Fehler er möglicher Weise gemacht hatte, tobte er wie ein Poltergeist durchs Gelände und produzierte dabei ganz nebenbei einen der schlimmsten Stürme, den die Welt seit langem gesehen hatte. Hoppla, mein Fehler. T’schuldigung, kann ja jedem mal passieren. Wenn er wenigstens etwas in der Art gesagt hätte, aber nichts dergleichen. Er zeigte sich uneinsichtig wie eh und je. Na ja, die Menschen konnten zwar nicht direkt etwas dafür, aber irgendwie hatten sie es bestimmt verdient. Tolle Ansicht. Erinnerte irgendwie an den Gott der Christenheit. Allerdings stand bei ihm etwas anderes im Vordergrund. Er war einfach hoffnungslos naiv. Seine Anhänger glaubten daran, dass er alles Gute und Schöne in sich verkörpere und sie auf ihren Wegen leiten würde. Tatsächlich glaubte ihr Gott daran, dass sie gute und liebenswerte Wesen seien, die seiner führenden Hand eigentlich gar nicht bedurften. Zwei Welt- und zahllose, bis heute andauernde Glaubenskriege hatten ihn nicht vom Gegenteil überzeugen können. Er war zum Beobachter verkommen. Warum wusste keiner so genau, denn die meisten Götter besaßen im Allgemeinen zumindest den Vorstellungen der Menschen ähnliche Charakterzüge. Schließlich war es der Glaube der Menschen, der ihnen Leben einhauchte. Da war es nur natürlich, dass sie sich dessen Inhalt auch in irgendeiner Weise annäherten. Zumindest zu Beginn ihrer Existenz. Wieder seufzte Petrus frustriert, diesmal störte ihn jedoch niemand. Auch Amor ließ sich nicht blicken. Fast bedauerte der Wetterpatron es, aber eben nur fast. Hermes hatte ordentlichen Schaden angerichtet und wie immer lag es nun bei ihm, die Sache wieder gerade zu biegen. Es schien irgendwie zur Gewohnheit zu werden oder vielmehr geworden zu sein, dass er es war, der die Fehler der anderen Götter auszugleichen hatte. Es half nichts. Leidende Menschen mochten die Perversion so manch göttlichen Wesens nach außen kehren - die Menschen nannten das Kino und auch die Götter hatten dabei nichts gegen ein wenig Popcorn einzuwenden -, er gehörte jedenfalls nicht dazu. Obwohl er sich auch nicht gerade in Anbetung der menschlichen Rasse erging. Im Gegensatz zu gewissen Personen - spontan fiel ihm da vor allem Hephaistos ein -, schätzte er die Ordnung und fühlte sich am wohlsten, wenn er seine Aufgabe ebenso ordnungsgemäß erfüllen konnte. Bedauerlicher Weise schien es das selbsterklärte Ziel der anderen Götter zu sein, ihn bei eben dieser Tätigkeit andauernd und sehr ausdauernd zu stören. Wahrscheinlicher war jedoch, dass er paranoid war. Ein weiterer frustrierter Seufzer. Es half nichts. Die Sahara brauchte ihr Wasser. Also nahm er auf seiner Wolke platz und kam das zweite Mal an diesem Tag seiner Pflicht nach, den größten Sandkasten der Welt zu wässern und zu begrünen.



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