Zum Inhalt der Seite

Moonblood

Mondkinder Teil 1
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

☽☾

Schon nach zwei Tagen bereute ich es, den Job angenommen zu haben, was eigentlich nicht am Job selbst lag. Ich hatte mich damit abgefunden, als ein Mensch unter vielen Vampiren besonders aufzufallen, und ließ mir auch von aufdringlichen Mädchen nicht mehr auf der Nase herumtanzen. Wenn ich ihre Fragen unverschämt und kindisch fand, sagte ich ihnen das auch, Vampir hin oder her, aber meine Nerven hielten das sonst nicht mehr aus.

Mein Problem lag bei der Busfahrt oder eher den Leuten, denen ich dort begegnete.

Die meisten ignorierten mich wohl, ein kleiner Teil musterte mich höchstens kurz kritisch wegen meinen Klamotten, die ich entweder neu gekauft oder von Linus ausgeliehen hatten, aber eine Person ließ es auch dabei nicht.

Das rothaarige Etwas – inzwischen war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob ich es mit einem Kerl oder doch einem Mädchen zu tun hatte – ließ mich während der Fahrt überhaupt nicht mehr aus den Augen und hatte gestern gleich die Gelegenheit genutzt, mit mir auszusteigen und mich anzuquatschen.

An sich nichts Schlimmes, solche Leute übersah ich gerne, wenn ich besonders müde war, nur gab sich derjenige damit nicht zufrieden, sondern packte mich am Handgelenk und ließ mich erst wieder los, als ich kurz davor stand, die umliegenden Häuser mit meinem Geschrei aufzuwecken.

Und dann hatte es auch noch die Frechheit besessen, mir die Hälfte der Strecke nach Hause so offensichtlich wie möglich zu folgen, dass ich wirklich kurz davor gestanden hatte zu rennen.

Normalerweise reagierte ich nicht so über, wenn mir jemand auf den Wecker ging, aber erstens befanden wir uns in einer Großstadt, da konnte man die Leute ganz schlecht einschätzen und zweitens fand ich ES verdammt unheimlich, was nicht daran lag, dass ich mir bei der Frage ob Mann oder Frau überhaupt nicht sicher war. Passierte heutzutage nur allzu oft.

Es lag eher an der Ausstrahlung und wie ES mich die ganze Zeit anglotzte; als wäre ich ein seltenes Tier oder eine ganz leckere Süßigkeit. Vor allem hatte ich mich nicht aus dem schmerzhaften Griff um mein Handgelenk lösen können, was für mich immer ein ungutes Zeichen war.

Wenn jemand stärker war, musste man schließlich aufpassen, dass er einem nichts tat, sonst hatte mein ein ziemliches Problem.

Auf den letzten Metern bis zur Haustür zwang ich mich zur Ruhe, damit Janina und Familie nichts von meinem kleinen Schrecken mitbekamen. Es brachte ja nichts, wenn ich ihnen die Ohren über das ominöse Etwas und seine Überlegenheit mir gegenüber volljammerte. Ein cooler Kerl wie ich sollte sich von so etwas nichts aus der Bahn werfen lassen und kam allein damit zurecht.

Aber obwohl ich mir das auch am folgenden Tag und Abend pausenlos einredete, war ich doch ziemlich nervös, was Janina auch auffiel, doch ich stritt es natürlich sofort ab, weswegen sie nicht näher darauf einging und sich wieder ihren Deutschhausaufgaben widmete.

Auf den Hinweg zum Bus und auch im Café wurde ich verschont und langsam begann ich mich zu entspannen, nur änderte sich das radikal, kaum dass ich meinen Fuß in den fast leeren Bus gesetzt hatte. ES fuhr mit und grinste mich wieder an, dieses Mal aber wesentlich gefährlicher, weshalb ich mir einen Platz so weit weg wie möglich suchte und es nicht aus den Augen ließ, wer wusste, auf was für Gedanken es sonst kam.

Kaum stand ich draußen auf dem hässlichen Asphalt, war das rothaarige Persönchen bei mir und sah gar nicht ein, weshalb es seine Finger bei sich behalten sollte. Kannte das keinen Anstand fremden Leuten gegenüber oder lebte es eigentlich auf einem anderen Planeten?

„Lass mich in Ruhe“; fauchte ich es an und wollte schnell verschwinden, allerdings hielt es nicht viel von meinem Plan und schob mich ohne viel Mühe zurück, sodass ich mit dem Rücken gegen das Haltestellenschild knallte.

„Ich mach doch gar nichts“, behauptete es dreist und setzte einen gespielt harmlosen Gesichtsausdruck auf, der mich einfach nur wütend werden ließ. Natürlich machte es etwas, es belästigte mich zum wiederholten Mal und stellte es so hin, als regte ich mich künstlich auf.

„Geh weg, Mann!“ Gereizt drängte ich mich an ihm vorbei und machte mich schon bereit, zur Not den Weg nach Hause wirklich komplett zu rennen, doch soweit ließ es mich erst gar nicht kommen, denn seine Finger hielten sich an meiner Jacke fest und fast gleichzeitig spürte ich einen stechenden Schmerz im Nackenbereich.

Spätestens jetzt war mir klar, womit ich es tatsächlich zu tun hatte – nämlich keinem normalen Durchgeknallten – und Panik breitete sich in mir aus.

Ich wollte kein verdammter Vampir sein! Ich wollte eigentlich nur ein ganz normales Leben führen ohne Religionsblödsinn und am liebsten auch ohne existierende Fabelwesen.

Rücksichtslos trat ich nach dem Ding hinter mir, traf anscheinend sein Schienbein, denn es ließ mich mit einem bösen Fluch los, und rannte einfach los. Hauptsache weg von ihm.

Dass ich mich nach zehn Minuten kein bisschen mehr auskannte, war zu erwarten gewesen, aber ich traute mich nicht, einfach stehen zu bleiben, vielleicht hatte es die Verfolgung noch nicht aufgegeben.

Nach weiteren zehn Minuten Flucht fühlte ich mich sicher genug, um anzuhalten, mein Handy aus der Tasche zu kramen und Janina anzurufen, damit sie sich auf die Suche nach mir machte. Etwas anderes blieb mir nicht übrig, allein fand ich nicht den Weg zurück und hier übernachten wollte ich auf keinen Fall.

„Was hast du gemacht?“, fragte sie entsetzt, als ich ihr mitteilte, in welcher Straße ich momentan herumstand. „Du bist fast schon wieder in der Innenstadt.“

Das hatte ich befürchtet. „Erzähl ich dir später, aber hol mich erst hier ab. Beeil dich bitte, okay?“ Nicht dass wieder dieser bescheuerte Vampir auftauchte und mich anzapfte, davon hatte ich heute echt genug.

Nach einer gefühlten Ewigkeit kam etwas auf mich zugehuscht und zum ersten Mal in meinem Leben freute ich mich, einen Wolf zu sehen, der sich auch gleich in Janina verwandelte, die mich sorgenvoll musterte. Wahrscheinlich musste ich noch ziemlich mitgenommen aussehen.

In Kurzfassung berichtete ich ihr, warum ich nicht direkt nach Hause gekommen war, und zeigte ihr die Verletzung an meinem Hals. Hoffentlich hatte das Vampirvieh nicht so viel Blut von mir getrunken, dass das irgendwelche Auswirkungen für mich hatte, denselben Schrott wie Zoe wollte ich wirklich nicht mitmachen.

„Das gibts doch nicht, wie oft soll ich Mads noch sagen, er soll seine Freunde daran hindern, andere einfach anzufallen?“, schimpfte sie leise vor sich hin. „So schwer kann das doch nicht sein. Wie sah denn der Vampir aus?

„Etwas kleiner als ich, rote Haare, ziemlich dünn. Hat mich meistens total dämlich angegrinst.“ Hoffentlich wurde Zoe später nicht auch so und zwang anderen Menschen ungefragt ein Leben als Vampir auf. „Aber frag mich nicht, ob das ein Typ oder ein Mädchen war, das konnte man echt nicht erkennen.“

Janina schwieg verdächtig lang, bevor sie leise seufzte. „Ich glaub, da kann Mads auch wenig machen?“

„Wieso?“ Sonst bekam er doch auch fast alles auf die Reihe.

„Weil Iskah sowieso nicht auf ihn hören würde.“

„Was ist dass denn für ein Name?“ Klang ja fast so verrückt wie das Ding aussah.

„Ein Spitzname, den richtigen Namen kennt keiner. Bis vor ein paar Jahren war Iskah wohl in Mads Gruppe, hat sich aber so daneben benommen, dass Mads ihn oder sie – was genau es ist weiß ich auch nicht – rausgeworfen hat.“

„Schön.“ Das hieß, Iskah würde keiner Grenzen setzen und ich wäre weiterhin bedroht, solange es nicht das Interesse an mir verlor.

„Immerhin weiß ich jetzt, dass du nicht infiziert worden bist.“

„Und warum?“ Hatte ich zufällig ein Schild auf der Stirn kleben, auf der das stand oder warum war Janina sich da so sicher?

„Iskah hat einen Gendefekt. Wenn jemand von ihm oder ihr gebissen wird, stirbt derjenige sofort ohne danach ein Vampir zu werden. Das kommt manchmal vor und die meisten Vampire achten dann darauf, den Leuten nur so viel Blut auszusaugen, dass sie dadurch nicht einfach sterben.“

„Aber Iskah hat das wohl wenig interessiert“, vermutete ich einfach mal. Das wäre vielleicht auch ein Grund, weshalb Mads ihn gekickt hatte.

„Genau, deshalb kann Iskah jetzt sozusagen machen, wozu er oder sie Lust hat. Aber keine Angst, wir werden was unternehmen, damit du nicht noch mal belästigt wirst.“ Sie schenkte mir wieder ein aufmunterndes Lächeln und mir blieb gar nichts anderes übrig, als ihr zu glauben.
 

Als ich mich am nächsten Morgen noch ziemlich verschlafen an den Frühstückstisch setzte, waren Janina und Linus schon heftig am Diskutieren, was man am besten unternehmen musste, um mich zu schützen.

Während Linus vorschlug, mir einfach eine andere Arbeit und vor allem einen anderen Weg dorthin zu suchen, blieb Janina bei dem Standpunkt, sich nicht von Iskah einschüchtern zu lassen.

Irgendwie war es mir peinlich, am Sonntagmorgen das Dauergesprächsthema zu sein, aber ich ließ es mir nicht anmerken, aß zwei Brötchen und hörte aufmerksam zu, ob die beiden Geschwister heute noch auf einen gemeinsamen Nenner kamen oder ob sich das doch noch etwas länger hinzog.

Gefühlte Stunden später kam Janina auf die Idee, dass Iskah mich in Begleitung eines Werwolfs vielleicht in Ruhe ließ und startete sofort den Versuch, Linus davon zu überzeugen, diesen Part zu übernehmen. Natürlich wollte er davon nichts wissen, suchte nach Argumenten, um nicht meine Begleitung spielen zu müssen, und wurde am Ende doch dazu gezwungen.

Mit einem demonstrativ genervten Seufzen schob er seinen Teller von sich weg, warf seiner Schwester und mir noch ein paar Blicke zu, die alles andere als freundlich wirkten, und schlurfte in sein Zimmer. Fehlte eigentlich nur noch, dass er die Tür hinter sich zuknallte, aber da wollte er dann wohl doch den Bogen nicht überspannen.

„Er wird sich schon wieder einkriegen“; versprach Janina ihren Eltern sofort. „Ihr wisst doch, wie er ist.“

Gleich kam wieder die Behauptung, dass Linus sich in Wirklichkeit darüber freute, mit mir jeden Abend die Strecke hin- und wieder zurückzugehen, ich sah es schon.

Doch Janina verkniff es sich zum Glück und schenkte stattdessen ihrem Frühstücksei ihre volle Aufmerksamkeit. Das Thema Iskah und war somit bis auf Weiteres erledigt.
 

„Und komm bitte pünktlich, verstanden?“

„Werd ich.“ Linus wartete eigentlich nur darauf, sich zu verabschieden.

„Am besten früher.“

„Ich werds versuchen.“

„Super und wenn du es nicht schaffst, bin ich vielleicht tot.“

„Ist ja gut, ich komm früher. Bis später.“ Linus hatte den Satz noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da hatte er mir schon den Rücken zugedreht und lief davon.

Netter Junge, langsam traute ich ihm zu, dass er zwar zu früh hier ankam, sich aber versteckte, zusah, wie Skha mich fast umbrachte und sich höchstens dann erst einmischte.

Außerdem hatten wir soeben unser bis jetzt längstes Gespräch geführt, in dem natürlich ich die meiste Zeit geredet hatte, war ja nicht anders zu erwarten gewesen.

Nur kam mir ein dummer Gedanke: Wenn Linus aus Prinzip die Unwahrheit sagte, dann hatte er gerade eben zum ersten Mal etwas Wahres gesagt oder er würde wirklich erst später kommen.

Na wunderbar, das konnte noch was werden.
 

Trotz allen Zweifeln stand Linus um zehn nach elf an der Haltestelle, hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und wirkt geistig ziemlich abwesend. Aber immer noch besser, als wenn er gar nicht aufgekreuzt wäre.

Hastig sprang ich aus dem Bus und rannte fast in Linus hinein, um auf jeden Fall aus Iskahs Reichweite zu kommen, da es es sich nicht nehmen ließ, nach mir den Bus zu verlassen, mit derselben Miene wie gestern im Gesicht.

Zum ersten Mal war ich echt froh, Linus bei mir zu haben, auch wenn er bis jetzt keinen Finger gerührt hatte.

„Traust du dich jetzt nicht mehr allein nach draußen oder was?“, fragte Iskah spöttisch.

„Wenn jemand Irres wie du in der Gegend rumrennt lieber nicht“, konterte ich schnell und wartete eigentlich nur darauf, dass Linus sich in Bewegung setzte, damit wir verschwinden konnten.

Natürlich wollte sich Iskah von Linus‘ Anwesenheit allein sein Vorhaben, mir auf die Pelle zu rücke, nicht verderben lassen, aber spätestens, als ein großer, dunkelbrauner Wolf zwischen mir und Iskah stand und es bedrohlich anknurrte, änderte es sein selbstgefälliges Auftreten – hoffentlich auch seinen hirnrissigen Plan – und wich ein paar Schritte zurück.

Da mochte jemand wohl keine Werwölfe.

Wenn Iskah schon von Linus abgelenkt war, konnte ich das gleich ausnutzen und mich aus dem Staub machen. Immerhin hielt Linus es nicht aus Langweile vor mir fern.

Nach wenigen Metern merkte ich schon, dass Linus wieder bei mir war, aber regelmäßig den Kopf umwandte, um zu überprüfen, ob Iskah uns verfolgte oder in Frieden ließ. Zum Glück traf letzteres ein und wir kamen schnell voran.

Dankbar legte ich dem Wolf meine Hand auf den Rücken und ganz kurz drückte er wie zur Bestätigung seine Schnauze gegen mein Bein, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf unsere Umgebung richtete.
 

Dieses Mal traute ich meinen Augen und Ohren kaum, als leise die Tür aufglitt und ein Schatten, der deutlich kleiner war als normal, auf vier Pfoten auf mich zugetrottet kam. Als ob ich heute noch nicht genügend Begegnungen mit einem Wolf gemacht hätte.

Der Junge konnte froh sein, dass ich keine Tierhaarallergie hatte, denn ein Wolf direkt neben einem auf der Decke war dann doch etwas anderes als einer, der auf der Straße neben mir herlief.

Obwohl Janina mir ja versichert hatte, dass sie ihren Wolfmodus genauso gut kontrollieren konnten wie ihre normale Gestalt, was ich vorhin nur zu gut erlebt hatte, fühlte ich mich doch etwas unwohl, mein Plätzchen mit einem fast ausgewachsenen Wolf zu teilen.

Schon im Normalzustand war Linus keine Feder, aber bei diesem Wolf bestanden gute Chancen, dass er mich im Schlaf ausversehen platt rollen konnte. Und falls er in der Nacht zufällig zubiss und meine Hand erwischte...

Ich sollte mich ganz schnell wieder beruhigen, ich klang wie eins dieser hysterischen Mädchen und so wollte ich nicht enden, selbst wenn ich die Situation nicht ganz so optimal fand. Da konnte der Wolf neben mir noch so weiches Fell und ein wenig Sicherheitsabstand haben, besonders geheuer war mir das nicht.

Zögerlich legte ich eine Hand auf Linus‘ weichen Wolfskopf und streichelte ihn ein wenig; hoffentlich orientierten sich Werwölfe an Katzen und freuten sich darüber statt ohne Warnung zuzuschnappen.

Ansonsten endete diese Nacht doch noch schmerzhaft für mich.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  koennte-sein
2010-04-12T14:49:51+00:00 12.04.2010 16:49
das mit dem kerl...(bei dem gedanken bleib ich einfach mal. Vielleicht ist es aber auch ein Mädchen.) was nicht stimmt, wusste ich vom ersten augenblick...hach jetzt freu ich mich <3
ich finde es im übrigen grad sehr extrem, wie schnell deine kapi´s in der story on kommen. nmicht das es mich stören würde *grins*
also dann
leibe grüße von mir


Zurück