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Scorpius und Rose
von

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Das erste Stück des Kuchens

Kapitel 12:     Das erste Stück des Kuchens
 

Alice Longbottom mochte Weihnachte. Manchmal. Sie mochte die vielen Lichter, diese warme Atmosphäre, die sich, sobald ein Weihnachtsbaum im Raum stand, scheinbar auf jeden niederlegte und die Launen der Menschen somit unwillkürlich ein wenig ruhiger und behaglicher werden ließ. Sie mochte das Gebäck, das bergeweise gebacken wurde und dessen Geruch sich in jede Fuge einschlich. Ja, Alice mochte sogar das ein oder andere Weihnachtslied, das ihre Urgroßmutter nach dem dritten Glas Eierlikör lautstark vor sich her trällerte. Kurz: Alice mochte die schönen Seiten dieses besinnlichen Festes. Die vorweihnachtliche Hektik jedoch verabscheute sie. Sätze wie Bei Merlin, was schenke ich ihm?, Was hatte sie sich noch mal gewünscht? oder Ach du Schreck, ist morgen etwa schon Weihnachten? waren keine Seltenheit in jener Zeit am Ende eines jeden Jahres – und doch stürzt sich die Longbottom am Ende eines jeden Jahres immer wieder mit vollem Eifer in jene Zeit. Es war ein wahrer Teufelskreis.

Doch es war äußerst interessant, wie sich die Empfindungen in dieser Angelegenheit unterschieden.

Albus zum Beispiel liebte Weihnachten. Jedoch nicht aus den offensichtlichen Gründen, wie etwa Geschenke, leckere Speisen oder gar das Beisammensein der ganzen Familie. Nein, der Potter bevorzugte an diesen Festtagen die so zu sagen kleinen Dinge, über die er sich jedes Jahr aufs Neue amüsierte. Und zwar jene kleinen Dinge, mit denen niemand gerechnet hatte, demnach umso überraschender zu sein schienen und – das war der entscheidende Punkt – die meist ein recht katastrophales Ende nahmen. Ein Weihnachten ohne Unfälle sei kein richtiges Weihnachten, hatte er einmal gesagt – weshalb es auch nicht verwundern sollte, dass das vorletzte Weihnachten den ersten Platz seiner Top Ten in Sachen Weihnachtsturbulenzen ergatterte. Der brennende Weihnachtsbaum war auch wirklich ein Highlight. Nun ja, man sollte Ron vielleicht auch nicht die Aufgabe zukommen lassen, den heiligen Baum mit Kerzen zu schmücken. Allerdings hatte der Weihnachtsbaum auch noch nie so geleuchtet wie an jenem Tag.

Ganz im Gegensatz dazu war seinem besten Freund, Scorpius Malfoy, Weihnachten scheinbar gleich – Zumindest schätzte Alice jenes Empfinden so ein, denn sie hatte ihn noch nie dabei erwischt, wie er der aufwändigen Weihnachtsdekoration von Hogwarts verträumte Blicke zugeworfen hatte, genauso wenig wie sie ihn dabei beobachten konnte, voller Eifer die Heimreise anzutreten. Von Albus hatte sie einmal erfahren, dass der Malfoy keinen besonderen Wert darauf legte, an Weihnachten zu Hause zu sein. Sehr merkwürdig hatte die Longbottom diese Eigenart damals empfunden, denn wer wollte diese Zeit nicht im Beisammensein seiner Familie verbringen? Inzwischen allerdings hatte sich Alice’ Argwohn verflüchtigt – nun, wo sie den Malfoy dank Rose besser kennen gelernt hatte. Mehr oder weniger zumindest.

Rose hingegen bildete das Extrem unter den bereits genannten. Man könnte sagen, die große Leidenschaft der Weasley wären Bücher und das Erweitern ihres Wissens. Das stimmte auch, zumindest einen Großteil des Jahres. Denn sobald der Dezember näher rückte, verschoben sich Rose’ Prioritäten grundlegend. Wenn Alice es nicht besser wüsste, würde sie beinahe schon behaupten, Rose wäre der erste Weihnachtself des Weihnachtsmannes höchstpersönlich. Aber Alice wusste es besser: Rose war einfach nur verrückt – was Weihnachten anging. Ja, diese Verrückte liebte sogar die Hektik und die Verzweiflung, wenn man an den letzten Adventtagen in der Winkelgasse umherirrte und nach vergessenen Geschenken suchte. In solchen Situationen lief Rose regelrecht zur Höchstform auf und meisterte die Präsentsuche in einem Tempo, worauf sogar der Treiber der Appleby Arrows neidisch wäre. Sie hatte ein Gespür für die richtigen Geschenke, hegte eine ungewöhnlich große Sympathie für weihnachtlichen Kitsch und – das war wohl die größte Schwäche der Weasley – war dem Honigkuchen ihrer Großmutter mehr als nur verfallen. Genau genommen war sie jeder Art Honigkuchen verfallen, stammte er nun aus der kleinen Bäckerei in Hogsmeade oder von den Hauselfen Hogwarts’. Doch die feine Backware ihrer Großmutter Molly erlangte einen besonderen Status, denn da die alte Dame sehr genau um die Schwäche ihrer Enkeltochter wusste, gebührte Rose jedes Weihnachten die Ehre, das erste Stück des Honigkuchens zu verspeisen. Niemand aus der Familie scherte sich wirklich darum, das erste Stück des Kuchens zu gewinnen, außer Rose – sie nahm den kleinen Teller mit dem goldfarbenen Gebäck entgegen, als händigte man ihre gerade den Pokal der Quidditch-Weltmeisterschaft aus. Oder in Rose’ Fall zutreffender: den Hauspokal.

Die Longbottom wusste nicht recht, warum sich diese Anekdoten ausgerechnet in diesem Augenblick in ihr Gedächtnis schlichen, während sie das Szenario mit wachsamen Augen musterte, das sich an diesem kalten Tag in diesem scheinbar noch kälteren Korridor abspielte.
 

„Weasley redet Unsinn.“
 

„Unsinn, ja? Wie schön zu wissen, dass du mein Gerede für Unsinn hältst!“
 

Alice hielt den Atem an, als befürchtete sie, das entflammte Inferno durch ein Ausatmen nur noch mehr zu entfachen. Ihre Hand fand Rose’ Schulter und eine Welle der Erleichterung überschwamm die Longbottom, als sie registrierte, dass die Weasley ihrer vermutlichen Neigung, Natalie jedes Haar einzeln aus zu reißen, nicht nachging.
 

„Halt die Klappe Collister und kümmere dich lieber um deine Begleitung. Er gehört ganz dir!“, rief Rose – ihr wildes Haar flatterte um ihren Kopf, als sie sich umwandte und an Alice vorbei stampfte. Einen letzten Moment ruhten die braunen Augen der Longbottom noch auf Scorpius, dessen linker Fuß merkwürdig zuckte. Doch entgegen Alice’ Hoffnung rührte er sich nicht, um Rose’ zu folgen. Ein schmales Seufzen entwich ihren Lippen, bevor sie sich beeilte, um ihre beste Freundin noch einzuholen.
 

„Dieser Mistkerl!“, fluchte Rose, als Alice auch nur wenige Abzweigungen später wieder auf sie traf. Ihre Wangen waren gerötet und ihre dunklen Augen merkwürdig gläsern – ihren harten und schimpfenden Worten so gar nicht entsprechend.

„Wie kann er nur mit diesem Wischmob zur Party gehen? Das ist doch wirklich unglaublich!“, rief Rose und hielt in ihrer hektischen Schritten inne, als sie sich zu Alice umwandte. „Wie kann er das nur tun?“, fragte sie und nun glich ihre Stimme dem Ausdruck auf ihrem Gesicht mehr, als die Longbottom es befürchtet hatte. Rose’ Unterlippe begann zu zittern und sie presste die Lippen aufeinander, um diese äußerliche Schwäche zu verbergen. „Warum macht er das?“, fragte sie erneut und lehnte sich gegen die kalte Steinmauer. Ihre rötlich-braunen Locken verdeckten ihr Gesicht, als sie den Kopf hängen ließ und Alice konnte nur anhand der kleinen Schluchzer erahnen, wovor sich ihre beste Freundin versteckte.

„Rose“, sagte sie und wollte so gerne ein paar tröstende Worte finden – nur eine handvoll. Doch was sollte man in solchen Situationen schon sagen? Er ist nun mal ein Slytherin? Nicht gerade clever und als Alice ihre Gedanken laut aussprach, empfand sie diese als noch dümmer. Und Rose entwich lediglich ein klägliches Wimmern.

Die Longbottom trat näher und tätschelte unbeholfen Rose’ hängenden Kopf. Sie waren beste Freundinnen und doch hatten die beiden einen solchen Zustand noch nie zusammen durchkämpfen müssen. Meistens war es Alice selbst, die irgendwelchen Jungs nach weinte und sich von Rose schließlich mit ein paar exakt gewählten Worten trösten ließ. Aber auch nur, weil sie das Weinen satt hatte. Rose Weasley jedoch hatte noch nie wegen einem Jungen geweint. Eigentlich hatte Alice sie noch nie weinen sehen – noch nicht einmal damals, als ihr vorgeworfen wurde, ein Buch aus der Bibliothek nicht zurück gebracht zu haben.

Was sagte man also zu einer besten Freundin, die noch nie geweint hatte?

„Ich meine“, begann Alice schließlich zögernd. „Vielleicht ist er ja auch nur–“

Hallende Schritte jedoch ließen die Dunkelhaarige verstummen und ihr Kopf wandte sich unwillkürlich in jene Richtung, aus der das Geräusch näher zu ihr drang.

Scorpius Malfoy blieb mit einem Ruck stehen, als er die beiden Mädchen entdeckte und sein Blick huschte zwischen Rose und Alice hin und her. Sein Brustkorb hob und senkte sich in schnellen und regelmäßigen Bewegungen und seine blauen Augen waren seltsam ausdruckslos. Irgendwie – denn möglicherweise wirkten sie auch nur in jener Art, da der Malfoy sich scheinbar nicht zwischen Wut, Traurigkeit und Unsicherheit entscheiden konnte.

Alice murmelte ein „Rosie“ und als jene aufsah, den Malfoy entdeckte, straffte sie sofort ihre Schultern und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Mit einem Wisch ihres Ärmels waren auch die letzten Spuren der seichten Tränen auf ihren Wangen beseitigt und sie stieß sich von der kalten Wand ab.

„Was willst du denn hier?“, fragte Rose tonlos. „Hast du keine Angst, dass deine Slytherinspürhunde die Fährte aufnehmen und unser gut behütetes Geheimnis aufdecken, Scorpi-Porpie?“

Scorpius schob die Hände in seine Hosentaschen und trat ein paar wenige Schritte auf die zwei Gryffindors zu.

„Die finden ihre Knochen auch ganz gut ohne mich“, erwiderte er und auch wenn sein Witz ein durchaus gelungener war – wie Alice fand – so erheiterte dieser seine Stimmlange in keinster Weise.

Rose schnaubte unter seinem kühlen Blick und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Was sollte diese Nummer eben?“, fragte er schließlich gerade heraus und durchbohrte Rose regelrecht mit seinen stechenden Augen. Diese jedoch zuckte nur mit den Schultern und minderte somit die Wirkung eines beleidigten Kindes nicht wesentlich.

„Deine Anspielungen waren nicht gerade dezent“, sagte er und näherte sich einen weiteren Schritt. „Das ist unsere Angelegenheit und geht sonst niemanden etwas an!“

Rose hob jedoch nur eine Augenbraue, die den Malfoy geradezu belächelte.

„Sie hätten etwas herausfinden können!“, donnerte dieser schließlich mit lautem Organ und jener herrschende Ton schien in der Weasley die Mauern der Verteidigung zu Fall zu bringen. Sie setzte auf Angriff.

„Du bist doch paranoid!“, schleuderte sie ihm entgegen und öffnete ihre verschränkten Arme. „Das ist doch nicht normal! Nur weil dein Vater den Namen Weasley nicht mag, drehst du völlig durch!“

„Ich will nur meinen Arsch retten – du kennst meinen Vater nicht“, entgegnete Scorpius und Rose lachte auf. „Oh ja, dein ach so böser Vater. Werd’ erwachsen Scorpius! Falls du es noch nicht bemerkt hast, wir sind alt genug, um eigene Entscheidungen zu treffen.“

Der Slytherin schüttelte mit ungelenkiger Bewegung den Kopf und es wirkte furchtbar anstrengend. „Du hast doch keine Ahnung!“, rief er. „Er würde-“

„Was? Was würde er? Dir Hausarrest verpassen? Dir dein Lieblingskuscheltier wegnehmen? Du bist volljährig, Scorpius! Verdammt noch mal!“ Rose stampfte mit dem Fuß auf und ballte die Hände zu Fäusten. Ganz im Gegensatz zu dem Malfoy, der beinahe hilflos seine Arme in die Lüfte warf. „Du verstehst es nicht“, sagte er mit entnervter Stimme. „Sie will es einfach nicht verstehen“, wiederholte er sich mit einem Blick auf Alice, als würde sie ihm nun erklären, dass alles nur ein Scherz gewesen sei. Doch deren Mundwinkel zuckten nur in einer kurzen, hölzernen Bewegung nach oben – den Dementor würde sie tun und sich freiwillig in diesen nicht zu gewinnenden Kleinkrieg einmischen.

„Stimmt“, entgegnete Rose und stemmte die Arme in ihre Hüften. „Ich verstehe es nicht.“ Und dann nahm ihre Miene einen äußerst ungewöhnlichen Ausdruck an – in Anbetracht dieser momentanen Lage. Ihre Lippen kräuselten sich und es sah aus, als bemühte sie sich um ein triumphierendes Grinsen, das ihr jedoch nicht ganz gelingen wollte. Sie strich sich das Haar zurück und wackelte etwas unbeholfen mit den Schultern. „Dann geh eben mit dieser Collister – ich habe sowieso schon ein anderes Date.“

Scorpius, dessen Haltung seit Beginn dieser Unterhaltung Überheblichkeit ausstrahlte und dessen Mimik sogar einem Riesen hätte das Selbstbewusstsein stehlen können, hustete auf, da er sich scheinbar an seinem eigenen Atem verschluckt hatte. Überrascht und in seiner Sicherheit leicht verrutscht, blinzelte er Rose an. Die Longbottom jedoch reagierte weniger unbeherrscht, jedoch nicht minder überrascht, sodass sich ihr Kopf in einer argwöhnischen Bewegung zu Rose drehte.

„Aha, und wer?“, räusperte sich der Malfoy, sich um eine Fassung bemühend, und nahm somit Alice die Worte regelrecht aus dem Mund.

„Douglas Corey“, antwortete die Weasley mit einer Beiläufigkeit, deren Absicht man wahrscheinlich noch in Australien hätte riechen können. Die rechte Augenbraue der Longbottom wanderte mit solch geringer Geschwindigkeit in ihre Stirn, dass sie dem Ausdruck der Skepsis wohl nicht gerechter hätte werden können. Douglas Corey? Hatte sich Rose nicht vor wenigen Minuten noch köstlich über ihn amüsiert und Alice mit einem bitterbösen Blick bestraft, als diese eben jenen Douglas Corey als eventuelle Notlösung vorschlug? Die eigentliche Absicht hinter dem Vorschlag der Longbottom war eigentlich nur ein Lächeln auf Rose’ Lippen zu hexen – und vielleicht auch, um dem nervigen Gefrage von Douglas endlich ein Ende zu bereiten. Aber hauptsächlich ersteres.
 

„Oh ich bitte dich, mit dieser Kröte?“, höhnte Scorpius und sein sonst so elitäres Lachen klang nun gar nicht mehr so selbstsicher.

„Er ist keine Kröte“, erwiderte Rose weniger überzeugt, als vermutlich beabsichtigt. „Er ist eben natürlich – stimmt’s, Alice?“

Die Angesprochen schreckte beinahe auf, als sie aus ihrer Rolle der stummen und unbehaglichen Beobachterin geschupst wurde und nun am Geschehen teilhaben sollte.

„Ähm“, machte sie dementsprechend überfordert, was der Weasley jedoch auch schon zu genügen schien. Diese nickte nämlich überzeugt und ihre Aufmerksamkeit richtete sich wieder auf Scorpius, der verächtlich schnaufte.

„Er ist ein widerlicher Schleimer“, verdeutlichte er nachdrücklich, als hätte Rose einfach noch nicht begriffen, wen sie sich als Tanzpartner ausgesucht hatte.

„Und Natalie ist der Jackpot?“, höhnte diese hingegen und verdrehte die Augen. Alice glaubte, dass sich Rose und Scorpius irgendwann einmal köstlich über dieses nichtige Gezanke amüsieren würden. Und zugleich befürchtete sie, dass dieser Zeitpunkt noch in ferner Zukunft lag. In sehr ferner Zukunft.

„Na schön“, bellte Scorpius. „Dann geh eben mit dieser schleimigen Kröte!“

„Diese Kröte“, entgegnete Rose mit spitzer Stimme. „will sich wenigstens in der Öffentlichkeit mit mir blicken lassen.“

Und dieses Mal ertönte keine Erwiderung des Malfoys – doch seine Körperhaltung sprach für sich. Verkrampft straffte er die Schultern und als er das Kinn reckte, erkannte man seine angespannten Kiefermuskeln.

„Das ist albern“, erklang seine eiserne Stimme. Das Blau seiner Augen flimmerte matt und hilflos und während es Rose fixierte, senkten sich deren Schultern kapitulierend.

„Ja“, sagte sie müde.

Und obwohl dieses Verhalten tatsächlich albern war, diese Diskussion überflüssig und das Szenario vielleicht sogar ein wenig ulkig – so glaubte Alice, noch nie etwas traurigeres gesehen zu haben, als Scorpius den Blick senkte und schließlich mit stolzen Schritten in der Dunkelheit der winterlichen Korridore verschwand; Rose zurücklassend.
 

~
 

„Na ja, du könntest immer noch mit uns gehen?“

Rose hob eine Augenbraue und betrachtete den Potter.

„Mit euch?“, wiederholte sie ihrem Ausdruck entsprechend skeptisch und Albus zuckte unbekümmert mit den Schultern, was Rose unwillkürlich dazu veranlasste, ihm einen Klaps auf den Hinterkopf zu geben.

„Klar“, sagte sie trocken, noch ehe sich der Potter beschweren konnte. „Und dir und Alice beim Knutschen zusehen. Nein, danke.“

Albus’ Gesicht nahm beinahe in Rekordgeschwindigkeit eine rötliche Farbe an – eindeutig die Erbschaft seiner Mutter. Und während seinem protestierenden Gestammel und seinen abwehrenden Gestikulationen überlegte Rose, wie gut Douglas Corey wohl tanzen konnte; wobei sie es angestrengt vermied, einen Vergleich mit dem Malfoy anzustellen, der sich vermutlich wesentlich besser auf der Tanzfläche machte als Douglas.

Aber das war natürlich nur eine Vermutung.
 

~
 

Scorpius schrieb und schrieb und schrieb. Die Wörter auf dem Pergament flossen einfach so dahin – sein Aufsatz für Verwandlung hatte die fünfzig Zentimeter Pflichtlänge schon längst überschritten und dennoch kritzelte der Malfoy weiterhin Sätze auf das gelbliche Papier, während sich seine Flinke-Formulier-Feder gerade den letzten Rest gab und mit einem keuchenden Geräusch den letzten Tropfen Tinte ausspuckte, bevor sich ihr Schaft in einem schlappen Bogen neigte.

Scorpius stöhnte auf, warf die verbrauchte Feder von sich und rieb sich mit der flachen Hand über seine müden Augen. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte den Bücherstapel, der sich vor ihm häufte und in dem spärlichen Licht der Bibliothek noch mächtiger wirkte, als er ohnehin schon war. Seine hellen Augen ruhten erschöpft auf den sich aneinander reihenden Bücherrücken und unwillkürlich huschte ein mutloses Lachen über seine Lippen – das war der Grund, warum er sich die letzten Tage gerade zu in die Arbeit gestürzt hatte. Denn kaum waren ihm ein paar Minuten der Gedankenlosigkeit vergönnt, schwebte Rose in seinen Kopf – wie oft hatte er sie dabei beobachtet, wie sie sich übereifrig hinter Bücherbergen vergrub – und erinnerte ihn daran, dass sie nun nicht mehr seine Rose war.

Er seufzte schwer und griff nach seiner Ersatzfeder, die schon völlig abgenutzt war und doppelt so viel Tinte benötigte. Aber sie erfüllte ihre Pflicht.
 

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Lily Potter war nicht bekannt für ihre Geduld. Und aus dieser Eigenschaft irgendwie resultierend mochte sie es auch ganz und gar nicht, wenn ein Geheimnis in ihrer nächsten Umgebung umher flatterte, das für sie auch nur ein eben solches blieb. Demnach verstimmt wanderten ihre Augen nun schon seit einigen Minuten zwischen ihrer Cousine Rose und Alice hin und her, die ihr am Gryffindortisch gegenüber saßen und stumm ihren Eintopf verspeisten. Die Longbottom schielte in regelmäßigen Abständen zu Rose hinüber, während sich ihr Blick zwischen besorgt und ungehalten abwechselte. Rose hingegen drehte nun schon zum vierten Mal dieselbe Kartoffel auf die andere Seite und schien die Blicke ihrer besten Freundin gar nicht zu bemerken.

Eines stand für Lily fest: hier war etwas mächtig faul.

Denn während die große Halle in goldenem Licht erstrahlte, die ersten Zauberhüte schon durch Nikolausmützen ausgetauscht wurden und Peeves immer häufiger Weihnachtslieder durch das Schloss posaunte, schien sich Rose mehr für sämtliche Seiten der Kartoffel zu interessieren als für ihre Umgebung. Und das war äußerst seltsam.

Irgendetwas war vorgefallen, doch die zwei Grazien hatten mit keinem Wort etwas erwähnt, was Lily schließlich ein unkontrolliertes Schnaufen entlockte. Ihre flache Hand flog geräuschvoll auf den hölzernen Tisch und der Laut ließ Alice aufschrecken.

„Könntet ihr mir bitte erklären, was mit euch los ist?“, fragte die Potter ärgerlich.

Doch Alice’ Blick flog nur unter erneuter Besorgnis zu Rose, die wiederum nur ein „Weihnachten nervt“ grummelte.

Lily seufzte frustriert. Wie gesagt, äußerst seltsam.
 

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„Vielleicht solltest du einfach noch mal mit ihr reden“, schlug Albus vor und erntete sogleich einen vielsagenden Blick von dem Malfoy. Albus verdrehte die Augen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, während er neben seinem besten Freund durch die Korridore streifte. Nun gut, er streifte durch die Korridore – Scorpius ging zur Bibliothek, die er übrigens in letzter Zeit beunruhigend oft besuchte. Albus hätte unter anderen Umständen ja nun vermutet, dass sich Scorpius nur so oft dort aufhielt, um Rosie zu treffen. Aber ja, unter anderen Umständen.

„Ihr seid echt völlig verrückt, weißt du das?“, sagte er und erwartete schon gar keine Antwort mehr, denn der Malfoy schien bei jenem Thema merkwürdigerweise immer augenblicklich zu verstummen.

„Ich meine, ihr macht es euch echt schwer, Mann“, redete er unbekümmert weiter und folgte dem genervten Scorpius unablässig.

„Du entschuldigst dich, sie entschuldigt sich, dann ein paar Küsschen oder was auch immer und alles ist wieder gut.“ Der Potter zuckte mit den Schultern. „Ist doch ganz einfach.“

Inzwischen hatte Scorpius seine Schritte beschleunigt und sein Blick stierte ausdruckslos geradeaus, während Albus’ permanentes Gerede ihn begleitete.

„Einer von euch müsste eben nur mal damit anfangen und ich würde sagen, das ist deine Aufgabe, Mann“, sagte er. „Sie wird dir sicher verzeihen.“

Doch sogar Albus verstummte jäh, als die Beiden um die nächste Ecke bogen und Rose beinahe in sie hinein lief. Gerade noch rechtzeitig hielt die Gryffindor in ihren schnellen Schritten inne, wodurch ihre Schuhe ein quietschendes Geräusch auf dem Boden auslösten. Auch Scorpius blieb stehen und nun starrten seine so gar nicht mehr ausdrucklosen Augen auf Rose, die mit ebenso erschrecktem Blick zurückstarrte. Jedoch nicht für lange, denn sie nahm sich kaum die Zeit, die Slytherins auch nur länger zu betrachten, als es nötig war. Mit wehendem Umhang und einer schnellen Bewegung drehte sie sich um und war im nächsten Moment auch schon wieder hinter der nächsten Ecke verschwunden.

Albus schluckte hart und Scorpius wandte sich mit gehobener Augenbraue zu ihm um.

„Ja, ganz sicher.“
 

~
 

Die heitere Weihnachtsmelodie wurde nun schon zum sechsten Mal angestimmt und Professor Flitwick dirigierte ebenso heiter auch diesen Versuch, den Weihnachtschor zu perfektionieren.

Rose grinste leicht, als der kleine, inzwischen ergraute Lehrer bei dem falschen Ton von Melissa McLaggen beinahe von seinem Podest stolperte. Mit schüttelndem Kopf richtete die Weasley ihre Aufmerksamkeit wieder auf die goldenen Laternen vor sich, die darauf warteten, mit Hilfe ihres Zauberstabs an den Wände hoch zuschweben.

Die letzten Vorbereitungen für die morgige Adventsparty wurden getroffen und alle Lehrer, Vertrauensschüler, Schulsprecher und freiwillige Helfer – wobei sich letztere eher in Grenzen hielten – schwirrten durch die große Halle, um Tische zurecht zu rücken, Christbaumschmuck zu ergänzen oder den glitzernden Schnee, der von der Decke rieselte, noch glitzernder zu gestalten.

Rose seufzte und beobachtete eine Laterne, die, von ihrem Zauberstab geführt, langsam über die hohen Fenster schwebte und schließlich dort funkelnd ihren magischen Halt fand. Rose’ Blick hing einen Moment lang beinahe sehnsüchtig an der Dekoration. Dieses Weihnachten war wirklich das tristeste, das sie je erlebt hatte – und eigentlich hatte sie geglaubt, dass die Tatsachen, eine Weasley zu sein und Hogwarts zu besuchen, jene Tristesse ausschließen würden. Aber sie lag falsch, denn ein Malfoy sprengte scheinbar alle bisher dagewesenen Grundsätze.

Dabei hatte sie sich so auf den Honigkuchen gefreut, doch selbst dieser schien nur ein kleiner, fast schon verschwindend geringer Lichtblick darzustellen.
 

„Hallo, Rose“, ertönte eine ölige Stimme.

Und natürlich nahm ihr Unglück kein Ende.
 

Mit einem gequälten Lächeln und einer hölzernen Bewegung drehte sie sich um und erblickte, wen sie erwartet hatte: Douglas Corey.

„Hey Douglas“, sagte sie und erkannte mit dem Hauch eines Schreckens ein Lächeln auf seinem Gesicht.

Douglas Corey hatte in etwa dieselbe Größe wie sie, was sie nicht unbedingt verurteilte; diese Größe allerdings kombiniert mit seinen wulstigen Proportionen ließen den Hufflepuff irgendwie unförmig wirken. Sein braunes Haar trug er kurz und auch wenn diese Form nicht gerade vorteilhaft für sein ovales und schlaffes Gesicht war, so konnte man seine Frisur auch nicht direkt als Katastrophe bezeichnen. Doch als sie sich vor wenigen Wochen noch über seine unreine Haut beschwert hatte, so empfand sie diese nun im Gegensatz zu seinem Gerede fast schon als Segen. Aber auch nur fast.
 

„Du siehst heute wirklich wieder hübsch aus“, sagte er.

Man könnte denken wirklich nett!

„Ich mag Frauen, die nicht so sehr auf ihr Äußeres achten.“

Und dann kam so etwas.

Doch das eigentlich Erschreckende daran war, dass er diesen Worten keine höhnende Bedeutung beimaß, sondern sie wahrhaftig ernst meinte. Seit sie ihm für die Weihnachtsparty zugesagt hatte, hegte er scheinbar das Bedürfnis, ihr jeden Tag einen kleinen Besuch abzustatten und sie mit seinen Komplimenten zu beglücken. Dabei war er jedoch so radikal ehrlich, dass er sie vor wenigen Tagen sogar auf ihre dunklen Augenringe hinwies, die er übrigens ganz bezaubernd fand.

Nicht gerade die Art Komplimente, die Rose im Moment brauchte.

„Danke, Douglas“, seufzte sie und überlegte, wie sie nun am glaubwürdigsten ihre übergroße Beschäftigung erklärte, während Douglas irgendetwas von Manschettenknöpfen, Krawatten und Flubberwürmern faselte. Doch seine monotone Stimme drang kaum bis zu Rose’ Bewusstsein hindurch; erst recht nicht, als in jenem Augenblick Scorpius die Große Halle betrat und seine blauen Augen magnetengleich die Weasley fanden.

Unverzüglich brach Rose in schallendes Gelächter aus und höchst amüsiert boxte sie dem völlig verwirrten Douglas gegen den Oberarm.

„Doug, du bist so lustig“, japste sie unter ihrem künstlichen Gekicher und erkannte aus den Augenwinkeln, dass der Malfoy auf dem Absatz kehrt machte und aus der Halle stolzierte.

Ihr Lachen erstarb sobald Scorpius verschwunden war.

Douglas dagegen schien neuen Mut gefasst zu haben und verkündete nun höchst motiviert jeden Witz, den er kannte. Und er schien einige zu kennen.

Vielleicht machte Rose sich lächerlich, ja – aber sie hatte es wirklich satt, zu weinen.
 

~
 

„Bist du sicher, dass es dir gut geht?“, rief Alice aus dem Badezimmer und stellte diese Frage nun schon zum gefühlten hundertsten Mal. Rose verrollte die Augen – sie weigerte sich, auf jene Frage erneut zu antworten.

„Ich wollte nur sicher gehen“, rechtfertigte sich die Longbottom, als sie aus dem Badezimmer trat und Rose’ genervten Blick entdeckte.

„Bist du jetzt fertig damit?“, scherzte Rose und die Antwort ihrer besten Freundin war ein fliegendes Kissen, dass die Weasley am Kopf traf.

Es war der dreiundzwanzigste Dezember – der Tag der Adventsparty. Und der letzte Tag an Hogwarts in diesem Jahr, denn morgen früh würde die meisten unter ihnen die Reise nach Hause antreten, um über die Feiertage bei ihren Familien zu sein. Ein wahrer Hoffnungsschimmer, wie Rose fand. Denn im Moment wollte Rose nichts sehnlicher, als den steinernen Wänden Hogwarts’ zu entrinnen und im Kreise ihrer Familie hoffentlich die nötige Ablenkung zu finden. Die Aussicht auf Grandma Mollys Honigkuchen war natürlich ein Bonus.

„Ich meine es ernst, Rosie“, sagte Alice und gesellte sich zu Rose auf ihr chaotisches Bett – die Weasley hatte bei dem Versuch, ihr Chaos in den Koffer zu packen, aufgegeben.

„Wenn du willst, kannst du gerne mit Albus und mir zur Party gehen.“

Erneut verdrehte die Weasley ihre Augen. „Du glaubst gar nicht, wie gut ihr beiden zusammen passt“, sagte sie nur und bemerkte amüsiert, dass Alice’ Wangen sich trotz irritiertem Gesichtsausdruck rosa färbten. „Und jetzt verschwinde endlich. Dein Potter wartet auf dich.“

Alice braucht scheinbar einen Moment, um sich zu sammeln, bevor sie ein aufgeregtes Quieken hören ließ, aufsprang und zur Tür des Mädchenschlafsaales eilte. Dort angekommen drehte sie sich noch einmal um und ihr schneeweißes Kleid wirbelte umher. Ihr mitleidiger Blick ruhte auf Rose, die jedoch nur aufstöhnte. „Geh, und amüsier dich gefälligst“, rief sie und lachte auf, als Alice salutierte und mit einem „Aye, aye“ aus dem Mädchenschlafsaal huschte.

Kaum fiel die hölzerne Tür mit einem leisen Klacken, das in dem leeren Raum furchtbar laut wirkte, in ihre Angeln, als Rose auch schon ein tiefes Seufzen entwich. Schwerfällig richtete sie sich von ihrem Bett auf und schlürfte zu einem großen Standspiegel, der den Mädchenschlafsaal zierte. Ihr Blick wanderte an dem roten Stoff ihres Cocktailkleides hinauf, der sich in recht ansehbaren Falten um ihren Körper schmiegte und trotz seiner Schlichtheit wirklich hübsch aussah. Sie hatte sich bewusst geweigert, sich unter den Weihnachtsfarben für Grün zu entscheiden.

Ihr Dekolleté schimmerte leicht, je nach Bewegung und Lichteinfall, dank einer Muggelcreme von Alice. Überflüssig, hatte Rose gesagt – doch Alice hatte darauf bestanden. Gerade noch so konnte sie die Longbottom davon überzeugen, dass sie die Creme nicht auf ihrem ganzen Körper verteilte. Ein kleines Lächeln schlich sich auf Rose’ Lippen, das jedoch sofort wieder im Nichts versank, als ihr Blick die Augen ihres Spiegelbildes erreichten. Matt blinzelten die dunklen Pupillen ihr entgegen und sie versuchte es mit einem breiten Lächeln, das den Anblick jedoch nur noch grotesker wirken ließ. Das Lächeln erreichte ihre Augen nicht.

Mürrisch stöhnte Rose auf und wandte sich von dem Spiegel ab, um den Mädchenschlafsaal schließlich auch zu verlassen – allerdings nicht ganz so quirlig wie Alice zuvor.

Sie durchquerte den Gemeinschaftsraum der Gryffindors, in dem sich schon einige Paare zusammen gefunden hatten um ebenfalls zur Party zu gehen. Immer wieder vernahm Rose ein Kichern und man konnte die Frage, ob denn die Frisur noch sitze, aus beinahe jeder Richtung hören. Aber nur wenige hatten sich richtig in Schale geworfen – es war schließlich nur eine Party, die den Schülern die Möglichkeit bot, ein bisschen Weihnachen zusammen zu verbringen. Viele Jungs trugen schlichte Jeans und ein Hemd, die Mädchen bevorzugten scheinbar hübsche, aber legere Kleider oder Röcke.

Rose quetschte sich grummelnd an einer kleinen Gruppe Fünftklässler vorbei, die den Tunnel zum Portraitloch versperrten. Douglas wollte vor dem Portrait der Dicken Dame warten und als sie aus dem Portraitloch trat, sichtete sie ihn sofort. Zwar hielten sich vor dem Zugang zum Gryffindorturm nicht viele Schüler auf – lediglich wartende Kavaliere oder tratschende Grüppchen – doch trotzdem stach Douglas aus der kleinen Menge förmlich heraus.

Er trug einen dunkelblauen Smoking, darunter ein weißes, mehr als nur glattes Hemd und Rose meinte sogar eine Weste erkennen zu können. Sein Hals zierte eine rote Fliege und an seinen Ärmeln blitzten goldene Manschettenknöpfe – hatte er so etwas nicht mal erwähnt? Und warum war Rose nicht eingeschritten?

Einen Moment, einen wirklich kurzen Moment, überlegte sie, ob sie sich nicht schnell wieder aus dem Staub machen sollte – doch da entdeckte er sie auch schon und ein strahlendes Lächeln legte sich auf seine Lippen, das seine Pickel noch mehr zum Leuchten brachte.

Rose seufzte und trat auf ihn zu, während sich einige ihrer Mitschüler nach Douglas umdrehten, bevor sie mit vorgehaltener Hand zu kichern oder flüstern begannen.

Großartig.

„Wow“, sagte Rose verkniffen. „Du siehst ja richtig – schick aus.“ Nur mühevoll konnte sie das höfliche Lächeln erhalten und als sie Douglas mit hochrotem Kopf in Richtung Große Halle folgte, der in Sachen Komplimente wieder zur Hochform auflief („Deine Beine sehen in diesem Kleid viel schlanker aus als sonst.“) rief sich Rose stets den Funken Hoffnung am Ende des Horizonts in Erinnerung:

Honigkuchen, Honigkuchen, Honigkuchen.
 

~
 

Abgesehen von einer Laterne, deren Schwebezauber scheinbar nachgelassen hatte und die jetzt auf halber Höhe an der Wand herum dümpelte, war die Party durchaus gelungen, dachte Rose, als sie zusammen mit Douglas durch die Große Halle schritt.

Der verzauberte Himmel an der Decke strahlte in einem dunklen Blau und die funkelnden Sterne wurden gelegentlich durch dicke, flauschige Wolken verdeckt, die nach Lust und Laune zu schneien begannen. Die glitzernden Flocken jedoch lösten sich etwa zwei Meter vor Berühren des Bodens auf und hinterließen ein kurzes Schimmern. Außer den goldenen Laternen, die sich im ganzen Raum verteilten, spendete der riesige und strahlende Tannenbaum das nötige Licht, sodass die Halle zwar ausreichend beleuchtet war, jedoch nicht zu grell wirkte. Es herrschte eine Atmosphäre, die dazu einlud, sich mit Tee und Gebäck am Tisch seiner Freunde nieder zu lassen oder aber mit seinem Partner romantisch über die Tanzfläche zu schwingen – ihr Blick fiel auf Douglas – oder auch nicht.

Entlang der Tanzfläche verlief die Bar und Rose steuerte automatisch auf sie zu. Zwar bezweifelte sie, dass alkoholische Getränke angeboten wurden, aber der Gedanke, etwas in ihren Händen zu halten, beruhigte sie – denn Douglas’ Hand hatte sich schon gefährlich oft in die Nähe ihrer verirrt. Außerdem bestand ja noch immer die Hoffnung, dass einer ihrer Cousins dem Punsch eine gewisse Würze verpasst hatte.

Die allgemeinen Regeln des Anstandes außer Acht lassend, ließ Rose ihren Blick durch den Raum gleiten, während Douglas begann von der richtigen Zubereitung seines Lieblingsgerichtes – Erbsensuppe – zu plaudern. Sie bereute es allerdings sofort, dass sie nicht weiterhin Douglas’ Gerede gelauscht hatte. Denn in jenem Augenblick betrat Scorpius die Große Halle, zusammen mit Natalie, deren Kleid natürlich ein grünes war. Sie hing an Scorpius’ Arm, der lediglich ein schwarzes Shirt und ein Jacket trug und damit so unverschämt gut aussah, dass es beinahe wehtat. Natalies überfröhliches und strahlendweißes Lachen erweckte ein Gefühl in Rose, das einer Tobsucht ziemlich ähnlich kam. Und dennoch schien sie wie versteinert, als sie mit feurigen Wangen und rasendem Herzen beobachtete, wie Natalie besitzergreifend ihre Hände in Scorpius hintere Jeanstasche schob. Doch noch ehe sich Rose’ Vorstellung, wie sie Natalie in eine stinkende Ratte verwandelte, präzisieren konnte, erschien plötzlich Lilys strahlendes und von Sommersprossen übersätes Gesicht in ihrem Blickfeld. Ihr rotes Haar stand in einem nicht gerade unauffälligen Kontrast mit dem pinkfarbenen Dress, das ihren doch schon so erwachsenen Körper zierte.

„Fröhliche Weihnachten“, sagte die Potter fröhlich und zog somit unwillkürlich Rose’ Aufmerksamkeit auf sich.

„Wir sehen uns an Weihnachten noch, Lily. Wir sind verwandt, falls du es vergessen hast“, erwiderte Rose und Lily winkte ab. „Ja, ich weiß. Aber heute sagen alle Frohe Weihnachten – so etwas gewöhnt man sich schneller an, als man glaubt.“

Rose nickte verstehend, was sie wohl selbst verwundert hätte, wenn sie nicht gerade damit beschäftigt wäre, einen gewissen Malfoy ausfindig zu machen, den sie durch Lilys Auftauchen nämlich aus den Augen verloren hatte.

Mit einem kleinen Schnauben richtete Rose ihre Aufmerksamkeit nach einer erfolglosen Suche schließlich wieder auf Lily, die Douglas indessen mit zweifelndem Blick musterte, während dieser erneut das Thema seines Lieblingsgerichtes aufgriff und munter von der richtigen Auslese der Erbsen erzählte.

„Ah“, machte Lily anschließend nur und blinzelte Rose an. „Ich geh dann auch mal wieder.“ Und weg war sie.

„Weißt du“, begann Douglas. „Um die Erbsen so richtig schön knackig zu lassen-“

„Willst du uns nicht ein paar Drinks holen gehen, Doug?“, unterbrach Rose ihn mit gereizter Stimme und auch wenn der Hufflepuff von der plötzlichen Unterbrechung scheinbar überrascht war, so nickte er hektisch und drängte sich auch schon durch die vielen Schüler, die an der Bar anstanden und auf ihre Getränke warteten.

Die Weasley seufzte lange und erschöpft, während sie glückliche Paare beim Tanzen beobachtete. Mit schmerzhaft krampfendem Herzen wandte sich Rose von der Tanzfläche ab und ihr Blick fand Alice, die sich scheinbar gerade köstlich über einen von Albus’ Witzen amüsierte – und möglicherweise etwas zu sehr ihrem Lachen nachgab, denn sie verschluckte sich an ihrem Butterbier, sodass der Potter ihr auf den Rücken klopfen musste.

Rose lachte leise und auch wenn Albus und Alice wahrscheinlich das ulkigste Paar darstellten, das Rose je gesehen hatte, so empfand sie doch einen Funken des Neids, als sie beobachtete, wie die Hand des Potters viel länger als nötig auf Alice’ Rücken verweilte und der Rotschimmer auf den Wangen der Longbottom sicher nicht nur ein Zeichen ihrer Beinahe-Erstickung war.
 

„Weißt du eigentlich, dass du dich total lächerlich machst?“, ertönte eine raue und eisige Stimme an ihr Ohr und automatisch zogen sich Rose Augenbrauen zusammen.

Es war das erste Mal seit Wochen, dass sie miteinander redeten. Aber es hätten auch Jahre sein können, so ewiglich fühlte es sich an.

„Und weißt du eigentlich, wie wenig mich das interessiert?“, entgegnete sie murrend und wandte sich zu Scorpius um.

„Das sah eben aber ganz anders aus.“ Er betrachtete sie lediglich aus den Augenwinkeln und Rose verfluchte ihn für seine Größe, die seine Überheblichkeit nur noch unterstrich. Sie schnaubte geräuschvoll und richtete ihren Blick wieder auf die Tanzfläche, wo die sich drehenden Paare nun wirkten wie schwirrende Farben in einer nicht weniger farbenprächtigeren Umgebung. Scorpius raubte ihr den Verstand und es war grausig, nichts dagegen tun zu können.

„Tia“, sagte sie schließlich. „Dann hast du dir das wohl eingebildet – das kannst du ja so gut.“ Sie spürte, wie sich Scorpius neben ihr regte und scheinbar etwas erwidern wollte, doch noch ehe sie seine Bewegung auch nur in irgendeiner Weise deuten konnte, erschien Douglas mit zwei Butterbier an ihrer Seite. Und Scorpius verschwand kommentarlos zwischen den Schülern.

„Was wollte denn Malfoy bei dir?“, fragte Douglas argwöhnisch, als er Rose ein Butterbier reichte, die sich mühevoll weigerte, dem Slytherin hinterher zu sehen. Sie richtete ihren Blick starr auf die Tanzfläche und setzte die Flasche Butterbier an, die sie in einem Zug zur Hälfte leerte.

„Fragen, wo die Toiletten sind“, antwortete sie schließlich angespannt.

„Und hast du es ihm gesagt?“, fragte er weiter und nun wandte sich Rose doch von der Tanzfläche ab. Mit hochgezogener Augenbraue blickte sie Douglas an.

„Ich mein ja nur“, verteidigte dieser seine scheinbar dumme Frage. „Schließlich steht er jetzt da drüben und starrt hier her.“

Rose blinzelte. Mit einer hektischen Bewegung drehte sie sich in jene Richtung, in die Douglas mit seinem Butterbier gedeutet hatte, und sie erkannte Scorpius, dessen durchdringender Blick auf ihr ruhte. Natalie quasselte neben ihm heiter vor sich hin und schien seine geistige Abwesenheit nicht zu bemerken.

Rose straffte die Schultern und wandte dem Malfoy wieder den Rücken zu.

„Keine Ahnung. Diese verrückten Slytherins, also echt“, grummelte sie und leerte ihr Butterbier.

„Also wenn dieser Malfoy dich belästigt“, sagte Douglas hochmütig und automatisch schwellte sich seine Brust. „Dann kriegt er es mit mir zu tun, keine Angst. Sag mir einfach nur bescheid. Ich werde mit ihm schon fertig!“

Ein kleines Schmunzeln zuckte in Rose’ Mundwinkeln und sie kam nicht umhin, in ihrem möglicherweise etwas merkwürdigen Rendez-vous eine doch recht goldige Seite zu sehen. Sie stellte die leere Flasche Butterbier auf einen Stehtisch ganz in ihrer Nähe und griff nach Douglas’ Hand, der jäh überfordert damit war.

„Mein Held. Und jetzt gehen wir tanzen.“ Noch ehe Rose die letzte Silbe ausgesprochen hatte, zog sie ihn auch schon hinter sich her.
 

~
 

Dicht drängten sich die Paare auf der Tanzfläche und die vielen bunten Farben der Kleider und Anzüge leuchteten wie Lichter zwischen dem gedämpften Schein der Laternen. Der glitzernde Schnee, der von der Decke herab rieselte, verlieh dem Anblick noch das letzte funkelnde Detail.

Wie tausend tanzende Regenbögen, dachte Rose, während sie sich mit Douglas drehte und über dessen Schulter hinweg die Große Halle musterte.

„Ich habe noch gar nicht von dem Honigkuchen probiert“, flüsterte sie so leise, dass Douglas es nicht hören konnte. Wie seltsam und doch ulkig, dass ihr in diesem Moment jener Gedanke kam. Doch vielleicht war es auch einfach nur dieses Gefühl, das die goldenen Laternen in ihr weckten, die über ihre Köpfe hinweg schwebten.

Eine Art Wunschtraum, denn der Honigkuchen bedeutete glücklich sein.

Ein Lächeln schlich sich auf Rose’ Lippen, welches ihr unvermittelt im Halse stecken blieb, als sie Douglas’ Hand über ihren Rücken streichen spürte.

„Du fühlst dich gut an“, sagte er ölig und die Weasley beherrschte sich nur mit viel Mühe, ihre Miene nicht angewidert zu verziehen.

„Ach ja?“, antwortete sie zögerlich und Douglas nickte.

Statt weitere, bedenkliche, Komplimente lauten zu lassen, wirbelte er sie weiter durch die Halle, sodass Rose kurzzeitig die Orientierung verlor – sie jedoch auch schneller wiederfand, als es ihr lieb war. Unmittelbar in ihrer Nähe führte gerade Scorpius Natalie über die Tanzfläche, und sein Blick war auf Rose gerichtet. Ein sturer, regelrecht wilder Blick, der sie aus diesen blauen Augen traf und ihr Herz scheinbar dazu verleitete, unkontrolliert zu schlagen, ihren Verstand hingegen aber lähmte.

Ohne das wirkliche Bewusstsein über ihre Handlung, übernahm Rose die Führung und zusammen mit Douglas wirbelte sie zwischen den vielen Paaren umher, bis sie sie ihr Ziel schließlich erreicht hatte. So dicht und zugleich unbemerkt, wie es bei jenem Andrang in der großen Halle möglich war, hatte sie sich Scorpius genähert.

„Und, hast du deinen Spaß?“, zischte sie dem Malfoy ungehalten zu, während Douglas unbekümmerte vor sich hin wippte und mit geschlossenen Augen die Muse der körperlichen Ausdrucksweise zu genießen schien.

„Und du?“, entgegnete Scorpius nicht weniger diskret oder gar mürrisch.

Ein letzter, erzürnter Blick – ein Funken, der übersprang.

Was war noch gleich der Auslöser dieses Gefechtes gewesen? Bei diesem Kampf um was auch immer? Wo hatte sich der Ursprung versteckt? Es war fürchterlich, nicht zu wissen, wohin man gehen sollte. Doch es war völlig verrückt, nicht einmal mehr zu wissen, woher man kam.

Hatte es nicht einmal mit einem Fehler begonnen? Mit der Ungerechtigkeit, die doch in der Perspektive eines jeden Individuums so gänzlich andere Formen annahm. Aber wenn es doch mit einem Fehler begann, mit dem falschen Handeln – wessen eigentlich? – warum nur fühlte sich nun das genaue Gegensätzlich, das somit eigentlich Richtige, so falsch an?

Und der letzte Funke war verglüht, als Douglas die Führung wieder für sich gewann und Rose mit leichten Schritten und einem Summen auf den Lippen von Scorpius entfernte.
 

Erneut verlor Rose die Orientierung – unsicher, ob jener Verlust an Douglas heiterem Tanztempo lag oder an ihrer inneren Verwirrung. Unsicher, wo oben und unten, links und rechts, richtig oder falsch ihre Plätze fanden, brach in einem überraschenden Moment die Sicherheit über sie herein, als sie Scorpius sichtete, der sich mit vollem Ellenbogeneinsatz durch die Menge drängte. Die zur Seite geschupsten Mitschüler klagten und gestikulierten, warfen mit irritierten Blicken um sich und zu der wachsenden Aufmerksamkeit gesellte sich Natalies Stimme, die hysterisch Scorpius’ Namen rief.

Er erreichte Rose in jenem Moment, als auch Douglas die veränderte Situation begriff. Mutig baute sich der Hufflepuff vor Scorpius auf, doch ein Blick des Slytherins genügte, um Douglas weichen zu lassen.

Ein beinahe durchtriebenes Grinsen entstand auf Scorpius’ Lippen, das Rose so vertraut war und in diesem Moment doch so überraschte, dass sie ihn nur mit sehr wahrscheinlich dämlichem Gesichtsausdruck anblinzeln konnte.
 

Und dann küsste er sie. Vor aller Augen. Und der Honigkuchen verpuffte aus Rose’ Gedanken.

Denn das war so viel besser als das erste Stück des Kuchens.
 

---
 

Meine lieben Leser,

das Gerüst dieses Kapitels steht schon fest seit dem ersten Gedanken, den ich an un.expected verlor. Zwar hat sich das Endergebnis etwas geändert, aber ich hoffe trotzdem, dass es euch etwas gefallen hat :) Der Streit zwischen Rose und Scorpius ist nun recht 'kurz' ausgefallen, bekam aber durch die kleinen Zeitsprünge hoffentlich den erwünschten langwierigen Effekt ;)

Und ich mag Douglas irgendwie - er ist so schön verrückt :D
 

Eure Schnie



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von:  vintage
2011-06-04T00:36:57+00:00 04.06.2011 02:36
ich will mehr! :D
Von:  il_gelato
2011-02-07T16:52:06+00:00 07.02.2011 17:52
Oh ja!!!!
Der letzte Absatz war mit Abstand der Beste!
Ich dachte schon, die kriegen das in dem Kapitel nicht mehr hin...aber Scorpius, der Held in der silbergrünen Rüstung, hat doch noch die Kurve bekommen.

Weiter so! Bin gespannt, wie die Meute reagiert.
Von:  nami-girl85
2011-02-01T20:52:29+00:00 01.02.2011 21:52
supertastico.
den streit fand ich gut. wie er verlief und wie er natürlich endete *__*
da ist mein herz gehüpft

wie man Douglas mögen kann ist mir fremd, aber eigene charaktere soll man ja immer gern haben
und seine komplimente waren es wirklich wert ein lachen aufzubringen :D

daumen hoch für dieses kapitel,
nami :)
Von:  Dahlie
2011-02-01T08:43:23+00:00 01.02.2011 09:43
Hach!

Es war Liebe! wirklich meine beste! Und ganz ehrlich? Ich mag Douglas auch :D besonderes sein Kommentar, er mag Frauen, die nicht so auf ihr Äußeres achten :3
Irgendwie ist es schon fast sein Verdienst, dass sich Scorpius aufgerafft hat über sienen Schatten zu hopsen ;) Prost!

Mach bitte bitte weiter, denn jetzt steigt der Coup! wollen wir doch alle wissen, wie Draco reagiert.

Liebste Grüße Dada
Von:  annalina
2011-01-31T22:17:39+00:00 31.01.2011 23:17
aaaaah, tolles, tolles ende!!! ich bin so stolz auf scorpius - ich würd ihn am liebsten selber knutschen... haha

gut gemacht, liebe schnie :)

ja, und im übrigen mag ich doug auch... sicher, dass der nicht mit luna lovegood verwandt ist? ;)
Von:  eva-04
2011-01-30T20:18:04+00:00 30.01.2011 21:18
Tolles kappi:)
du hast die gewünschte wirkung erzieht:)
Also bei mir jedenfall (kann ja schlecht für andere sprechen)
Hätte nicht gedacht das rose so ein weihnachstfreak ist:)
am allerbesten hat mir das ende gefallen:))
yeah scorpius:)
er hat richtig drauf, mit dem überraschungsmoment und romantischen/bedeutungsvollen gesten(kuss)
ich bin sehr auf das nächste kappi gespannt:))

*wink*
Von:  Herzkirsche
2011-01-30T09:43:14+00:00 30.01.2011 10:43
Ich freue mich immer so, wenn ich bei dieser Story Updates finde. :)
Total toll gemacht, ich liebe liebe liebe deinen Schreibstil!

Ziemlich unproduktives Kommentar aufgrund lästigen Zeitmangels,
aber ich hoffe, du verstehst das.

Mach weiter so (hoffentlich auch bald mit deiner AlxAlice Story)
Liebe Grüße.
Von:  scater-fiffy
2011-01-30T01:46:08+00:00 30.01.2011 02:46
welch wunderschönes kapitel^^

habs extra noch gelesen obwohls schon sau spät ist

aber ich konnts nicht mehr erwarten^^

sehr schön mach weiter so

lg fiffy^^
Von: abgemeldet
2011-01-29T23:37:19+00:00 30.01.2011 00:37
Eigentlich gibt es da nur ein Wort: schööööön:)
Danke vielmals für ein weiteres gelungenes Kapitel^.^

Liebe Grüsse:

Meyra
Von:  sunny3291
2011-01-29T20:57:36+00:00 29.01.2011 21:57
also du magst Douglas und ich das Kapitel.
Ich finde den Streit echt süß. Immerhin bringt er auch endlich die Beziehung in Schwung, denn das Geheime ist doch auf die Dauer nicht so schön. Frag mich zwar jetzt, ob Draco seinen Sohn umbringt, da er mit einer Weasley zusammen ist, aber das werden wir doch wohl hoffentlich bald erfahren.

Schön geschrieben, sodass man zügig lesen konnte. Weiter so
sunny


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