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Ferienhorror leicht gemacht

Der Alptraum für jeden Dominik
von

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Tag 1

1. Kapitel
 

Der Tag fing schon scheiße an, weil mein Vater mich gnadenlos um neun Uhr weckten. An einem Samstag! Ich glaub, es hackt. In welcher Welt leben wir eigentlich?

„Dominik, hör auf beleidigt zu sein und steh auf.“ Ja, das kann er leicht sagen, er muss ja nicht nach Hintertupfingen zu dummen Kindern.

„Ich kann sein was ich will.“ Sie sollten ruhig merken, dass sie mir meine Ferien versaut hatten, schließlich konnte man tausend andere Sachen machen. Aber nein, nichts gabs. Vielen Dank noch mal.

Während des Frühstücks redete ich demonstrativ kein Wort, starrte nur böse meine Brötchen mit Kirschmarmelade an und stand keine fünf Minuten später wieder auf, um meine schlechte Laune zu verdeutlichen. Ich konnte manchmal echt dumm sein, aber meine Eltern hatten es nicht anders verdient. Sie nahmen keine Rücksicht auf mich, also tat ich dasselbe bei ihnen.

Absichtlich drehte ich in meinem Zimmer die Musik so laut wie möglich, zog meine Klamotten an und packte die allerletzten Sachen in die Sporttasche und einen kleinen Teil in einen Rucksack. In einer Viertelstunde musst ich am Treffpunkt – die Stadthalle – sein, sonst fuhren sie ohne mich weg. Keine schlechte Vorstellung, aber wenn ich eine Verspätung provozierte, gab das Riesenärger mit meinen Eltern und dann drohten mir wahrscheinlich die ganzen restlichen Ferien lang Hausarrest.

Leider rechtzeitig standen wir drei um Viertel vor neun am Brunnen vor der Stadthalle und mein Alptraum wurde wahr: Überall rannten Kinder unter zwölf Jahre rum, also niemand da, mit dem man sich einigermaßen niveauvoll unterhalten konnte. Nicht, dass ich das vorgehabt hatte, aber man brauchte immer etwas zum Aufregen, sonst war es ja langweilig.

Anscheinend waren wir hier die erste Haltestelle, denn der Bus kam erschreckend pünktlich und ich sah im Inneren noch niemanden, der die besten Plätze hinten belegte. Wenigstens etwas Gutes.

Rücksichtslos drängelte ich mich durch die Scharen Kinder in den Bus, erwartete, dass meine Eltern mein Gepäck in de Bus brachten und suchte mir den Platz ganz hinten links aus. Den würde ich auch verteidigen, dort saßen nämlich auf dem einen Sitz ich und auf dem anderen mein Rucksack und mein Ego. Eindeutig kein Platz für meine Mitmenschen.

Als sich endlich die letzten Idioten voneinander verabschiedet hatten und alle im Bus saßen, ging es los. Meinen Eltern winkte ich zum Abschied nicht, wieso sollte ich? Erstens war ich zu alt für so was Peinliches und zweitens sollten sie meinen Unmut ruhig miterleben, falls sie ihn die letzten drei Wochen noch nicht bemerkt hatten. Zutrauen würde ich es ihnen.

Schon auf dem ersten Kilometer stieg die Lautstärke im Bus beträchtlich, was bestimmt daran lag, dass noch kein wirklicher Betreuer anwesend war und die Quälgeister dazu brachte, ihre Schnäbel zu halten. Wunderbar, da konnte ich gleich meinen geliebten MP3-Player zum Einsatz bringen.

Zwar hatte irgendwo auf dem Anmeldeformular etwas von „Elektrogeräte bitte zuhause lassen“ gestanden, aber hey – fickt euch. Wenn ich Musik hören will, dann tu ich das auch, Ende. Da quatscht mir niemand dazwischen, vor allem keine Leute, die ich nicht mal persönlich kenne.

An der nächsten Station stiegen weniger Leute ein, aber dafür – ein Wunder! – zwei Typen in meinem Alter, die sich auch in den hinteren Teil verzogen. Noch jemand mit einer Vorliebe für diesen Bereich, sehr sympathisch.

Weniger sympathisch war, dass diese beiden Jungs sich nicht anders benahmen als die jüngeren Teilnehmer um sie herum und ich sofort hoffte, ein schönes kleines Einzelzimmer zu bekommen. Zur Not wohnte ich die nächsten zwei Wochen im Flur, Hauptsache, ich musste mir nicht rund um die Uhr ihr Generve antun.

Keine drei Minuten später stoppte der Bus erneut und eine weitere Schar potentieller Ruhestörer strömte in den Bus – und ebenfalls zwei Jungs, die sich aber mit Plätzen weiter vorne begnügten. Von irgendwelchen Betreuer fehlte bislang immer noch jede Spur. Die hatten sich doch hoffentlich nicht vorher abgeseilt oder so? Bitte nicht!

Meine Nervosität sank ein Stück, als am vorletzten Haltepunkt zwei Frauen Ende zwanzig einstiegen und ein bisschen Ordnung in das Chaos brachten. Na also, warum nicht gleich so?

Allerdings wurde ich unerwartet aus meinen Gedanken gerissen, als mir jemand zögerlich auf den Oberarm tippte.

„Was ist?“, knurrte ich genervt und riss mir die Stöpsel aus den Ohren. Merkte wer auch immer nicht, dass er störte?

„Entschuldigung, ist hier noch frei?“ Hätte der Junge noch leiser gesprochen, hätte ich ihn gar nicht verstanden.

„Nein, hier sitzen schon zwei, siehst du das nicht?“ Als mein Rucksack musste ja wohl auffallen und mein Ego... das nahm man einfach wahr.

„Nein, wer denn?“ Mein Gegenüber ließ nicht locker. „Es sind keine freien Zweier mehr da und neben ein kleines Kind will ich mich nicht unbedingt setzen.“

Okay, diesen Grund konnte ich ganz knapp durchgehen lassen, weil ich persönlich auch nicht neben so einem Zwerg hocken wollte.

„Naja, dann setz dich halt. Aber komm bloß nicht auf die Idee, mich pausenlos anzuquatschen, sonst kannst du dich aufs Dach oder sonst wo hinsetzen.“ Ich in meiner besten Stimmung, ehrlich ohne Grenzen.

„Werde ich schon nicht“, beruhigte mich mein neuerworbener Sitznachbar, stellte meinen Rucksack auf den Boden zu meinen Füßen und platzierte sich auf den nun freigewordenen Sitz. Freundlicherweise kramt er sogleich seinen MP3-Player aus seiner Jeansjacke und zeigte mir somit an, dass ich von ihm nichts zu befürchten hatte. Fand ich gut. Außerdem hielt er sich auch nicht an die affige Regel.

Beim wirklich letzten Halt stieg meine Laune ein wenig an, denn es betraten zwei Mädchen den Bus, allerdings bekam ich beim Anblick des Jungens, der ihnen folgte, fast die Krise. Was sollte dieser bekloppte schwarze Nagellack auf seinen Fingernägel? So was sollte Männern meiner Meinung nach verboten werden, vor allem konnte ich solche Typen nie wirklich ernst nehmen. Also durfte er sich später nicht wundern, wenn ich über ihn lachen musste, war mir schon öfter bei anderen Jungs aus meiner Klasse passiert. Natürlich unabsichtlich.

Die Fahrt verlief einigermaßen unspektakulär; keins der Gartenzwerge vor mir musste kotzen, die Lautstärke blieb bei ihrer aktuellen Höhe und der Junge neben mir ließ mich wirklich die ganze Zeit in Ruhe. Sehr schön. Nur die beiden Krachmachertypen in meinem Alter fielen mir dadurch auf, dass sie ständig durch die Gegend rennen mussten, wirklich nervig.

Nach beinahe sechs Stunden und einer verbrauchten Batterie hielt der Bus irgendwo abseits eines Kaffs am Arsch der Welt und warf uns höflich aber bestimmt raus. Jetzt konnte der Spaß beginnen, auf in den Kampf ums Gepäck. Netterweise hatten meine Eltern meine Tasche ziemlich am Schluss verstauen lassen, weshalb ich nicht vergeblich andere Leute zur Seite stoßen musste.

Da ich keine Ahnung hatte, wo ich nun hinsollte, folgte ich einfach einer der zwei Betreuerin in das Gebäude, das mir die Sicht auf unglaublich viel Wald, Feld und ähnlich langweilige Natur versperrte – oder eher ersparte, ich würde es in den nächsten Tagen oft genug bestaunen.

Nach fast einer Viertelstunde versammelten sich alle Teilnehmer in der Eingangshalle des Freizeitgebäudes und warteten interessiert oder auch nicht auf das, was nun kam.

Zuerst begrüßte uns eine der zwei anwesenden Betreuerinnen, stellte sich als Leonie und die andere als Annabel vor und redete von noch einer Menge anderer ihrer Sorte, die allerdings erst im Laufe des Nachmittags eintreffen würden. Merkwürdigerweise war es schon nach vier, sie sollten also langsam auftauchen. Oder doch besser wegbleiben.

Endlich begann jetzt der spannende Teil der Ankündigung: die Zimmerverteilung. Die der kleineren Kinder überhörte ich, brauchte mich schließlich nicht zu interessieren, auch wenn es mindestens 20 Stück von den Plagegeistern gab.

„Paula und Hannah, ihr teilt euch ein Zimmer mit Julia.“

Annabell brachte die drei Mädchen – wovon zwei die einzigen in meinem Alter waren – in ihr Zimmer im ersten Stock, wohin auch schon die Meute des Grauens hingestürmt war, und ich wartete nervös auf die Stunde der Wahrheit, mit wem ich meine verhunzten Ferien lang täglich streiten würde.

„Dominik...“ Ja, so hieß ich. „...Vincent...“ Aha, mein Platznachbar, hoffentlich hielt der weiterhin die Klappe. „... Luis und Tom.“

Verdammt, das konnten die mir nicht antun, nicht diese zwei hyperaktiven Kerle ohne Hirn. Mit denen bekäme ich bestimmt Probleme, die störten mich nämlich jetzt schon.

Die zwei übriggebliebenen wurden noch mit der Witzfigur in ein Zimmer gesteckt und Leonie führte uns den Gang entlang zu unseren Zimmern. Natürlich drängelten sich Luis und Tom vor und schnappten sich bei den zwei Stockbetten den unteren Bereich. Danke, dass ihr uns auch aussuchen lasst, ihr Deppen. Aber zum Glück wollte ich sowieso oben hin, auch wenn man immer erst diese beknackte Leiter hochklettern musste, aber unten ging gar nicht, da schlug ich mir immer den Kopf irgendwo an.

Die Zimmer sahen nach typischen Jugendherbergenzimmern aus: zwei wackelige Hochbetten aus Holz, ein Tisch mit vier Stühlen herum, genauso viele Schränke und ein Fenster mit Ausblick auf die schnarchlangweilige Landschaft. Alles hier schrie danach, dass man es ein wenig verschönerte, in dem man überall seine Sachen verstreute. Okay, damit konnten wir auch gleich anfangen.

Ich warf meinen Rucksack und die Sporttasche auf das Bett über Tom und zwang Vincent dadurch, über Luis sein Lager aufzuschlagen. Er hätte sich auch beeilen können, nicht mein Problem.

Zuerst zerrte ich meine Bettwäsche unter tausend anderen Dingen hervor und versuchte, ohne vom Bett zu fliegen, es zu beziehen. War gar nicht so leicht wie es aussah, vor allem wenn man normalerweise ein einfaches Bett besaß. Immerhin schienen die anderen auch Mühe damit zu haben; automatisch fühlte ich mich besser.

Danach räumten wir die Schränke ein, verteilten unser Zeug auf dem kleinen Tisch und die zwei Möchtegernkleinkinder klebten irgendwelche merkwürdigen Poster an die Wand. Zwar nicht mein Geschmack, aber besser als der Blick auf eine grässlich weiße Tapete.

Ohne Vorwarnung dröhnte aus dem Nachbarzimmer lautstarkes Technogedudel herüber und fast synchron verzogen Luis und Tom ihr Gesicht.

„Das will doch keiner hören“, grummelte ich und Vincent nickte zustimmend mit dem Kopf während er sich seine MP3-Player als Rettung angelte.

„Mann, Luis, mach mal was Gescheites an, das hält ja niemand aus“, quengelte Tom los und sein Kumpel zauberte einen kleinen CD-Player aus seinem Rucksack hervor und kurz darauf wurde ich mit Bushido beschallt.

„Als wär das besser“, grummelte ich und hielt mir demonstrativ die Ohren zu. „Das will auch keiner hören.“ Zu dumm, dass ich meine Linkin Park CDs zuhause liegen gelassen hatte. „Vincent, hast du zivilisierte Musik?“

Der Angesprochene kramte aus seiner Tasche einen kleinen Stapel CDs heraus und hielt ihn mir entgegen. „Vielleicht findest du ja was.“

Was ich sah, überzeugte mich gar nicht: Evanescence, HIM und Lovex.

„Also Selbstmordmusik brauch ich jetzt nicht.“

„Das ist auch keine.“ Leicht beleidigt verstaute er seine CDs wieder. „Dann hör dir halt diese Antimusik an.“

Anscheinend hatte ich mich gleich unbeliebt gemacht, eins meiner großen Talente. Aber ich mochte diese Art Musik nun mal nicht, davon wurde ich aggressiv und terrorisierte meine Umgebung. Und zwar noch mehr als sowieso schon.

Tom und Luis sahen bald ein, dass wir ihre Musik dumm fanden, schalteten sie aus und verschwanden einfach ins Nachbarzimmer. Was wollten die da? Bestimmt nicht den anderen drei die Technomusik wegnehmen.

„So, wir machen jetzt mal eine Vorstellungsrunde“, grinste Tom breit, als er mit seinem Kumpel und den anderen zurückkam und sie auf sein Bett schubste.

„Muss das sein?“ Ich hatte echt keinen Bock auf so einen Scheiß, wir waren doch nicht mehr im Kindergarten.

„Ja, deshalb machst du den Anfang.“ Musste ich erwähnen, dass Luis auf meiner Beliebtheitsskala noch mehr in den Minusbereich sank? Eigentlich nicht.

„Danke. Ich heiße Dominik, bin 15, komm aus Klein-Rohrheim und hab keinen Bock auf den ganzen Schrott hier.“ Ja, das war ich. Wenn sie damit nicht klarkamen, sollten sie doch wieder in ihre dummen Käffer fahren. Obwohl mein Heimatort nicht mal mehr als Kaff bezeichnet werden konnte, so klein wie er war.

„Sehr aufschlussreich.“ Vincent stieg von seinem Plätzchen herunter und hockte sich auf einen Stuhl. „Ich heiße Vincent, bin auch 15, wohn aber in Biebesheim und höre keine Selbstmordmusik, kapiert?“ Ja, ich hatte es verstanden, Junge.

Tom und Luis stellten sich ebenfalls vor, allerdings mussten sie dabei so viel lachen, dass ich nur die Hälfte mitbekam. Typisch kleine Jungs aus Gernsheim, dumm bis zum geht nicht mehr.

Einer der beiden einzig normalen Jungs aus dem Nebenzimmer verdrehte kurz genervt die Augen, versuchte aber schnell sich wieder zu beruhigen. „Ich bin Oliver, genauso alt wie die Mehrheit hier und wohne wie Vinc in Biebesheim.“ Er deutete auf seinen Kumpel. „Weil Sascha keinen Bock hat, euch was zu erzählen, muss ich das machen. Er heißt mit Zweitnamen Elias, geht aufs Gymi Gernsheim, hat eine nervige Schwester, zwei Katzen, eine feste Freunde, ist 1,78m groß und...“

„Mann Olli, halts Maul, das interessiert doch kleinen“, unterbrach ihn Sascha und stieß ihm den Ellenbogen in die Seite. „Schlagt ihn einfach, wenn er euch nervt, mach ich auch immer.“

Okay, das Adjektiv „normal“ nahm ich zurück, die waren fast genauso schlimm wie die aus meinem Zimmer. Wo war ich hier nur gelandet? Und wie sollte ich das noch länger aushalten?

Der einzige, der sich noch nicht vorgestellt hatte, war der Typ mit der Geschmacksverirrung auf den Fingernägeln. Mal sehen, was er Interessantes erzählte, wahrscheinlich auch so ein Wahnsinniger, der gerne anderen Leuten auf den Wecker ging.

„Ich heiße Richard...“ Der Name war schon mal echt dumm, armer Kerl. „... bin auch 15, wohne in Stockstadt...“ Wer wollte schon da wohnen? Ich nicht. „... und bevor jemand fragt, normalerweise trag ich keinen Nagellack. Den hat mir eine Freundin draufgepinselt, um mich zu ärgern.“

Das Ergebnis dieser Kennenlernveranstaltung: Sogar mein Taschenrechner hat mehr Niveau als die alle zusammen. Ich sollte wirklich anfangen, mich selbst zu bemitleiden.

Zum Glück gingen Sascha, Oliver und Richard bald wieder in ihre eigenen vier Wände, ich warf mich auf mein Bett und schickte eine SMS an meine Eltern, dass es hier unterirdisch idiotisch war und ich als Entschädigung den Rest der Ferien meine Ruhe haben wollte.

„Was machst du denn da? Schreibst du an deine Freundin?“ Ein breit grinsender Luis tauchte vor meiner Nase auf und schnappte sich mein Handy.

„Pfoten weg!“, fauchte ich ihn an, rettete mein Handy und beförderte ihn unsanft vom Bett herunter. „Das ist meine Privatangelegenheit, die geht dich nichts an.“

„Ist ja gut, reg dich ab.“ Leicht angesäubert rieb sich Luis den schmerzenden Hinterkopf und ging so weit wie möglich auf Abstand, falls ich noch länger meine tolle Laune an ihm auslassen wollte. „Ich bin halt neugierig, ist doch kein Verbrechen.“

„Glaubst du“, grummelte ich und versendete die SMS an meine ignorante Familie. „Es gibt Leute, die wollen nicht, dass wildfremde Idioten ihre Sachen durchwühlen, also mach es einfach nicht.“ Hirn verloren oder was? Der stellte sich echt dämlich an.

„Keine Schlägerei.“ Vincent stopfte seine letzten Kleidungsstücke in den kleinen Schrank und kickte die nun leere Tasche unter Luis’ Bett. „Das könnt ihr draußen machen, wo euch keiner sieht.“

„Keine Lust“, lehnte ich beinahe arrogant klingend ab und schnappte mir einen Krimi, den mir meine Mutter noch vor der Abreise in die Hand gedrückt hatte. „Das ist Zeitverschwendung.“ Für wen hielten die mich?

Ohne einen weiteren Blick an meinen Mitmenschen zu verschwenden begann ich das Buch zu lesen, obwohl ich es schon nach einer halben Seite langweilig fand. Aber lieber ein dummes Buch als dumme Menschen, mit denen man kommunizieren musste.

Gegen fünf Uhr wurden wir durch Annabels Rufen aus den Zimmern und in den Speisesaal gelockt. Gezwungenermaßen hockte ich mich mit Tom, Oliver und fünf kleinen Kindern an einen Tisch und wartete, weshalb wir hierher bestellt worden waren. Hoffentlich nicht, um uns stundenlanges Geschwätzt anzuhören.

Natürlich wurde mein Wunsch nicht erhört, denn Leonie legte gleich los und informierte uns gnadenlos über jedes kleine Verbot und die kaum vorhandenen Zugeständnisse an Tätigkeiten. Auch der Tagesplan wurde haarklein durchgekaut und mindestens fünfmal wiederholt, damit der letzte Depp sich alles mitschreiben konnte, wenn er wollte.

Frühstück gab es um halb neun, Mittagessen um eins und Abendessen um halb sieben, alles keine Zeiten, zu denen ich normalerweise Hunger hatte. Vor allem bedeutete das verdammt frühes Aufstehen, dabei hatten wir Ferien, merkte sich das keiner?

In den Zeiten dazwischen gab es entweder Programm für alle oder Zeit für sich selbst, das sollte für jeden Tag unterschiedlich geplant werden.

Danach stellte Leonie uns die restlichen Betreuer, die endlich den Weg hier her gefunden hatten, vor und von den fast zehn Leuten konnte ich mir keinen einzigen Namen merken, schon peinlich, aber mein Denken befand sich gerade im Energiesparmodus. Außerdem waren sie sich so ähnlich, alle im Alter von Annabell und Leonie, das ging gar nicht. Nur einer nicht, er war vermutlich nicht älter als zwanzig und fiel damit auch auf. Trotzdem wusste ich nicht, wie er hieß.

Eigentlich hätte man diesen Vortrag locker in einer Viertelstunde runterrattern können, doch irgendwie dauerte es über eine Stunde; die kleinen Kinder neben mir quengelten schon leise und irritierenderweise legte Tom, der sowieso schon die ganze Rede über müde ausgesehen hatte, seinen Kopf und Olivers Schulter und schlief einfach ein. Oliver grinste sich halb tot, die Kleinen glotzten dumm und ich schüttelte den Kopf. Total krank, diese Typen.

Vorsichtshalber weckten wir Tom, bevor er vielleicht Ärger bekam – was mir herzlich egal gewesen wäre, aber Oliver hatte leider auch noch ein Wörtchen mitzureden –, und schließlich durften wir alle wieder abhauen – außer die, die Tischdienst hatten, leider keiner von meinen Mitbewohnern.

Die Wartezeit bis zum Abendessen überbrückten Tom und Luis mit einigen alles andere als ruhigen Runden Maomao, von nebenan schallte wieder Technogedöns, das Vincent mit einer HIM CD zu normalisieren versuchte, und ich verkroch mich unter meine Decke und fluchte leise vor mich hin. Schlimmer als jeder meiner bisherigen Alpträume, der Wahnsinn pur. Zuhause brauchte ich dringend Schadensersatz, sonst würde ich durchdrehen. Und mein Computer fehlte mir unglaublich, mehr als meine Eltern.

Das Abendessen verlief fast so laut wie die Busfahrt und mein Kopf begann langsam über diesen ungewohnten Geräuschpegel zu protestieren. Ich saß an einem Tisch mit Richard, Vincent und ein paar Betreuern und kaute frustriert auf einem lasch schmeckenden Brötchen mit Frischkäse herum. Sonst gab es nichts, was mich aufforderte, es zu essen, das Gemüse streckte mir sowieso immer die Zunge raus und auf Wurst oder ähnliches hatte ich keine Lust.

„Komm, ess noch was, sonst hast du später Hunger“, drängte mich der junge Betreuer und hielt mir ein weiteres Brötchen unter die Nase. „Nach dem Abendessen bekommst du nichts mehr.“

„Nein danke, ich will nichts.“ Ich schob seine Hand zur Seite und spielte etwas mit der Frischkäsedose. Der tat ja fast, als wäre er meine Mutter.

„Tja, Moritz, da hat wohl jemand seinen eigenen Kopf“, lachte Annabel und ich kam mir vor wie ein Idiot. Also kein neuer Zustand, aber immerhin kannte ich nun den Namen des aufdringlichen Betreuers.

Kaum war das Essen beendet, flitzte ich zurück in mein Bett und regte mich weiter über den miesen Krimi auf, während der Rest sich nach einiger Zeit einfand und zwei gewisse Personen nichts besseres zu tun hatten als imaginäres Halligalli auf dem Fußboden zu spielen – natürlich wieder in ihrer gewohnten Lautstärke und mit kleineren Schlägereien. Das ging den ganzen Abend so weiter, allerdings schafften sie es nach über einer Stunde Vincent zum Mitmachen zu überreden. Also hockten nun drei Freaks dort und machten dumme Sachen, wirklich peinlich für die Menschheit.

Aufgrund der Unzivilisiertheit entschloss ich früher schlafen zu gehen, krallte mir gegen 10 Uhr mein Waschzeug und schlurfte über den Flur ins Bad. Dort erlebte ich eine neue Überraschung, denn an einem von zwei Waschbecken stand ein genervt dreinblickender Richard und putzte sich die Zähne. Wieso mussten sie unsere Zimmer das Bad teilen? Wurde wahrscheinlich wieder an allen Ecken und Enden gespart wie verrückt. Das sah man eindeutig an den zwei Miniwaschbecken.

„Mann, Saschas Freundin hat jetzt schon zum dritten Mal angerufen und nervt uns die Ohren voll“, beschwerte er sich undeutlich und spuckte den Zahnpastaschaum in das Becken. „Als könnten wir was dafür, dass sie nicht mitgekommen ist.“

„Kannst dich ja zu uns ins Zimmer setzen, da spielen sie sinnlose Spiele“, meinte ich herausfordernd und begann mir ebenfalls die Zähne zu putzen.

„Nein danke, darauf hab ich keine Lust.“ Richard stellte seine Sachen auf eine Ablage über dem Waschbecken und lehnte sich an die Wand. „Kannst ja zu uns kommen, da geht es wenigstens einigermaßen normal zu, bis auf diese ständigen Telefonanrufe. Zur Not gehst du wieder in deinen Kindergarten und spielst mit.“

Zwar tat ich, als beachtete ich sein Geschwafel nicht, doch es klang auch verlockend, mit Menschen mit mehr Intelligenz zu kommunizieren. Wahrscheinlich stellte es sich im Nachhinein als Fehler heraus, aber besser als zum Schluss sich selbst noch so bescheuert zu verhalten.

Richard wartete, bis ich mich fertig gemacht hatte, und zog mich dann zu Sascha und Oliver, die halb schlafend in ihren Betten lagen und nebenbei Chips in sich hineinstopften. Toll, es wurde wirklich interessant hier. Ich starb fast vor Spannung.

„Geht es bei euch immer so spektakulär zu?“, stichelte ich und klaute mir frech Olivers Chipstüte, der dies nicht mal bemerkte.

„Weiß nicht, bis jetzt eher nicht. Die beiden pennen schon die ganze Zeit vor sich hin. Wenn nicht gerade das Telefon klingelt.“

„Sorry, aber ich geh wieder, hier ist wirklich zu viel Hektik.“

Die anderen spielten gerade ein brutales Kartenspiel namens Metzger, als ich mich ins Bett legte und versuchte zu schlafen, daher hörte ich von Zeit zu Zeit einen unterdrückten Schrei von Luis oder Vincents vergebliche Hinweise, ein kleines bisschen Rücksicht auf den armen, kleinen, schlafenden Dominik zu nehmen.

Halts Maul, du Flasche.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Inan
2010-03-10T16:51:49+00:00 10.03.2010 17:51
Warum hat er was gegen Jungs, die Nagellack tragen? Óò
*mich über die mangelnde Toleranz eines Großteils der Menschheit aufreg*
*hüstel*
Naja egal, niemand ist perfekt xD
Die Jungs sind ja mal echt der Hammer, entweder ganz auf droge oder garnicht xD
Aber Richard ist eh der Beste~ :3
tolliges chap, freu mich schon aufs nächste^^
sagst du mir dann auch bescheidt?
Von: abgemeldet
2010-01-09T16:31:32+00:00 09.01.2010 17:31
Also ich find das bis hir hin ja schonmal richtig hamma und ich kann dominik voll ferstehen ^^
Ich hoffe du schreibst bald weiter ich hab nemlich gefallen gefunden ^^-

*freut sich schon wie ein klein Kind XD*

Lg Gela
Von: abgemeldet
2009-11-22T21:32:26+00:00 22.11.2009 22:32
Also, ich fand den Prolog ja schon klasse, aber das erste Kapi ist echt geil^^
Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie angepisst Dominik sein muss uns diese ganzen Chaoten, die sich in so nem "Camp" herumtreiben kenn ich auch^^ Und dann der arme Dominik in so nem Kindergarten. Naja, vielleicht lernt er ja etwa szu entspannen^^ Würde ihm mal ganz gut tun, etwas kindischer zu sein^^ Aber er ist mir so auch sehr sympathisch, mit seiner Mich-kotzt-eh-alles-an-Einstellung^^

Also, das Kapi hat richtig Lust auf mehr gemacht! Bin schon gespannt, was für "Abenteuer" er denn noch so erlebt^^

Wie gesagt, ein klasse Kapi udn ich freu mich auf das nächste!

LG loona
Von: abgemeldet
2009-11-14T20:21:08+00:00 14.11.2009 21:21
Also das Kapitel war ja mal echt klasse! Man konnte regelrecht spüren wie sehr Dominik alles ankotzt. Irgendwie glaube ich, das er und Richard noch richtig gute Freunde werden können, auch wenn es anfangs nichts so aussah. Die beiden scheinen sich doch ähnlicher, als ich erst gedacht habe. Ich bin schon mal gespannt wie es eitergeht. Ich an Dominiks Stelle wäre schon längst ausgetickt, inmitten all dieser kleinen Kinder. Und wenn sich dann auch noch die wenigen, gleichaltrigen so aufführten...
Moritz ist mir gleich symphatisch gewesen, der ist total nett. Auch wenn Dominik es scheinbar nicht bemerkte, aber auch mit ihm könnte er sich anfreunden.
Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel...

GLG _midnightkiss_
Von:  Bloody_princess
2009-11-14T14:23:33+00:00 14.11.2009 15:23
aLso ich finde deine FF wirklich voll cooL! ^^

und ich liebe dominiks lustige
gedanken immeR!

die sind echt zum totlachen! xDDD

abeR das klinGt für mich auch ziemlich horrormäßiG!
ich mag solche kindergartenkindeR nicht gerade unbedinGt,
und dann auch noch mit solchen nervensägen in eiinem ZimmeR
wohnen zu müssen, das is echt voll blöd!

abeR um sO lustiGeR füR uns LeseR! xDD

also schreib schnell wiedeR weiteR!?!
mach diR dann auch auf jedenfall wiedeR nen kommi! ^^

LIebe Grüße,
deine Bloody pRincess!


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