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Verrücktes Leben

Im Reich der Flüche
von

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15

Madiva machte sich immer noch Sorgen um Nain. Denn die war nicht wieder aufgetaucht. Es war schon seit einer halben Stunde hell. Doch ihr Mädchen hatte sich noch nicht blicken lassen.

Da klingelte es an der Tür. Die Magierin ging die Treppen nach unten und öffnete Jule und Missy die Tür.

„Guten Morgen. Ist Nain zu Hause?“

Madiva schüttelte den Kopf:

„Nein ... sie ist weg.“

Die Mädchen schauten sich an und nickten dann.

„Danke“, meinte Jule. Sie drehten sich um und gingen.

„Was jetzt?“, fragte Missy.

„Wir gehen Nicky und Molli abholen.“

Das Mädchen nickte und ging Jule nach.

Sie klingelten nach wenigen Minuten bei Molli. Die kam auch persönlich an die Tür:

„Hey.“

„Hi. Hast du Zeit?“

„Klar. Aber wozu?“

„Wir wollten mit Nicky in den Wald“, erklärte Jule.

„Ok … und was ist mit den anderen?“, fragte Molli.

„Aghate und Carina kommen doch eh nur ungern mit“, sagte Missy.

„Und Emma und Lynn haben keine Zeit“, fuhr Jule fort.

„Na dann … ich hol grad noch meine Jacke“, sagte Molli und lief nach drin. Missy und Jule blieben vorne stehen und warteten auf sie.

Nachdem Molli wieder gekommen war, gingen sie zu Nicky.

Deren Mum machte die Tür auf:

„Guten Morgen, Mädels.“

„Guten Tag. Ist Nicky da?“

„Ja … NICKY!“

Auf der Treppe polterte es. Das Mädchen griff sofort nach ihrer Jacke und fiel den Freundinnen um den Hals.

„HEY!“

Dann machten sie sich auf den Weg zum Waldrand.

„Was machen wir denn eigentlich?“, fragte Molli.

„Nach Nain suchen“, erklärte Jule.

„Was ist denn mit ihr?“, fragte Missy.

„Es war Vollmond. Sie war die Nacht im Wald und nun wollen wir sie suchen …“, meinte Nicky.

Jule nickte und ging in den Wald. Nicky folgte ihr auf Schritt und Tritt. Molli und Missy warfen sich einen Blick zu und folgten den beiden. Doch keine von ihnen tat einen Mucks.
 

Nain saß immer noch mit Jason und Don bei Kail.

„Wir sollten ihn mal hier weg schaffen“, meinte Don.

Nain schaute auf:

„Warum?“

„Er liegt hier nicht gerade unauffällig … und auch nicht bequem.“

„Wo wollt ihr ihn denn hin bringen?“, fragte Jason.

Don schaute sich um und lauschte dann auf:

„Weg!“

Nain blickte ihn fragend an und hörte dann auch die Schritte von Menschen.

Dass das ihre Freundinnen waren, wusste sie ja nicht.

„Aber wohin?“, fragte Jason leise und stand auf. Er packte Kail an den Schultern.

Das war keine Schwierigkeit. Don nahm Kails Beine. Die beiden schauten sich an.

„Was?“, fragte Nain.

„Er ist ziemlich leicht“, staunte Don. Jason nickte.

„Wir legen ihn hinten in die Büsche“, sagte Don.

„Viel besser liegt er da auch nicht“, protestierte Nain. Jason nickte, doch die Jungs brachten Kail zu den Büschen.

„Hier wird er wenigstens nicht gesehen“, erklärte Don. Nain setzte sich zu den Jungs und nahm Kails Kopf in den Schoß, der nun auf dem Rücken lag. Dann duckten die drei sich. Die Schritte kamen näher. Jason schaute sich um und Don lauschte. Nain strich Kail sanft über die Wange.
 

„Wo kann sie nur sein?“, fragte Missy und schaute sich um.

„Warum rufen wir nicht einfach mal?“, fragte Molli.

Jule drehte sich um:

„Darum. Weil es so ruhig ist.“

„Eben deshalb“, meinte Molli wieder, „Dann hört sie uns wenigstens.“

„Wir suchen weiter“, beschloss Jule und Molli und Missy schauten sich an.

„Dann guckt doch am See“, sagte Missy.

Nicky schüttelte den Kopf:

„Nein.“

„Warum nicht?“, fragte Missy.

„Zu offensichtlich“, erklärte Jule.

Nicky schaute sich um:

„Genau das … da hinten ist eine Lichtung.“ Sie zeigte zwischen den Zweigen hindurch.

„Dann mal los“, sagte Jule und die vier gingen auf die Lichtung zu.
 

Jason schaute auf:

„Wer ist das denn?“, fragte er leise. Nun blickte auch Nain auf und lächelte:

„Meine Freundinnen …“

„Was machen die hier?“, fragte Don.

„Mich suchen, nehm ich mal an …“, sie verstummte.

„Was?“, fragten die Jungs synchron.

„Meine Ma. Sie macht sich sicher Sorgen … aber ich kann jetzt nicht hier weg …“, sie schaute zu Kail runter, der immer noch ruhig atmend schlief. Wieder strich sie ihm über seine schmalen Wangen. Seine blonden Haare fielen über ihren Schoß. Sie lächelte.

„Und was ist jetzt mit den Weibern?“, fragte Jason.

„Weiß ich doch nicht“, zischte Nain nur.

„Es sind deine Freundinnen. Dann zeig dich ihnen doch“, sagte Don.

„Warum?“

„Na, wenn sie dich doch suchen“, meinte Don wieder.

Nain überlegte:

„Ich weiß aber nicht, warum sie mich suchen.“ Wieder war sie still.
 

Die Mädchen waren auf der Lichtung angekommen und schauten sich stumm um. Die vier horchten in den Wind, der in den Baumkronen raschelte.

„Zeigt ihr euch doch“, flüsterte Nain den Jungs zu. Die schauten erst sich, dann das Mädchen an.

Dann musste Don grinsen:

„Können den Vieren ja mal einen riesigen Schrecken einjagen.“ Er nickte Jason auffordernd zu.

„Keine schlechte Idee“, sagte der. Die beiden hockten sich.

„Stier?“, fragte Jason dann.

Don legte den Kopf schief:

„Na ja … ich glaube Satyr oder Minotaurus wäre gruseliger …“

Jason nickte:

„Aber du …“

„Bär.“ Wieder nickte der Braune. Don verwandelte sich in einen Braunbären und stellte sich auf. Er brüllte.
 

Die Mädchen schraken alle zurück und schrieen auf. Nun ließ sich Don wieder auf alle viere nieder und stapfte mit hochgezogenen Lefzen auf die Mädchen zu. Die gingen immer weiter zurück. Er riss sein Maul auf und schon liefen Missy und Molli in Hundegestalt davon. Nicky und Jule blieben stehen, doch auch sie hatten Schrecken in den Augen.

Dann sprang Jason als Minotaurus aus dem Gebüsch. Nain musste grinsen. Wie lustig das doch aussah.

Da waren’s nur noch zwei, dachte sie sich.

Nun trat Nicky einen Schritt hinter die kleinere Jule. Die schluckte.

„Ich hab ja schon einiges gesehen, aber das ist ...“

Don brüllte und Jason schnaubte auf. Die Augen der beiden strahlten rot auf. Nun hob Jule vor Schreck die Augenbrauen. Nicky schaute über sie. Auch in ihren Augen war Angst.

Die Monster schauten sich an und setzten noch einen Schritt auf die beiden Mädchen zu. Die zuckten zurück und blieben dann wie angewurzelt stehen. Jule kniff die Augen zu. Don und Jason kamen immer näher, doch die Mädchen rührten sich nicht mehr. Auch Nicky schloss die Augen. Die beiden atmeten hektisch, ängstlich.

Als Don und Jason dicht an den beiden waren, sagte Nain:

„Ist gut, Jungs. Lasst sie leben.“ Es folgte ein Kichern und die Jungs verwandelten sich zurück und zuckten mit den Schultern. Dann fingen sie an zu lachen.

Langsam öffneten die zwei Mädchen die Augen und blickten die beiden Jungs verwundert an. Dann sich selbst.

„Was zum …“, machte Jule.

Nicky legte ihr die Hände auf die Schultern. Nain zog ihre Jacke aus und bettete vorsichtig Kails Kopf darauf. Dann gab sie ihm einen sanften Kuss und stand auf.

Sie grinste:

„HI!“

Sie wurde von ihren Freundinnen verdutzt angeguckt. Dann ging die auf die beiden zu und schubste die Jungs zur Seite.

Sie nahm Jule in den Arm:

„Na ... habt ihr schon lange gesucht?“

Nicky war immer noch etwas verdutzt und Jule stumm. Nach kurzem Überlegen drehte Nain sich zu Jason und Don um:

„Musstet ihr auch so schlimm sein?!“

Die Jungs grinsten frech, doch verkniffen es sich zu lachen.

„Was machst du hier?“, fragte Nicky dann.

Nain wandte sich ihr zu:

„Ich war die Nacht hier.“

„Und wer sind die?“, fragte Jule mit leiser Stimme.

„Ach die … mach dir nichts draus.“

Jason verschränkte die Arme:

„Was soll das denn heißen?“ Doch er bekam keine Antwort.

„Und warum seid ihr hier?“

„Weil wir dich suchen“, sagte Nicky.

„Ja, schon klar. Aber warum?“

„Wir wollten in den Wald, weil’s Vollmond war. Und da wollten wir dich mitholen, aber deine Ma hat gesagt, dass du nicht da wärst.“

Nain stockte.

„Was?“, fragte Don und stellte sich hinter sie.

„Ich hab vergessen Bescheid zu sagen. Aber sonst hätte ich nicht weg gedurft“, erklärte das Mädchen.

Alle schauten sich schweigend an.

„Sie macht sich sicher Sorgen“, murmelte Nain und biss sich auf die Unterlippe.

„Aber du machst dir Sorgen um Kail“, sagte Jason. Nain nickte.

„Was ist denn mit ihm?“, fragte Nicky. Jule schaute die anderen an.

„Er …“, Nain schaute zu dem Gebüsch. Man konnte plötzlich ein Husten vernehmen.

Sie lief zu ihm:

„Kail!“

Der Junge setzte sich, mit geschlossenen Augen und hustete weiter. Dann kniete er sich hin und spuckte Blut. Nain erschrak, sie hockte sich neben ihn:

„Kail! Hörst du mich?“ Er nickte und unterbrach sein Husten.

Dann räusperte er sich und schüttelte den Kopf. Er schluckte.

„Geht’s?“, fragte das Mädchen wieder. Der Wolf nickte und schaute sie an.

Nain atmete tief durch, er tat es ebenfalls, jedoch aus einem anderen Grund. Sie sahen sich in die Augen. Kail schloss kurz seine Augen und stand auf. Auch Nain stellte sich wieder und legte den Arm um seine Taille. Er schaute zu den anderen vier und atmete durch.
 

Zoe stürmte aus dem Schloss. Die Schatten flogen über sie hinweg. Dann kam ein dritter hinzu und der schrie:

„Halt still, das wird unbequem!“

Zoe blieb stehen und Sky packte sie unter den Armen. Somit riss er sie von den Füßen und flog wieder in die Luft.

„Hey!“

„Ich sag doch, dass wird unbequem“, meinte Sky nur und schaute nach vorne.

„Ich will so schnell wie möglich nach Hause.“

„Aber die Sonne scheint doch“, rief Zoe gegen den Wind. Sky hörte sie nicht, doch das wusste er auch selber. Sie spannte die Arme an, um nicht so durchzuhängen, da warf er sie in die Luft und fing sie wieder über seinem Rücken, sodass sie auf ihm landete. Zoe riss die Augen auf.

Was war das denn?, fragte sie sich.

Kaum zu glauben, wie die Aussicht von seinem Rücken war.

Vor ihnen lag Transsilvanien. Sky hatte Glück, denn im Moment war die Sonne hinter den Wolken. In Mitten der Stadt ging er zu Boden.

Die Menschen, die sich dort aufhielten, liefen alle zur Seite. Er ließ seine Augen leuchten, um freie Bahn zu bekommen.

Dann rief er:

„Pferde! Ich muss zum Meer!“ Ein Mann zeigte zu seinen Ställen. Dort standen zwei angebundene Pferde, die schon geputzt und gesattelt waren.

Sky ergriff Zoes Hand und lief zu den Rappen. Er ließ sie los, nahm eine Trense und machte sein Pferd reitklar. Zoe versuchte auch den anderen Wallach zu trensen, doch das wollte ihr nicht so gelingen.

Sky legte seine Hand auf ihre Schulter:

„Na komm … nimm meinen, dann mach ich das hier.“ Sie wandte sich ihm zu und nickte etwas blamiert.

„Ist schon ok. Du machst das eben nicht oft.“ Wieder nickte Zoe stumm und ging zu dem anderen Wallach.
 

„Na komm“, meinte Nain und zog Kail mit sich zu den anderen. Die lächelten nur kurz.

„Wie geht’s dir?“, fragte Don. Kail nickte nur. Jason musterte ihn, dann schauten Don und Jason sich an. Kail folgte ihren Blicken, doch dann schaute er zu den Mädchen.

Jule und Nicky standen immer noch hintereinander.

Kail schmunzelte:

„Was ist denn mit euch beiden los?“

Die Mädchen schauten sich an.

„Na ja…“, machte Nicky.

„Die beiden haben uns zu Tode erschreckt!“, erklärte Jule und zeigte zu den anderen Jungs. Die grinsten kurz.

„Ach ja?“, fragte Kail und musterte Don und Jason. Die zogen kurz eine Fratze und unterhielten sich dann. Kail fielen kurz die Augen zu. Da schauten die Freundinnen zu Nain, die nur mit den Schultern zuckte.

„Ich denke“, fing Nicky an, „du solltest bald mal nach Hause zu deiner Mutter.“

Nain blieb stumm. Sie wollte Kail nicht alleine lassen, doch den konnte sie sicher nicht davon überzeugen, mit ihr zu kommen.

„Und wir sollten Missy und Molli mal suchen“, meinte Jule dann. Nain schaute sie an.

„Stimmt!“, machte Nicky.

Kail hob eine Augenbraue:

„Warum? Was ist denn mit denen?“

Nain musste sich ein Grinsen verkneifen:

„Die beiden sind vor Angst abgehauen …“

Jule zeigte in eine Richtung:

„Da lang sind sie gelaufen.“

„Wo kommt man da hin?“, fragte Nain und drehte sich zu Don und Jason.

Die beiden schauten auf:

„Da lang?“

Die Mädchen nickten.

„Da kommt man doch zu Sky“, meinte Kail leise.

Nain schaute ihn an:

„Und wohin noch?“

„Wenn du lange genug läufst, dann kommst du da lang nach Rom“, witzelte Jason.

„Ich meinte, was näher Gelegenes. Muss ja auch keine Stadt sein“, meinte Nain wieder.

„Zur Straße“, erklärte Don.

„Welche? Zur Landstraße?“, fragte Jule.

Don nickte:

„Ja.“

Die Mädchen schauten sich an.

„Ja und?“, machte Jason nur, „Dann finden sie wenigstens nach Hause.“

„Da hat er Recht“, stimmte Nain zu. Nicky und Jule schauten sich stumm an. Na wenn die das meinten.
 

Dieses Mal kam Zoe sogar alleine aufs Pferd, während Sky den Rappen noch aufzäumte. Dann stieg auch er auf, die Tasche um die Schultern, und sagte:

„Soll ich dir deine Tasche abholen?“ Zoe schüttelte mit dem Kopf. Sky nickte ihr kurz zu, nahm die Zügel richtig auf, zog den Wallach herum und trieb ihn an.

Zoe drückte auch die Schenkel zu, etwas verstand auch sie vom Reiten, und folgte ihm

Nach wenigen Minuten schon trabte Sky. Mit einer Hand hielt er die Zügel auf Kontakt und mit der anderen zog er sich eine Kapuze über den Kopf.

„Die Sonne kommt bald raus!“, rief Zoe, die versuchte, mit ihm auf einer Höhe zu reiten, doch Sky gab ihr keine Antwort. Sie legte den Kopf schief. Machte er sich Gedanken, da es für ihn nicht ganz ungefährlich war in der Sonne?

Da fing Sky an zu galoppieren. Zoe hatte erst Probleme, im Sattel zu bleiben, da auch ihr Pferd gleich mit dem anderen anfing, zu laufen. Doch bald hatte auch sie den Wallach im Griff und ging mit den Bewegungen des Pferdes mit.

„Sky!“, rief sie wieder.

„Ich will noch vor der Sonne in den Wald!“, gab er ihr zur Antwort.

Nun wusste sie wenigstens, dass er ihr zugehört hatte. Sie kniff die Augen zu. Bei einem PS konnte man schon eine ganz schöne Geschwindigkeit erreichen. Sie hatte etwas ins Auge bekommen, doch traute sich nicht, eine Hand vom Zügel zu nehmen. Der Rappe lief einfach weiter. Vor ihnen lag schon der Waldrand.

Sky hatte den Kopf gesenkt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Doch auch er sah den Wald vor sich und trieb den Wallach weiter an. Zoe machte ein Auge wieder auf, um wenigstens ein bisschen zu sehen. Das kam allerdings etwas zu spät, denn vor sich sah sie Sky mit seinem Pferd springen. Ruckartig zog auch ihres an und Zoe musste sich an der Mähne des Rappen festhalten, um nicht zu Boden zu gehen. Da setzten die Hufe wieder auf und weiter ging’s im gestreckten Galopp. Sky schaute sich kurz nach ihr um und als er im Schatten der ersten Bäume war, machte er langsamer.
 

Jule und Nicky warfen sich wieder einen Blick zu und gingen dann in die gezeigte Richtung.

„Was macht ihr?“, fragte Nain.

„Na die anderen suchen“, erklärte Jule prompt. Nicky folgte der Kleineren.

Nain schaute den beiden nach, warf Kail einen Blick zu und ging etwas in die gleiche Richtung.

„Bleib du hier!“, zischte Don.

Nain schaute sich zu ihm um:

„Aber warum?“

„Du sollst doch nach Hause.“

„Na und? Ich kann die beiden doch nicht alleine lassen.“

„Im Wald passiert ihnen nichts. Und sie wollen die anderen doch unbedingt suchen. Dann lass sie doch einfach.“

Nain schaute ihn schräg an:

„Willst du mich etwa davon abhalten?“

„Nein“, meinte Don sofort.

Dann kam Jason zu ihr:

„Du willst Kail doch nicht alleine lassen. Hol ihn mit ins Dorf, vielleicht kann er sich da ausruhen“, flüsterte er ihr zu.

Dann, nach einem kurzen Blick auf den Wolf, der seine Augen gerade geschlossen hatte, fügte er noch hinzu:

„Und vielleicht kannst du ihm neue Sachen besorgen. So kann er hier doch nicht rumlaufen.“

„Aber es ist nicht gerade kalt“, sagte Nain nur.

Jason grinste:

„Na wenn du das so siehst …“

Sie hob eine Augenbraue:

„Ja, ja … ist gut.“

Don und Jason grinsten sich an, als Kail den beiden einen langen Blick zuwarf.

„Was war denn jetzt so lustig?“, fragte der Wolf. Die Jungs winkten ab.

Nain schaute Kail von unten an:

„Ich muss ins Dorf …“

„Ja … ist ok.“

Nach einem kurzen Blick auf den Boden, fügt sie hinzu:

„Kommst du mit mir? Dann bin ich nicht so alleine …“

Kail zögerte.

„Na ja …“, meinte er dann, schaute die Jungs an, die sich abwandten, und gab dann nach, „… ok. Ich komm mit …“

Nain lächelte und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Kail wurde ein bisschen rot. Dann gingen sie an den beiden Jungs vorbei. Jason grinste und flüsterte Don was zu. Nun musste der anfangen zu kichern. Nain ließ sich nicht stören, doch Kail schaute kurz über die Schulter. Er war den beiden heute nicht so wohl gesonnen.
 

Sky saß den Trab aus. Für Leichtraben war er heute nicht gestimmt. Zoe saß auch aus und trabte neben ihm:

„Wenn du das nächste Mal galoppierst, sag mir bitte Bescheid, ok?“

Er nickte und zog die Kapuze etwas aus dem Gesicht. Zoe lächelte und schaute dann wieder nach vorne.

„Ich hoffe, wir schaffen es …“, sagte Sky und zog die Zügel etwas an, damit der Rappe in Schritt ging.

Wieder schaute Zoe ihn an:

„Was meinst du?“

„Ich will nicht unbedingt in die Sonne. Kurze Zeit geht das, aber länger als zehn Minuten will ich auch mit der Kutte nicht bleiben.“

Zoe nickte:

„Verstehe … das wird schon.“

Er lächelte und schaute zu ihr:

„Danke.“

„Wofür?“

„Dass du für mich da bist … und das mit mir durchmachst.“

Zoe schüttelte grinsend den Kopf und klopfte ihrem Wallach den Hals. Sky seufzte. Da floss ihm eine Träne über die Wange, die dann dem Wallach über die Mähne perlte. Er schluckte.

Zoe schaute wieder zu Sky und senkte dann den Kopf:

„Das mit Lucius …“

„Ist schon ok …“

„Ich weiß, dass das hart für dich ist. Ich würde das nicht so einfach wegstecken …“

„Ich habe schon so viel wegstecken müssen“, erklärte Sky und hob das Kinn. Er atmete durch.

Zoe blickte zu ihm rüber:

„Es tut mir trotzdem Leid …“

Sky lächelte matt:

„Danke. Ist aber schon ok. Ich zahl es diesem Dreckskerl heim! Auch wenn ich mit meinem Leben bezahlen muss … das allerdings tut mir dann leid.“

„Muss es nicht. Ich steh hinter dir. Und ich werde dich nie vergessen, falls ich dich verlieren sollte. In meinem Herzen lebst du weiter …“

Er wurde leicht rot, lächelte und seufzte. Dann klopfte auch er dem Wallach den Hals.
 

Nain schleppte Kail mit sich nach Hause. Er ging aber auf freiwillig mit.

„Ich hoffe, meine Ma lässt dich rein“, witzelte sie. Denn Nain merkte, dass die Stimmung im Tief war. Er war nicht aufzumuntern.

„He…“, machte sie dann und legte ihren Arm um seine Taille, „was bedrückt dich so?“

„Mir geht’s nicht gut“, antwortete Kail nur und schloss die Augen. Seine Lippen waren etwas bläulich.

Nain atmete schwer und blickte besorgt zu ihm auf. Kail schaute weg.

„Du hast wenigstens niemanden getötet“, meinte Nain dann leise, er nickte nur.

Dann sagte Kail:

„Ok … da hast du Recht, aber das hat doch jetzt gar nichts mit der Situation zu tun.“

Nain blickte ihn verwirrt an:

„Na was denn dann? Nur weil es dir schlecht geht, bist du so komisch drauf? Oder liegt es vielleicht an was anderem?“

Kail schwieg, schaute dann zu Boden.

„Na komm schon … sag, was dich bedrückt“, sagte Nain mit sanfter Stimme.

„Ich weiß, dass es mit mir zu Ende geht. Dass der Wolf mich gebissen hat, ist das Schlimmste, was mir in meinem Leben widerfahren ist. Ich bin erst 17 und sechs Jahre lang schon lebe ich mit diesem Fluch …“

Nain schaute zu Boden:

„Es tut mir leid.“

„Was?“, fragte Kail und stupste sie an.

„Dass ich dich ausgefragt habe …“

„Ist schon ok … ist dein gutes Recht. Schließlich bist du die Person, die mir wohl am meisten nachtrauern wird.“, die Worte kamen nicht mit Spott sondern todernst gesprochen über seine blauen Lippen. Er räusperte sich.

„Ist es so schlimm?“, fragte Nain.

„Nein“, beruhigte sie Kail.

„Meine Stimme spielt ein bisschen gegen meinen Willen.“ Er grinste.

„Bei mir kannst du dich mal ein paar Stunden lang ins Bett legen, ok? Du bist sicher müde.“

„Ich hab doch geschlafen“, meinte Kail nur, doch Nains Blick verriet ihm, dass er es gar nicht erst versuchen sollte, sich rauszureden.

Bald klingelte Nain bei sich zu Hause. Madiva kam sofort an die Tür gelaufen. Nain schrak zurück, als die Tür aufgerissen wurde, doch schon fiel Madiva ihr um den Hals. Kail hatte sie entweder noch nicht bemerkt, oder er war ihr grad einfach egal.

Nain schloss ihre Mutter in die Arme:

„Es tut mir leid … ich wusste, dass du mich nicht gehen lassen würdest.“

Madiva schwieg einfach, nickte dann aber.

Kail schaute in eine andere Richtung und versuchte, sich unaufmerksam zu verhalten. Madiva und Nain wechselten noch ein paar Worte. Dann schaute die Magierin zu dem Jungen. Kail schaute zu Boden.

„Guten Tag“, sagte Madiva freundlich.

Kail schluckte und meinte fast lautlos:

„Guten Tag …“

Nain lächelte:

„Mum, das ist Kail. Wir geh’n auf mein Zimmer.“ Madiva lächelte ihr nur zu und schon zog Nain Kail an der Hand hinter sich her. Der stolperte ihr nur schweigend hinterher.
 

„Wie weit ist es noch?“, fragte Zoe, die sich im Sattel langsam unwohl fühlte.

„Noch eine halbe Stunde“, erklärte Sky und stellte sich einen Augenblick in die Steigbügel. Zoe grinste ihn an.

„Was denn?“, fragte er nur und ließ sich wieder im Sattel nieder.

„Ach, gar nichts …“

Sky lächelte:

„Ja, ja … was hast du denn jetzt gedacht?“

„Anscheinend das gleiche wie du“, kicherte Zoe und stellte sich auch in die Steigbügel.

„Und das war so lustig?“, Sky legte den Kopf schief.

„Weil du das gemacht hast, was ich gedacht hab“, erklärte Zoe noch mal.

Sky kicherte etwas, schloss die Augen und schaute dann in den Himmel. Dabei fiel ihm die Kapuze in den Nacken. Er verzog leicht das Gesicht und Zoe musste anfangen zu lachen, verkniff es sich aber weitgehend.

Sky schaute sie aus den Augenwinkeln an:

„Was ist so witzig?“

Zoe schüttelte nur den Kopf.

„Sag schon! Du machst dich über mich lustig …“

Zoe zeigte kurz zu seinen Haaren, da schielte Sky nach oben. Wieder musste sie kichern.

„Was ist denn?“, er fuhr sich durch die strubbeligen Haare und seufzte, „Das ist von der …“

„Ich weiß. Sieht trotzdem lustig aus … sorry.“

„Schon gut. So siehst du morgens auch aus.“

Zoe schnappte nach Luft, meinte aber dann:

„Es ist aber nicht morgens.“

„Ich weiß“, sagte Sky nur kühl und trieb den Wallach kräftiger, damit dieser zügiger ging. Zoe gab ihrem auch die Hacken und sie trabte ein Stück. Sky grinste kurz.

Vor ihnen lag das Ende des Waldes, deshalb zog er sich die Kapuze wieder über. Er konnte nur schätzen, wie stark die Sonne schien. Auch Zoe sah das Licht vor ihnen und sie trieb den Wallach wieder an. Sky hingegen blieb noch hinter ihr. Er wartete, um schnell durch die Sonne zu kommen. Denn das Pferd brauchte seine Pausen.

Kurz bevor Zoe ans Tageslicht kam, hörte sie Hufgetrappel hinter sich und schon galoppierte Sky an ihr vorbei. Er hielt mit einer Hand seine Kapuze fest, mit der anderen die Zügel auf Kontakt. Auch Zoe galoppierte wieder an. Das gleißende Sonnenlicht schien auf die beiden herab. Sky kniff kurz die Augen zu, weil er geblendet wurde, doch er ritt weiter.

In fünf Kilometern Entfernung lag der Hafen, das wusste er. Zoe versuchte, mit ihm mitzuhalten. Doch ihr Wallach war dem Anschein nach einfach nicht so schnell wie der andere. Sky konnte auf sie jedoch keine Rücksicht nehmen, das wusste Zoe auch. Und es ging sowieso nur geradeaus. Sie würde sich schon nicht verlaufen.

Sky hatte sich im Wald Handschuhe angezogen und nun merkte Zoe, aus welchem Grund er das getan hatte. Denn seine Hände waren dem Licht völlig ausgesetzt. So war es nicht schlimm.

Plötzlich drehte er sich zu ihr um und rief:

„Komm schon! Ich will dich nicht so weit hinter mir haben!“ Zoe beugte sich nach vorne und stelle sich im Sattel auf. Der Rappe streckte sich unter ihr und jagte hinter seinem Vorderpferd her. Auch Sky ritt schneller. Unerwartet setzte sein Pferd zum Sprung an. Sky riss die Augen auf und krallte sich mit beiden Händen an die Zügel. Schnell beugte er sich nach vorne, doch noch ehe er sich versah, hatte er auch schon keine Kapuze mehr ins Gesicht gezogen.

Er schloss die Augen, welche im Sonnenlicht litten. Zoe sah dies, doch sie war immer noch hinter ihm. Erst jetzt sprang sie über das natürliche Hindernis, welches im Weg lag. Skys Haut wurde kreidebleich. Wie Papier. Er keuchte und drehte den Kopf nach unten, damit ihm die Haare ins Gesicht fielen. Als er sich wieder aufgerichtet hatte, griff er nach hinten und zog die Kapuze wieder über den Kopf. Sein Herz raste. Es schlug schmerzhaft gegen seine Brust.

Wieder drehte er sich um und sah mit Freude, dass Zoe nur zwei Pferdelängen hinter ihm war.
 

Nain schubste Kail im Zimmer auf ihr Bett:

„Da! Leg dich mal hin. Ich mach mich fertig.“

Kail kniff die Augen zu:

„Fertig? Wofür?“

„Ich geh duschen. Dann zieh ich mich an und such dir mal neue Sachen.“,

Nain musterte den Jungen, der dann auch an sich hinunter blickte:

„Was denn?“

„So gehst du nicht mehr raus!“, sagte Nain bestimmend, damit erst gar keine Widerworte aufkamen. Kail nickte leicht und legte sich richtig hin. Das Mädchen wartete einen Augenblick, suchte ihre Sachen zusammen und ging ins Bad.

Kail war ziemlich schnell eingeschlafen, denn als Nain nach einer Viertelstunde wieder kam, lag er ausgestreckt auf ihrem Bett. Man sah noch ein paar Schrammen aus dem Wald. Doch als Nain näher kam, fiel ihr etwas auf, was sie vorher nie gesehen hatte. An Kails rechter Schulter und der Brust waren große Narben.

Sie beugte sich über ihn. Das mussten die Bisse des Werwolfes sein. Sie schluckte, doch dann widmete sie sich einer anderen Sache. Schließlich musste sie noch neue Klamotten für Kail besorgen.
 

Sky schaute vor sich und nach einigen weiteren Galoppsprüngen tauchte Zoe neben ihm auf.

„Da bist du ja“, sagte er grinsend und ging mit den Bewegungen des Pferdes kräftig mit. Denn sein Rappe war wohl auf Hochtouren gekommen.

„Wie weit ist es noch?“, fragte Zoe gegen den Wind. Sky wandte sich um und blickte zum Waldrand zurück, der jedoch schon ziemlich weit zurück gelegen war.

„So um die vier Kilometer“, erklärte er und hielt die Kapuze wieder richtig fest. Die Pferde schnaubten auf.

„Da vorne traben wir wieder ein Stück“, meinte Sky dann, denn vor ihnen war eine Art Allee.

Zoe nickte:

„Im Schatten …“

„Die beiden brauchen mal eine kleine Pause“, sagte Sky und klopfte seinen Wallach.

„Sollen wir anhalten?“, fragte Zoe, doch darauf bekam sie keine Antwort.

Logisch nicht, dachte sie sich dann.

Schließlich wollte Sky so schnell wie möglich zum Hafen. Da konnten sie sich keine Pausen leisten.

„Wir müssen die nächste Fähre kriegen“, rief Sky plötzlich.

„Die legt bitte wann genau ab?“, entgegnete Zoe ihm.

„In zwanzig Minuten.“ Zoe schluckte. Dann zog Sky die Zügel an, die Kapuze ließ er jedoch auf.

„Nur noch so wenig Zeit?“, fragte Zoe besorgt.

„Das ist doch nicht wenig. Die Pferde Transsilvaniens sind die schnellsten Pferde Europas. Nicht einmal ein Werwolf kann sie einholen. Da ist es nicht schwer im zügigen Trab und im vollen Galopp in weniger als einer Viertelstunde am Hafen zu sein.“, Sky prahlte förmlich.

Zoe musste kurz lächeln und klopfte ihrem Wallach den Hals. Sky seufzte und schaute sich um. Bei seinem Blick in den Himmel verzog er das Gesicht.

„Das scheint heute ein schrecklicher Tag zu werden …“

„Warum? Ist doch sonnig … oh …“, Zoe schaute zu Boden.

„Genau das“, murmelte Sky, schloss die Augen, ließ die Zügel fallen und streckte sich nach oben. Doch er trieb so weiter, dass sein Pferd immer noch trabte. Das verblüffte Zoe dann schon etwas. Normalerweise waren es die Mädchen, die besser reiten konnten, doch Sky konnte es um viele Ecken besser, als sie.
 

„Was war das denn eben?“, die Vampire waren schon durch den Spiegel und zurück im Schloss. Die Gäste schliefen. Draculas Zähne blitzten auf und in seinen Augen funkelte es:

„Er hat uns zugesehen…“

„Wer?“, fragte Darius, einer der beiden, die Lucius nach draußen geschleppt hatten. Basta, der andere, ebenfalls muskulöse Vampir, schupste ihn leicht nach vorne. Da drehte der Graf sich zu den beiden um.

„Na Sky!“, zischte Basta. Darius nickte.

„Er hat gesehen, wie ich seinen Vater gequält und umgebracht habe“, erläuterte Ladislaus und ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus.

Die beiden anderen schauten sich an:

„Was ist daran denn lustig?“

„Er hat mir mit Mord gedroht!“, lachte Dracula.

Immer noch verständnislos wurde er nun von seinen Mitläufern angesehen. Dracula hatte noch immer das Grinsen auf dem blassen Gesicht, das wegen des Sonnenschutzes noch blasser wirkte.

Da meinte er:

„Mich und ermorden?! Das ist so gut wie unmöglich!“

Darius nickte nur, doch Basta warf ein:

„Nicht ganz und gar unmöglich, mein Graf.“

Dracula blickte zu dem kleineren der beiden.

„Sky ist nicht blöd. Der Junge hat was im Kopf …“

„Aber wie will er mich töten? Wo will er den Werwolf herkriegen?“, Ladislaus ging auf Basta zu.

„Und wenn er einen hat?“, fragte Basta kleinlaut.

„Dann stürzt er sich ins Grab!“, Dracula bleckte die Zähne und sprang lachend ins Dunkel. Da ertönte das Gelächter seiner Frauen und man hörte den Grafen mit der Wand verschmelzen.

Die Vampire schauten sich wieder an, gingen dann auf ihre Zimmer. Das Schloss war gespenstig ruhig, doch nicht alle schliefen. Lilia saß an ihrem zugezogenen Fenster, welches von Eisblumen beschlagen war. Sie schaute auf ihre Knie, die sie angezogen und umklammert hatte. Ein leises Seufzen ertönte:

„Was war denn eben mit ihm los? Warum ist er so schnell weg? Was geht in seinem Kopf vor?“

Sie sprach von ihrem Schwarm: Sky.

Doch der wollte anscheinend nur noch Recht wenig mit ihr zu tun haben. Jetzt hatte er ja diese Zoe.

Lilia ballte die Fäuste, als sie an die Fremde dachte. Wegen ihr hatte der Junge wohl keine Zeit mehr, sich mit ihr zu unterhalten.
 

Und da könnte sie im gewissen Sinne Recht haben.
 

Aber eher war Sky damit bemüht, sich aus der Sonne zu halten. Er nahm die Zügel wieder auf und ließ seinen Rappen in den Schritt fallen. Zoe tat es ihm gleich:

„Wollten wir nicht so schnell wie möglich weiter?“ Sky hob kurz die Hand, hielt an und sein Wallach trank aus einer Pfütze:

„Sie brauchen Wasser, er atmet komisch.“ Zoe hielt auch an und ihr Wallach nahm einen Schluck. Dann trottete er zum Gras, das am Rand des Weges wuchs. Sky grinste und klopfte seinem Wallach den Hals.

Danach sagte er:

„Ich glaube, Hengste wären ausdauernder und flotter gewesen …“

„So schlimm?“, fragte Zoe und zog die Zügel an, damit ihr Pferd aufhörte zu fressen. Skys Rappe hob den Kopf und Sky gab ihm Schenkeldruck. Schon ging er los und der Vampir nahm die Zügel leicht auf.

„Warte mal!“, Zoe trabte Sky hinterher. Der trabte dann auch an. Vor ihnen sah man wieder das Sonnenlicht auf den Weg fallen. Er nahm die Hand wieder an die Kapuze und fing an zu galoppieren. Zoe ritt immer hinter ihm.

Schon fiel wieder gleißendes Sonnenlicht auf sie ein. Im vollen Galopp ging es Richtung Hafen.
 

Als Nain nach einer weitere Viertelstunde wieder in ihr Zimmer kam, lag Kail immer noch so da, wie vorher. Sie lächelte, setzte sich zu ihm und strich ihm über den Bauch. Dann schaute sie noch einmal zu seiner Narbe. Dabei merkte sie nicht, dass er die Augen geöffnet hatte.

Er schwieg, musterte sie von unten und versuchte, ruhig zu atmen. Nach einiger Zeit räusperte er sich und Nain zuckte nach hinten.

„Du bist wach?!“, fragte sie verschreckt.

Kail nickte langsam und streckte sich:

„Wie lange … hab ich geschlafen?“

Nain musste nun auch lächeln:

„Eine halbe Stunde ungefähr. Ist doch gut … und ich hab dir Sachen geholt.“

Kail schaute auf und setzte sich. Das Mädchen gab ihm eine Jeans und ein T-Shirt.

Da musste Kail etwas grinsen:

„Aber du kennst meine Kleidergröße doch gar nicht.“

„Ach nein? Probier’s doch an.“, forderte sie.

Schon zog sie Kail das Shirt über. Und zu seinem Erstaunen passte es perfekt. Nain strubbelte ihm durch die dunkelblonden Haare und stand auf. Kail schaute an sich runter, als er aufgestanden war und blickte dann wieder zu ihr.

„Soll ich raus gehen?“, fragte Nain da und blickte ihm in die Augen. Kail schluckte, schüttelte dann den Kopf und zog seine zerfetzte Hose aus. Dann zog er die neue Jeans an, die ihm auch perfekt passte.

„Wenn sie dir zu weit gewesen wäre, dann hätte ich die dir enger gemacht“, erklärte die Sechszehnjährige.

Kail lachte kurz und sah ihr dann in die Augen:

„Danke … vielen Dank.“

Nain neigte den Kopf zur Seite:

„Ach, wofür denn?“

„Das du mir beistehst …“, murmelte Kail und setzte sich.

Nain setzte sich neben ihn:

„Da ist doch nichts dabei. Ich will schließlich nicht, dass dir was passiert, oder den anderen in deiner Umgebung.“

Wieder lächelte er:

„Aber ich meine jetzt … du hilfst mir so sehr … und du weißt sicher selber, dass das hier seine Auswirkungen hat …“, er hob sein Shirt, sodass man den unteren Teil der Narbe sehen konnte.

Nain schloss die Augen. Darauf schien er regelrecht gewartet zu haben, denn in diesem Moment drückte er ihr einen leichten Kuss auf. Dann drehte er den Kopf weg und beugte sich etwas von ihr weg. Nain riss die Augen auf. Das hatte sie nicht erwartet. Sie schluckte, konnte sich jedoch kein Lächeln verkneifen. Dann legte sie vorsichtig ihre Hand auf seine Schulter. Kail zuckte zusammen und schloss seine Augen.

„He … was ist denn?“

Er antwortete nicht. Warum auch?

„Kail … was war daran denn schlimm? Du hast mich doch geküsst, nicht ich dich.“

Darauf drehte er sich zu ihr und gab ihr einen zweiten Kuss. Dabei legte er die Hand an ihren Hinterkopf. Nain schloss die Augen und ließ sich hinreißen.
 

Im Schloss hatte sich noch nicht viel getan. Lilia hatte ihr Zimmer verlassen und schlich die eisigen Treppen herab. In Jeans und einer braunen Kutte verließ sie das Schloss.

Schon fand sie sich im Schnee wieder, doch in der Stadt, die hinter dem Spiegel lag, schien die Sonne, wie auch im Rest Transsilvaniens. Sie zog die Kapuze über und streifte durch die Stadt. Aber dort wollte sie nicht lange bleiben und schaute sich in der Villa um. Die Säle waren geschmückt mit Blumen, trotzdem wirkten sie kahl. Die hohen Wände waren mit Spiegeln und Wandteppichen verhangen und die Decke von schmalen Säulen gestützt.

Sie seufzte leise, als sie etwas hinter sich hörte. Lilia fuhr herum, doch sie konnte niemanden sehen. Nichts und niemanden. Das machte sie stutzig, doch sie ließ sich nicht irritieren. Das Vampirmädchen ging einfach weiter durch das Gebäude, bis sie am Ende ihres Rundgangs wieder vor dem allbekannten Spiegel ankam.

Nach tiefem Einatmen schritt sie hindurch und es wurde wieder kalt um sie. Es war ziemlich hell, eigentlich ungewöhnlich hier ums Schloss. Fledermäuse umkreisten die Türme und verschwanden in den Fenstern. Es waren keine Fußspuren mehr auf dem Boden, dafür schneite es zu sehr. Sie ging wieder die Treppen empor und verschloss ihr Zimmer.
 

Jule und Nicky waren noch lange im Nebelwald unterwegs, bis sie endlich etwas entdeckten.

„Da hinten“, meinte Jule leise. Nicky ging an ihr vorbei. Jule schaute ihr fragend nach, blieb hinter ihr und ging mit.

Ein kleiner Busch raschelte vor sich hin. Als Nicky und Jule näher kamen, wurde es still. Die beiden schauten sich an und plötzlich sprang ihnen ein Hund entgegen.

Der blieb stehen, musterte die Mädchen und schon stand Molli vor ihnen.

„Hey … wo ist denn jetzt Missy?“, fragte Jule besorgt.

Molli zuckte mit den Schultern:

„Irgendwann haben wir uns getrennt … seitdem hab ich sie nicht mehr gesehen.“ Nicky blickte tiefer in den Wald. Hinter sich hörten die drei etwas knacken.
 

„Wie lange dauert es denn noch?!“, Zoe musste gegen den Wind anschreien, damit Sky sie nur annähernd hören konnte. Hinzu kam noch das Hufgetrappel der Pferde, welches auf dem Feldweg gut zu hören war. Das Abdämpfen der Gräser half nicht bei den harten Hufen der Wallache.

Sky drehte sich zu ihr um:

„Nicht mehr lange. Da hinten ist die Stadt. Dann müssen wir langsamer machen.“ Zoe nickte kurz und nach wenigen Galoppsprüngen sah sie den Rand der Stadt.

Dort angekommen, nahm Sky die Zügel auf und trabte über die Straße, bis er in Schritt zurückfiel. Zoe ging schräg hinter ihm. Der Vampir schaute sich um.

„Wo ist denn der Hafen?“, fragte Zoe. Die Hufe der Pferde klapperten auf den Pflastersteinen.

„Am Meer“, grinste Sky.

„Das hätte ich jetzt nicht gedacht“, meinte Zoe.

„Dort hinten.“, Sky deutete in eine Richtung. Im Hafen lag die Fähre, die nach Italien überfuhr.

Zoe klopfte ihrem Pferd den Hals:

„Und wohin mit den beiden? Wir hatten in Italien keine Pferde …“

„Die bleiben hier … das wird sonst zu teuer.“

„Hast du Geld dabei?“

Sky nickte, trabte ein kurzes Stück an und stieg im Schritt ab. Dann nahm er Zoes Pferd am Zügel und führte die beiden Pferde zu den Ställen am Hafen. Zoe stieg ab.

„Kannst du sie abtrensen und absatteln?“, fragte Sky.

Zoe nickte:

„Ich denke schon …“

„Ich gehe grad Karten kaufen, dann komme ich wieder.“ Mit diesen Worten ließ Sky sie stehen und ging den Pier entlang.

Zoe band die Pferde an und nahm ihnen die Sättel vom Rücken. Die beiden Rappen schüttelten sich sofort. Sie waren total verschwitzt.

„Kann ich verstehen“, murmelte das Mädchen, „Wäre ich sicher auch nach einer so langen Strecke ständigem Rasens.“

Der eine schnaubte, der andere scharrte über den Boden. Dann nahm sie beiden die Trense ab. Halfter hatten beide noch drunter. Die Wallache kauten kurz und schüttelten den Kopf und den Hals. Zoe lächelte und bürstete sie kurz ab.

Da legte ihr Sky die Hand auf die Schulter.

„Fertig“, meinte Zoe.

„Schön. Ich bring sie in die Boxen. Wir haben Kabine 43.“, Sky hielt ihr den Schlüssel hin und schaute ihr nach. Dann brachte er die Pferde unter und gab ihnen Futter.
 

Nain und Kail waren ungestört in dem Zimmer des Mädchens. Da hörten sie, dass die Haustür zugeschlagen wurde. Sie schauten auf.

„Was war das?“, Kails Stimme klang keuchend.

„Meine Ma … sie muss noch weg“, erklärte Nain und lächelte.

Kail musste dann auch lächeln.

„Was ist denn los?“, fragte Nain und strich ihm über die Wange.

Er schüttelte den Kopf:

„Ich will heute noch wieder in den Wald …“, murmelte er und schaute zu Boden.

Nain nickte:

„Ich weiß. Ich komm dann mit dir. Aber erst will ich noch was klären.“

„Was denn?“

„Mit dir.“ Nun war Kail etwas verwirrt.

„Was denn?“, fragte er wieder.

Sie schaute ihm in die Augen:

„Was ist das hier für dich?“

„Was meinst du?“, fragte der Wolf.

Nain blickte ihn weiter an.

„Das …?“

Sie nickte.

„Na ja …“

„Ist es nur Spaß für dich?“, fragte das Mädchen.

Er schüttelte sofort den Kopf und blickte ihr tief in die braunen Augen.

„Was dann?“

„Ich fühle mich zu dir hingezogen“, sagte Kail leise. Nain musste lächeln und gab ihm einen kurzen Kuss.

Dann stand sie auf. Kails Blick ähnelte einem winselnden Hund.

Sie kicherte kurz und sagte dann:

„Du wolltest doch wieder in den Wald.“

Er nickte.

„Dann komm auch.“

Nach diesen Worten stand auch Kail auf und stellte sich neben sie. Nain griff nach seiner Hand und lief die Treppe runter.
 

Währenddessen hatten sich die drei Mädchen im Wald alle nach dem Knacken umgedreht.

„Was war das?“, fragte Nicky leise. Jule ging auf das Knacken zu.

„Ich weiß nicht“, flüsterte Molli und krallte sich regelrecht an Nickys Arm.

„Ach was!“, mache Jule laut, „Da war gar nichts! Was denn auch?!“

Die beiden schauten erst sich und dann Jule an.

„Was machst du da?“, fragte Molli aufgeregt. Da sah sie einen Schatten zwischen den Bäumen.

„Was?“, fragte Nicky, als sie den verschrecken Gesichtsausdruck ihrer Freundin bemerkte.

„Da …“, Molli zeigte in die Richtung.

Auch Nicky schaute dort hin und sah den Schatten. Doch in ihren Augen war keine Furcht. Auch Jule hatte es gesehen und war ebenfalls nicht verschreckt.

„Missy!“, rief Nicky und der Schatten kam auf die drei Mädels zu. Nun erkannte auch Molli ihre Freundin.

Missy fiel Jule um den Hals:

„Da seid ihr ja!“

„Wo warst du?“, fragte Nicky.

„Im Wald …“, meinte Missy kleinlaut. Sie hatte sich verlaufen und war nun so überglücklich, endlich ihre Freundinnen wieder gefunden zu haben.
 

Nain und Kail gingen durch die Straßen und trafen auf Sheela.

„Hey!“, machte Nain und fiel dem Mädchen um den Hals.

„Hi! Na wie geht’s dir?“

„Gut und dir?“

„Auch … und … wie geht’s dir?“, fragte Sheela und blickte zu Kail.

Der lächelte:

„Auch ganz gut …“

„Was machst du?“, fragte Nain Sheela, die sich dann wieder ihr zuwandte.

„Nichts … ich bin auf dem Heimweg.“

„Aha … wo warst du denn?“

„Bei Lynn. Sie ist doch krank.“

„Ach stimmt ja“, machte Nain.

„Hast du schon was von Aghate gehört?“, fragte Sheela.

„Nein … was denn?“

„Sie wollte doch in vier Tagen ihren Geburtstag feiern“, erklärte das Mädchen. Nain nickte.

„Ja. Und Carina ist total am Boden.“

„Warum das denn?“, fragte Nain besorgt.

„Sie zieht in zwei Wochen um“, meinte Sheela. Nain war etwas verdutzt.

„Du bist echt nicht mehr auf dem neusten Stand, was?“, lachte Sheela.

Die Freundin schüttelte nur den Kopf:

„Scheint ganz so …“

Kail schaute zu Boden und trat hinter sie. Nain musste lächeln.

„Was ist los?“, fragte Sheela.

„Ich muss los …“, meinte Nain nur und gab ihrer Freundin einen Kuss auf die Wange.

„Bye.“

„Ciao …“, nun war Sheela verdutzt, doch sie sagte nichts mehr. Nain und Kail gingen an ihr vorbei, weiter in Richtung Nebelwald.

Zoe stand vor der Kabine, die sie daraufhin aufschloss.
 

„Dreiundvierzig …“, meinte sie leise.

Das waren wieder Ziffern, die sie auch im Schloss hatten. Nur fehlte dieses Mal die acht.

Sie trat ein und die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Dann ließ sich Zoe aufs Bett fallen. Ihre Beine taten weh. Auch ihre Finger, die sie nun zu spreizen versuchte. Das wollte allerdings nicht so gelingen. Sie schüttelte die Hände aus und probierte es abermals- vergeblich.

„Das tut weh…“, meinte sie und schloss die Augen.

Nach kurzer Zeit ging die Tür auf:

„He …“, machte Sky mit sanfter Stimme. Er wollte wohl testen, ob sie schon schlief.

Zoe öffnete die Augen:

„Da bist du ja …“

Sky lächelte und verschloss die Tür. Dann setzte er sich zu ihr aufs Bett.

Nach kurzem Zögern fragte Zoe:

„Hat das was zu bedeuten?“

„Was?“

„Die Nummer der Kabine …“

„Warum?“

„Weil sie zwei der Ziffern enthält, die auch unser Zimmer auf Schloss Dracula hatte.“

Sky schloss die Augen:

„Weißt du noch die Nummer der Kabine auf der Hinfahrt?“

„Nein … doch“, machte Zoe. Sky schaute ihr in die Augen.

„Achtundvierzig …“, flüsterte Zoe. Sky lächelte.

„Hat das denn nun was zu bedeuten oder nicht?“, fragte Zoe wieder.

Sky nickte:

„Ja, hat es.“

„Negativ?“

„Nein …“

„Welche Kabine hatte dein Vater?“

„Dreiundvierzig … jedes Mal. Ich habe immer ein Zimmer, dessen Nummer eine vier enthält … und am besten noch eine drei oder acht.“

„Warum?“

Sky lächelte nur:

„Nicht wichtig.“

„Ich will’s aber wissen.“

„Ob du das willst, ist unwichtig. Das heißt nämlich noch lange nicht, dass ich dir das auch sage.“

Skys Stimme klang ziemlich herausfordernd.

„Ich möchte es aber so gerne wissen …“, murmelte Zoe und Sky kam ihr näher.

Das konnte doch nicht sein, dass sie ihn so in ihren Bann ziehen konnte. Er war doch der Vampir.

Wie macht sie das?, fragte er sich innerlich, doch schon gab er ihr einen Kuss.

„Sagst du es mir … bitte.“, sagte Zoe.

Sky schluckte:

„Aberglaube.“

„Du bist abergläubig?“

Sky lächelte:

„Etwas … du würdest es so bezeichnen. Ich weiß, an was man glauben kann und an was nicht. Und diese Ziffern haben einen großen Wert in meinem Leben. Das ist also kein wirklicher Aberglaube.“

„Warum hast du es dann so bezeichnet?“

Er zuckte mit den Schultern und beugte sich über sie. Wieder gab er ihr einen Kuss. Danach schaute Zoe ihm in die Augen. Nicht tief, nur flüchtig.

Sie schluckte:

„Du hast trotzdem Blutdurst?“

Sky runzelte die Stirn:

„Was meinst du? Wieso trotzdem?“

„Du hast … ach vergiss es …“

Sky stockte nun und schaute zu Boden:

„Ich habe sie völlig getötet, nicht wahr?“

„Wie meinst du das?“, fragte Zoe. Sie verstand das nicht.

„Ist sie kein Vampir, wenn du sie beißt?“

„Nicht, wenn ich ihr das Blut völlig aussauge“, erklärte Sky und schaute aus dem Fenster. Es lag im Schatten, doch trotzdem zog er die Jalousien runter.

Zoe tippte ihm auf die Schulter:

„Was hat das denn genau mit den Zahlen auf sich? Was bedeuten sie?“

Sky schüttelte nur wieder den Kopf.

„Geht dir das so nahe, dass du sie getötet hast?“

„Früher war es mir auch egal. Aber ich mag das Blut nicht. Einen Menschen töten ist nicht mehr so das meine. Aber ich finde es nicht tragisch.“

„Aber es geht dir trotzdem nicht einfach am Arsch vorbei“, sagte Zoe.

Sky seufzte:

„Kann sein.“

Zoe legte ihre Hand in seinen Nacken:

„Sagst du es mit denn?“

„Das mit dem Ziffern?“

Sie nickte und er gab ihr wieder einen Kuss. Dann setzten sie sich nebeneinander.

„Also … ähm … na ja, die vier steht dafür, dass ich mir 4 Jahren angefangen hab, selbstständig zu jagen.“

Zoe nickte und schaute ihn erwartungsvoll an.

„Äh … die acht steht dafür, dass ich das achte Halbblut meiner Dynastie bin.“

„War Lucius ein Vollblut?“

Sky schaute zu Boden und schüttelte den Kopf:

„Nicht ganz. Sagen wir, zu drei vierteln war er Vampir.“

„War eins seiner Elternteile menschlich?“, fragte Zoe wieder.

„Nein. Seine Eltern waren beide Halbblütig.“

Zoe verstand zwar nicht ganz, was er damit meinte, aber darauf würde sie später zurückgreifen.

„Was hat es mit der 3 auf sich?“

Sky musste schmunzeln.

„Was?“

„Ist schon ok.“

„Dann sag es mir. Vielleicht versteh ich dann, warum du so dämlich grinst.“

„Ich grinse nicht dämlich!“

„Sag es mir … bitte …“

Sky schaute ihr in die Augen und seufzte:

„Ok … die drei steht für die Morde.“

„Die du begangen hast?“

Sky schüttelte den Kopf:

„Nein, die an mir vergeübt wurden.“

Zoe erschrak. Er wurde bereits dreimal ermordet?!

„Und … wie wurdest du … ermordet?“, fragte Zoe stockend.

Sky lächelte und zählte mit den Fingern mit:

„Das erste Mal bekam ich ein Schwert durch den Bauch. Der zweite Mord war eine Kugel durch den Kopf …“

„Und … der dritte?“

„Ein Dolch in der Brust.“, er sagte das so, als wäre es selbstverständlich. Zoe schluckte.

Oh mein Gott!, dachte sie.

Das konnte doch nicht sein.

„Da bist du sicher erstaunt, was?“, machte Sky und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie nickte kurz. Als er seinen Arm um sie legte, zuckte sie zusammen.

Sky legte den Kopf schief:

„Was ist denn jetzt los?“

„Nichts …“, sie schaute erst zu Boden, dann zu ihm.

„Ich hab da mal ne Frage …“

„Frag. Was du willst.“

„Mir ist da was aufgefallen …“

„Was denn?“

Zoe nahm tief Luft und schaute ihn dann an:

„Also, dein Name passt nicht.“

„Wieso das denn nicht?“

„Na ja … guck mal … oder eher hör mal: Dein Vater hieß Lucius.“

„Ja, und?“

„Das Mädchen im Schloss hieß Lilia. Marishka heißt Draculas Braut …“

„Nicht ganz richtig“, warf Sky dazwischen.

„Aber … sie hieß doch Marishka.“

„Aber Dracula hat drei Bräute.“

„Ist doch jetzt egal … nein, wie heißen die?“

„Aleera, Marishka und Verona“, erklärte Sky.

„Aha! Siehst du?! Ich habe sogar Recht gehabt!“

„Mit was?“, fragte Sky nur.

„Also: Alle Vampire die weiblich sind haben einen Namen, der auf a endet. Alle männlichen Vampire einen, der auf us endet.“

„Aha … aber ich nicht.“

„Ja, deswegen passt dein Name …“, er hielt ihr den Finger auf die Lippen und sagte:

„Ich sollte Angelus heißen!“

„Was?“

Sky nickte.

„Deine Mutter hieß Julia …“

„Julia Marie. Rein zufällig. Aber die Schwester meines Vaters heißt Iulia. Ihr Mann Gaius und die Söhne von ihr Iulius und Brutus. Aber Basta hat ein a am Ende.“

„Ok … dann fällt der vielleicht raus …“

Sky überlegte kurz:

„Nein … doch nicht. Er heißt mit vollem Namen Severus Basta. Auch die Endung …“

„Aber mit Angelus wärst du ja schon raus gefallen“, meinte Zoe dann.

„Wieso?“

„Na wer nennt einen Vampir schon Engel?“

„Das wollte mein Vater. Aber meine Ma wollte mich Sky nennen.“

„Das heißt Himmel, allerdings den, den man sieht, nicht der heilige.“

Sky nickte:

„Ich weiß … die Eltern meines Vaters heißen Cornelius und Amidala.“

Da fragte Zoe:

„Waren sie Vollblüter?“

Sky grinste kurz:

„Ungläubig? Das heißt halt so … ich weiß, klingt wie ne Pferderassenbezeichnung.“

„Gib mir einfach ne Antwort.“

„Nein.“

„Ja wie nein?“, machte Zoe und musterte ihn ungläubig.

„Beide Halbblüter, wie ich schon erwähnt habe. Die Schwester meines Vaters hat Kinder mit einem Vollblut. Die beiden sind auch Reinblütig …“

„Aber du nicht, weil deine Mutter ein Mensch war“, meinte Zoe dazu.

Sky nickte:

„Genau.“

„Aber du stichst trotzdem raus.“, Zoe schupste ihn leicht.

Sky lachte:

„Ja, ja … ich hab’s verstanden…“

Zoe lächelte ihn an und wie auf Kommando gab er ihr wieder einen Kuss.
 

Zurück im Nebelwald setzten sich Nain und Kail an den Sternensee. Dort waren sie soweit ungestört.
 

Die Mädchen im Wald machten sich auf den Heimweg. Es war bereits Nachmittag.

„Wir können uns ja noch mal wegen Aghates Geschenk treffen“, meinte Jule zu Molli.

Die nickte:

„Ja, machen wir. Ich meld mich bei dir.“

„Ok. Bis dann.“

Missy und Jule gingen zusammen nach Hause. Molli verabschiedete sich dann auch von Nicky, die noch an Lynns Haus vorbeikam. Die war jedoch nicht im Vorgarten, wie sonst auch. Nicky seufzte und schloss ihre Haustür auf. Dann verzog sie sich in ihr Zimmer.
 

Nain schaute ins Wasser und spielte dann mit ihren Fingern darin. Kail stützte sich auf die Hände und drehte den Kopf in die Sonne.

Er seufzte:

„Es ist so schön hier … aber wenn man so lange in diesem Wald lebt, ohne es zu wollen, dann vergisst man das schon mal.“

Nain blickte kurz zu ihm, nickte dann und schaute wieder ins Wasser. Kail zog die Hose hoch und tauchte seine Füße in den See.

Er zog die Luft ein:

„Kalt …“

„Ja … aber nur im ersten Moment“, meinte Nain und strich ihm mit den nassen Fingern über die Wange.

Kail lächelte:

„Stimmt … das war jetzt warm…“

„Liegt vielleicht auch daran, dass meine Finger warm sind“, sagte Nain und spritze ihn dann nass.

„HEY!“, Kail sprang auf und packte das Mädchen. Dann warf er sie mit samt Klamotten in den See. Doch bevor sie ins Wasser eintauchte, verwandelte sich Nain in einen Otter.

Kail schüttelte lächelnd den Kopf:

„Ja, ja…so bist du eben.“

Er setzte sich wieder, als sich nach einer Weile etwas an ihn schmiegte. Nain strich ihm durch die blonden Haare. Kail schloss die Augen und genoss die Zärtlichkeiten des Mädchens.

Ihre Haut ist so weich … glänzend, wie aus Perlen gemacht, dachte er.

Er selbst hatte raue und vernarbte Haut. Seine Hände waren nicht so schön, wie die von den Jungen, die im Dorf lebten. Er hatte Schürfwunden und alte Narben am ganzen Körper. Doch er war muskulöser und abgehärteter als die anderen Jungen.

Nain lächelte. Ihr gefiel es in der Sonne.

Was Zoe gerade wohl macht?, fragte sie sich.

Sie kraulte grinsend an Kails Hals. Der neigte den Kopf in die andere Richtung und öffnete leicht die Lippen.

Gefällt dir wohl, was?, dachte Nain innerlich.

Sie grinste immer noch und streichelte nun mit der anderen Hand über Kails Bauch. Da spürte sie, dass seine Atmung nicht regelmäßig war.

„Was ist denn los?“, fragte sie dann leise. Kail gab ihr keine Antwort. Er schüttelte nur den Kopf.
 

Zoe und Sky merkten nicht, wie die Zeit verging. Sie verbrachten die ganze Überfahrt nach Italien in ihrer Kabine. Zoe hatte nun schon so viel über Sky herausgefunden. Doch in ihrem Unterbewusstsein machte sich wieder Angst breit. Sie würde ihn verlieren, das wusste sie sicher. Doch wann das war, wusste sie nicht.

Er plante, in diesem Augenblick plante er den Mord an Dracula. Das wollte er nicht auf sich sitzen lassen. Er lag mit geschlossenen Augen auf dem Bett, die Arme hinterm Kopf verschränkt. Sein Atem ging ruhig und in regelmäßigen Abständen, was Zoe hören konnte. Ohne es zu sagen, legte sie den Kopf auf seine Brust. Da schluckte sie.

„Was machst du?“, fragte Sky, doch ließ die Augen geschlossen. Sie antwortete ihm nicht. Doch sie zitterte leicht.

Er hatte keinen Herzschlag. Nicht wirklich. Natürlich nicht, er war doch tot!

Zoe schloss die Augen. Leicht spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter.

„Merkwürdig, nicht? Das bist du nicht gewohnt.“

„Nein …“, auch ihre Stimme zitterte.

„So ist es bei Vollmond auch bei dir. Ich habe keinen Herzschlag, das heißt nicht, dass ich kein Herz habe …“, er streichelte ihr leicht über den Rücken.

„Es schlägt nicht ständig … sehr unregelmäßig. Nur, wenn mich etwas dazu anregt.“

Zoe nickte. Und da hörte sie sein Herz pochen. Kurz, leise, fast unmerklich.

„Da war er.“

„Was?“

„Dein Herzschlag. Warum hat es geschlagen?“

Sky schmunzelte:

„Wegen dir.“

„Mir?“

„Ja.“

„Warum?“

„Weil ich mich bei dir so wohl fühle“, meinte er leise und mit sanfter Stimme.
 

Kail legte seine Hand auf die von Nain. Sie spürte seine raue Haut.

„Was ist denn?“

„Nichts … was soll denn sein?“, seine Stimme war fast nur als ein Hauchen zu vernehmen.

Nain grinste ihn an, als er die Augen öffnete.

„Was?“, fragte er leise.

„Es scheint dir ja doch mächtig zu gefallen …“

„Was?“

Sie strich ihm wieder über den Hals. Daraufhin schloss Kail die Augen.

„Na …“, sie grinste frech.

„Oh …“, machte Kail und schaute sie mit halb offenen Augen an. Sie hörte nicht auf, ihn zu streicheln. Seine Augen fielen wieder zu und er öffnete die Lippen wieder etwas. Da drückte Nain ihm einen sanften Kuss auf. Kail legte ihr die Hand in die Nacken und ließ sie nicht wieder weg. Nain setzte sich auf seinen Schoß und Kail legte die Arme nun um sie. Sie rutschte näher an ihn und schon wurde der Kuss intensiver.
 

Zoe schloss die Augen. Da konnte man das Horn der Fähre hören. Sie erschrak, doch Sky verzog keine Miene:

„In fünf Minuten legt sie an.“

„Ok …“, meinte Zoe nur. Sie streichelte über seine Brust.

„Es waren harte Tage für dich, nicht?“, fragte sie dann. Sky reagierte nicht.

„Für dich war es wohl auch nicht einfach“, sagte er dann.

Zoe schüttelte den Kopf:

„Nein … aber du bist bei mir, das stützt.“

Sky lächelte:

„Das ist schön … ich helfe dir gerne.“

„Danke … aber wie fühlst du dich gerade?“

„Ich fühle mich wohl.“

„Aber … innerlich? Was denkst du über die Geschehnisse?“

„Ich fühle mich leer … wenn ich Dracula wirklich töten sollte, dann ist es aus mit den Vampiren … ein für alle Mal.“

Er schloss die Augen. Zoe schmiegte sich noch enger an ihn und strich seinen Hals entlang. Wieder das Schiffshorn. Sky tippte sie kurz an, darauf setzte sie sich.

Auch er setzte sich hin:

„Wir müssen …“

Die Fähre wurde langsamer und legte dann im Hafen an.

„Wie ist das Wetter?“, fragte Sky und stand auf.

Zoe machte die Jalousie hoch:

„Sonnig …“, murmelte sie.

„Scheiße“, sagte Sky.

Er zog seine Kutte über, die Kapuze auf und drehte sich zu Zoe um:

„Kommst du?“

Sie nickte und stand auf. Dann gingen die beiden an Deck. Strahlendes Sonnenlicht fiel auf sie nieder. Sky hasste das, doch es war ihm momentan egal. Er wollte einfach wieder nach Hause und der Weg war lang.

„Wie weit ist es?“

„Wir haben drei bis vier Stunden vor uns“, erklärte Sky und marschierte los. Zoe folgte ihm auf Schritt und Tritt.
 

Nain und Kail ließen sich derweil auf die Wiese sinken und knutschten weiter. Nichts störte sie im Moment. Er hielt sie im Arm und wollte sie nicht wieder loslassen.

Die Fische im See sprangen ab und zu etwas, um nach Luft zu schnappen, die Grillen zirpten im Gras, doch nichts von alledem bemerkten die beiden. Nain rollte sich über ihn. Das störte Kail nicht, sie war schließlich nicht schwer. Viel eher schien es ihm so besser zu gefallen.

Er ließ seine Hand ihren Rücken runter gleiten. Nain störte sich nicht daran, auch nicht, als es so kam, wie es kommen musste. Er strich ihr über den Hintern. Doch auch das hielt sie nicht davon ab, weiter zu küssen.

Er kann so gut küssen, dachte sie.

Sie hat so weiche Lippen, war sein Gedanke.

Sie ließen einfach nicht mehr voneinander. So lagen sie einige Stunden in der Sonne: schmusend und knutschend.
 

Sky und Zoe kamen schnell voran und erreichten den Nebelwald nach drei Stunden. Es wurde schon langsam dämmrig.

„Du solltest nach Hause gehen“, sagte Sky und blickte sich nach ihr um.

Zoe überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf:

„Nein, ich bleib die Nacht bei dir.“

„Aber ich muss ausfliegen und schlafe nicht“, erklärte Sky, der von dem Vorschlag wohl abgeneigt war.

„Gut“, machte Zoe, „wenn du mich nicht sehen willst, dann bin ich weg!“, sie ging an ihm vorbei und würdigte ihn keines Blickes.

Sky schluckte, setzte ihr nach und griff nach ihrer Schulter:

„Warte!“

„Was willst du?!“, meinte Zoe nur energisch.

„Bleib … bitte …“, nun war Skys Stimme wieder ganz leise und samten. Er schloss die Augen halb und schaute sie entschuldigend an.

„Ist ok“, machte Zoe und strich ihm über die Wange, „ich bleibe.“

Sky lächelte. Die beiden gingen zu Skys Haus, was nun noch verlassener war.

Sky seufzte tief. Da legte Zoe ihm die Hand auf die Schulter:

„Es trifft dich wirklich sehr … oder?“

Sky nickte stumm. Er schaute sich im unteren Geschoss um. Da ging er auf die gegenüberliegende Tür zu. Zoe war noch nie in einem der Zimmer gewesen. Sky trat die Tür auf, es staubte. Er wedelte ein bisschen vor seinem Gesicht, damit er was sah. Dann verschwand er im Dunkel.

Zoe tappte ihm nach:

„Sky?“, sie schaute in den Raum und konnte nichts erkennen. Es war für ihre Augen zu dunkel. Skys Schritte konnte sie hören, blieb jedoch lieber im Türrahmen stehen. Der Vampir schritt trittsicher durch den Raum, ohne mit etwas in Kontakt zu kommen. Das verwunderte Zoe etwas, obwohl sie die Mächte der Vampire mittlerweile schon sehr gut kannte.

„Was machst du?“, fragte sie leise. Sky war nicht angeregt, zu antworten, so trat Zoe doch ein. Die Dielen knarrten. Sie versuchte, etwas zu erkennen, doch es misslang ihr.

Es war finster in dem Zimmer, finsterer als die Nacht. Sky drehte sich kurz zu ihr, schaute dann wieder weg. Diesen Moment konnte Zoe sehen, da seine Augen aufblitzten. Sie waren am leuchten!

Weiß?, fragte sich Zoe.

Sonst waren Skys Augen doch rot. Aber im Dunkel waren sie weiß. Das verwunderte sie auch etwas.

Sie blieb, wo sie war:

„Was machst du, Sky? Suchst du etwas?“

„So kann man es auch ausdrücken.“

„Wie drückst du es aus?“, fragte sie wieder und ging dann noch einen Schritt.

„Ich suche etwas, ja. Ich suche ein paar Sachen zusammen, die ich schon seit Jahren nicht gesehen habe. Dann frag ich mich, wann du nach Hause willst.“

„Weiß ich doch jetzt noch nicht. Ich möchte noch ein bisschen bleiben … wenn das geht.“

„Von mir aus. Das ist deine Entscheidung“, meinte Sky nur. Die Schritte waren leise. Unter seinen Sohlen hatte keine der Dielen geknarrt.
 

Auch die zwei Turteltauben am Sternensee bemerkten nun, dass die Sonne langsam unterging.

„Ich …“, meinte Nain und setzte sich auf Kails Oberschenkel.

„Du?“, fragte er grinsend.

Nain verzog etwas das Gesicht:

„Lass mich doch mal ausreden! Also …“

„Oh Gott, jetzt kommt’s …“, Nain knurrte etwas.

Kail zog den Kopf grinsend ein.

„Hör mal zu, ja?! Nicht frech werden, Freundchen!“, sie zwickte ihm in die Seiten und Kail zuckte zusammen.

Da grinste Nain:

„Also …“

„Nicht schon wieder.“

„KAIL!“, sie funkelte ihn böse an und Kail hob die Arme vors Gesicht.

„Ich denke, ich sollte mal langsam nach Hause gehen. Wo bleibst du die Nacht?“, redete Nain den Satz jetzt endlich zu Ende.

„Warum?“, fragte Kail.

„Nur so …“

„Ich weiß es noch nicht …“, murmelte er dann und schaute sie wieder an. Nain lächelte sanft:

„… kannst ja mit zu mir kommen …“

„Warum nicht?“, lächelte Kail nur.

Als sie sich wieder ganz zu ihm drehte, zog er sie zu sich runter und gab ihr einen langen Kuss.
 

Zoe lehnte sich an den Türrahmen und sie versuchte immer noch, etwas zu erkennen.

Solch eine Dunkelheit ist doch unmöglich, dachte sie.

Als Sky der Tür näher kam, konnte sie seine Umrisse durch das Licht aus dem Flur sehen. Er lächelte, doch Zoe konnte nichts sehen, was er in den Händen haben könnte. Er hatte auch nichts in den Händen.

„Hast du es nicht gefunden?“, fragte sie und er nahm sie in den Arm:

„Doch.“

„Und wo?“

„Da drin“, meinte er und nickte in den Raum.

Sie verstand nicht:

„Ist es denn nichts Materielles?“

„Doch … auch …“, sagte er dann und hob sie hoch. Dann ging er mit ihr den Flur entlang.

„Was … was machst du?“, fragte sie leise. Er lächelte bloß und trat eine andere Tür auf. Auch in diesem Raum war es so finster wie in dem anderen. Zoe schaute hinein, doch konnte wieder nichts sehen.

„Ach, Quatsch!“, machte Sky und schüttelte den Kopf, „Falsch. Ich wollte doch …“, er ging weiter den Flur entlang.

„Was? Was suchst du denn jetzt schon wieder? Was wolltest du?“

Sky antwortete nicht. Er trat die Tür am Fuße der Treppe auf. Darin war es heller, sodass Zoe die Umrisse von Möbeln erkannte. Es war ein Wohnzimmer.

„Was suchst du denn?“

„Ein schöneres Plätzchen“, erklärte Sky und ging in den Raum. Er hatte Zoe vor der Tür runter gelassen.

„Für was?“

„Zum Schlafen“, sagte der Junge.

„Aber … du hast doch oben …“

„Da will ich heute nicht schlafen“, meinte er nur leise und Zoe fragte gar nicht erst weiter. Denn Sky schlief schließlich oben im gleichen Raum wie sein Vater. Und da der nun nicht mehr da war- Sie konnte ihn verstehen.

Sky strich mit der Hand über das Polster der Couch. Er verzog leicht das Gesicht. Alles war verstaubt. Das war auch kein Wunder.

„Hier ist es ziemlich dreckig“, sagte Zoe, die nun auch ins Zimmer gekommen war.

„Logisch“, meinte Sky dazu.

„Warum?“

„Weil seit dreizehn Jahren niemand mehr in diesem Raum gewesen ist“, erklärte er.

Zoe rümpfte die Nase.

Oh mein Gott!, dachte sie da nur.

Das war doch unglaublich. 13 Jahre!

Sky nickte:

„Genau das …“, er flüsterte nur.

„Stimmt“, zischte Zoe fast stumm.

Sky drehte sich zu ihr:

„Vampir.“ Er lächelte.

„Ja … Gedanken lesen …“

Wieder nickte der Junge und plötzlich wehte ein starker Wind durch das Zimmer.

„Mach die Augen zu!“, forderte Sky Zoe auf. Das hatte sie jedoch schon getan, denn der ganze Staub wurde aufgewühlt. Sie kniff die Augen zu und hielt sich die Arme schützend vors Gesicht. Zu reden wagte sie es nicht, da fiel ihr ein, dass er doch Gedanken lesen konnte.

Was machst du?!

Sky stutzte und drehte sich zu ihr um.

Da musste er grinsen:

„Ich mach sauber.“

Auf solch eine Art und Weise?!

„Stört’s dich?“, meinte er da nur, doch einige Sekunden später hörte der Wind auf.

Zoe schüttelte den Kopf, doch an ihr war kein Staubkorn! Sie schaute den Vampir an, der Raum wirkte nun viel heller. Sie erkannte sogar die Farben der Möbel, die noch in einem sehr guten Zustand waren.

„Ist das ok so?“, fragte Sky und schritt durchs Zimmer. Zoe blickte sich um. Sie nickte.

„Na dann“, meinte der Junge und setzte sich auf die Couch. Er klopfte neben sich.

„Ich?“, Zoe deutete auf sich selbst. Er nickte und klopfte abermals neben sich. Ohne großartig zu zögern, ging sie auf ihn zu und setzte sich nicht neben ihn.

„Was…“, er schaute sie verblüfft an, als sie sich frontal auf seinen Schoß setzte.

Zoe grinste:

„Stört’s dich?“ Seine Augen verformten sich zu Schlitzen.
 

Nain drückte sich nach einer Weile nach oben und setzte sich wieder.

„Was?“

„Wir sollten geh’n“, meinte sie und schaute zum Himmel.

„Warum? Ist doch schön hier“, hauchte Kail in den Wind.

Nain hob eine Augenbraue:

„Es ist für mich kein Problem, die Nacht im Wald zu schlafen, doch meine Mutter weiß es nicht und wird sich dann Sorgen machen. Ich habe ihr in letzter Zeit genug Sorgen bereitet.“

Kail blickte ihr in die Augen, doch er war leider kein Vampir.

Sie lächelte:

„Kommst du mit, oder nicht?“

„Na ja … ich …“, er drehte den Kopf zur Seite.

„Och, komm…bitte“, machte Nain da. Kail setzte sich und legte den Kopf leicht in den Nacken, um ihr in die Augen schauen zu können. Sie lächelte weiterhin. Ihm huschte nun auch ein Lächeln über die Lippen.

„Also kommst du?“, fragte Nain und setzte sich nach dieser Frage neben ihn. Kails Blick folgte ihr. Nun hob sie eine Augenbraue:

„Hat’s dir die Sprache verschlagen?“, ein frecher Unterton war in ihrer Stimme zu hören. Kail erwiderte nichts, er schaute sie nur weiter an.

„Du willst, dass ich hier bleibe, nicht? Was stört dich so sehr am Dorf?“

„Dass dort Menschen leben“, sagte er kühl und leicht angewidert.

Nain schlitzte die Augen:

„Ich bin auch einer, falls du es vergessen haben solltest!“

Er schluckte und zuckte zurück:

„Aber … ich … ich meinte … doch nicht … so war das …“, er brachte keinen vernünftigen Satz zustande.

Sie schaute betrübt zu Boden:

„Du bist doch selber einer…“

„Ich bin seit sechs Jahren kein Mensch mehr, Nain!“

„Aber du warst es!“, entgegnete sie ihm barsch.

Kail öffnete den Mund, doch er konnte nichts erwidern.

Nain blickte ihm in die Augen:

„Wenn dich die Menschen so stören, dann sollte ich am besten nie wieder auf dich aufpassen!“

Kails Augen weiteten sich:

„Nein!“, er griff nach ihrem Arm.

Nain schaute ihn an und eine leichte Unsicherheit verbarg sich in ihren Augen.

„Das…das war doch nicht…ich meinte doch…bitte, nehm mir das nicht übel. Ich kann mich nicht mehr so genau mit normalen Menschen identifizieren.“

„Ach und mit mir schon, oder was?“

„Na ja…du musst zugeben, dass du auch nicht unbedingt so normal bist …“, er blickte sie kurz an, dann senkte er den Blick.

Nain schürzte die Lippen und schaute ihn an:

„Na ja…“, sie überlegte, „…aber ich bin auch nur ein Mädchen.“

„Aber du lebst unter Menschen.“

„Das hast du auch, Kail. Du weißt nur nicht mehr, wie es ist. So viel wird es sich nicht verändert haben.“

„Das weiß man nie“, entgegnete er nur und ließ sie los. Nain blieb allerdings sitzen.

„Du redest dir das ein, Kail. Ich bin so wie du. In einer Hinsicht anders, aber eigentlich so wie die anderen. Du denkst doch nicht anders als andere Jungen im Dorf.“

„Keine Ahnung. Jeder hat andere Gedanken und Meinungen.“

„Ja, das schon, aber im Prinzip ist es grob gesehen das Gleiche.“

Er nickte zustimmend.

„Aber du bist nicht wie ich“, meinte er dann.

„Und wenn schon. Du bist momentan ein ganz normaler Junge, vielleicht in einer Hinsicht anders, nämlich, dass du stärker und robuster bist. Aber nur an Vollmond bist du das, wofür du dich jetzt hältst: ein Werwolf.“

„Und wenn schon. Ich bin im Moment auch ein Werwolf, nur in Menschengestalt. Ich kann trotzdem töten!“

„Aber die Krankheit nicht verbreiten!“, zischte sie und kam näher an sein Gesicht.

„Krankheit nennst du das also, hä? Für mich ist es ein Fluch, ein Fluch, der mein Leben zerstört hat.“

„Ein Fluch, der dein Leben verändert hat, nicht zerstört.“

„Es wird mich umbringen und das weißt du auch!“, sagte er und zog sie näher zu sich.

„Und das will ich nicht, Nain, verstehst du? Ich bin noch jung … ich will leben, nicht unter diesem Fluch zugrunde gehen. Das ist nicht der Sinn meines Lebens.“

„Jeden trifft das Schicksal. Meines ist es, anders zu sein. Trotzdem finde ich mich zu Recht und nach den vielen Jahren haben sie aufgehört, mich zu beschimpfen und zu verfluchen. Ich bin ein Kind, ein Mensch, ein ganz normales Mädchen, das, wie jeder andere auch, seine speziellen Eigenschaften hat. Denkst du, sie wissen, dass du der Werwolf bist? Keiner kennt die Bestie in seiner menschlichen Gestalt. Für sie bist du ein Fremder …“

„Für mich sind es nicht mehr meine Freunde, Familie und Bekannte. Meine Familie ist tot, meine Freunde haben nie nach mir gesucht und Bekannte … wer braucht die schon. Jetzt bin ich mit Jason und Don befreundet, doch wir sehen uns so gut wie nie. Ich habe wenig mit anderen Leuten zu tun.“

Nain schüttelte den Kopf:

„Dann tue ich dir doch einen Gefallen, wenn ich gehe.“, sie stand auf und ging einige Schritte. Als sie merkte, dass er aufgestanden war, ging sie langsam weiter und verschwand zwischen den Bäumen. Kail ging ihr nach, seine Schritte hörte sie im Gras.
 

„Keineswegs.“, Sky legte seine Arme um ihre Taille. Mit ihr hatten sich Welten für ihn geöffnet. Er hatte zuvor nie solchen Kontakt zu einem Mädchen.

Zoe grinste. Sie hatte schon Jungs kennen gelernt, doch keiner ihrer Klassenkameraden sprach ihr zu.

Sie beugte sich nach vorne und gab Sky einen Kuss. Der lächelte. Seine Augen fielen ihm halb zu.

„Was ist denn, Süßer?“, fragte Zoe mit sanfter Stimme. Er seufzte bloß.

Da hob sie sein Kinn und blickte ihm in die Augen:

„Müde?“

Sein Mund ging ein Stückchen auf und er schaute sie verträumt an. Zoe musste etwas kichern. Sky hob die Augenbrauen und schaute plötzlich etwas verwirrt.

„Was … was war los?“

„Was? Du bist …“, wieder musste sie kichern und stupste ihm auf die Nase.

„Was bin ich?“

„Du sahst so süß aus …“

„Wann? Wie? Was?“

„Du hast so verträumt und zufrieden geschaut. Was hast du gedacht?“

„Weiß nicht …“, er strich ihr über den Rücken.

„Aber …“, sie schob seine Hand leicht zur Seite, „… du musst doch wissen, was dir durch den Kopf gegangen ist.“

„Nein …“, seine Stimme klang sanft und leise. Sie lächelte und streichelte ihm über die Wange, worauf er die Augen schloss. Deswegen gab sie ihm einen Kuss, doch wirklich überrascht war er nicht darüber. Er genoss es dennoch sehr. Beide hatten sie nun die Augen geschlossen.



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