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Verrücktes Leben

Im Reich der Flüche
von

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16

Nun waren alle wieder zu Hause angekommen, nur Nain und Kail noch nicht. Das Mädchen verbarg sich hinter einem Baum, an dem Kail leise vorbei ging.

Er hatte sie jedoch nicht bemerkt. Dass er barfuss durch Dornen ging, störte ihn recht wenig. Nain jedoch verzog das Gesicht, als sie es sah. Seine Fußsohlen bluteten sogar schon. Doch Kail war es gewohnt, ihn störte das Bisschen Schmerz nicht.

Als sie die Luft scharf einzog, lauschte er auf und drehte sich grinsend zu ihr um.

„Na …“

„Du willst doch nichts mit Menschen zu tun haben“, entgegnete Nain bloß. Kail ließ den Kopf hängen:

„Sei mir doch nicht böse wegen der Aussage. Das war doch nicht an dich gerichtet …“

„Aber an Menschen. Und ich bin ein Mensch, Kail.“

„Das weiß ich. Aber du bist ein Mensch mit magischen Kräften.“ Nain legte den Kopf schief:

„Und?“

„Das ist abnormal, genau wie ich auch. Und deswegen …“

„Bin ich dir sympathisch.“

„Genau.“, er nickte. Dann kam er auf sie zu. Als er vor ihr stand, blickten die beiden sich in die Augen.

„Ich habe trotzdem nicht vor, eine Nacht im Wald zu verbringen. Ich habe schon genug Zeit in meinem Leben hier verbracht.“

„Ich wette nicht so viel wie ich“, konterte Kail. Nain schwieg und schaute an ihm vorbei.

„Wenn das Angebot noch gilt, dann komm ich mit“, erklärte der Junge und lächelte. Nain überlegte kurz und nickte dann:

„Klar, das gilt noch.“, sie nahm ihn an der Hand und zog ihn hinter sich her.

„Tun deine Füße nicht weh?“, fragte das Mädchen und drehte den Kopf zu ihm. Kail schüttelte den Kopf:

„Nein, warum?“

„Ähm …“, sie schaute zu seinen Füßen, deren Sohlen immer noch bluteten.

„Tut nicht weh, keine Sorge …“

„Aber entzündet sich das nicht?“

„Nein“, meinte Kail nur. „Die Wunden heilen ziemlich schnell … es ist doch kein reines Blut, schon vergessen?“ Sie schüttelte den Kopf und bald waren auch die beiden zuhause.
 

Die Nacht verlief soweit ruhig, der Mond nahm langsam ab, bis es nach zwei Wochen Neumond gab.

In dieser Nacht war es sehr dunkel im Wald. Sky genoss es sehr, denn er streifte gerne durch die Finsternis. Dann war er kaum sichtbar.

Don, Jason und Kail saßen auf einer Lichtung. Kail saß auf einem Ast, Don auf dem Boden und Jason lehnte sich an den Baumstamm unter Kail. Sie schwiegen nun schon seit fünf Minuten. Dann sagte Don:

„Was war denn bei euch so los in den letzten Tagen?“

„Nichts.“, antworteten die anderen zwei und seufzten.

„Und was habt ihr noch so vor?“

„Keine Ahnung“, sagte Jason und streckte sich. Die beiden schauten zu Kail nach oben. Der zuckte bloß mit den Schultern.

„Nichts?“, fragte Don wieder.

„Na ja … ich weiß nicht … vielleicht kommt das noch.“

„Du bist so ungewohnt still“, meinte Jason zu dem Jüngsten. Kail blickte zu ihm runter:

„Was soll das denn heißen? Don quasselt doch immer am meisten.“

„Ja, aber du hast sonst auch mal was zu sagen und heute Nacht. Du schweigst ja die ganze Zeit.“

„Was soll ich denn schon sagen?“

„Keine Ahnung. Was dir so durch den Kopf geht“, warf Don dazwischen und stützte sich auf den Händen ab. Kail neigte den Kopf zur Rechten:

„Weiß nicht …“

„Och komm. Du wirst ja wohl irgendwas denken!“

„Ja, dass du ihn nervst“, lachte Jason. Don verschränkte die Arme und blies die Backen auf. Kail grinste:

„Nein … ok, das schon, aber nicht wirklich. Ist schon gut. Ich bin nicht schnell zu nerven.“

„Na dann ist ja gut“, sagte Jason und winkelte ein Bein an. Kail seufzte wieder und suchte die schwachen Umrisse des Mondes. Man konnte ihn wirklich kaum erkennen, doch es war keine Mondfinsternis.

Sky hätte das gefreut, doch das bisschen Licht war auch schon ok. Er streifte durch die Schatten der Bäume und blickte sich um. Blutdurst hatte er noch nicht. Suchte er jemanden? So könnte man meinen. Doch wirklich suchend war sein Blick nun auch nicht. Das konnte man jedoch in seinen Augen nie wirklich erkenne. Skys Augen strahlten weiß. Er war nachdenklich. Vielleicht suchte er doch jemanden, oder er dachte an etwas. Doch an was? Oder an wen?

„Wo …“, murmelte Sky. Doch mehr Worte bekam der Wind nicht zu fressen.

„Was ist los mit dir?“, meinte Don und blickte weiter zu Kail. Der Wolf reagierte nicht wirklich. Er schüttelte nur den Kopf.

„Och komm sag mal. Dich bedrückt doch was“, hakte der Kleinste weiter nach. Doch Kail schien ihn nicht zu hören.

Er war in Gedanken und blickte weiter suchend in den Himmel, durch das Geäst der Baumkrone hindurch. Er seufzte wieder.

Da merkte er auch nicht, dass neben ihm plötzlich jemand saß. Als er es in den Augenwinkeln bemerkte, schreckte er zur Seite:

„Mein Gott! Erschreck mich nicht so!“

Jason und Don schauten sofort wieder zu ihm. Skys Augen blitzten auf:

„Tut mir leid. War nicht meine Absicht …“

„Was dann?!“, zischte Kail und seine Augen blitzten rot auf. Sky lächelte:

„Immer mit der Ruhe. Ich hab dir nichts getan … warum kannst du mich denn so plötzlich nicht leiden.“

„Ich hatte dich noch nie wirklich gern, schon vergessen“, meinte Kail nur. Sky rümpfte die Nase, blickte sein Gegenüber jedoch weiter an.

„Was willst du?“, fragte Jason, der Sky nun auch erkannte. Der Vampir schaute zu ihm herab:

„Was geht dich das denn an?“

Kail packte Sky am Kragen:

„Rede!“ Die roten Augen blickten nun in Skys weiße Augen. Der hatte jedoch keine Miene verzogen.

„Wenn ich mir das recht überlege … nein, du wirst mir sowieso nicht helfen.“ Kail zog eine Augenbraue hoch und neigte den Kopf leicht zur Seite:

„Bitte, was? Helfen?“ Sky nickte und lächelte:

„Aber du wirst ja eh nicht zusagen. Von daher muss ich mir wohl einen anderen Werwolf suchen.“ Die beiden unten am Boden blickten sich an und grinsten:

„Da kannst du lange suchen.“ Skys Mundwinkel fielen erst herab, dann spielte er etwas damit.

„Mmh … na dann … dann kann ich das halt vergessen. Was anderes versuchen ist zwar Schwachsinn, aber Selbstmord ist es so oder so.“ Kail drehte ihn wieder grob zu sich:

„Selbstmord? Was hast du denn vor?“ Sky schüttelte den Kopf:

„Bei einer so unfreundlichen Bestie frage ich erst gar nicht nach!“, in seinem Ton lag pure Frechheit aber auch etwas Neugierde erregendes. Kail musterte ihn intensiv und ehe Don und Jason sich versahen, waren die beiden verschwunden.
 

„Was hast du vor?!“, Kail drückte Sky an die Wand in einem dunklen Zimmer. Der Vampir hob die Hände:

„Reg dich erst mal ab, Kumpel.“

„Ich bin nicht dein Kumpel!“

„Aus diesem Grund frage ich nicht und weihe dich auch nicht ein!“, fauchte Sky und Kail ließ ihn los. „Schon besser …“, der Vampir strich sich seine Kleidung glatt.

„Jetzt sag mir, was du vorhast. Was spielt sich in deinem kleinen Köpfchen ab?“ Sky hob eine Augenbraue:

„Ein Mord.“

„An wem?“, fragte Kail und ließ sich auf dem Boden nieder.

„Im Vordergrund der an meinem Vater. Doch ich plane den nächsten.“

„An wem?!“, Kail tippelte ungeduldig mit den Fingern auf dem Holzboden. Dass Skys Vater ums Leben gekommen war, war dem Wolf anscheinend sehr egal. Sky tigerte durch den Raum. Er räusperte sich.

„Sag es endlich, oder du kannst meine Mitarbeit ganz vergessen!“

„Dann erzwing ich sie!“, zischte Sky und in der Wand neben Kails Kopf steckte ein Wurfmesser. Der Werwolf ließ sie Augen aufleuchten:

„Wie willst du Nichtsnutz von einem Vampir das schon machen?!“ Der andere tigerte weiter durch das Zimmer. Dann sagte er sachlich:

„Du hast keinen klaren Kopf, wenn du ein Werwolf bist. Dann lockt man dich zu der Stelle, an der man dich braucht und fertig.“

„Und fertig?“

„Dann hat man deine Hilfe.“

„Ich soll an einen Ort? Aber ich dachte, es geht um Mord.“ Sky tauchte ganz nah vor Kails Gesicht auf:

„Tut es doch, mein Lieber. Tut es.“ Kail wollte nach ihm packen, doch schon stand Sky wieder am anderen Ende des Raums.

„Okay, aber … jetzt erklär mir, an wem der Mord verübt werden soll. Oder, was ich mit der Sache zu tun hab.“

„Du wirst der Mörder sein.“ Kails Gesicht wurde komplett farblos:

„Was?! Ich werde niemanden töten!“

„Wenn es sich dabei um keinen Menschen handelt?“, fragte Sky ohne wirklich auf die Reaktion von Kail einzugehen.

„Um wen dann? Sag es endlich!“

„Wozu würde ich dich brauchen? Du, als Werwolf, bist der Einzige, der diese Kreatur töten kann. Hast du denn keine Ahnung, wer den Werwolfsfluch in die Welt gesetzt hat? Keine Ahnung, wegen wem du zu dem wirst, was in deinem Blut ist?“ Kail stand auf und ging auf ihn zu. Schnell packte er Sky am Kragen:

„Das ist mir scheißegal! Ich will diesen Fluch einfach nur loswerden!“

„Das ist leider nicht mehr möglich, Kail. Du bist seit nunmehr sechs Jahren von dieser Krankheit besessen. Du kannst nur noch daran sterben, sonst hast du kein Schicksal mehr. Deines meint es wohl nicht gut mit dir.“

„Dann sag mir, wer der Kerl ist!“

„Wütend? Auf mich, oder auf den, der den Fluch erschaffen hat und das Gegengift besitzt, welches dir nicht mehr helfen wird?“

„Wer war das?!“, Kails Stimme war rau und Wut lag in ihr. Der Junge wurde immer ungeduldiger. Sky hob die Hände und Kail setzte ihn ab.

„Gut, danke. Also …“, der Vampir seufzte und räusperte sich wieder. „Der, wegen dem du von einem Werwolf angesteckt wurdest, befindet sich nicht in diesem Land. Noch nicht. Ich werde ihn zum nächsten Vollmond einladen. Er ist der Mörder meines Vaters und ich will, dass du die Welt von der Bestie befreist.“ Kail und Sky standen sich gegenüber.

„Die Welt befreien von wem?“, fragte Kail nun wieder, doch seine Stimme war ruhig und sicher. Sky schmunzelte:

„Das, mein Guter, wirst du noch erfahren. Mach dir Gedanken darüber. Ich verwende dich dazu, wofür du geschaffen bist. Denn allein du bist befähigt, diesen Mann, ob in Menschengestalt oder nicht, zu töten.“, mit diesen Worten war Sky verschwunden. Kail blickte ins Leere und verschwand dann auch aus dem Raum.
 

„Und der fünfte Tag.“, Nain lag auf ihrem Bett. Sie blickte an die Decke und langweilte sich ihrer Meinung nach zu Tode. „Das überleb ich nicht!“

Das Mädchen hatte zwei Wochen Hausarrest. Niemand durfte zu ihr. Und sie langweilte sich jeden Tag mehr. Sie hatte schließlich keine Beschäftigung.

„Noch neun Tage …“, murmelte sie in die Dunkelheit. Sie seufzte.
 

Don und Jason saßen immer noch auf der Lichtung und unterhielten sich etwas, als es in den Ästen raschelte.

„Was …“

„… war das?“, beendete Jason den Satz. Zwischen ihnen landete Kail auf dem Boden. Die Jungs schauten ihn erschrocken an, dann atmeten sie auf.

„Wo warst du?“, fragte Don.

„Weg!“, blaffte Kail und ließ sich auf dem Boden nieder.

„Mit Sky?“, fragte Don weiter. Kail nickte.

„Was hat er gesagt?“, fragte nun Jason, der interessiert war, was der Vampir gemeint hatte. Kail dachte nach. Er dachte über die Worte des anderen nach. Denn Sky hatte irgendwo Recht. Nur fand Kail keinen Anhaltspunkt, wer diese Bestie war, die nur er töten konnte. Er neigte den Kopf von einer Seite zur anderen.

„Was ist denn los?“, fragte Don und kniete sich hin.

„Ich weiß nicht, wer diese Person sein soll“, sagte Kail leise und neigte den Kopf wieder in die andere Richtung.

„Welche Person?“, fragte Jason und setzte sich gerade hin.

„Die sich umbringen will?“, fragte Don, der immer noch an dem Selbstmord hing.

„Nein, die umgebracht werden soll. Die ich umbringen soll!“, Kail blickte erst zu Don, dann zu Jason. Die beiden schauten ihn fragend an.

„Mehr Info“, forderte Jason. Kail stand auf und setzte sich so, dass die drei ein Dreieck bildeten.

„Also … Sky hat gesagt, es handle sich um eine Person, die nicht im Land ist, aber zu Vollmond kommen solle. Dann wäre ich als Werwolf der einzige, der diese Bestie töten könne. Ich verstehe das nicht.“

„Hat er sonst noch was gesagt?“, fragte Don.

„Hm … dass … ah ja, dass diese Person diejenige wäre, die den Werwolfsfluch erschaffen hat. Und er hätte das Gegengift, das mir nicht mehr helfen kann.“

„Nicht in diesem Land … mmh …“, die beiden anderen überlegten nun auch, doch da Kail nicht noch mehr Informationen lieferte, kamen auch sie auf keinen Entschluss. Kail war noch etwas aufgebracht und musste erst wieder richtig runterkommen. Er seufzte und ließ sich auf den Rücken fallen. Die andere beiden musterten den Jungen.
 

Am nächsten Morgen waren sie wieder alle im Wald verstreut. Don war im dunkleren Teil des Waldes, Jason näher an den Bergen, Kail saß in einem Baum, der über den See hing, und Sky war zuhause. Er lag auf der Couch im Untergeschoss und blickte an die Decke. Der Raum war nicht sehr dunkel am Tag, das störte ihn etwas.

Kail ließ seine rechte Hand im Wasser baumeln. Er lag auf dem Bauch, den Kopf auf den linken Arm gelegt und blickte ins Wasser. Es war kühl. Doch er nicht. In seinem Kopf war immer noch die Frage, um wen es sich bei dieser Person handelte. Er hatte Skys Worte noch immer nicht verstanden.
 

Der jedoch wusste genau, wen Kail für ihn umbringen sollte, doch Sky plante noch, wie er die Person nach Italien kriegen konnte. Der Junge legte die Stirn in Falten.

„Du Monster, das wirst du noch büßen! Aber wie mache ich das? Deine Bräute wirst du nie alleine lassen. Oder sie dich nicht!“, er fauchte etwas und richtete sich auf. Dann verschränkte Sky die Arme vorm Bauch.

„Das kann doch nicht so schwer sein! Wie … wie macht man das? Wie formuliert man eine Einladung an eine so bedeutende Person? Oder eher ist es schwierig: Wozu lade ich den Bastard ein?!“, er stand auf und trat einen Hocker um. Der zerfiel in seine Einzelteile, doch das störte den Vampir nicht.
 

Kail hatte keine Lust, den ganzen Tag auf diesem Ast zu verweilen und so ließ er sich ins Wasser fallen. Von dort aus schwamm er zum Ufer, krabbelte auf die Wiese und blieb einen Augenblick in der Sonne liegen. Schnell trockneten seine Sachen und seine Haare und so machte er sich auf in Richtung Dorf.
 

„Sechster Tag!“, diese Worte kamen Nain immer über die Lippen. Sie saß auf ihrem Bett und war am lernen. Dann zauberte sie Kleinigkeiten vor sich hin und ließ sie entweder davon schweben oder verschwinden. Dann seufzte das Mädchen.

„Ich will nicht mehr…warum darf niemand zu mir kommen?“, ihre Augen waren leer. Sie ließ den Kopf hängen und stützte ihn daraufhin in ihren Händen ab.

„Stundenlang nur Zaubern. Das ist ätzend!“, denn sie lernte seit drei Stunden, um ihre letzten Zauberstunden aufzuholen. Für die Schule hatte sie schon alles wiederholt. „Das kann ja was werden …“, Nain knurrte.
 

Fünf Minuten später hörte sie es knurren. Eine Katze fauchte hinterm Haus, dann hörte sie den Wind unter den Schiefern zischen. Sie schüttelte den Kopf und steckte die Nase wieder ins Buch. Doch dann hörte sie wieder dieses Knurren, was aber nicht aggressiv klang. Eher lockend.

Sie kratzte sich am Hinterkopf und stand auf. Dann ging sie zum Fenster. Das öffnete sie und blickte hinaus. Doch sie konnte nichts und niemanden sehen. Auch die Katze war verschwunden.

„Hm … komisch …“, machte sie, zuckte mit den Schultern und ging wieder zu ihrem Bett. Als sie sich gerade setzen wollte- da! Wieder dieses Knurren!

„Meine Güte!“, meinte Nain und lief wieder ans Fenster. Dort beugte sie sich nach draußen, doch konnte immer noch niemanden sehen. „Mir reicht’s! Scheiß auf den Hausarrest!“, so kletterte sie aufs Dach und ließ sich die Sonne kurz ins Gesicht strahlen. Dann blickte sie sich um.

Wo bist du?, fragte sie sich. Nain kroch gewand über die Ziegel, sodass es leise blieb. Angst vor dem Fall hatte sie nicht. Sie tat dies oft, denn auf dem Dach klettern ist eine Möglichkeit sich die Langweile zu vertreiben. Doch wirklich gestürzt war sie noch nie, nur bis zur Regenrinne. Daran fand sie immer Halt, wenn es nötig war. Doch das war es schon lange nicht mehr gewesen.

Sie kletterte nach oben und blickte sich um. Als sie sich auf die Spitze des Daches setzen wollte, packte jemand sie von hinten und zog sie nach unten.

„Hey …“, doch schon wurde ihr der Mund zugehalten. Sie schloss die Augen und ihr Herz begann schneller zu schlagen. Doch halt! Sie kannte diese rauen Hände. Als Nain die Augen wieder öffnete, lächelte ihr ein bekanntes Gesicht entgegen. Sie hob die Augenbrauen und blickte ihn dann sanft an.

„Erschreckt?“, fragte er und ließ sie los.

„Kail …“

„Warum sitzt du drin?“

„Hausarrest. Ich wäre lieber draußen.“

„Glaub ich dir“, meinte Kail. Nain nickte.
 

„So eine Scheiße!“, Sky trat nun den Tisch zusammen. Denn alle Möbelteile in dem Raum gingen sehr leicht kaputt.

„Worauf könnte der Bastard schon anspringen?!“, er ließ sich auf der Treppe nieder. Dann schlug er die Hände vors Gesicht. „Das kann doch nicht so schwer sein …“

Da öffnete sich plötzlich die Tür.

„Ah!“, Sky schrie wegen des Lichts auf und ging hastig einige Schritte zurück in den Raum.

„Entschuldigung, Sky … ich wusste ja nicht …“, Zoe schloss die Tür hinter sich.

„Schon gut. Mir ist nichts passiert. Ich hab mich bloß erschreckt“, erklärte der Vampir und sie trat in den Raum.

„Mein Gott, wie sieht’s denn hier aus?!“, Zoe blickte sich um.

„Na ja …“, auch Sky schweifte das Zimmer mit seinem Blick. „Ich … ich bin am nachdenken.“

„Und aus dem Grund machst du die Einrichtung zunichte?“, fragte Zoe frech. Der Ältere seufzte bloß. Er setzte sich auf das Sofa, welches noch heil war.

„Worüber denkst du nach?“, fragte Zoe und stellte sich vor ihn.

„Wie ich ihn nach Italien kriege“, sagte Sky. Zoe neigte den Kopf zur Seite und blickte ihn fragend an:

„Wen?“

„Dracula!“, Skys Stimme war gereizt oder eher entnervt.

„Mach mich nicht so an!“, zischte Zoe und setzte sich.

„Sorry … ich bin halt …“

„Du kamst noch auf keine Idee und hast so gut wie alles schon in Erwägung gezogen. Doch keine Idee würde Dracula wirklich hier her bringen.“ Sky nickte:

„Genau das … ich hab sogar bereits ein erstes Mal mit Kail gesprochen.“ Zoe schaute ihn erstaunt an.

„Was?“

„Was hat er darüber gesagt?“

„Ich hab ihm nicht gesagt, dass es sich bei der Person um Dracula handelt.“, erklärte Sky. Zoe nickte nun. Auch sie dachte nun nach.
 

Nach wenigen Minuten stand sie auf und schritt durch das Zimmer. Sky legte wieder die Stirn in Falten. Ihm wollte einfach nichts einfallen. Als er aufstand, brach das Sofa unter ihn zusammen.

„Das kann doch nicht …“, er warf den Bruchstücken einen wütenden Blick zu. Zoe kicherte und ging dann weiter durch den Raum. An den Wänden hingen Bilder. Alles war noch leicht verstaubt, trotz Skys Reinigungsaktion. Oder hatte die Zeit die Farbe einfach mitgenommen? Das war natürlich auch möglich und sogar logischer. Zoe strich leicht über einen der Rahmen.

„Nicht anfassen!“, meinte Sky schnell. Sie drehte sich zu ihm um:

„Wieso?“ Sky lächelte leicht blamiert:

„Nicht, weil du es nicht darfst … aber … es fällt momentan so gut wie alles in sich zusammen. Ich will nicht, dass die Bilder auch kaputt gehen …“

„Schon okay. Ist gut“, lächelte Zoe und schritt weiter durch den Raum. Auch Sky begann zu gehen und nachzudenken.
 

„NAIN!“, Madiva klang bestimmend. Das Mädchen zuckte zusammen. Sie saß nun schon seit zehn Minuten mit Kail auf dem Dach und ließ sich von der Sonne wärmen. Kail hielt sie noch immer im Arm. Nain seufzte:

„Ich muss rein, sonst bekomm ich Ärger …“

„Ach Quatsch!“

„Doch … leider. Ich würde ja auch lieber hier bleiben…“ Kail nickte und lockerte seinen Griff.

„Tut mir leid…“, meinte Nain noch.

„NAIN! KOMM RUNTER!“, Madiva war in der Küche. Es sollte bald Essen geben. Nain ließ den Kopf hängen.

„Ich will nicht …“

„Du musst. Ich warte hier.“

„Aber ich kann nicht einfach wieder raus, das darf ich nicht. Und es darf niemand zu mir kommen“, erklärte Nain.

„Das ist mir doch egal. Bin ich niemand?“, Kail grinste. Nain musste nun auch lächeln:

„Nein, du bist jemand. Aber … wir werden sehen.“ Beide nickten und schon kletterte Nain wieder zu ihrem Fenster.

Dort sprang sie ins Zimmer und lief ins Treppenhaus: „Komm schon! Sorry! War beschäftigt!“ Schnell war sie unten und deckte den Tisch.
 

Nach dem Essen ging sie wieder ins Treppenhaus.

„Was machst du denn den ganzen Tag in deinem Zimmer?“, fragte Madiva noch.

„Lernen“, sagte Nain. „Fürs Zaubern. Ich hab doch Morgen wieder eine Stunde, oder nicht?“

„Doch … ok, dann lern mal schön. Wenn ich dich brauche, dann rufe ich. Und ich will hoffen, dass du dann kommst.“

„Werde ich. Ich höre dich doch.“, Nain lief auf ihr Zimmer. Dort machte sie das Fenster auf:

„Kail?“, ihre Stimme war leise.

„Ja- ha …“, machte der Junge. Er saß neben dem Fenster und grinste Nain an, als diese aus dem Fenster stierte. Sie lächelte:

„Kann ich wissen, dass du hier unten bist?“

„Nein. Aber ich habe es gehofft.“

„Was? Das ich es weiß?“

„Nein, dass du kommst“, sagte Kail und sie kletterte wieder auf den warmen Schiefer.
 

Nach einiger Zeit drehte Zoe sich um:

„Eine Frage.“

„Was?“, entgegnete Sky und blickte sie aus der anderen Ecke an.

„Ich bin doch kein richtiger Vampir … und Ladislaus weiß das.“

„Ja. Und?“

„Na ja … kann er einen nicht zum Vampir machen?“ Sky ging ein Licht auf:

„Ja! Das kann er. Und du wirst ihn darum in einem Brief bitten.“ Zoe lächelte und ging auf Sky zu. Der lächelte nun auch und atmete etwas auf. Sie küssten sich und dann meinte der Junge:

„Ich geh Briefpapier und so holen.“

„Kann ich mit normalem Füller schreiben?“

„Klar. Wenn du willst auch mit einer Feder.“

„Nein…lieber Füller“, meinte Zoe und schon war er verschwunden.

Keine drei Wimpernschläge später stand er schon wieder vor ihr.

„Formuliere es freundlich und einem Grafen angemessen“, forderte er sie auf und Zoe setzte sich auf einen Sessel an den noch stehenden Tisch.

„Den anderen hast du ja zertrümmert!“, meinte sie aus Spaß. Sky nickte und setzte sich auf den Boden. „Okay…oh Gott, wie schreibt mal einen Brief an einen Grafen?“, Zoe war ziemlich nachdenklich.

„Ich hoffe, du hast eine schöne Schrift“, sagte Sky. Sie zog einen Mundwinkel etwas an und neigte den Kopf zu beiden Seiten.

„Nicht?“

„Ach doch, schon. Aber nicht so super hübsch.“

„Das muss keine perfekte Schönschrift sein. Aber trotzdem schon … na ja … hervorstechend.“

„Hast du eine so wundervolle Schrift?“, fragte Zoe leicht gehässig.

„Mein Vater ließ mich alle Briefe an Dracula schreiben“, erklärte Sky etwas hochnäsig.

„Toll. Dann schreib du doch!“

„Aber der Brief soll von dir sein, nicht von mir!“

„Aber Dracula weiß, dass ich deine Begleitung bin!“, meinte Zoe nun ernster.

„Und? Das hat doch damit nichts zu tun.“

„Er hat deine Morddrohung doch gehört! Sky, der Mann ist nicht blöd.“

„Das weiß ich selber. Jetzt schreib!“

„Was denn?“

„Erstmal die Begrüßung“, erklärte Sky.

„Und … wie begrüßt man einen Graf Dracula?“

„Sehr verehrte Graf …“, meinte Sky und rollte die Hand in der Luft. Zoe schrieb. Langsam und ordentlich. Sky stand auf und begutachtete ihre Schrift:

„Ist doch schön“, sagte er dann und Zoe lächelte.

„Ist das denn auch gut so?“ Er nickte und setzte sich neben ihr auf den Boden.

„Du kannst dich ruhig auf die Armlehne setzen“, erklärte sie, doch er lehnte ab. „Und was nun?“

„Was du von ihm willst“, sagte Sky.

„Was denn?“

„Ich möchte Euch gegenüber einen Wunsch äußern, den es zu erfüllen vermag. Ihr wisst bereits, dass ich kein vollwertiger Vampir bin, oder werden kann, da ich eine, wie Ihr es bezeichnet habt, Mondgestalt bin. Da ich aber in die Lehre zu einem vollwertigem Vampir treten will, ist es nötig, dass Ihr durch Eure Macht, mich zu einem richtigen Vampir macht. Dazu bitte ich Euch, nach Italien zu kommen, da ich durch meine menschlichen Tätigkeiten, wie Schule, nicht in der Lage bin, nach Transsilvanien oder Ungarn zu reisen. Dies bitte ich dann auch zu entschuldigen. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn Ihr Euch dazu bereit erklärt, meinen Wunsch tatsächlich zu erfüllen. Mit großer Verehrung …“, so rasselte Sky einen perfekt formulierten Brief an den Grafen runter.

Zoe schrieb fleißig mit und er musste Redepausen machen, damit sie mitkam.

„Kommt mir vor wie ein Diktat in der Schule“, lachte sie und unterschrieb zum Schluss.

„Zeig her!“, forderte Sky von ihr und sie hielt ihm das Blatt hin. Er überflog den Text und suchte nach Fehlern, dann begutachtete er noch die Schrift.

„Und?“, fragte Zoe bangend, da er noch eine ernste Miene hatte. Dann lächelte Sky:

„Perfekt!“ Sie sprang auf und gab ihm einen freudigen Kuss. „Das ist echt toll. Danke. Du bist mir eine große Hilfe.“

„Auch wenn ich weiß, dass ich dich verlieren werde. Ich stehe hinter dir.“

„Dafür bin ich jeden weiteren Tag dankbarer“, sagte Sky leise und mit samtener Stimme.
 

Nain und Kail saßen derweil auf dem Schieferdach des alten Hauses im Dorf und ließen sich die Sonne ins Gesicht scheinen.

Auf den Straßen war es ruhig, abgesehen von ein paar Kindern, die spielend durch die Gärten liefen. Nain blickte sich um und seufzte.

„Was ist?“, fragte Kail leise und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht.

„Wie gerne ich früher gespielt habe und kein Elternteil wollte, dass sein Kind Zeit mit mir verbringt.“

„Haben sie aber … oder?“, wollte Kail wissen.

„Ja. Zoe ist meine Freundin, seit ich vier Jahre alt bin.“

„Schon seit fast dreizehn Jahren?!“, Kail schien erstaunt darüber.

„Ja. Sie ist meine beste Freundin. Obwohl man das nie so genau sagen kann. Man versteht sich halt mit allen recht gut. Als ob du nie einen guten Freund gehabt hast!“, sie schaute ihn an.

„Na ja … Nain, ich lebe im Wald, seit ich elf bin. Das sind jetzt schon fast sieben Jahre … ich hab mit ein paar Jungs in meinem Alter gespielt, mich mit ihnen getroffen. Aber ich hatte nie eine wirkliche Bindung zu ihnen.“

„Oh … das ist schade. Ich glaube, bei Mädchen ist eine Freundschaft auch noch mal anders.“ Der Junge nickte. „Du kommst aus einem der Nachbardörfer, nicht? Ich habe dich nämlich nie im Dorf oder auf unserer Schule gesehen.“

„Das stimmt. Mein Dorf liegt am anderen Ende des Waldes. Sprich zwei Dörfer weiter“, erklärte Kail und zeigte in die Richtung.

„Ja … schon komisch. Aber warum bist du dann immer im Waldstück in der Nähe unseres Dorfes?“, sie schaute ihn an.

„Weil hier der See ist“, grinste Kail. Auch Nain lächelte. „Ist doch so. Was soll ich in den Bergen? Der Wald ist schöner …“

„Na wenn du das sagst. Ich lebe ja nicht da…nicht ganz.“ Kail legte seine Arme um sie:

„Nicht ganz. Aber schon … irgendwie, nicht wahr?“

„Ja …“, sie nickte wieder und schloss die Augen.
 

Zoe blickte Sky in die Augen, sie wusste, dass das nicht so gut war, doch tat es trotzdem. Er lächelte sanft und sie kam auf ihn zu.

Als er die Hand nach ihr ausstreckte, legte sie ihre auf seine Schultern und gab ihm einen Kuss. Sky lächelte innerlich, doch er genoss es lieber, sie noch zu spüren. Denn es waren nur noch ungefähr zwei Wochen, bis sein Tod vielleicht besiegelt war. Wenn er Dracula nicht töten konnte, dann würde dieser sicher ihn töten. Doch auch Sky war nicht dumm. Er würde sich schon zu helfen wissen.



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