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Shin no yuri

Todeslilie
von

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Yukio

Es tat gut, neben Yukio durch die Stadt zu rennen. Ich fühlte mich ihm so nahe, und irgendwie frei. Bis es mir wieder einfiel.

Ich blieb stehen, zog ihn an seiner Hand, sodass er stehen blieb.

„Was ist los?“, fragte er und drehte sich zu mir um.

„Was … bist du?“ fragte ich. Ich sah ihm in die Augen und hoffte, er sah, dass ich keinen Schritt tun würde bevor ich es nicht wusste.

Er war einen Moment still, überlegte, trennte seinen Blick aber nicht von meinem.

Dann drehte er sich wieder um, zog an meiner Hand und führte mich in eine dunkle Seitenstrassen, einige Male um Ecken, dann blieb er stehen. Es war eng, so tief im Gassenlabyrinth, von dem ich noch nicht mal gewusst hatte, dass es existiert. Auf beiden Seiten standen Rückwände von Häusern, beide jedoch ohne Fenster.

„Also, ich verlange eine Erklärung. Versuch nicht, dich raus zu reden oder mir irgendeine beschissene Geschichte auf zu drücken. Ich weiss, dass du nicht vollkommen menschlich bist. Yuudai hat das erzählt.“, stellte ich klar. Ich war mir selbst nicht sicher, warum ich das mit Yuudai hinzugefügt hatte.

Yukio grinste nur hochmütig.

„Ach so, du glaubst als einem Idioten wie Yuudai?“

„Ja, da mir ja sonst niemand die Wahrheit erzählt!“, schnappte ich. Er hatte einen gequälten Ausdruck auf dem Gesicht.

„Das stimmt nicht.“, sagte er plötzlich, den Kopf gesenkt. Ich wusste nicht, auf was ich das beziehen sollte.

„Was?“

„Es stimmt nicht, dass ich nicht vollkommen menschlich bin.“

„Ich glaube dir nicht.“, sagte ich sofort. Obwohl ich mich fragte, ob er vielleicht doch ehrlich war und Yuudai mir nur etwas hatte einreden wollen.

„Es stimmt nicht, dass ich nicht vollkommen menschlich bin.“, wiederholte er, „Ich bin … überhaupt nicht menschlich.“

Ich dachte, ich hätte mich verhört.

„Was?“, wisperte ich, „Nicht … menschlich?“

Wie konnte das sein?

„Ich zeig es dir. Du wolltest es wissen.“

Er trat einen Schritt zurück und es verging einen Moment ohne dass einer von uns etwas sagte.

Plötzlich hörte ich ein flatterndes Geräusch und hob den Kopf. Nicht weit über uns schwebte die weisse Krähe. Auf einmal kam mir der Gedanke, dass ich sie immer gesehen hatte, während dieser Tage, sogar als ich wieder in die Schule gegangen war. Aber ich hatte sie nie bewusst wahr genommen.

Und dann erschlaffte Yukios Körper und er rutschte an der Wand entlang nach unten. Sein Kopf war auf seine Brust gesunken, die Augen geschlossen.

„Yukio!“, schrie ich, ging vor ihm auf die Knie.

Da flog mir die Krähe vor das Gesicht, sah mir in die Augen. Ich hatte einen Moment ehe ich begriff.

„Yukio?“, diesmal war es eine Frage.

Die Krähe nickte, so sah es für mich zumindest aus. Entweder ich verstand jetzt endlich, was mit Yukio los war, oder ich wurde verrückt.

Langsam bewegte ich meine Hände auf die Krähe zu, wollte sie zu fassen bekommen. Doch dann flog sie plötzlich weg, im selben Moment, in dem Yukio die Augen öffnete, mich mit ernstem Blick ansah.

„Was war das?“, fragte ich nach einer Weile.

„Ich kann meine Seele in den Körper der Krähe schicken.“, erklärte er. Obwohl ich daraus auch nicht wirklich schlau wurde.

Anscheinend sah er mir das an, denn er fuhr fort: „Ich wurde von euch Phönixen erschaffen. Als Waffe, weil die weissen Lilien immer öfter starben und sehr selten wurden.

Sie haben all ihre Kenntnisse in solche wie mich verwendet. Wir sind unsterblich, können nicht verletzt werden und besitzen etwa das dreifache an Magie als ein überdurchschnittlicher Phönix.“ Er unterbrach sich, sah mich an.

Das, was er erzählt hatte, stimmte genau mit dem überein, was Yuudai gesagt hatte. Also war Yukio einer derjenigen, die solche wie Sayuri ersetzt hatten.

„Ich bin nicht menschlich, das habe ich dir ja schon gesagt. Sie haben uns Gefühle wie Menschen gegeben, ihr Aussehen. Aber das macht niemanden zum Menschen. Unser Intellekt und unsere Gehirnfunktionen übersteigen die eines Menschen oder eines Phönix um ein Vielfaches. Sie haben uns so erschaffen, dass unsere Seele nicht fest im Körper verankert ist, wie es bei Menschen und auch bei Phönixen normalerweise der Fall ist. Wie weiss ich nicht, aber sie schufen eine Bindung mit uns und jeweils einer Krähe und deshalb kann ich meine Seele in die Krähe schicken und eine gewisse Zeit in ihr leben.“

„Die Seele der Krähe, was ist damit?“, fragte ich. Keine Ahnung warum es mich so interessierte.

„Die bleibt im Körper der Krähe. Wir teilen dann quasi einen Körper.“, erklärte er.

„Warum sind es Krähen?“ Theoretisch gesehen hätte man auch eine Fisch nehmen können.

„Weil die Krähen unter den Tieren mit dem grössten Intellekt die skrupellosesten und kleinsten sind.“

„Aber wenn du doch von Phönixen geschaffen wurdest um ihnen zu dienen, warum tust du es nicht? Also ich meine, warum musst du nicht?“

„Du weisst, dass es nicht mehr viele Phönixe gibt. Sie wurden grössten Teils vernichtet. Von Krähen, wie sie uns nennen. Sie hatten uns mit so viel Magie und was weiss ich noch alles voll gestopft, dass wir sie ohne Probleme besiegen konnten. Sie hatten uns einen eigenen Willen gegeben, weil es ohne nicht funktioniert hätte, das war ihr Fehler. Wir löschten sie aus. Aber genauso wie die Lilien, sind auch die Phönixe etwas Natürliches. Sie werden geboren, und deshalb gibt es jetzt noch einige auf der Welt.“

„Dann … bist du … schon so alt?“

„Ja, obwohl ich es nicht mehr genau weiss, so lange ist es her. Deine Fragen sind alle völlig unzusammenhängend, süss!“ Er lächelte mich an.

Ich musste mich eine Weile sammeln, dann hob ich den Kopf, lächelte zu ihm zurück.

„Lass uns gehen!“

Ich hatte die Wahrheit wissen wollen, wirklich. Aber ich hatte nicht geahnt, dass es so heftig sein würde. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte mir Yukio nicht unmenschlich vorstellen. Als eine … Kreatur oder so was. Es ging nicht.
 

Als wir durch die Haustür gingen, kam mir mein Bruder entgegen, umarmte mich. Ich konnte es nicht erwidern, wartete, bis er mich los liess. Ich liebte ihn, das konnte ich nicht leugnen, wollte ich auch gar nicht. Aber wir mussten zuerst mit einander sprechen und alles klären. Wahrscheinlich hatte er meine Steifheit mitbekommen, aber er sagte nichts.

Wir gingen ins Wohnzimmer, setzten uns hin.

„Wo suchen wir zuerst?“, fragte ich.

„Der Plan war, dass wir uns aufteilen.“, sagte Shin.

„Na gut. Wer geht wo hin?“, fragte ich weiter.

„Ich suche mit dem Auto und Yukio...“, fing Shin an, hielt dann aber inne, um Yukio einen fragenden Blick zu zu werfen.

Yukio lächelte nur und beendete dann, an mich gerichtet, Shins Satz: „...und ich werde als Krähe suchen.“

Mir entging auch dieser Blick nicht, den Shin Yukio zu warf, ungläubig. Yukio nickte nur.

„Dann suche ich in-“

„Nein.“, unterbrach mich mein Bruder, „Du musst auf Yukios Körper aufpassen. Auch wenn er nicht sterben kann. Jeder Regel kennt eine Ausnahme. Und in seinem Fall ist es sein seelenloser Körper. Diesen kann man nämlich töten. Und dann stirbt auch seine Seele.“

Ich sah Yukio an.

„Warum hast du mir das nicht gesagt?“

„Weil ich nicht wollte, dass du dir Sorgen machst.“, erklärte er mit einem schwachen, schuldbewussten Lächeln. Und ich konnte nicht anders als ihm Recht zu geben. Ich machte mir Sorgen. Ich nahm es ihm nicht übel.

„Na gut.“, gab ich mich geschlagen, „Dann bleib ich hier.“

„Kannst du mir sagen, wo Sayuri gern war? Irgendwas, was sie erwähnt hat oder so?“

„Nein, sorry … obwohl, sie war oft in der Bibliothek. Aber ansonsten weiss ich echt nichts.“

Ich hätte gern mehr geholfen. Aber sie hatte nie wirklich über sich gesprochen.

„Gut, dann fange ich dort an. Bis später!“, verabschiedete sich Shin.

„Nein, warte!“ Da war noch etwas, was ich ihn unbedingt fragen wollte.

„Weiss Sayuri das alles? Alles, was ich weiss?“, fragte ich.

Es war Yukio, der mir die Antwort gab.

„Nein. Sie weiss nur von ihren eigenen Fähigkeiten. Ansonsten hat sie keine Ahnung.“

„Ach so.“, flüsterte ich.

Es war einen kurzen Moment still, doch dann verliess mein Bruder das Haus um nach ihr zu suchen.

Auch Yukio legte sich aufs Sofa und einen Augenblick später waren seine Augen geschlossen und draussen kreischte eine Krähe.

Ich wartete, Stunden. Aber keiner meldete sich bei mir.

Ich sass die meiste Zeit bei Yukio.

Gerade hatte ich mir etwas zu trinken geholt, setzte mich wieder neben ihn.

Er war so schön. Ich fuhr mit meinen Fingern über sein Gesicht, so sanft ich konnte. Ich ging mit meinem Gesicht näher an seines ran, um alles genau betrachten zu können.

Und plötzlich lagen meine Lippen an seinen. Seine Hand an meinem Hinterkopf drückte mich zu ihm hin.

Nach dem ersten Schreck genoss ich es. Es tat gut. Ich liebte ihn. Ich liebte ihn wirklich.

Handyklingeln unterbrach uns.

Ich griff in meine Hosentasche, nahm an, noch hoch rot.

„Ja?“

„Hisa? Hisa, ich bin es, Sayuri! Hilf mir! Hilf mir, bitte! Hisa, hilf mir! Ich bin bei der Kir-“ Beep, beep.



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