Zum Inhalt der Seite

Red Moon

Bellas Leben nimmt eine völlig ungeahnte Wende: sie wird zum Werwolf
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Die schnelle Eingreiftruppe

Ich hatte schon gedacht, ich schaffe es nicht mehr. Ganz überraschend musste ich die ganze Woche auf Dienstreise. Ich hatte zwar mein Laptop dabei, war aber zu ausgelaugt und KO, um auch nur einen Satz zustande zu bringen. Das Kapitel hatte ich ja schon geschrieben, nur schmücke ich das dann immer kräftig aus, um vor allem die Emotionen gut rüber zu bringen. Jetzt hat es doch noch geklappt, und ich kann euch heute das Treffen von Bella und Edward vorstellen – viel Spaß beim Lesen!!!
 

Die schnelle Eingreiftruppe
 

„Bitte, du musst mich da hin bringen.“
 

Inbrünstig bettelte ich den großen Jungen an, der direkt vor mir stand und absolut nicht meiner Bitte folgen wollte.
 

Jacob schüttelte nur unwillig den Kopf. „Du weißt genau, dass das nicht geht. Du darfst erst mal nicht von hier weg. Du könntest dich jederzeit verwandeln, und dabei könntest du gesehen werden. Und dann hätten wir verdammten Ärger am Hals.“
 

Aber ich ließ mich nicht so schnell von Jakes Einsprüchen beeindrucken. Das wäre auch das erste Mal, dass ich mich von etwas abhalten ließ, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Und ich hielt es einfach nicht mehr aus. Ich musste Edward sehen. Auch wenn sie es mir alle verbieten wollten.
 

„Dann muss ich mich halt verstecken. Bitte…“ Wieder schaute ich ihn flehend an.
 

Jetzt war ich schon über eine Woche bei ihm und Billy zu Gast. Ich machte alle Trainingsrunden brav mit, ich lernte prima, ich passte gut auf, und ich hatte den Eindruck, schon recht gut mit den neuen Fähigkeiten zurecht zu kommen und kein so arger Trampel mehr zu sein wie früher. Ich konnte mich schon richtig elegant bewegen, wenn ich nur wollte, so geschmeidig wie Jacob beinahe. Aber je länger das alles dauerte, umso mehr sehnte ich mich nach Edward.

Klar hatte ich schon mit ihm telefoniert, aber ich hatte nie viel Zeit und war dabei niemals alleine. Das war kein Ersatz dafür, ihn sehen und vor allem spüren zu können. Ich verzehrte mich schrecklich nach ihm und hatte schon Angst, sein unvergleichliches Gesicht zu vergessen, seinen wunderschönen Körper. Der Hochzeitstermin war schon längst verstrichen, und wir hatten noch mit keinem Wort darüber reden können. Der Vertrag verbat ihm, nach La Push kommen zu können, und mich ließen sie nicht zu ihm. Die Sehnsucht brannte in mir wie ein loderndes Feuer, und immer noch hieß es, ich solle warten. Aber Geduld war noch nie meine Stärke gewesen, und nun hielt ich es einfach nicht mehr aus. Und daher bettelte ich meinen besten Freund an, mich heimlich zu ihm zu bringen.
 

Jacob war überhaupt nicht begeistert von meinem Plan. Dass Sam nichts wissen durfte, war mir klar, aber Jake hatte sich bisher nie groß von Verboten abhalten lassen. Aber das war nicht der Grund, warum er sich so quer stellte. Ich glaubte eher, dass er einfach nicht wahrhaben wollte, dass ich trotz meiner Verwandlung immer noch an Edward hing. Ein Werwolf, der einen Vampir liebte? Aber hatte er gedacht, meine Liebe würde einfach verschwinden?
 

Eigentlich wusste ich gar nicht, was er dachte. Auch wenn wir den ganzen Tag zusammen waren, so hatten wir nie über Edward gesprochen. Das Thema wurde einfach tot geschwiegen. Zwischen uns herrschte seit unserem Wiedersehen eine gewisse Distanz. Auch wenn ich in seinem Bett schlief, so passte ich doch sehr darauf auf, ihm nicht mehr zu nahe zu kommen. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen, und ich wollte nicht wieder die Grenzen verwischen und ihm unberechtigte Hoffnungen machen. Da war schon die Nacht gewesen, in der er zurückgekommen war und mich getröstet hatte, in der ich an seiner Seite gelegen hatte, viel zu nah, viel zu eng, auch wenn es mir so geholfen hatte. Aber danach hatte ich sehr darauf geachtet, dass ich Abstand bewahrte. Er lag quer in diesem riesigen Bett, damit seine Beine nicht über den Rand hingen, und da blieb genug Platz für mich, dass ich mich in einem Eckchen zusammen rollen konnte um zu schlafen, ohne ihn zu berühren.

Ich konnte nicht sagen, ob es das bedauerte, denn er machte keine Anstalten mehr, mich von sich aus anzufassen. Als ob er es sich geschworen hätte.

Es war nicht mehr so unbefangen wie früher zwischen uns, wo er einfach meine Hand genommen oder mich so heftig umarmt hatte, dass mir die Luft weggeblieben war. Und ich musste gestehen, dass ich seine Berührungen schmerzlich vermisste. Ich deutete es als Zeichen, dass er nicht mehr bereit war, auf mich einzugehen. Und das konnte ich ihm wirklich nicht verübeln, denn was hatte er nicht schon alles einstecken müssen. Ehrlich gesagt schämte ich mich zutiefst, wie oft ich ihm schon vor den Kopf gestoßen hatte. Dass ihm da irgendwann die Lust vergangen war, sich noch weiter demütigen zu lassen, war ja nur zu verständlich.
 

Ob er noch Gefühle für mich hegte?
 

Ich wusste es nicht.
 

Ich betrachtete ihn nur noch heimlich und versuchte dabei, in seinem Gesicht zu lesen, denn er wich jeglichem persönlichen Gespräch strikt aus. Manchmal, wenn er sich unbeobachtet glaubte, wirkte er traurig und frustriert, und seine schönen, dunklen Augen waren matt und glanzlos. Dann wollte ich am liebsten etwas tun, um die finsteren Gedanke zu vertreiben und meine Sonne wieder zum Leuchten zu bringen. Gerne hätte ich sein Gesicht in mein Hände genommen, gerne hätte ich… ja was eigentlich? Ich wurde fast rot bei der Erkenntnis, dass ich alles getan hätte, um ihn wieder fröhlich zu sehen, aber ich erlaubte mir gar nichts. Ich wollte ihm nicht wieder wehtun, und ich hatte eh das Gefühl, dass alles falsch wäre, was mir einfallen würde. Also hielt ich meine Hände bei mir und tat nichts… wenn es mir auch schwer fiel.
 

Aber es war nicht so, dass auf einmal peinliches Schweigen herrschte. Das war nicht Jacobs Art. Ich konnte ihm immer noch alles berichten, was mir durch den Kopf ging, und er hörte aufmerksam zu und gab auch seine Meinung kund. Es gab immer viel Gelächter, wenn wir uns gegenseitig von unseren Misserfolgen beim Training erzählten, oder wenn wir einfach zusammen im Haus waren und aßen oder aufräumten. Er gab sich immer lustig und zu Scherzen aufgelegt, aber ich spürte, dass etwas zwischen uns stand, denn über seine Gefühle schwieg er eisern, und er versuchte den Umgang mit mir betont kumpelhaft und platonisch aussehen zu lassen. Aber nachts lag er oft lange neben mir wach, während ich recht schnell einschlief. Ich merkte es, wenn ich aus einem Traum aufschreckte, und er mich leise und sehr sanft ansprach.

Immerhin schien er mit diesem Arrangement zufrieden zu sein, denn er machte keine Anstalten, daran etwas zu ändern. Und ich war froh, denn nur so konnte ich das enge Zusammenleben mit ihm bewerkstelligen. Aber jetzt brauchte ich Hilfe, und ich wusste einfach keinen anderen Menschen außer ihm, den ich darum bitten konnte.
 

„Bitte, Jake, bring‘ mich da hin, und dann passt du einfach auf mich auf, dass ich mich nicht verwandle und ihn anfalle. Und wenn es doch passieren sollte, dann reißt du mich weg und wir laufen davon.“

Mir war klar, was ich da von ihm verlangte, und er schaute auch alles andere als glücklich. Er kniff die Lippen zusammen und betrachtete mich missbilligend. Aber ich ließ nicht locker.
 

„Ach komm schon, ich muss dahin. Ich muss mit ihm reden.“

Wieder schaute ich ihn flehend an, aber er schien weit davon entfernt, mir helfen zu wollen.
 

„Bitte, Jake, als mein Freund. Ich kann sonst keinen um Hilfe bitten, weil sie mir keiner gewähren würde. Stell dir vor, ich wäre dein Mädchen und etwas wäre mit mir passiert und ich seit Tagen verschwunden. Wolltest du nicht auch wissen, wie es mir ginge?“

Das war fies, ihn das zu fragen, aber ich wusste nicht mehr weiter. Ich brauchte seine Hilfe, um zu Edward zu kommen, denn es war sowohl schwierig als auch gefährlich. Ich durfte unterwegs nicht gesehen werden, denn sonst bekam ich Ärger mit Sam. Ich konnte mich jederzeit verwandeln, wenn ich nicht aufpasste, und dann hätte ich das Geheimnis verraten. Also musste ich mich notfalls verstecken können. Und ich brauchte einen Begleitschutz, der auf mich aufpasste, damit ich Edward ja nicht noch einmal anfiel. Das war alles sehr riskant und vor allem gegen jede Regel, und darum brauchte ich unbedingt Begleitung, Jakes Begleitung, denn niemand anders würde so verrückt sein, sich darauf einzulassen.

Aber es war gemein, gerade ihn darum zu bitten. Ich wusste, wie er zu mir stand, oder zumindest gestanden hatte, bevor er weggelaufen war. Und ich glaubte nicht, dass sein Herz so schnell geheilt war, nur weil er mir seine Zerrissenheit nicht mehr zeigte. Es war absolut unterstes Niveau, gerade ihn zu bitten, mir dabei zu helfen, Edward zu sehen, und wenn ich nur eine Möglichkeit gesehen hätte, es alleine zu schaffen, dann hätte ich diese sofort gewählt.

Aber ich sah keine. Ich traute mir nach der Woche exzessiven Trainierens schon einiges zu, aber ich hatte keine Ahnung, wie ich, oder eher das Tier in mir, reagieren würde, wenn ich einem Vampir gegenüber stehen würde. Und dieses Risiko alleine einzugehen, wäre Wahnsinn gewesen. In meiner Verzweiflung wusste ich keinen anderen Ausweg, als Jacob so lange zu bearbeiten, dass er mitmachte. Ich hasste mich dafür… aber ich konnte auch nicht anders.
 

Zögernd gab er nach, aber es gefiel ihm immer noch nicht. Er zog eine ganz schöne Schnute und schürzte seine vollen Lippen wie ein bockiges, kleines Kind.

„Dann würde dich jeder als Wolf durch die Gegend rennen sehen, wenn dir wieder mal der Kragen platzt. Nein, keine gute Idee. Wenn, dann musst du in einem Wagen dahin, wo man dich notfalls verstecken kann. Und du brauchst einen Fahrer UND einen Aufpasser.“
 

‚Mein Chevy…‘, ging es mir durch den Kopf, aber der stand noch immer in der Auffahrt bei den Cullens. Dafür hatte Jake noch eine andere Idee, die er unwillig aussprach.

„Wir könnten Seth fragen, ob er mitmacht. Der ist bestimmt mit dabei. Er himmelt dich doch so an. Und die Clearwaters haben einen Transporter.“ Meine Augen leuchteten. Dabei kam ich mir wieder so mies vor wie damals am Strand, als ich mit ihm geflirtet hatte, nur weil ich Informationen von ihm gewollt hatte.
 

„Seth könnte ihn fahren, und dann im Auto warten, und ich versteck mich solange im Gebüsch, damit du mit deinem dämlichen Blutsauger quatschen kannst. Und falls du dich zu sehr aufregst, dann schnapp ich dich halt weg, kurz bevor du ihm an die Gurgel gehst… oder auch nicht.“ Er grinste schon wieder frech. Ja, das würde ihm so passen, dass ich Edward zerfleische. Aber ich wusste, das würde er nie zulassen. Mal davon abgesehen, dass Edward es wohl ebenfalls nicht zulassen würde. Er war gewarnt, und er war viel zu stark, als dass ich ihm ernsthaft gefährlich werden könnte. Glaubte ich zumindest.

Aber wollte er überhaupt eine Freundin, die ihm an die Gurgel ging? Die ihn anfiel, wenn sie wütend auf ihn war? Genau das musste ich herausfinden.
 

„Also abgemacht. Wir fragen Seth, ob er mitmacht, und ihr bringt mich dann zu den Cullens.“ Widerwillig nickte er. Es war mir nicht recht, dass ich seine Hilfe benötigte bei der Sache, aber mir fiel einfach nichts anderes ein. Alleine war es wirklich zu gefährlich, und jemand anderen konnte ich nicht fragen.
 

Setz war gleich damit einverstanden. Er würde wohl alles für mich tun, und schon wenige Stunden später, im Schutz der Dämmerung, fuhr der braune Pickup an dem Treffpunkt etwas abseits von unserer Hütte vor. Seth saß grinsend am Steuer, überließ es dann aber Jacob und krabbelte mit mir auf die Ladefläche. Die Plane war groß genug, um notfalls meine Wolfsgestalt verbergen zu können. Ich hatte sogar extra Anziehsachen mitgenommen, damit ich nicht wieder nackt rumrennen musste, falls es doch passierte und ich mich verwandelte, aber ich betete, dass es nicht dazu kommen würde. Es war schon peinlich genug, Edward nach all dem, was passiert war, gegenüber zu treten. Noch mal so ein Ausrutscher durfte nicht passieren. Ich wusste eh nicht, wie er wohl reagieren würde. War er sauer, schockiert? Würde er mich überhaupt noch sehen, mich berühren wollen? War ich noch seine Freundin? Bei dem Gedanken, dass er mich (wieder einmal) verstoßen könnte, wurde mir schlecht, und ich versuchte, nicht daran zu denken. Ich war richtig froh, dass Jacob jetzt gerade nicht neben mir saß, und ich hatte den Verdacht, dass er genau deswegen vorne am Steuer saß, einfach um mir aus dem Weg zu gehen. Seth lächelte nur und sagte gar nichts, und so war ich mit meiner ganzen Aufregung alleine.
 

Völlig nervös grübelte ich weiter, was wohl gleich auf mich zukommen würde. Edward hatte die Wölfe doch akzeptieren können, hatte sich mit ihnen zusammen getan und sogar an ihrer Seite gekämpft. Aber das war etwas vollkommen anderes als mit einem… intim zu sein.

Nun ja, so furchtbar intim waren wir ja nicht miteinander gewesen. Wir hätten es sein sollen, nach unserer Hochzeit, aber deren Termin war schon vorbei, und ich glaubte langsam selbst nicht mehr daran, dass sie noch stattfinden würde. Auch wenn ich noch so Angst vor diesem Treffen hatte, ich musste einfach hin. Und so saß ich nun bei Seth auf der Ladefläche, umfasste mich wieder mal selbst mit meinen Armen und fuhr voller Aufregung den Cullens entgegen.
 

Mir kam die Strecke endlos vor, aber endlich hatten wir die unscheinbare Abzweigung erreicht und fuhren den Weg zu dem großen Haus hinauf. Mit etwas Abstand hielt Jake an, wir sprangen ab und er wendete den Wagen, sodass er abfahrtbereit in der Einfahrt stand. Mein alter Chevy stand direkt drüben beim Haus, das wie immer hell erleuchtet war. Ich sah noch, wie Seth sich wieder ans Steuer setzte und mir zu grinste, bevor ich mich umdrehte und langsam zu der Eingangstüre hinauf ging. Jacob hatte sich bereits ohne Worte in den nahe gelegenen Wald zurückgezogen. Diesen Weg musste ich alleine gehen.
 

Mein Herz pochte wie verrückt, und auf einmal erschien mir die Idee gar nicht mehr gut. Ich hatte Angst davor, Edward zu sehen, hatte Angst vor seiner Reaktion. Was wäre, wenn er mich wegstoßen würde? Wenn er mich gar nicht mehr sehen wollte? Aber jetzt stand ich da, direkt vor der Haustüre. Ich warf noch einmal einen Blick über meine Schulter und glaubte, ein Stück rostbraunes Fell im Gebüsch erkennen zu können. Hatte Jacob sich verwandelt? Anscheinend ja, dann war er auch schneller, und konnte blitzartig reagieren, wenn ich Mist baute. Also atmete ich tief durch und versuchte die Furcht zu beherrschen, die mich ebenfalls dazu treiben konnte, mich zu verwandeln. Ich sprach mit Mut zu, dass Edward mich bestimmt noch genauso liebte wie vorher, dass sich nichts geändert hatte zwischen uns, dass alles so war wie vorher. Und doch wusste ich genau, dass es nicht so sein konnte.
 

Ich klopfte, und bevor ich mich wieder verdrücken wollte, machte Alice mir auf. Ihr bleiches Gesicht war schöner denn je, und ihre honigbrauen Augen strahlten, als sie mich sah. Sie wirkte überrascht. Genau, sie konnte mich ja nicht mehr in der Zukunft erkennen. Ich war jetzt ein Wolf, den sie nicht sehen konnte. Ich blockierte ihr seherisches Talent.
 

Ein Lächeln erhellte sofort ihre Züge, aber es wirkte irgendwie verkrampft. Das mir so liebe Gesicht begann sich ein wenig zu verziehen, und ihre feinen Nasenflügel bebten.

„Hi Bella… du bist es…“ Dann folgte beklemmendes Schweigen. Sie beugte sich vor, um mich zu umarmen, wie sie es immer tat, und ihre kalten Arme umfassten mich, aber ich hörte deutlich, wie sie heftig die Luft einsog. Sie schreckte tatsächlich vor mir zurück, und ich ließ sie peinlich berührt wieder los.
 

„Mein Gott, Bella, du stinkst vielleicht.“ Immerhin grinste sie frech und hielt sich dabei die Nase zu. Na toll! Ich roch für meine Freunde wie ein verlauster Penner. Das konnte ja heiter werden. Ich zuckte nur verlegen mit den Schultern und meinte: „Sorry, Eau de Loup, kann ich nichts dafür.“

Immerhin roch sie auch für mich seltsam. Früher war ich hingerissen von ihrem betörenden Duft nach Vanille und Blüten, Zitrone und anderen, mir unbekannten Nuancen. Und nun wirkte ihr Geruch eher abstoßend auf meine inzwischen empfindsamer gewordene Nase. Sie roch zu süß, zu bedrückend, und ich merkte, wie ich selbst die Luft anhielt.
 

Alice zog mich an den Händen in den Flur und schaute mich prüfend an. Hatte ich mich so sehr verändert? Sie sah aus wie immer, wunderschön und kreidebleich, die schwarzen Stachelhaare fielen ihr sanft ins hübsche Gesicht. Aber irgendwie kam auch sie mir fremd vor. Oder bildete ich mir das nur ein?
 

„Alice, es tut mir so leid, was ich euch angetan habe… und auch wegen der verpatzten Hochzeit. Du hast dir so viel Mühe gegeben, und nun… ist das passiert.“ Ich senkte bedauernd den Kopf und streichelte ihre Hand.

„Ach, das macht doch nichts, du kannst ja nichts dafür. Wir haben alles eingemottet, da ist ja nichts verloren.“ Sie versuchte betont fröhlich zu wirken, aber mir fiel schon auf, dass sie sehr unbestimmt sprach. Dann hatte sie sich auch schon wieder gelöst und war im Treppenhaus verschwunden, wohl um Edward zu holen. Die Stellen, an denen mich ihre Hände berührt hatten, prickelten und stachen, sie waren kalt, eiskalt. So frostig waren sie mir bisher noch nie vorgekommen.
 

Das Haus roch ganz anders als sonst, unangenehm süßlich, aber ich war heilfroh, dass ich Mensch war und den Geruch nicht gar so widerwärtig fand wie wohl als Wolf. Wenigstens etwas. Vorsichtshalber atmete ich weiter durch den Mund.
 

Ich hörte ein Tuscheln im ersten Stock, es klang nach Rosalie, die sich bestimmt über mich beschwerte. Dann erschien auch schon Edward auf der Treppe. Das war der Augenblick, auf den ich so lange gewartet hatte.
 

Ich starrte ihm entgegen, wie er mit langsamen Schritten die Stufen hinunter schritt und mir entgegen kam. Sein Gesicht war immer noch so schön wie in meiner Erinnerung, aber er sah auch etwas müde und abgekämpft aus, und die Augen waren ziemlich dunkel. Es leuchtete jedoch auf, als er mich sah, und er kam rasch zu mir und zog mich nach draußen. Bestimmt wollte er ungestört mit mir reden.
 

„Edward, es tu mir so leid.“ Ich fasste mit der Hand nach ihm und zuckte heftig zusammen, als ich seinen eiskalten Körper berührte. Die Kälte tat in den Fingerspitzen weh, wie wenn ich mich verbrannt hätte, aber ich ignorierte sie einfach. Endlich war er bei mir, und er schien unverletzt zu sein. Ich versuchte seinen Hals zu sehen, ob ich dort eine Narbe hinterlassen hatte, aber er zog mich fest an sich und drückte mich, auch wenn ich merkte, dass er dabei den Atem anhielt. Mein neuer Geruch würde ein echtes Problem werden für ihre feine Nasen. Ich war totunglücklich.
 

„Bella, ich hatte mir solche Sorgen gemacht. Was ist mit dir passiert?“ Es tat so gut, seine samtene Stimme wieder zu hören, ihn zu spüren, den eisigen Körper an meinem zu fühlen. Sanft küsste er mich auf die Stirn.

Ich schloss die Augen und gab mich voll dem Augenblick hin. Wieder bei ihm zu sein, danach hatte ich mich so gesehnt. Und es gab keine aufsteigende Wut oder angeborene Feindschaft von dem Wolfswesen in mir hielt, das mich abhielt, hier in seinen Armen zu liegen. Vielleicht wurde ja doch alles wieder gut.

Er hielt mich fest und innig, anscheinend hatte er mich genauso vermisst wie ich ihn. Seine steinharten Amre hielten mich eng umschlungen, und ich klammerte mich an seinem stahlharten Rücken fest, doch schon drang die Kälte durch meine recht dünne Kleidung. Du meine Güte, war er eisig! Früher hatte mir das doch auch nichts ausgemacht. Anscheinend war ich jetzt viel empfindlicher gegen Kälte, gerade weil mein eigener Körper um so vieles heißer geworden war. Mühsam versuchte ich, das Zittern zu unterdrücken, doch schon bald musste ich die Zähne krampfhaft auseinander halten, damit sie nicht klapperten.

Vorsichtig löste ich mich aus seiner Umarmung. Ich war immer vollkommen besessen gewesen von seinem wunderschönen Körper, und jetzt? Immerhin ging es schon wieder besser, als ein wenig Abstand zwischen uns war.
 

Unglücklich blickte ich zu ihm auf. „Ich habe mich verwandelt.“, flüsterte ich.

„Ja, das habe ich deutlich mitbekommen.“

Beschämt senkte ich den Kopf.

„Ach Edward, das tut mir wirklich leid. Ich war damals so schrecklich wütend auf dich, und da ist es einfach passiert, weil Wut die Verwandlung auslöst. Anscheinend hab ich das Gen ebenfalls in mir. Ich hatte keine Ahnung davon, aber ich stamme wohl ebenfalls von den Quileute ab. Charlie hatte nie etwas davon erwähnt, ich wusste ehrlich nichts… ich kann wirklich nichts dafür... bitte verzeih mir.“ Mein Blick war flehend, und ich erforschte sein Gesicht, um zu sehen, ob er mir vergeben konnte.

„Ach Bella, wir zwei haben es nicht leicht…“ Er zog mich wieder an sich und vergrub sein Gesicht in meinen Haaren. Trotzdem merkte ich, wie er wieder die Luft anhielt. Schon einmal war mein Geruch für ihn so unerträglich gewesen, damals im Biologieunterricht an der Schule. Ich wusste noch genau, wie angeekelt er mich angesehen hatte, wie verzweifelt er versucht hatte, von mir wegzukommen. Und nun stellte ich schon wieder so eine Herausforderung für ihn dar. Ich schlang meine Arme um ihn und hob den Kopf, um ihn zu küssen. Er sah mich an und ich meinte Traurigkeit zu erkennen in seinen dunklen Augen. Aber auch Liebe und Mitgefühl. Er strich mir über das Haar und senkte dann sein Gesicht zu mir herab. Seine kalten Lippen näherten sich meinen, und vorsichtig hauchte er mir einen Kuss auf. Es kam mir vor, als koste er ganz vorsichtig meinen neuen Geschmack, als prüfe er meine Haut. Fast misstrauisch tastete er sich an mich heran.

Aber konnte ich ihm das übel nehmen? Ich hatte mich sehr verändert, und ich wusste, dass seine extrem empfindlichen Sinne das deutlich spürten. Ich hatte mich in seinen natürlichen Feind verwandelt. War es da ein Wunder, dass er misstrauisch war?

Trotzdem schmerzte es. Die ganze Zeit hatte ich mich so danach gesehnt, ihn wieder zu spüren, hatte geträumt von seinen Lippen, seinem Kuss, seiner Umarmung. Und jetzt kam mir alles irgendwie gezwungen vor, künstlich. Ich versuchte, geduldig zu sein, ihm die Zeit zu lassen, die er brauchte, und je länger er mich so zögerlich berührte, umso mehr fing ich an zu zittern. Wieder gab er mir einen vorsichtigen Kuss, doch diesmal war es nicht die Leidenschaft, die mich sonst so oft übermannt hatte, sondern einfach nur die Kälte. Ich bebte immer mehr, mein Körper fing schon an zu zucken. Meine eigene Hitze schien seine Kälte noch um vieles unerträglicher zu machen, und ich musste meine Lippen von seinen lösen, um ihn nicht mit meinem Zähneklappern zu verletzen.
 

Da hörte ich, wie der Starter des Transporters in der Einfahrt betätigt wurde und schaute beunruhigt auf. Was war denn los? Gab es irgendeine Gefahr? Im Gebüsch, in dem ich Jacob vermutete, hörte ich ein Rascheln. Sie waren beunruhigt, aber es war doch gar nichts mit mir passiert.

„Dein Begleitschutz ist besorgt. Ich glaube, du solltest lieber gehen.“ Edwards Stimme war rau und auch ein wenig enttäuscht. Aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.

„Aber ich… es ist doch gar nichts…“, wollte ich protestieren.

„Ich werde auf dich warten. Geh nur, geh lieber mit ihnen. Und komm wieder, sobald du kannst.“

Das Gaspedal des Wagens wurde ungeduldig durchgetreten, und ich wurde langsam nervös. Mein Körper zitterte immer noch heftig, als ich Edward nochmals einen kurzen Kuss auf die eiskalten Lippen gab und mich dann unwillig abwandte. Ich rannte die Einfahrt hinunter zu dem wartenden Wagen und schwang mich behände auf die Ladefläche. Dann schoss der Pickup auch schon davon, raste den Weg entlang in Richtung auf die Landstraße. Ich kauerte an das Führerhaus gedrückt auf der schaukelnden Metallfläche und zog mir die Abdeckplane etwa heran, um mich zuzudecken. Ich zitterte immer noch am ganzen Körper, aber inzwischen war es auch vor Aufregung. Erst jetzt, wo ich schon wieder unterwegs war, klopfte mir mein Herz bis zum Halse.

Auf einmal gab einen dumpfen Aufprall, als Jacob mit einem riesigen Satz auf der Ladefläche landete. Er kam sofort zu mir, legte mir die Plane weiter um die Schultern, setzte sich neben mich und schaute mich misstrauisch an.

„Was habt ihr denn beide? Warum seid ihr so besorgt?“ Ich wusste immer noch nicht, warum die beiden Jungs so angespannt reagierten. Ich hatte nicht mal ansatzweise ein Kribbeln im Rücken gespürt.

„Du hast so gebebt, und wir waren uns sicher, dass du dich jeden Augenblick verwandeln würdest.“

„Ach.“ Das war es gewesen. „Mir war doch nur kalt.“ Jacob sagte nichts dazu, er machte nicht einmal eine spöttische Bemerkung. Ich war ihm dankbar dafür, denn ich war reichlich durcheinander.

Auch wenn Seth nicht so nervös geworden wäre, ich hätte nicht gewusst, was ich mit Edward hätte reden sollen. Es war alles so seltsam gewesen, so befangen, so peinlich. Die Nähe, die uns immer verbunden hatte, die fehlte auf einmal. Aber trotzdem wäre ich gerne länger bei ihm geblieben. Immerhin ging es ihm gut, und er schien nicht böse auf mich zu sein. Ein wenig erleichtert richtete ich mich auf. Jetzt, wo Jacob neben mir saß, wurde mir auch gleich wieder wärmer.
 

„Danke, dass du mitgekommen bist und aufgepasst hast.“ Ich versuchte ihn schief anzugrinsen. Ich hatte immerhin Edward vor seinen Augen geküsst. Das war ein harter Preis, den er wieder zahlen musste, um mir zu helfen, und es schmerzte mich, ihn gezwungen zu haben, sich das anzusehen.
 

„Beim nächsten Mal komme ich alleine. Da musst du nicht mehr mit.“

„Wenn es denn ein nächstes Mal gibt…“, flüsterte er nur leise vor sich hin.

„Wieso denn?“ Ich war überrascht, wieso er so negativ dachte. Edward wollte doch auf mich warten.

Er lachte rau auf. „Na, deine Vampirfreunde da drin sind nicht so begeistert von deiner Verwandlung.“

„Ach, du meinst Alice? Weil ich so stinke?“

„Nein, der macht es nicht mal so viel aus… obwohl sie ganz schön geblasen hat.“ Er kicherte vor sich hin. Stimmt ja, er hatte als Wolf im Gebüsch gelegen und bestimmt mehr gehört als ich mit meinen menschlichen Ohren.

„Und? Was haben sie gesagt?“, wollte ich neugierig wissen.

„Ich glaub nicht, dass du das hören willst.“, erwiderte er nur schroff.

„Wieso, komm schon. Das ist meine zukünftige Familie.“

„Oder auch nicht. Sei dir da mal nicht so sicher.“

Erschrocken schaute ich ihn an. „Jetzt komm, rück schon raus, ich erfahr es eh.“

„Die Blonde im Obergeschoss…“ „Rosalie?“ „Ja, die rastete komplett aus. Die sagte, die werde ihre Sachen packen und ausziehen, wenn du noch einmal ins Haus kommen würdest.“
 

Ich schwieg betroffen. Und ich hatte gedacht, ich hätte inzwischen einen Draht zu ihr gefunden. Aber das Wolfwesen in mir hatte alles wieder vernichtet. Ich war am Boden zerstört. Ich würde die Familie entzweien. Wenn Rosalie ging, würde Emmet bestimmt mit ihr kommen.

Jacob merkte, wie entsetzt ich war und versuchte, mich aufzuheitern.

„Ach komm, der andere, der Freund von der Kurzhaarigen, der fand es toll. Er würde dich zum ersten Mal nicht mehr auf der Stelle aussaugen wollen.“

Jaspar. Dann hielt ihn mein Gestank von meinem Blut ab. Wie schön. Ich versuchte mich zu freuen, aber es blieb nur Sarkasmus.

„Prima, wenigstens einer, der es gut findet.“

„Komm, ich finde es auch gut. Also nicht gut für dich, du wärst bestimmt besser ohne den ganzen Wolfskram dran, aber ich finde dich cool. Echt cool!“

Vorsichtig legte er mir den Arm um die Schulter, und ich blickte ihn schweigend an. Er würde mich immer cool finden, egal, was ich war. Ich musste wohl so elend aussehen, wie ich mich fühlte, dass er seine sich selbst auferlegten Verbote überschritt und mich wieder anfasste.
 

„Und Esme und Carlisle?“, fragte ich flüsternd.

„Die haben versucht zu vermitteln, aber Blondie war nicht zu beruhigen. Sie würde nicht zulassen, dass sich so ein stinkender Werwolf in ihrer Familie breit machen würde.“
 

Mir verschlug es die Sprache. Dass sie heftig reagieren würden, das war mir schon klar gewesen, aber dass ich vollkommen aus der Familie verbannt sein würde? Eine Familie, nach der ich mich so gesehnt hatte, auf die ich mich gefreut hatte wie ein kleines Kind zu Weihnachten. Ich hatte dazu gehören wollen, eine von ihnen sein, nie mehr alleine, nie mehr verlassen, immer mit Wesen um mich herum, die mich mochten. Und nun war alles zerstört.

Dir Tränen quollen aus meinen Augen, ohne dass ich es verhindern konnte. Mein zukünftiges Leben löste sich gerade vor meinen Augen auf.
 

„Meine Familie.“, jammerte ich. Jacob sah mich mitleidig an. „Komm, du hast noch genug Familien. Du hast Charlie, du hast uns, Billy und mich, und du hast ein ganzes Rudel.“

Ich versuchte zu lächeln, aber es gelang mir nicht so recht. Und wieder einmal hing ich heulend an seiner Seite und machte ihm seine Brust nass, während er mir den Rücken tätschelte. Ich sollte mir das mal abgewöhnen.
 


 

oOo
 

Das hat ein wenig anders geendet, als wir alle es für Bella gehofft hatten. Und doch war damit zu rechnen. Und Jake hat sich von Bella abgesetzt. Ob sie jetzt bald ganz alleine dasteht? Was meint ihr? Wie wird es weiter gehen?

Schreibt mir mal, was ihr meint.

Ganz liebe Grüße
 

Hi-chan



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (6)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Legoory
2012-01-08T18:23:28+00:00 08.01.2012 19:23
Die liebenswürdige Rosalie. Äh, ich meine Zicke XD
War klar, dass die dagegen ist, dass Bella ins Haus kommt. Gut, Bella war ihr schon als Mensch zuwider, klar dass sie als Werwolf erst Recht der Feind ist.

Warum muss Jake sie eigentlich immer trösten? Sie nutzt ihn schamlos aus und was macht er? Er bleibt bei ihr, tröstet sie, nimmt sie in den Arm, baut sie auf... etc.
Wie mich das nervt!

xD Bin gespannt wie es weitergeht.
Von:  eilatan89
2010-11-08T02:39:54+00:00 08.11.2010 03:39
Super Kapitel echt klasse ich hoffe mal es gibt mal Jackob kramt bald wieder sein Herz raus xD.

Liebe Grüße eilatan89
Von: abgemeldet
2010-11-05T08:57:01+00:00 05.11.2010 09:57
Du hast nach Ideen zur weiteren Geschichte gefragt:
also, ich finde die Geschichte mit Edward ist noch nicht ganz zu Ende, da fehlt noch der große Bruch/ Schlussstrich und dann muss sie sich selbst finden, ohne Jake. Vieleicht sollte noch eine Bedrohung von außen kommen, in der sie kämpfen muss und das vieleicht auch gemeinsam mit den Cullens und den Wölfen. Danach könnte ich mir gut vorstellen, das sie mit Jake doch noch zusammenkommt. Oder die Prägung setzt bei Jake und Bella noch neue Spieler in die Geschichte.
Von: abgemeldet
2010-11-05T08:34:52+00:00 05.11.2010 09:34
man oh man, ich bin echt beeindruckt.
Ich bin eigentlich ein Edward Fan, aber in Deiner Geschichte kommt Jake echt gut raus und ich bin schon gespannt wie es weiter geht. Deine Bella gefällt mir echt gut, sie scheint endlich aufzuwachen und ihren eigenen Weg zu gehen und sich nicht auf andere zu verlassen.

Bitte schreib schnell weiter :-)
Von:  saso2
2010-10-31T19:26:56+00:00 31.10.2010 20:26
wieder mal klasse ich konnte mir genau vorstellen wie alice geguckt hat und das mit jazzs sakasmus war echt gut ^^
Von:  saspi
2010-10-31T18:22:34+00:00 31.10.2010 19:22
Hey!!!
Super kappi!!! Bitte schreib schnell weiter!
Bin schon neugierig wie 's weitergeht!!!
Freu mich aufs nächste kappi.
Bye



Zurück