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Jack Weaver - Die Prähistorischen Sechs

von

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Ein Neues Leben

Ein Neues Leben
 

Jack stöhnte als ihn die kräftige Hand grob herumwirbelte und dann auch seine andere Schulter packte. Der Griff des Mannes war wie ein Schraubstock und machte sofort jedes Losreißen unmöglich.

Er war groß, mindestens zwei Köpfe größer als Jack, hatte breite Schultern und einen kräftigen Körper. Sehnige Muskeln zeichneten sich unter seiner bleichen Haut ab. Die beiden Arme waren bis hoch zu den Schultern tätowiert. Nicht ein einziger Zentimeter war frei von verschiedenen Motiven: Flammen, kringelnde Pflanzen, Meereswogen, allerlei merkwürdige Gesichter und Symbole, deren Bedeutung Jack nicht kannte. Und auf seiner rechten Schulter prangte ein Tier in der Art, wie Jack sie inzwischen kannte: Das Zeichen eines Zodiacträgers. Es sah aus wie der Schattenschnitt eines Dobermanns.

Der Hüne selbst sah aus wie ein Soldat. Die schwarzen Haare, die im krassen Gegensatz zu seiner fast weißen Haut standen, trug er kurz geschoren. Über den Beinen hatte er breite Hosen in Tarnmustern und mit großen Taschen an den Seiten. Sie endeten in straff geschnürten Militärstiefeln. Sein Oberkörper bedeckte nur ein dunkelgrünes Tanktop. Seine strengen Augen glotzten unbarmherzig auf Jack herab.

Hinter ihm, halb versteckt hinter dem klotzigen Kerl, stand ein alter Bekannter. Jack erkannte ihn sofort als den kleineren G.I. Joe, der Junge der Falk Trevis in die Tropfsteinhöhle begleitet und die Leute vor dem Kampf gegen Corona evakuiert hatte.

Er sah noch genau so aus wie am Tag des Kampfes: kurz geschorene mausbraune Haare, Tanktop und Hosen ebenfalls in Tarnmustern, ebenso streng geschnürte Militärstiefel, athletischer Körperbau. Im Gegensatz zu dem Hünen hatte der Junge aber einen freundlichen Ausdruck im Gesicht und schien seine Neugier gegenüber Jack nur schwer in Grenzen halten zu können. Er lächelte nur ansatzweise und stand völlig stramm mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und breitbeinig. Doch in seinen großen grünen Augen konnte man sehen, dass er sich über Jacks Anwesenheit freute. Warum auch immer.

Jack selbst versuchte sich zu befreien, doch das war ein Ding der Unmöglichkeit. Die Kraft des Hünen war unmenschlich.

„Lass mich los, du Gorilla!“, brüllte er aufgebracht und trat dem Mann gegen das Schienbein. Doch wenn er das gespürt hatte ließ er es sich nicht anmerken. Auch die Beleidigung ging völlig wirkungslos an ihm vorbei.

„Jack Weaver, du bist verhaftet.“, knurrte er noch einmal.

„Das sagtest du bereits! Jetzt lass schon los! Ihr habt kein Recht mich hier festzuhalten!“

„Kommst du freiwillig mit?“

„Was glaubst du denn?“

Jack blickte den Hünen herausfordernd an. Er hatte nicht die geringste Chance gegen ihn, das wusste er, aber er konnte nicht anders. Er trat ihm noch einmal gegen das Bein, aber scheinbar bestand dieser Mann aus Beton. Nicht nur das er keinerlei Reaktion zeigte, Jacks Zeh fühlte sich an als hätte er ihn gegen eine Wand gehämmert.

Aber auch er ließ sich den Schmerz nicht anmerken. Auch nicht den, den der grobe Griff um seine Schulter hinterließ.

„Ich frage noch einmal.“, sagte der Mann unbeirrt. „Kommst du freiwillig mit?“

„Nein!“

Ein bösartiges Grinsen erschien in dem bleichen Gesicht.

„Sehr gut.“, sagte der Hüne und sein Griff wurde so stark, dass Jack keuchte. Für einen Moment dachte er der Mann würde ihm die Schultern auskugeln, doch dann hob er ihn doch nur vom Boden hoch als ob er nichts wiegen würde. Der Typ grinste als hätte er einen Heidenspaß.

Wie einen Sack warf er sich Jack über die breite Schulter, klemmte ihn zwischen seine Armbeuge und wandte sich um.

„Gehen wir, Jason.“, sagte er zu seinem jungen Partner mit einem leichten Befehlston.

„Jawohl, Sir.“, antwortete der zackig und die beiden trabten los.

Jack wehrte sich noch einen Moment, indem er mit den Beinen strampelte und mit aller Kraft auf den Rücken des Hünen eindrosch, aber das zeigte wie erwartet keinerlei Wirkung. Schließlich wurde ihm klar dass seine Flucht ein jähes Ende genommen hatte und er ließ sich hängen. Da war er Crux entkommen und lief einfach so in die Arme von anderen Leuten, die ihn anscheinend gesucht hatten.

Er hätte sich auch vorher denken können dass Doktor Rain nicht einfach nichts unternehmen würde. Sicherlicht hatte die Ärztin diesen beiden Militärfritzen Bescheid gegeben und die waren sofort ausgerückt um ihn einzusammeln.

Er seufzte und biss vor Enttäuschung die Zähne zusammen. Das Bild seiner Mutter geisterte sofort wieder in seinem Kopf herum. Die Machtlosigkeit war unerträglich.

„Pscht.“

Jack sah auf und schaute in das Gesicht von Jason, der ihm zulächelte und ihn damit scheinbar aufmuntern wollte.

„Es ist alles gut.“, flüsterte er leise und zwinkerte.

„Gefreiter! Ruhe!“, bellte der Hüne sofort.

„Jawohl, Sir. Entschuldigen Sie, Sir.“, rief Jason wie aus der Pistole geschossen. Sein Lächeln verlor er dabei nicht.

Erst als Jack ihm den Stinkefinger zeigte wandelte sich seine Miene von freundlich zu überrascht und schließlich zu enttäuscht.

Es war nicht gerade die höfliche Art auf seine sicherlich gut gemeinten Worte zu reagieren, aber Jack war im Moment nicht in der Stimmung darauf einzugehen. Immerhin hinderte dieser Jason ihn an der Flucht indem er für den tätowierten Hünen den Untergegebenen mimte.

Jetzt hatte der junge Rekrut ein ausdrucksloses Gesicht wie es sich für einen ordentlichen Soldaten gehörte. Mit strammen Schritten lief er dem Hünen hinterher und würdigte Jack mit keinem Blick mehr.
 

Ihm war das nur Recht. So hatte er genügend Zeit sich endlich in der Umgebung umzuschauen. Seine beiden Häscher gingen um den mit Gras bewachsenen Hügel herum, aus dem hie und da Öffnungen herausragten. Röhren, die ähnliche Funktionsweisen haben mochten wie der Lüftungsschacht, aus dem Jack gekrochen war. Der Hügel schien das Dach der Krankenstation zu sein und schmiegte sich perfekt in die Landschaft hinein.

Hinter dem Hügel und hinter Jason sah Jack eine riesige, mehrere Hektar große Rasenfläche und dahinter einen noch viel größeren Nadelwald, der sich wie ein Meer viele Kilometer weit zu strecken schien. Ein kleiner Fluss schlängelte sich aus diesem Wald heraus am Rand der Rasenfläche entlang. An dessen Ufern wuchsen einige Laubbäume.

Die Grenze dieser Grünanlage lag weit weg und nahm Jack die Hoffnung, dass er sich noch in der Nähe von Berlin befand. Riesige graue Berge mit weißen Schneekappen bohrten sich in den blauen, wolkenlosen Himmel und bildeten so eine natürliche Grenzlinie.

Waren das die Alpen?

In Jacks Magen kribbelte es. Vermutlich war seine Mutter weiter weg als er befürchtet hatte. Seine Flucht wäre so oder so in die Hose gegangen. Eine Einsicht die ihn nur noch mehr betrübe. Crux hatte Recht gehabt. Jetzt kam er sich nur noch lächerlich vor.

Die beiden Typen trugen ihn um den Hügel herum und jetzt kam auch der Rest des Geländes in Sicht.

Den meisten Platz auf der anderen Seite der Krankenstation nahm ein riesiger Gebäudekomplex ein.

Es sah fast aus wie eine Villa, die ein paar Nummern zu groß geraten war. Mit vier Stockwerken, jeder Menge Fenstern, mehreren breiten Türen, die zu allen Seite herausführten und kleinen Türmen an jeder Ecke war das Gebäude ziemlich beeindruckend und erinnerte fast an ein Schloss. Die Mauern hatten eine dunkelrote Färbung und das Dach, das mit reich verzierten Giebeln ausgestattet war, schimmerte in der Sonne bläulich.

Jack hätte gerne gefragt ob dass die schon erwähnte Zodiac Akademie war, aber nach seiner unflätigen Geste traute er sich nicht. Am Ende hielt Jason das noch für eine Art entschuldigender Annäherungsversuch und das wollte Jack auf jeden Fall vermeiden. Er wollte sich mit keinem Zodiacträger anfreunden und Jason war mit Sicherheit ebenfalls einer von ihnen.

Kurz bevor die Beiden ihn wieder in die Krankenstation hinunter trugen, der Eingang war eine Tür, die sich in den Hügel hineinbohrte und die man über eine kurze Treppe erreichte, entdeckte Jack noch ein weiteres Gebäude.

Westlich der riesigen Villa, etwas abseits des Geländes, stand ganz nah am Wald, der das ganze Gelände zu umringen schien, ein einstöckiger Betonklotz mit kleinen Fenstern. Ein Maschendrahtzaun war darum errichtet worden und ein streng gerader Betonweg führte zur einzigen Tür des Gebäudes. Dieses Haus schien angesichts der Harmonie, die sonst auf dem ganzen Gelände herrschte, schrecklich fehl am Platz.

Jason schien bemerkt zu haben dass Jack dorthin schaute und wollte wohl etwas sagen, verkniff es sich aber dann doch.
 

Die Tür der Krankenstation öffnete sich automatisch als sich der Hüne mit seinem Paket und seinem Schüler näherte. Sie betraten eine kühle Eingangshalle, in der nur ein unbesetzter Tresen und ein halbes Dutzend an die Wand geschraubte Plastikstühle waren. Der bleiche Mann trat an einen der beiden Fahrstühle, die die hintere Wand einnahmen, und drückte schweigend auf den Schalter.

Die Tür glitt saugend auf und verschlang die drei Passagiere. Ein Knopf wurde gedrückt und die Fahrt nach unten begann.

Und wieder zurück in die Höhle des Löwen, dachte Jack bitter. Und das nach einer so filmreifen und spektakulären Flucht.

Es dauerte nur einige Sekunden bis der Fahrstuhl sanft abbremste und die Tür erneut auf glitt. Der Hüne trat in die Eingangshalle, die Jack vor einer guten Stunde zwar schon gesehen aber nicht erreicht hatte.

„Gott sei Dank, Sie haben ihn gefunden!“, erklang Doktor Rains besorgte Stimme. Jack versuchte sich klar zu machen dass diese Frau auf der falschen Seite stand und gegen ihn war. Aber als er ihre Stimme hörte wollte er das einfach nicht glauben.

„Meine Güte, Fang! Packen sie den armen Jungen doch nicht so grob an. Er ist doch kein Sack Kartoffeln!“, rief sie jetzt.

Lass ihn doch. Ich finde das gut so. Drücken Sie ruhig noch stärker zu, Leutnant. Der Kleine soll richtig schön leiden. Ich würde gerne sehen wie seine Augen aus den Höhlen treten.

Jacks Herz machte einen Sprung. Da war sie wieder. Die Stimme von Crux hallte wie gewohnt in seinem Kopf wider.

„Sei gefälligst still, Crux.“, zischte die Ärztin. „Und Sie setzen jetzt sofort den Jungen auf den Boden!“

„Ja, bitte setzen Sie ihn ab, Leutnant Fang.“, sagte eine weitere Stimme. Jack kam sie bekannt vor, aber er erkannte den Träger der Stimme erst, als der bleiche Hüne, der anscheinend Fang hieß, sich endlich dazu bequemte ihn reichlich unsanft auf den Boden abzusetzen.

Da stand wieder ein alter Bekannter.

Ein weiterer Mann, der in den gleichen dunkelgrünen Militärklamotten gekleidet war wie Jason und Fang und lässig auf dem Empfangstresen lehnte, die Arme vor der Brust verschränkt. G.I. Joe höchstpersönlich.

Falk Trevis.

Auch er sah unverändert aus: Ein mittelgroßer, athletisch gebauter Mann mit gebräunter Haut, sehr kurzem blonden Lockenhaar und dunkelblauen, wachsamen Augen. Diesmal trug er nur keinen Ledermantel und unter seinem Tanktop war ein Verband zu sehen, der quer über seine Brust spannte.

Da hatte Corona ihn im Kampf verwundet.

Tausend Fragen brannten auf Jacks Zunge. Er wollte wissen was dort genau in der Höhle passiert war. Wer war diese Corona und wie war der Kampf ausgegangen? Hatte er sie irgendwie aufhalten können? Was war mit ihm, Jack, passiert nachdem er ohnmächtig geworden war? Und die wichtigste aller Fragen: Wo war Jonas?

Aber Jack bekam keine dieser Fragen heraus. Irgendetwas an Trevis Körperhaltung und der Art, wie er ihn anblickte, brachte ihn zum Schweigen. Es war nicht so dass Trevis ihm Angst machte oder einschüchterte. Viel mehr hatte Jack das Gefühl dass man diesem Mann Respekt entgegenbringen musste. Immerhin hörte sogar der bleiche Hüne auf ihn ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.

So einen Mann wollte man nicht unnötig verärgern.

Falk Trevis stieß sich vom Tresen ab und gluckste. Mit selbstbewussten Schritten kam er auf Jack zu, der nur ein bisschen trotzig zurückblickte, ansonsten aber still blieb.

„Jakob Weber. Oder besser: Jack Weaver.“, sagte Trevis dann, als würde dieser Name alles erklären. Er gluckste noch einmal und zwinkerte Jack spielerisch zu.

„So nennen dich doch alle, oder? Du bist mir einer. Kaum auf den Beinen und schon versuchst du von hier zu fliehen. Nicht das mich dieses Vorhaben wundert, keinesfalls. Jeder würde wohl an Flucht denken wenn er in einer völlig fremden Umgebung aufwacht und dann auch noch festgehalten wird. Aber die Meisten hätten wohl spätestens aufgegeben wenn sie von der leitenden Ärztin auf frischer Tat ertappt wurden. Du nicht. Das ist äußerst… bemerkenswert.“

In seinen Worten klang leise Bewunderung mit, was Jack überrascht zur Kenntnis nahm. Der Mann schien ohnehin nicht wütend zu sein, sondern vielmehr amüsiert.

„Unser Freund Crux hier.“ Trevis deutete auf die Schlange, die sich wie ein bizarrer Schal um Doktor Rains Hals gewickelt hatte und Jack giftige Blicke zuwarf. „Crux erzählte uns von deiner spektakulären Flucht. Du bist tatsächlich durch das Lüftungssystem entkommen?“

„Ja, Sir.“

Jack wunderte sich selbst über seine ruhige und höfliche Antwort. Er hatte vorher noch nie in seinem Leben jemanden „Sir“ genannt. Die Anwesenheit von Falk Trevis hatte eine beruhigende und gleichzeitig verwirrende Wirkung auf ihn.

Der Mann lachte laut auf.

„Herrlich. Ausgezeichnet. Auf so eine Idee muss man erst einmal kommen! Das lobe ich mir.“, sagte Trevis grinsend.

„Ähm… Danke, Sir.“

Crux machte ein Geräusch als müsse er aufstoßen.

„Und Glück im Unglück scheinst du auch noch zu haben. Crux erzähle mir er hätte dich nur um Haaresbreite nicht erwischt weil seine Reichweite nicht ausgereicht hatte.“

„Reichweite?“

„Ja richtig. Ach du weißt ja noch gar nichts davon. Also, ein beschworener Zodiac kann sich nur in einem bestimmten Radius um seinen Träger herum bewegen. Diese Grenze kann der Zodiac niemals überwinden. Unsere gute Doktor Rain war schlicht und ergreifend zu weit weg als dass Crux dich noch weiter hätte verfolgen können.“, erklärte Trevis geduldig.

Sein Glück!, zischte die Schlange dazwischen. Ich hätte ihn mit meinem Gift gelähmt und in dem Schacht verrotten lassen. Oder ich hätte ihn mit Haut und Haaren einfach aufgefressen. Aber so wie der aussieht hätte ich keine drei Tage was davon gehabt. Guckt euch das halbe Hemd doch mal an!

„Hüte deine gespaltene Zunge, Crux.“, tadelte Doktor Rain.

Is doch wahr!

„Oha, es scheint als hättest du dir nicht gerade einen Freund gemacht. Du solltest dich vielleicht für eine Weile von Crux fernhalten.“, sagte Trevis grinsend.

Jack nickte. Langsam machte sich seine Ungeduld wieder bemerkbar. Anscheinend hatte man ihn nur wieder hierher gebracht um über seine Flucht zu quatschen, aber niemand rückte mit Antworten heraus, die ihn interessierten.

„Entschuldigen Sie, aber ich kann wirklich nicht länger hier bleiben.“, sagte er nun.

„Wie bitte?“

„Sir, ich bin doch nur geflohen weil ich mir schreckliche Sorgen um meine Mutter mache. Wenn sie mitbekommen hat was in der Höhle passiert ist dann hat sie bestimmt einen Rückfall erlitten. Sie ist furchtbar krank und…“

„Lisa Weber, richtig?“

„Ich… Ja.“ Jack zögerte. „Sie kennen meine Mutter?“

„Na ja, nicht sehr gut. Ich habe sie ein bisschen kennen gelernt als ich sie gestern in Berlin besuchte.“, sagte Trevis munter und blinzelte.

„Sie waren bei ihr? Was… was wollten Sie von ihr?“

„Wir haben uns nur unterhalten. Ich habe ihr erzählt was mit dir passier ist und ihr dann erklärt, wie es nun mit dir weitergeht.“

„Was? Wovon reden Sie denn? Wie soll es schon mit mir weitergehen? Sie lassen mich einfach laufen und ich kann zurück nach Berlin, zurück zu meiner Mutter!“

„Nein.“ Jetzt verlor Trevis sein Lächeln und wurde ernst. „Es wurde beschlossen dass du hier in der Akademie bleibst und eine Ausbildung zum Zodiacagenten machst.“
 

Jack starrte den Militär einige Augenblicke einfach nur. In seinem Kopf wirbelten alle Gedanken durcheinander, als wäre eine Kanonenkugel direkt hindurch geschossen und alles in Unordnung gebracht. Aber schließlich setzten sie sich zu einem neuen Gedanken zusammen und der lautete: Ich werde ganz sicher nicht hier bleiben!

Und das teilte er den Anwesenden auch lautstark mit.

„Sie spinnen! Was soll ich denn hier?“

Trevis ging jetzt zurück zum Tresen und lehnte sich wieder daran. Mit bedächtiger Miene verschränkte er die Arme und nickte ernst.

„Tatsache ist, dass du fünf mächtige Zodiac aufgenommen hast. Ob das nun absichtlich oder aus Versehen passiert ist spielt leider keine Rolle. Du wärst nicht der Erste dessen Leben sich durch die Zodiac ungewollt umgekrempelt hat.“, erklärte er ruhig und mit einer Spur Verständnis.

„Ich werde jawohl eine Wahl haben!“, protestierte Jack, aber Trevis schüttelte nur leicht den Kopf.

„Es tut mir Leid, nein. Normale Zodiacträger haben auch keine Wahl. Ausnahmen werden nur in ganz seltenen Fällen gemacht.“

„Dann macht bei mir auch eine Ausnahme! Meine Mutter ist krank, ich muss sie pflegen! Ist das kein Grund, der gut genug ist?“

„Nein. Soweit ich weiß lebt auch deine Großmutter bei dir zu Hause und übernimmt den größten Teil der Pflegearbeit. Diese überaus…“ Trevis zögerte kurz und schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „…reizende Dame hat mir versichert, dass sie sich auch ohne deine Hilfe um deine Mutter kümmern kann. Es wäre außerdem unverantwortlich den ersten Menschen, der es geschafft hat fünf Zodiac gleichzeitig in sich aufzunehmen, einfach so in der Welt herumspazieren zu lassen.“

„Aber… aber…“ Jack überlegte fieberhaft was er dem Gesagten noch entgegensetzen konnte, aber Trevis machte den Eindruck als hätte er gegen jedes seiner Argumente ein viel besseres Gegenargument.

„Können Sie nicht die Zodiac aus meinem Körper entfernen?“, fragte er verzweifelt.

„Das geht nicht.“, mischte Doktor Rain sich nun ein. Bisher hatte sie höflich geschwiegen und dem Jungen nur mitfühlende Blicke zugeworfen, aber jetzt fühlte sie sich dazu berufen die Sache zu erklären.

„Hat ein Mensch einen Zodiac in seinen Körper aufgenommen so ist die Vereinigung endgültig.“, erläuterte sie. „Der Zodiac löst sich erst dann wieder aus dem Körper des Trägers, wenn dieser sein Leben aushaucht. Dann verwandelt er sich zurück in einen Zodiacstein und wartet auf den nächsten Träger.“

Jack atmete tief ein um diese Nachricht schlucken zu können. Insgeheim hatte er so etwas schon geahnt, aber die Hoffnung diese merkwürdigen Tattoos und vor allem die gruseligen Stimmen aus seinem Traum wieder hinter sich zu lassen hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch überlebt.

Nun fiel ihm gar nichts mehr ein. Diese Leute würden ihn hier nicht einfach so wieder weglassen. Vielleicht gelang ihm irgendwann einmal die Flucht, aber er hatte keinen Zweifel daran, dass er ruckzuck wieder eingefangen würde.

Doktor Rain und Trevis blickten ihn voller Verständnis an, aber der bleiche Hüne hinter ihm lachte leise, als hätte er Freude daran Jack leiden zu sehen. Auch Crux hatte sein Schlangengesicht wieder zu einem bizarren Grinsen verzogen und leckte sich mit der gespaltenen Zunge über die schuppigen Lippen.

Das der Zodiac sich derart amüsierte nahm Jack zum Anlass seine coole Fassade aufzusetzen, wie er es schon immer gemacht hatte um vor anderen zu verbergen wie er sich wirklich fühlte. Er steckte seine Hände nun lässig in die Tasche und schaute trotzig drein.

„Was sagt meine Mutter denn zu der ganzen Sache?“, sagte er in gespielt gefasster Tonlage.

„Sie ist damit einverstanden dass du hier bleibst.“

„Wirklich? Das glaube ich nicht. Sie hat mich gern bei ihr zu Hause.“

„Sie ist damit einverstanden.“, wiederholte Trevis und kramte jetzt etwas aus seiner Hosentasche. Er zog einen in der Mitte geknickten Briefumschlag hervor und zog ein paar Blätter heraus. Er stieß sich wieder ab und reichte Jack die Unterlagen.

„Das ist das Anmeldeformular für die Aufnahme an der deutschen Zodiacakademie des Hundes. Deine Mutter hat ihn vollständig ausgefüllt und unterschrieben. Erkennst du die Unterschrift wieder?“

Und ob er das tat. Ganz unten auf dem Formular stand in schwungvoller Schönschrift ihr Name. Lisa Weber.

„Sie haben sie doch dazu gezwungen.“, behauptete Jack starrköpfig, aber er glaubte selbst nicht so richtig daran.

„Nein. Ganz im Gegenteil. Es schien mir als konnte sie gar nicht erwarten das Formular zu unterschreiben nachdem ich ihr von den Zodiac und von der Akademie erzählt hatte. Sie schien ganz begeistert davon zu sein. Ihre Augen hatten geleuchtet, vor allem als ich über die Tiergeister gesprochen habe.“, sagte Trevis.

„Das sieht ihr ähnlich…“, gab Jack zu. Er erinnerte sich an die Berge an Märchen- und Fantasiebüchern in ihrem kleinen Zimmer, hoch aufgestapelt wie kleine Türme. Er sah sie in Gedanken in einem besonders dicken Buch blättern und seufzte. Magische Tiersteine. Dass sie das begeisterte wunderte Jack überhaupt nicht.

Er gab Trevis das Anmeldeformular zurück und verschränkte jetzt ebenfalls die Arme.

„Schön und gut. Sie hat mich aber nicht einmal gefragt. Ich habe schon verstanden, dass sie mich nicht einfach so von hier weglassen. Aber sobald sich mir eine Gelegenheit bietet werde ich von hier abhauen. Heute ist es mir immerhin schon fast gelungen.“, sagte er bestimmt und funkelte Trevis herausfordernd an. Respekt hin oder her, er würde sich nicht einfach beugen, auch nicht vor diesem Mann.

Trevis seufzte und rieb sich mit Zeigefinger und Daumen den Nasenrücken.

„Du bist wirklich hartnäckig.“, lächelte er dann. „Okay, hör zu, vielleicht überzeugt dich Folgendes: Wir werden deiner Mutter nicht nur medizinische Hilfe zukommen lassen und sie behandeln. Wir werden sogar einen kleinen Schutztrupp zusammenstellen die sie rund um die Uhr beschützt. Ich werde einen meiner Männer darauf ansetzen und zwei weitere Agenten anfordern um ihn zu unterstützen.“

Jack war für einen Moment baff.

„Wozu ein Schutztrupp? Ist sie denn in Gefahr?“, fragte er besorgt.

„Na ja, das Syndikat könnte es auf sie abgesehen haben. Das ist die Organisation, der Corona angehört. Immerhin ist sie die Mutter desjenigen, der fünf der sechs Steine absorbieren konnte. Eine Attacke auf Lisa Weber wäre als durchaus möglich, wenn auch unwahrscheinlich.“, erklärte Trevis ernst.

„Und das würden sie für mich tun? Ein Schutztrupp zusammenstellen?“

„Ja, das würde ich tun. Und unsere medizinische Versorgung ist erste Klasse. Unsere Doktor Rain hier ist eine der talentiertesten Medizinerinnen der ganzen Zodiacgesellschaft. Sie und ihre Assistenten werden sich persönlich um sie kümmern. Der Zustand deiner Mutter würde sich über einen längeren Zeitraum deutlich verbessern. Doktor Rain kann das bestätigen.“

Die Ärztin lächelte und nickte. Ihr glaubte Jack sofort.

„Das alles natürlich nur wenn du dich dazu bereit erklärst mit uns zusammen zu arbeiten und hier bleibst.“, schloss Trevis. Er lächelte und streckte dann seine Hand aus. „Deal?“

Jack zögerte.

Er wollte immer noch nicht an dieser Akademie bleiben, aber blieb ihm letztendlich eine andere Wahl? Und das Angebot hörte sich nicht schlecht an. Seine Mutter würde es höchstwahrscheinlich sogar besser gehen. Doktor Rain vertraute er da voll und ganz. Wenn er ihr Lächeln sah konnte er gar nicht anders.

Er seufzte und schlug ein.

„Das ist zwar Bestechung, aber in Ordnung… Deal.“, sagte er.

Trevis lachte auf und schüttelte kräftig seine Hand. Jack hörte wie Doktor Rain erleichtert ausatmete und Crux aufstöhnte. Hinter Jack stieß Jason einen leisen Jubellaut aus, ehe er sofort wieder stramm stand.

„Ausgezeichnet.“, sagte Trevis jetzt. „Es freut mich einen so aufgeweckten Burschen an der Akademie aufnehmen zu können. Glaub mir, es wird dir gefallen. Die Sommerferien enden in fünf Wochen. Dann wirst du zusammen mit den anderen Neuen eingeschult. Erfreulicherweise hast du genau das richtige Alter dafür. Bis dahin wirst du bei meinen Männern in der Hundehütte wohnen. Dein Gepäck, das deine Mutter mir freundlicherweise mitgegeben hat, ist auch schon in deinem Zimmer. Leutnant Fang und Jason werden dich dorthin begleiten.“

„Jawohl, Sir!“, bellten Jason und der bleiche Hüne unisono.

„Schön. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt. Doktor Rain, Jack.“ Trevis deutete einen leichten Salut an. “Ich habe noch einiges zu erledigen. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder.“

Er zwinkerte Jack noch einmal zu und ging dann an ihm vorbei zu den Aufzügen. Schon war er wieder weg. Da erst fiel Jack die Sache mit Jonas wieder ein. Es war so viel passiert dass er seinen besten Freund völlig vergessen hatte.

Er ärgerte sich darüber, aber ließ sich nichts anmerken. Er würde Trevis hoffentlich bald wieder sehen.

Doktor Rain kam jetzt mit einem sanften Lächeln auf ihn zu und gab ihm die Hand. Sie schien sich am meisten darüber zu freuen, dass Jack blieb.

„Schön dass du bleibst und es versuchen willst. Die Akademie ist überhaupt nicht schlimm, du wirst schon sehen. Wenn du Fragen hast oder mit jemanden reden willst kannst du jederzeit gerne zu mir kommen.“

Bleib bloß weg!, zischte Crux.

„Danke.“, sagte Jack und ignorierte die Schlange einfach.

„Und wenn du mir in den Ferien helfen magst, gerne.“, zwinkerte die Ärztin. „Ich bin die Wochen über ganz alleine. Meine Assistenten kommen erst zum neuen Schuljahr hierher und es gibt viel zu tun.“

„Ich werde vorbeischauen.“, versprach er.

„Schön. Dann bis später.“

Sie knuffte ihm freundschaftlich in die Schulter und Jack wandte sich zum Gehen. Flankiert von einem bleichen Hünen und dem gespielt ernst dreinschauenden Jason schritt er zu den Aufzügen und fuhr nach oben.

Zu seinem neuen Leben.



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