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Die Farben der Welt

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Vorwort zu diesem Kapitel:
Kurz nach Miras Tod Komplett anzeigen

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Es herrschte reger Aufruhr im Schloss Trastas'.

Natürlich, der trastische König war gestern gestorben.

Ermordet. Über Ferr's Gesicht huschte ein vergnügtes Lächeln bei diesem Gedanken.

Aber er, Ferr, hatte sofort die Macht an sich genommen und klar gemacht, dass jedes Aufbegehren gegen ihn von seinen Soldaten hart und gnadenlos bestraft würde. Das Gleiche galt für jene, die weiterhin ihrem alten Glauben an Kaikki ve Rien und die drei Götter treu bleiben wollten.

Der Tod des Königs war auch nicht der Grund für den Aufruhr – zumindest nicht direkt.

Er hatte geglaubt, an alles gedacht zu haben, um seine Herrschaft zu sichern. Er war der von Danar, dem einzigen und wahren Gott, gesandte und eingesetzte König, wer seine Herrschaft nicht anerkannte, der wurde beseitigt, und zur zusätzlichen Festigung seiner Stellung wurde jeder andere Glaube als der seines Volkes verboten, als von den Hexen des Hochofens ausgestreuter Irrglaube deklariert, der die Seele der Anhänger verdarb und sie in die ewige Verdammnis stürzte.

Nur eines hatte er nicht bedacht.

Er fluchte.

Er hatte sich nicht vorstellen können, dass die Legenden wahr sein könnten. Dass der trastische König, also Miras, der so genannte "Farbenkönig" sei. Ferr schnaufte ungläubig bei dem Gedanken daran.

Es hatte aber auch abwegig geklungen und nach einer List, die das Gehorsam der Menschen garantieren sollte.

Ein Mensch, dessen Leben notwendig war, damit die Welt Farben hatte, und dessen Tod zum Verlust der Farben führte, wenn es keinen Nachfolger gab? Also bitte! Das klang nun wirklich nach einem Kindermärchen.

Und wenn nicht, so hatte er während der Vorbereitungen zu seinem Eroberungsfeldzug gescherzt, dann wäre er ja ohnehin der Nachfolger, sobald er Miras beseitigt und sich auf seinen Thron gesetzt haben würde.

Falsch gedacht.

Wütend schlug er mit der Faust gegen die Wand.

Aber es war passiert. Sie hatten es erst nicht gemerkt und ihren Sieg gefeiert. Doch dann hatten die Ersten berichtet, dass Teile des Schlosses die Farbe verlören, und mittlerweile hatte es sich über das ganze Schloss ausgebreitet und es schien so, als würde es sich tatsächlich immer weiter und unaufhaltsam ausbreiten.

Was sollte er bloß tun?

Ihn selbst störte es ja nicht sonderlich, dass die Farben verschwanden. Damit konnte er problemlos leben. Aber die Menschen waren verunsichert – selbst seine eigenen Leute. Er musste etwas unternehmen, sonst würde er nicht lange König bleiben.

Langsam stahl sich ein Lächeln auf seine Züge und seine Augen funkelten gefährlich.

Natürlich, es war doch eigentlich ganz einfach. Warum war er da nicht sofort drauf gekommen?

Seine Leute, und bald auch die Traster, glaubten, dass er das Bindeglied zwischen den Menschen und Danar war, dass Danar zu ihm sprechen würde.

Er würde einfach verkünden lassen, dass Farben Hexenwerk seien. Dass er natürlich gewusst habe, dass mit Miras die Farben verschwinden würden, dass er allerdings genau diesen Auftrag von Danar erhalten hatte, die Welt von diesem Hexenwerk zu befreien. Alles zum Wohle ihrer Seelen, denn wer die Farben bewunderte, der war verdammt.

Und – selbstverständlich zu ihrer eigenen Sicherheit – würde er jedes Wort über Farben unter Strafe stellen. Er würde jede Erinnerung an die Farben ausmerzen.

Warum war er da bloß nicht gleich drauf gekommen?
 

Eine Woche.

Eine Woche war vergangen seit Miras' Tod.

Lirka blickte zum Rand des Dorfes, dann auf ihren Sohn, der sich ängstlich an ihren Rock klammerte und ebenfalls zum Dorfrand starrte.

Nachdem Miras gestorben war, hatte es begonnen: Die Farben verschwanden. Zuerst waren sie, da war sich Lirka ziemlich sicher, vom Körper des Königs gewichen, dann aus seinem Gemach und schließlich aus der ganzen Burg. Was übrig blieb, war nur noch tristes Grau, ab und zu die Extremen Weiß oder Schwarz, aber hauptsächlich Grau.

Dieser Schwund breitete sich seitdem immer weiter und unaufhaltsam aus und nun... Nun hatte er auch Lirkas Dorf erreicht.

Die Nachricht hatte sich schnell herumgesprochen und eigentlich war es auch nicht anders zu erwarten gewesen. Jedes kleine Kind wusste vom Farbenkönig und davon, was geschah, wenn es keinen gab. Nur Ferr, dieser machthungrige Ignorant, der hatte es natürlich nicht wahr haben wollen.

Aber als er die Wahrheit erkannt hatte, hatte er schnell reagiert.

Auch hier war ein Abgesandter gewesen, der versucht hatte, den Leuten einzureden, dass Farben die Seelen verdarben und dass die Seelen derer, die Farben bewunderten verloren seien. Er hatte Ferr als den großen Erlöser dargestellt, der zu ihrer aller Seelenheil handelte.

Lirka schnaufte leise.

So ein Qutasch!

Doch sie hatten ihm alle nicht widersprochen, so getan, als würden sie ihm glauben. Sie wussten, dass Ferr unnachgiebig war und bereit alles zu tun, um seine Herrschaft zu sichern. Offener Widerspruch – und es wäre das letzte gewesen, was man in dieser Welt getan hätte.

Allerdings hatte Lirka den Verdacht, dass sich doch der eine oder andere einschüchtern ließ und zweifelte.

Für den Augenblick hielt das Leben im Dorf inne. Alle unterbrachen ihre momentane Tätigkeit und sahen zu, wie nach und nach, Haus für Haus seine Farben verlor.

Während Lirka diesen Vorgang beobachtete, fasste sie einen grimmigen Entschluss. Sie würde nicht zulassen, dass ihr Sohn die Farben, Kaikki ve Rien und die drei Götter vergaß. Sie würde ihm regelmäßig davon erzählen, in aller Heimlichkeit, und ihn über Ferrs verdorbenen Charakter aufklären.

Sie legte eine Hand sachte auf seinen Kopf, die andere auf ihren dicken, gewölbten Bauch, während das Grau ihre Beine hoch kroch und auch sie verschlang.

Auch dem Kind, das sie im Bauch trug, würde sie die Wahrheit erzählen.



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