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Die sieben Stätten

Die Chroniken Teerens
von

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Das Flammeninferno

Ein einziger Sonnenstrahl schien den gesamten Garten zu umfassen und ihn wie einen heiligen Ort zu behüten. Die Stimmung die über allem lag, war wie der Zauber nach dem Erscheinen der Sonne am frühen Morgen nach einer regenreichen Nacht, wenn die Tautropfen noch in den Spinnennetzen hängen und wie tausende und abertausende Diamanten funkeln. Alles schien, als würde eine andere Welt sich mit der jetzigen überschneiden und jeden Moment wieder verschwinden, wenn man sich auch nur einen Schritt vor wagte. Nur ein Mensch war in diesem Ort zu sehen und dieser schlummerte seelenruhig unter einem großen, mächtigen Gorlabaum, ein Baum der das ganze Jahr über in den schönsten Rot- und Gelbschattierungen leuchtete.
 

Der Mann, jung an Jahren, vielleicht gerade mal die zwanziger Grenze überschritten, besaß dunkles Haar, gebräunte Haut und einen breiten Körperbau – die Statur eines Kriegers.
 

„Kaero?“
 

Langsam öffneten sich seine Augen und man blickte in strahlend, tiefgrüne Augen. Behände stand er auf und strich sich die schwarzen Strähnen aus dem schmalen Gesicht. Raschelnd fielen seine langen Haare an seinem Rücken hinab.
 

„Geez... Kaero! Du hast schon wieder dein Haarband verloren, nicht wahr?“
 

„Nicht wirklich, Narima. Es wurde beim Training zerschnitten – von Haolon.“
 

Langsam schüttelte sie ihren Kopf und ihre blonden Haare schwenkten ein wenig hin und her. Ihr Fuchs ähnliches Gesicht war leicht angespannt. Man konnte sehen, dass es ihr missfiel, dass er erneut ein Band zunichte gemacht hatte.
 

„Jedenfalls bin ich hier um dir zu sagen, dass Vater nach dir geschickt hat. Es geht ihm heute etwas besser als sonst. Er wird bestimmt bald wieder gesund sein, meinst du nicht?“
 

Etwas traurig blickte er seiner Schwester in die ebenfalls grünen Augen. Er liebte sie, ohne Zweifel, und auch seinen Vater und er wünschte sich nichts sehnlicher als seine Genesung, aber es jetzt schon zu hoffen und es auszusprechen, als würde es bestimmt und sicher geschehen, war illusorisch. Ihr Vater war bereits sehr alt und sein Körper konnte gegen Krankheiten nicht mehr so gut ankämpfen, wie in seinen jungen Jahren.
 

„Sicher Narima. Ich bin dann jetzt weg, denn ich will Vater nicht unnötig warten lassen.“
 

Narima nickte stumm. Sie wusste, ihr Bruder hatte nicht ernst genommen, was sie sagte und das er Zweifel an ihren Worten hatte.
 

„Ich werde danach zu Seeras gehen. Er hatte noch Dokumente, um die ich mich kümmern muss.“
 

„Ist gut. Es ist wirklich anstrengend, Vaters Pflichten übernehmen zu müssen, nicht? Und das obwohl er noch lebt.“
 

„Es gibt schlimmeres. Ich wurde ja schon immer darauf vorbereitet, also ist es nicht so tragisch, wie man es meinen könnte. Bis nachher dann.“
 

Schnellen Schrittes durchquerte er den Garten und tauchte in den Schatten des Wandelgangs. Überall hingen Wandbehänge, die den Farben des Gorlabaumes glichen, ihn jedoch häufiger noch übertrumpften. Die Steinwände, allesamt schneeweiß, leuchteten durch die flatternden Gobelins wie Regenbögen und tauchten das Schloss in ungeahnte Farbenpracht.

Kaero liebte es, zu dieser Jahreszeit einfach nur umher zu wandern und alles andere zu ignorieren. Dieses Jahr war es ihm allerdings nicht mehr vergönnt und er wurde ein wenig wehmütig. Ab und an war er doch noch wie ein Kind und er schmunzelte über sich selbst.

Plötzlich hörte er hinter sich einen Knall gleich einer Explosion, eine knarrende Tür, konnte schwarzen Rauch wahrnehmen und hörte jemanden husten. Das alles geschah in den wenigen Sekunden, in denen er sich umdrehte.

Vor ihm stand gekrümmt ein hustender, glatzköpfiger, scheinbar junger Mann mit einem rabenschwarzem Gesicht und ebenso schwarzer Kutte.
 

„Ähm, … Lerko, ist alles in Ordnung? Ist wieder eines deiner Experimente schief gegangen?“
 

Immer noch hustend richtete sich der Angesprochene auf und lächelte ihn an, wobei weiße Zähne aufblitzten und er für einen Augenblick dem Bild eines Dämonen glich, das Kaero als kleiner Junge gesehen hatte.
 

„Oh, ja ja, Prinz Kaero. Alles in bester Ordnung. Nur mal wieder ein kleiner Rückschlag in meiner Forschung. Weiter nichts.“
 

„Na, dann ist ja gut.“
 

Immer noch hustend klopfte er sich den Ruß vom Gewand und schmunzelte.
 

„Seid ihr wieder sehr beschäftigt, Hoheit?“
 

„Es geht so. Ich muss gleich noch ein paar Dokumente durchgehen, aber ansonsten bin ich für heute wahrscheinlich eher unbeschäftigt. Hoffe ich... …

Nicht das ich mich drücken wollte oder so etwas. Es ist nur so, dass ich einen recht angenehmen Tag hatte, im Gegensatz zu den Letzten.“
 

Lerko lächelte amüsiert.
 

„Wer hat behauptet, ihr würdet euch drücken? Ich bin sicher, ihr gebt alles was ihr habt. Ihr seid schließlich sehr verantwortungsbewusst.“
 

„... Findest du?“
 

„Natürlich! Und ich bin nicht der Einzige, der so denkt, glaubt mir.“
 

„Hm... Ah! Ich muss zum Thronsaal! Der König hat mich rufen lassen. Entschuldige mich Lerko.“
 

„Sicher, mein Prinz.“
 

Manchmal wunderte sich Kaero wie anders andere einen sahen, als man sich selbst. Auch wenn Lerko nicht einfach „andere“ war, sondern ein jahrelanger Freund der Familie. Er war ein Alchemist, der im Schloss studierte und experimentierte. Lerko kannte den Prinzen, seit dem dieser noch in seine Windeln gemacht hatte, weswegen er eigentlich so gut wie alles über ihn wusste.

Kaero schüttelte den Kopf. Er konnte nachher mit seinen Gedanken abschweifen. Jetzt wurde er gebraucht.
 

***
 

Am Ende des Tages hatte Kaero seinen Vater nicht ein Mal gesehen. Die, die ihn empfangen hatten, waren die Minister. Der König war zu schwach gewesen und das Einzige wofür sie ihn gerufen hatten, waren noch mehr Dokumente, Anfragen, Berichte und Beschwerden.

Seufzend und erschöpft sank Kaero in seine Kissen. Seine Haare ausgebreitet auf dem weichen Weiß, ähnelten schwarzer Seide und mit einem schnellen Blick konnte man denken, dass ein schwarz geflügelter Engel nieder gestreckt worden war.

Müde schloss er für einen Moment die Augen und strich sich mit der Hand über das Gesicht. Kein Wunder, dass sein Vater krank und geplagt war. Dieser ganze Stress konnte jemanden schneller umbringen, als ein Kampf. Nein. Eigentlich war dies ja auch ein Kampf, nur auf eine andere Art.

Leise wurde an seine Tür geklopft und eine Stimme drang durch die Tür. Es war sein Bruder Seeras.
 

„Kaero? Bist du da?“
 

Vorsichtig öffnete sich die Tür einen Spalt breit und er trat ein.
 

„Kaero?“
 

„Hier, Seeras. Ich habe mich nur etwas entspannt.“
 

Etwas besorgt lächelte Seeras und nickte leicht.
 

„Ach so. Ich bin hier wegen den Dokumenten, die ich erwähnt hatte. Ich weiß, du hast viel um die Ohren, aber... Entschuldige.“
 

„Ach was! Du musst dich für nichts entschuldigen. Lass mich einen Blick auf sie werfen.“
 

„Ist gut, aber wenn du dich erst ausruhen willst... Ich meine, du kannst es dir auch später ansehen oder ich gehe zu Lerko. Sie sind schließlich sehr alt und scheinen eher historisch und ich habe mich ja auch nur gewundert...“
 

„Genug! Jetzt gib schon her! Ist ja nicht auszuhalten. Ich bin kein Kind mehr Seeras und nachher habe ich sicher keine Zeit mehr, also gib mir diese alten Papierfetzen und lass mich sehen, worum es sich handelt!“
 

Seeras seufzte schwer.
 

„Wenn du darauf bestehst, Bruder...“
 

Er reichte ihm die vergilbten Dokumente und setzte sich auf einen Stuhl der gegenüber dem Bett stand.

Die Dokumente waren tatsächlich sehr alt und in einer alten Schrift verfasst, die eigentlich nicht mehr gelehrt wurde, aber Kaero konnte sie lesen und fließend sprechen. Es war schließlich die Muttersprache Teerens. Eine Mixtur aus der Sprache der mysteriösen Teeren und der der ersten Menschen, die mit ihnen lebten. Natürlich hatten die Teeren stets in ihrer eigenen Zunge miteinander kommuniziert, aber diese Sprache konnten sowohl damals wie auch heute nur wenige Menschen aussprechen und wenn sie es taten, hörte es sich plump und schwer an, obwohl sie aus den Mündern der Teeren wie reines Silber klang, das in Worte gewandelt wurde.
 

„Nun? Kannst du es lesen?“
 

„Hmmm... Ja....“
 

„Worum geht es darin?“
 

„Also... Das hier sind schon mal zwei verschiedene Dokumente. Dieses hier scheint eher eine persönliche Aufzeichnung eines Magiers zu sein und das Andere ist eine historische Aufzeichnung. Hier ist die Unterschrift des Magiers siehst du? Sein Name war Laran, ein Erzmagier. Er unterstand dem damaligen König in der „Zeit der Könige“ und scheint den Teeren sehr zugeneigt gewesen zu sein. Das andere Dokument... Ich lese es einfach mal vor. Es ist jedoch unvollständig.

Die sieben Juwelen von Teeren beschützten einst sieben wichtige Orte und Stätte: die Kristallstadt, die Diamantendörfer, das strahlende Amethyst-Tal, die Nachtstadt aus Onyx, das blaue Meer Topas, die gelben Blüten von Citrin und die Waldstadt Smaragd. Die Wesen, die diese Stätten bewohnten, kennt niemand wirklich und sie waren als Dämonen verschrien. Man hatte damals sechs dieser Stätten im großen Krieg zerstört, die Siebte hat man nie gefunden. Die sieben Juwelen besaßen eine unglaubliche Kraft, unmessbar und...

Nun ja, ab hier ist es abgerissen. Leider.“
 

„Bedauerlich. Soll ich sie Lerko bringen? Er wird sicher sehr daran interessiert sein.“
 

„Ja, warum nicht, aber ich möchte die persönliche Aufzeichnung des Magiers noch gerne etwas genauer untersuchen. Seine Ansicht interessiert mich und ich habe den Namen desjenigen gefunden, dem ich meinen eigenen verdanke.“
 

„Tatsächlich? Wo?“
 

„Hier: Prinz Kaeron.“
 

„Ah, ja! Er war ein großartiger und respektierter König. Auch schien das Volk unter seiner Herrschaft sehr zufrieden gewesen zu sein und soll ihn auch sehr verehrt haben.“
 

Kaero seufzte.
 

„Ja. Er hat mir eine ganz schöne Bürde auferlegt.“
 

„Sei doch nicht so Kaero. Du wirst ein großartiger König sein, da bin ich mir sicher.“
 

„Wir werden sehen wie ich mich schlage.“
 

„Du bist zu pessimistisch.“
 

„Vielleicht. Vielleicht auch nicht.“
 

„Soll ich dich dann jetzt alleine lassen?“
 

Kaero blickte ihn an.
 

„Nein. Bleib noch ein bisschen. Wir sind selten zusammen.“
 

Seeras lächelte.
 

„Wie du willst.“
 

***
 

Kaero wachte am nächsten Morgen eher etwas verwundert auf. Er hatte nicht bemerkt, wann er eingeschlafen war, aber was ihn mehr verwirrte war, das sein Lacken ausgetauscht worden war und er nichts am Körper trug. Wahrscheinlich würde Seeras mehr wissen. Er war schließlich den ganzen Abend mit ihm zusammen gewesen und er konnte sich noch daran erinnern, dass er ihm zugehört hatte. Er musste dabei vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Eine andere Erklärung gab es nicht. Aber warum der Rest? Es machte für ihn keinen Sinn...
 

Schnell stand er auf und warf sich ein paar Kleider über. Was wohl heute wieder auf ihn zukam? Er war bloß froh, noch nicht verheiratet zu sein. Wenn er eine Ehefrau hätte, würde die sich wahrscheinlich schon längst über ihre Einsamkeit beschweren.

Auch dieser Tag brach wunderschön an und tauchte die Welt wieder in warmes Licht. Ja, seine unbeschwerten Tage waren definitiv vorbei.
 

***
 

„Warum? Warum hast du mich das tun lassen?“
 

'Warum? Ich bitte dich. Du bist derjenige der sich nun schon jahrelang nach ihm verzehrt. Ich habe nur deine Sehnsucht erfüllt...'
 

„Nein! Ich wollte niemals, dass er es weiß! Ich wollte ihm niemals derartigen Schmerz zufügen!“
 

'Tatsächlich? Obgleich ich dir ab einem bestimmten Punkt die Kontrolle überlassen habe, hast du dennoch nicht von ihm abgelassen.'
 

„Nein! Ich... Ich...!!!“
 

'Mein armes geplagtes Kind. Komm, lass mich dich kontrollieren und du brauchst dich um nichts mehr zu sorgen. Ich verspreche es dir. All deine Sorgen werden verschwinden.'
 

„Nein! Verschwinde endlich! Lass mich in Ruhe! Er wird mich verabscheuen und hassen!“
 

'Nein, das wird er nicht.'
 

„Was?!“
 

'Ich habe ihm jegliche Erinnerung daran genommen und sogar sein Körper kann dich nicht verraten, da ich ihn ein wenig manipuliert habe.'
 

„Aber...“
 

'Kein aber, mein Kind. Überlass einfach alles mir...'
 

***
 

„Seeras!“
 

Er drehte sich um. Endlich hatte er seinen großen Bruder eingeholt.
 

„Was ist los, Kaero?“
 

„Na ja, kannst du mir sagen, warum ich in einem gewechselten Bett und ohne Kleidung aufgewacht bin?“
 

„Oh, das. Du bist mitten in unserem Gespräch eingeschlafen und ich hatte bemerkt, dass du Fieber hast und bin noch eine Weile bei dir geblieben. Als ich gehen wollte, habe ich halt noch alles schnell gewechselt, weil es durch und durch nass war. Entschuldige, wenn es dir unangenehm war.“
 

„Nein, schon in Ordnung. Ich hatte mich nur gewundert. Danke, Seeras.“
 

„Ist doch selbstverständlich.“
 

Plötzlich hörten sie, wie etwas in ihrer Nähe auf den Boden aufschlug und drehten sich verwundert um. Der Lärm war von einer Magd gekommen, die ihren Wäschekorb fallen gelassen hatte. Sie war bleich wie eines ihrer Betttücher und blickte sie beide an, als wären sie verrückt geworden. Danach lief sie wie von Sinnen davon und ließ den Wäschekorb zurück.
 

„Was war denn das?“
 

„Keine Ahnung.“
 

***
 

Den ganzen Tag war Kaero beschäftigt und gönnte sich nur sehr kurze Pausen. Alles schien den ganzen Tag über friedlich und nichts zerstörte diesen Frieden. Doch war dies nur die Ruhe vor dem Sturm, denn die Katastrophe begann nachts...
 

***
 

„Kaero! Kaero,wach auf!“
 

Er schlug abrupt die Augen auf. Die weinende Stimme seiner Schwester erkannte er sofort.
 

„Was ist geschehen?“
 

„Kaero, das Schloss...“
 

Und dann bemerkte auch er es. Alles brannte. Auch sein eigenes Zimmer stand schon in Flammen.

Schnell schlug er die Decke zurück und sprang aus dem Bett.
 

„Was machst du denn noch hier, Narima? Und du auch, Lerko?“
 

„Ich war besorgt um dich! In allen Räumen an denen ich vorbei kam, wurden die Menschen lebendig verbrannt! Ich wollte nicht, dass dir das auch geschieht, aber jetzt...“
 

„Idiotin! Lerko, wieso hast du sie nicht einfach aus dem Schloss gezerrt?“
 

„Verzeiht, Hoheit. Ich war bloß genauso naiv wie sie und sorgte mich um euch.“
 

Kaero seufzte tief und hustete gleich darauf. Der Rauch stieg ihm in die Augen.
 

„Verdammt! Jetzt werden wir alle drei wie Ochsen am Spieß gebraten! Lerko! Du bist doch der Magie fähig. Gibt es nichts was du tun kannst?“
 

„Wenn es ein normales Feuer wäre dann schon, aber dieses scheint einen übernatürlichen Ursprung zu besitzen.“
 

„Übernatürlicher Ursprung? Ist es etwa magisches Feuer?“
 

„Nein, nicht wirklich. Es wird kontrolliert, aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen.“
 

Mittlerweile waren sie am Ende des Zimmers angelangt. Kaeros Bett brannte und knisterte schon längst fröhlich vor sich hin.
 

„Ich frage mich ob auch Lodvag betroffen ist. Ich hoffe nicht. Es reicht schon aus, wenn das Schloss abbrennt, da muss nicht auch noch die Stadt am Fuße des Schlosses leiden.“
 

„Großer Bruder...“
 

Lerko lächelte. Das war so typisch für den Prinzen.
 

„Eure Hoheiten.“
 

Beide drehten den Kopf zu ihm um.
 

„Ich bin vielleicht nicht in der Lage das Feuer zu löschen, aber ich kann es zurück halten, wenn ich nur einen kleinen Raum davor beschützen muss.“
 

„Soll das heißen wir werden doch nicht sterben?“
 

„Ja, Prinzessin.“
 

„Ich verbiete es dir.“
 

„Kaero?“
 

„Du würdest außerhalb des Schutzkreises stehen, damit er lange genug anhalten kann, nicht wahr?“
 

Lerko blieb stumm und lächelte den Prinzen nur sanft an.
 

„Ich verbiete dir, dich vor meinen Augen zu opfern, Lerko!!!“
 

„Ich glaube,... dass wird das letzte und erste Mal sein, das ich mich euch verweigere. Bitte verzeiht, aber es ist nicht nur meine Pflicht euch beide zu beschützen, nein, es ist mein Wunsch als ein jahrelanger Freund und Begleiter eures Lebens.“
 

„Lerko!“
 

Grob packte der Prinz ihn an den Schultern.
 

„Ihr könnt mich nicht aufhalten.“
 

„Doch, ich kann! Und wenn ich dich bewusstlos schlagen muss, du alter Narr!“
 

„Kaero!“
 

Narima lief auf sie zu. Ein Balken fiel neben ihnen zu Boden.
 

„Das wird nicht nötig sein.“
 

Ein knarrendes Geräusch ertönte und die Steinwand hinter ihnen kam auf sie zu und glitt zur Seite. In der nun entstandenen Öffnung stand eine Frau in Lederkleidung, langen braunen Haaren und Augen, die wohl eher ein Falke sein eigen nennen würde. Sie war eine Amazone und Kaero hatte das Gefühl sie schon vor Jahren einmal gesehen zu haben.
 

„Wer seid ihr Amazone?“
 

„Eine Freundin und Verbündete, mein aufgebrachter Prinz. Ihr habt ein ganz schönes Temperament.“
 

„Wie, bitte?!“
 

„Nun, wir sollten später reden oder ihr werdet bald brauner sein, als euch lieb ist.“
 

Kaero funkelte sie zwar etwas misstrauisch und missmutig an, nickte aber und zog Lerko vom Feuer weg.
 

„Dann führe uns, Amazone. Wehe dir jedoch, solltest du ein Verräter sein.“
 

„Welch Mut, mein Prinz. Glaubt mir, wenn ich wollte könnte ich euch in ein paar Sekunden umbringen.“
 

„Wenn man solche Freunde hat, braucht man keine Feinde mehr. Dergleichen Leute sind mir meistens am liebsten. Unterschätzt mich wenn ihr wollt, aber bereut es am Ende nicht.“
 

Mit fast schwarzen Augen und nur einem Funken von grün, in denen sich die Flammen spiegelten, blickte er sie an und lächelte. Lächelte, als könne selbst die Hölle ihm nichts anhaben.
 

„Mitnichten. Lasst uns gehen. Folgt mir.“
 

„Mit Freuden.“
 

Der Geheimgang durch den sie kurz darauf gingen, war uralt und es war stickig hier drin. Manchmal kamen sie an Abzweigungen vorbei und meistens war entlang dieser Korridore bereits die Hitze der hinter dem Stein lauernden Flammen zu spüren. Die Amazone führte sie unbeirrbar durch die schattenhafte Dunkelheit. Und je länger sie liefen, desto mehr hatte Kaero das Gefühl, in einem Alptraum zu wandeln, aus dem er und das war ihm nur allzu schmerzlich bewusst, nicht mehr aufwachen konnte, sondern ihn bis zum Ende träumen musste.
 

Eine Ewigkeit so schien es, hatten sie gebraucht, um endlich den Ausgang des Labyrinthes zu erreichen und ein jeder atmete die kalte Nachtluft in tiefen Zügen ein. Sie waren auf einem Hügel nahe des Schlosses heraus gekommen, auf dem häufiger Kinder spielten, um die Erwachsenen nicht zu stören. Kaero erinnerte sich nur zu genau an diesen Hügel. Auch er hatte als Kind hier gespielt, aber dieser Ausgang des Geheimganges war ihm niemals aufgefallen. Er drehte sich halb um und erblickte sein Zuhause. Es war nun nur noch ein einziges Flammeninferno und sogar der Himmel darüber schien in lodernden Feuern zu brennen. Kaero biss sich auf die Lippe und Blut floss. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein ganzer Körper zitterte vor Wut und Anspannung. Niemals würde er diese Tat verzeihen, niemals.
 

„Ich werde denjenigen finden, der hierfür verantwortlich ist und dann wird er sich wünschen, mir niemals begegnet zu sein. Ich schwöre es, er wird dafür bezahlen. Bereue deine Existenz jetzt schon! Hörst du?! Ich kriege dich und wenn ich ans Ende der Welt laufen muss!!!“
 

Lerko und Narima standen etwas abseits und blickten ihn mit gemischten Gefühlen an. Die Amazone jedoch hatte einen düsteren Gesichtsausdruck und flüsterte beinahe ihre nächsten Worte.
 

„Würdet ihr das immer noch sagen, wenn ihr wüsstet, dass es euer Bruder war?“
 

Kaero drehte sich langsam um und durchbohrte sie mit seinem Blick.
 

„Wenn dem wirklich so ist... dann habe ich nie einen Bruder gehabt, sondern nur eine gesichtslose Marionette, die sich mein Bruder nannte... Wenn er es wirklich war,... dann werde... ich ihn bis in alle Ewigkeit... hassen...“
 

Er stand mit zusammengepressten Lippen da, stolz und gebrochen zugleich und ließ seine Tränen fallen, ohne auch nur einmal etwas von sich verlauten zu lassen und seine Augen waren es dieses Mal, die dem Feuer glichen, welches er gerade so verabscheute.
 

***
 

Blut und Feuer. Das waren die Dinge die er am meisten liebte. Chaos.
 

Seine Schultern zitterten leicht, doch plötzlich warf er den Kopf zurück und das Lachen welches seiner Kehle entsprang war so kalt und dunkel, das selbst die Farbe schwarz unpassend wäre, es zu beschreiben.

Kichernd ging er langsam zu einer Person, die zusammengesunken in einem Thron saß, kniete sich hin und legte das Gesicht auf den blutverschmierten Schoß. Langsam schloss er die Augen und eine Träne floss seine Wangen entlang. Dann schlug er abrupt die Augen auf und grinste diabolisch.
 

„Du hast ihn getötet Seeras...“
 

Er sagte es in einem Singsang.
 

„Du hast den König gemordet! Du hast das Schloss verbrannt! Du hast deine Familie getötet! Du hast... ihn... GETÖTET! Du hast Kaero getötet!“
 

Heiße Tränen flossen an seinem Gesicht hinab und der Körper der zwei Seelen beherbergte zitterte.
 

„Fühlst du es, Seeras? Ihr Blut klebt an deinen Händen. Sieh dich um. Alle sind tot. Niemand ist mehr übrig, also kann dir auch niemand mehr Probleme bereiten. Auch nicht die kleine Magd, die dich sah, als du dich an deinem eigenen Bruder vergingst, niemand. Habe ich dir nicht gesagt, dass du es mir überlassen sollst? Sieh, ich habe es geregelt, nicht?“
 

Sein Körper bäumte sich auf und mit einem hysterischen Lachen entfuhr ihm eine schwarze Seele die im Nichts verschwand.
 

Seeras keuchte. Mit Abscheu und mit unbeschreiblicher Trauer betrachtete er sich selbst und seine Umgebung. Ein Aufschrei des Schmerzes und der Verzweiflung erfüllte den blutgetränkten Thronsaal.

Seeras weinte bitterlich am Fuße seines toten Vaters. Plötzlich schlugen Flammen durch die Tür und sie verschlangen alles gierig, jetzt da der, der sie kontrolliert hatte, verschwunden war. In wenigen Sekunden war Seeras am brennen. Er schrie nicht, versuchte nicht zu entkommen, er weinte nur, weinte über seine abgrundtiefe Schwäche. Das Letzte was seine Lippen formten waren die Worte:
 

„Vergebt mir. Bitte... Vergebt mir...“
 

Sein Körper fiel zu Boden und wurde bald zu Asche, aber ein leises Kichern lag immer noch in der Luft und sollte sobald auch nicht verklingen.



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