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Vertrauen und Verrat

von

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Geheimnisse und Schwierigkeiten

Kian und Alice unterhielten sich noch Stunden, eigentlich bis die Party zu Ende war. Die Vierzehnjährige brachte uns sogar bis zur Tür, angeblich weil Dean und George, der bei ihm übernachtete, zu viel getrunken hatten und jetzt besoffen waren. Ryan, Kian und ich machten uns auf den Weg zur Tür. Wir würden nach Hause laufen. Ich lächelte freundlich und verabschiedete mich. „Tschüss, Alice. Sag deinem Bruder, er soll nicht immer besaufen.“

Sie nickte, dann zupfte sie an ihrem Oberteil herum. „Eh, Kian? Ich- eh… also.“

Mein bester Freund schaute sie überrascht an. „Was gibt’s?“

Alice starrte auf den Boden. Ihr Gesicht nahm eine rötliche Farbe an. „Also… Wenn es dir nichts ausmacht, dann könnten wir uns vielleicht mal treffen?“

Kian nickte. „Klar. Warum nicht?“

„Okay.“, sagte Alice, hörbar erleichtert über die Antwort meines besten Freundes, „Ich melde mich dann irgendwann mal.“ Mit diesen Worten ging sie zurück ins Haus und knallte die Tür hinter sich zu.

Kian, er war mehr als nur ein bisschen verwirrt, starrte auf die geschlossene Tür. „Was war das denn jetzt?“, fragte er, als wir uns auf den Heimweg machten.

Ryan und ich seufzten synchron. „Kapierst du überhupt nichts?“, kam es gereizt aber auch ein kleinwenig verwundert von meinem Klassenkameraden.

Da Kian auch daraus nicht schlau wurde, erklärte ich ihm das seltsame Verhalten des Mädchens. „Alice scheint sich in dich verliebt zu haben…“

Eine Weile war es still. Ryan verkniff sich das Lachen, während Kian mich völlig verdattert anstarrte. „B- bist du sicher?“, fragte er leicht geschockt.

Zuerst konnte ich mir diese Reaktion nicht erklären, da er Alice auch zu mögen schien, doch dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Deans Schwester würde ich mächtige Schwierigkeiten geraten, wenn es zwischen ihr und Kian eine ernste Sache wurde. Sie durfte ja nicht wissen, was oder wer er wirklich war, ansonsten hätte sie nicht mehr lange zu leben.

Ich schaute Kian ernst an. „Und wie sieht es auf deiner Seite aus? Unsympathisch ist sie dir ja nicht, so wie ihr geflirtet habt…“

„Ich-“, setzte Kian mit einem hochroten Kopf an, „Ich- also… Das ist so…“

Er hatte sich also tatsächlich in sie verliebt. Das war schlecht, sehr schlecht, für sie und ihn. Ich seufzte und griff mir an den Kopf. „Sag, dass das nicht wahr ist.“

„Ich wünschte, ich könnte…“, flüsterte Kian leise und starrte auf den Boden. Er ging auf die nächste Mauer zu und schlug mit der Faust dagegen. „Scheiße!“

„So schlimm ist es nun auch wieder nicht.“, mischte sich Ryan ein.

„Du hast keine Ahnung.“, schrie Kian ihn an, „Weißt du, was passiert, wenn einer von meinen Verwandten das herausfindet? Die schrecken nicht davor zurück, sie einfach verschwinden zu lassen. Dann werden ihre Überreste in ein paar Jahren irgendwo in einem Wald gefunden.“

Ryan riss seine Augen auf uns starrte meinen besten Freund geschockt an. „D- das ist nicht dein Ernst. So etwas würde doch keiner tun!“

Kian schüttelte seinen Kopf. „Du darfst sie nicht als normale Menschen betrachten, denn das sind sie nicht. Sie haben strenge Regeln, die allen jeglichen Kontakt mit Personen, die nicht zur Familie gehören, verbieten. Eigentlich dürfte ich nicht hier sein. Ich dürfte mich nicht mit euch unterhalten. Ich dürfte keine Freunde haben…“

Ryan schluckte. Damit schien er nicht gerechnet zu haben. „Und du lässt dir das alles nicht gefallen? Wehrst du dich nicht dagegen?“

Auf dem Gesicht meines besten Freundes erschien ein schwaches Lächeln. „Sonst wäre ich ja wohl kaum jetzt hier, oder? Ich kann ihnen aber nicht viel entgegensetzen.“

Obwohl ich das alles schon wusste, schockte es mich dennoch, als ich es aus Kians Mund hörte. Zuvor hatten wir nicht so direkt darüber gesprochen. Er hatte es nur kurz umschrieben. Mehr war nicht nötig gewesen. Den Rest hatte ich ja schon gewusst.

Wir setzten unseren Heimweg fort, schweigend. Keinem schien ein geeignetes Gesprächsthema einzufallen. Der Abend war ja mal wieder super verlaufen. Schlimmer konnte es wirklich nicht mehr werden, da war ich mir sicher und Kian wusste das bestimmt auch. Wir hatten eine tickende Zeitbombe ausgelöst. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis diese explodierte oder alles zusammenbrach.

„Ich gehe.“, hörte ich Kian plötzlich sagen, „Unter diesen Umständen kann ich nicht länger hier bleiben. Ich würde euch und besonders dir und Alice nur Schwierigkeiten bereiten.“

Ich blieb stehen und schüttelte meinen Kopf. „Und wo willst du hin? Wieder zurück? Wegen mir musst du nicht gehen. Ich habe von Anfang an gewusst, auf was ich mich da einlasse. Ich weiß, wie es enden könnte und es ist mir egal. Wie oft soll ich es eigentlich noch sagen? So leicht lass ich mir meinen besten Freund nicht wieder wegnehmen.“

Inzwischen hatten auch die anderen angehalten. Ryan schaute mich verwundert an, während Kian völlig geschockt über diese Worte schien. „Alec, du?“

„Hör endlich auf, so einen Müll zu reden!“, forderte ich ihn auf, „Und hör endlich auf, vor deinen Problemen davonzulaufen. Wenn du ernsthaft versuchst, eine Lösung zu finden, dann wird es auch irgendwie funktionieren. Da bin ich mir sicher.“

Mein bester Freund nickte schwach. „Danke… Ohne dich wäre ich manchmal echt aufgeschmissen. Ohne deine Hilfe hätte ich es nie so weit geschafft.“

„Und ohne deine wäre ich längst tot.“, flüsterte ich leise, damit nur Kian es verstand.

Ryan lachte, er hatte meine Worte eben nicht gehört. „War das jetzt ein Liebesgeständnis?

Zuerst starrte ich Kian etwas verdutzt an. Er starrte mit dem gleichen Ausdruck in den Augen zurück. Dann prusteten wir zeitgleich los. „Ganz sicher nicht.“

„Da bin ich aber beruhigt.“, scherzte Ryan, woraufhin der sich eine Kopfnuss von mir einfing. „Idiot! Woran hast du gerade gedacht? Das war sicher nicht jugendfrei.“

„Gar nicht wahr.“ Ryan stritt alles ab. Normalerweise hätte ich ihn noch länger damit geärgert, aber heute hatte ich keine Lust dazu. Auf Dauer strengte es an, ein falsches Lachen aufzusetzen, damit den anderen nicht auffiel, in welcher ernsten Lage Kian und ich uns gerade befanden. Es fühlte sich falsch an, aber ich hatte keine andere Wahl.

Vor dem Haus von Ryans Eltern trennten wir uns. Mein Klassenkamerad verabschiedete sich noch. „Tschüss. Bis Übermorgen. Und vergiss nicht, in die Schule zu kommen.“

Ich nickte, trotz seiner Anspielung. Sie interessierte mich nicht wirklich. „Tschüss.“

Kian und ich setzten unseren Weg fort. Kaum waren wir außer Hörweite, setzten wir das Gespräch von vorhin fort. Ich schaute ihn ernst an. „Und du hast dich wirklich in Alice verliebt?“, fragte ich, nur um auf Nummer sicher zu gehen.

Kian nickte, mit einem gestressten Gesichtsausdruck antwortet er: „Es sieht so aus.“

„Was wirst du jetzt tun?“, wollte ich von meinem besten Freund wissen, „Es versuchen oder ihr einen Korb geben? Oder etwas ganz anderes?“

Kian seufzte. „Ich werde sie so lange abweise, bis sie aufgibt. Wirkt das nicht, dann muss ich mir etwas einfallen lassen. Notfalls verjag ich sie mit Gewalt.“

„Das hört sich aber nicht besonders freundlich an.“, meinte ich.

Mein Gesprächspartner nickte. „Ich weiß, aber mir bleibt nichts anderes übrig. Du weißt, was mit Menschen passiert, die aus Versehen von uns erfahren. Und was sie mit ihr anstallen werden ist noch um einiges schlimmer. Wenn ich sie jetzt genug verletze, liegt sie maximal zwei Wochen mit Liebeskummer im Bett und danach hat es sich wieder. Gebe ich aber meinen Gefühlen nach, endet es in einer Katastrophe, für uns beide.“

Ich nickte. „Das weiß ich. Aber bei mir hast du auch nachgegeben.“

„Was hätte ich sonst tun sollen? Zusehen, wie du dein Leben wegwirfst, aus irgendeiner dummen Laune heraus? Du weißt, dass du ihnen ohne die Kette schutzlos ausgeliefert bist. Ich hatte keine andere Wahl, dich dazu zu bringen, nicht ungeschützt herumzulaufen. Du hättest alles verlangen können, wirklich alles, aber was wolltest du? Mich…“

Diese Aussage brachte mich zum Grinsen. „Also ist as ganze so eine Art Deal. Ich trage die komische Kette und dafür haust du nicht wieder einfach ab.“

„So in etwa.“, meinte Kian, „Wobei ich mich dir aufgedrängt habe.“

Ich grinste. „Ach was. So würde ich das auch nicht nennen. Klar, war ich etwas geschockt, als du auf einmal halb tot vor meiner Tür lagst, aber das heißt noch lange nicht-“

Mein bester Freund lachte. „Ich weiß. Das war wirklich eine ganz blöde Idee, aber ich hatte keinen Ort mehr, an den ich sonst hätte gehen können.“

Wir erreichten das Haus, in dem meine Wohnung lag. Leise schloss ich die Tür zum Treppenhaus auf, da sämtliche Nachbarn sicher schon schliefen und ich keinen unnötigen Stress wollte. Wir stiegen leise die Treppen hinauf und liefen zu meiner Wohnung, wo ich dann die Tür aufschloss und das Licht einschaltete und die Tür hinter uns wieder schloss.

Ich ließ mich auf den Küchenstuhl fallen. „Mal angenommen, du würdest jetzt zu deinem Rudel oder wie ihr es nennt zurückgehen. Was würde dich erwarten?“, fragte ich Kian, was ich schon die ganze Zeit wissen wollte, aber nie wagte, es wirklich auszusprechen.

Zuerst antwortete Kian nicht, dann bildete sich ein schwaches Lächeln auf seinem Gesicht und er schaute mich aus traurigen Augen heraus an. „Willst du, dass ich gehe?“

„Natürlich nicht!“, schrie ich, woraufhin er zusammenzuckte, dann senkte ich meine Stimme wieder, aus Respekt vor den Nachbarn „Das ist- Ich mache mir nur Sorgen um dich. Den ganzen Tag lang liegst du nur im Bett und schläfst. Du verlässt nie freiwillig meine Wohnung und meidest den Kontakt zu allen Personen außer mir.“

Kian wendete seinen Blick ab und starrte auf den Boden. Er war am Boden, das wusste ich. Dazu kannte ich ihn gut genug. Nur wusste ich nicht, weshalb er einfach alles verschwieg und hinunterschluckte, wenn es ihn doch so fertig machte…

„Du kannst gehen, wenn du willst, so lange du nicht wieder den Kontakt abbricht und mich ab und mich ab und zu besuchst. Das ist es doch, was du willst, oder? Du vermisst deine Freunde und würdest sie gerne wieder treffen. Keine Angst, ich werde dich nicht aufhalten.“

„Alec…“, murmelte Kian und ich hörte einen traurigen Unterton in seiner Stimme, „Meine Cousine und einige andere würde ich schon gerne mal wieder sehen, aber sie kommen für gewöhnlich nicht in die Stadt und zum Rudel zurück kann ich nicht. Sie würden mich nicht mehr gehen lassen und so lange einsperren, bis ich nicht mehr zurück zu dir will.“

„Ich verstehe dich nicht.“, flüsterte ich leise und schwach, „Wieso meldest du dich dann nicht bei ihnen? Wenn sie deine Freunde sind, werden sie auch zu dir halten… Du brauchst ihnen ja nur irgendwo eine Nachricht hinterlassen, in der ein Treffpunkt und eine Zeit stehen.“

Eine Weile schwieg Kian, dann nickte er schwach. „Ich könnte es versuchen.“

Das war es, was ich hören wollte. Vielleicht half ihm das ja irgendwie. Etwas anderes, mit dem man Kian auf andere Gedanken bringen konnte, fiel mir nicht ein. Aber wenn er sich mit seinen anderen Freunden traf, löste sich das Problem vielleicht von allein. Das hoffte ich jedenfalls. Denn ich wollte meinen besten Freund nicht länger so sehen.

Lange schwiegen wir uns noch an, an diesem Abend oder eher frühen Morgen, denn es war schon weit nach Mitternacht. Draußen schien der Vollmond und leuchtete in meine Wohnung, erhellte die sonst dunkle Küche ein wenig und warf lange Schatten. Vieles in dieser Nacht erinnerte mich an den Tod meiner Mutter, aber es gab auch vieles, was anders war, neu war. Damals war ich allein gewesen. Jetzt hatte ich zwar keine Familie mehr, aber dafür gute Freunde, auf die ich mich immer verlassen konnte und ich hatte meinen besten Freund wieder zurück. Nur wusste ich nicht, wie lange es noch so weitergehen konnte. Es war eigentlich eine Notlösung gewesen, ihn mit bei mir wohnen zu lassen…

Insgeheim hatte ich angst, dass ich Kian nicht wiedersah, wenn er sich jetzt mit seinen Freunden traf, aber trotzdem würde ich ihn nicht aufhalten. Das wäre nicht fair gewesen. Ich wusste, wie sehr er darunter litt, meine unmögliche Forderung zu erfüllen. Manchmal bereute ich es sogar, meinen besten Freund zurückverlangt zu haben. Ich hatte nicht nachgedacht und egoistisch gehandelt. Klar, er hatte gesagt, ich könne alles verlangen, aber das rechtfertigte das noch lange nicht. Er bemühte sich, meine Forderung zu erfüllen und litt darunter.

Deswegen würde ich ihn auch nicht aufhalten, ging er mit seinen Freunden. Selbst wenn ging, ohne sich noch einmal zu verabschieden, würde ich nichts unternehmen. Aber ich hoffte, dass es sich wieder legen würde und nie so weit käme.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chrono87
2010-05-01T17:50:27+00:00 01.05.2010 19:50
ein tolles kapitel, auch wenn ich es traurig finde.
in dem kapitel kommt es mir so vor, als würde kian nichts von der liebe wissen. oder hatte er noch nie eine freundin?
jedenfalls musste man ihn erst aufklären.
was seine familiengeschichte und deren regeln angeht, stellen einem die nackenhaare auf, auch wenn ich das vorher schon wusste. es so brutal aus dem mund kians zu hören ist etwas anderes. daher kann ich alec ganz gut verstehen.
der arme kian. hoffentlich hilft es ihm wirklich, wenn er mit seiner cousine und einigen seiner freunde redet. nur was passiert, wenn sie ihn in den hinterhalt locken?
lg chrono87


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