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Fortum

Das dunkle Herz und das Licht
von

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Geheimnisse!

Comitas hatte sie in das Bett des Magiers gelegt. Hatte sie noch gewaschen. Ihr Haar gekämmt und sie in frische Kleider gesteckt. Er wollte sie nicht länger in diesem jämmerliuchen Zustand sehen. Es war schon schlimm genug, dass sie in einen todesähnlichen Schlaf gefallen war. Als der Magier hineinkam, drehte sich Comitas zu ihm herum. „Herr, Ihr ihr helfen müsst. Sie nicht sterben darf!“, flehte er, doch Tenebrae sagte nichts. Sondern ging zum Bett, in dem die Prinzessin lag und kniete sich neben sie. Nahm ihre Hände in die seinen und schaute sie lange schweigend an. Comitas wurde dabei immer nervöser und und fragte sich, warum sein Herr nichts tat. „Herr, was wir tun können?“, fragte er, auch wenn er wusste, dass sie nichts tun konnten um die Prinzessin zuretten.

„Hol alles hier, um das Gift, welches sie in sich hat, zu neutraliesieren!“, sagte er nach einer langen quälenden Minute. Comitas, ebenoch verzweifelt und nervös, nickte nun. „Welches Gift es sich handeln?“, fragte er. „Nachtgift!“, sagte der Magier nur und Comitas eilte schon davon.

Es vergingen kaum fünf Minuten, als er schon auch wieder zurück kam. Mit Schalen, Tigelchen und Kräutern auf den Armen. Er breitete alles ordentlich auf dem Noden aus und Tenebrae machte sich daran, dass Gegengift herzustellen. Dabei schaute er immer wieder zu Lumen, die einfach nur dalag und mehr tot als lebendig wirkte. Sein Magen verknotete sich bei diesem Anblick. Die aufkommende Angst um sie machte es beinahe unmöglich seine Hände ruhig zuhalten und nicht eines der wertvollen Zutaten zuverschütten. Comitas half ihm. Zermalmte die Käruter mit dem Stößer zu einer breiigen Masse und schüttelte sie in die Schale. Tenebrae goss etwas klares Wasser hinein und vermengte alles. Raspelte noch einige Kerne von fremdartigen Früchten hinein und setzte sich dann zu der Prinzessin aufs Beet. Schob vorsichtig seine Hand unter ihren Nacken und setzte die Schale mit dem Gegengibt an ihre Lippen.

Lumen spürte, wie ihre Lippen von etwas auseinander gedrückt wurden und etwas Flüssiges, Warmes zwischen ihre Zähne floss. „Trink das, Lumen!“, hörte sie von weither eine Stimme und als die Flüssigkeit beinahe schon über ihre Mundwinkel rann, begann sie zuschlucken, Langsam und zögernt, aber sie schluckte es hinunter. Erleichtert seufzte er auf. Sie war noch nicht ganz verloren. Tenebrae hob die Schale etwas höher, sodass auch der letzte Rest in ihren Mund floss, bis sie leer war und legte die Prinzessin dann zurück auf die Kissen. Reichte Comitas die leere Schale, ohne dabei den Blick von ihr zulassen. Und während Comitas die benutzten Dinge wegräumte, blieb der Magier neben ihr sitzen. Beobachtete, wie das Mittel wirkte und wie sich ihre Brust immer deutlicher hob und senkte, während sie atmete. Es begann bereits zu wirken.

Er seufzte. Erleichtert, dass es nicht zuspät war und dass er sie noch vor dem Tode bewahren konnte. Doch noch war es zu früh sich zu freuen. Sie musste erstmal wieder zusich kommen. Und das konnte dauern. So blieb er neben sie sitzen und hielt ihre Hand. Sprach mit ihr, weil er sich davon erhoffte, sie würde ihn hören.

Und Lumen hörte ihn. In ihrem tiefen Schlaf, der noch vor kurzem ein Todesschlaf war und nun zu einem traumlosen Schlaf geworden war, hörte sie seine Stimme in der Dunkelheit und sie fühlte, wie die Kälte, die mit dem nahenden Tode sie erfasst hatte, langsam in eine wohlige Wärme umschlug. Fast wie an einem sonnigen Tag. Lumen lächelte dabei.

Und plötzlich begann die Finsterniss, einem schwachen Grau zuweichen. Welches dann sich in ein strahlendes Licht verwandelte und das Rauschen des Windes hören konnte. Für einen kurzen Moment war Lumen irritiert, hielt inne. Aber dann ging sie auf das Licht zu. Immer schneller und schneller, als könne sie es nicht erwarten, aus dieser Dunkelheit zu kommen, Oder zog das Licht sie an, wie das Licht die Motte. Lumen verstand es nicht hatte auch ein wenig Angst. Doch dann schwand diese und ein Gefühl von freudiger Erregung erfüllte sie.

„Lumen!“, hörte sie nur noch wie aus weiter Ferne den Magier nach ihr rufen und seine Stimme verhallte, je näher sie dem Licht wurde. Dieses wurde stärker, als sie endgültig in das Licht trat. Zuerst war sie geblendet von der Kraft des Lichtes. Sie hielt die Hand davor und kurz gab es nichts, als strahlendes Weiss. Als sich dann aber ihre Augen daran gewöhnte sie konnte es sehen. Die grüne Wiese, auf der sie stand, deren Halme sich sanft hinundher wiegten, wenn der Wind über sie strich. Der blaue Himmel, der wolkenlos über ihr hing und die Berge, die sich in der Ferne dunkelblau von dem des Himmels abhoben. Erst dachte sie, es sei ein Traum. Jedoch wenn dem so wäre, wie konnte sie die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht und das Flüstern des Windes hören?

Nein, das konnte kein Traum sein.

Es wirkte alles zu real, um ein Hirngespinst zusein und sie verlor sich für einen kurzen Moment in diesem Anblick. Sie glaubte sogar, die Landschaft, die sich vor ihr erstreckte, zukennen. Lumen versuchte sich zuerinnern woher. Zuerst schien es jedoch als würde ein zäher Nebel über ihren Erinnerungen liegen, der es ihr schwer machte, zu diesen durchzudringen. Aber dann konnte sie den Nebel vertreiben und Lumen war nun erstaunt.

Es war dieselbe Landschaft, die der Magier erschaffen hatte. Wie konnte das sein?

Wie war sie hierhergekommen?

Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, war, wie Fallacia sie vergiftet hatte und wie nahe sie dem Tode war. Die Kälte blieb ihr noch gut in Erinnerung und sie schauderte. Doch nun war sie hier, inmitten dieser wunderschönen Landschaft, die ihr wie ein Traum erschien. Und Lumen fragte sich, ob sie nicht doch ihr sterbliches Leben hinter sich gelassen hatte und nun ins Paradies übergetreten war.

Da hörte sie nun wieder die Stimme des Magiers. Hörte ihren Namen aus seinem Munde und etwas wie Sorge schien darin zuliegen. Sie drehte sich um, weil sie dachte, er würde neben ihr stehen. Aber sie war allein. „Tenebrae?“, fragte sie, verwirrt darüber, dass sie ihn nicht sah. Dabei hatte es geklungen, dass er direkt neben ihr stehen würde. Um sicher zusein, dass sie sich das nicht eingebildet hatte, drehte sich ein paarmal um die eigene Achse. Versuchte im Schatten der angrenzenden Bäume den Magier zusehen. Sah ihn jedoch nicht.

Spielte ihre Fantasie ihr einen Streich?

Nocheinmal rief sie nach dem Magier, in der Hoffnung, er möge ihr antworten. „Tenebrae? Wo bist du?“, fragte sie laut und einige Minuten herrschte Stille. Nicht mal der Wind sang weiter, sondern hatte sich gelegt. Mit einem Mal schien die Landschaft, die sie zu ihrem eigenen Paradies erklärt hatte, ihre Schönheit und Harmonie verloren zuhaben. Sie wirkte nun viel zu ruhig und beklemmend, als das man sagen konnte, sich hier wohl zufühlen. Es schien nun auch kälter geworden zusein, und als sie hinauf schaute, sah sie, dass sich dicke dunkle Wolken vor die Sonne geschoben hatten. Lumen hatte ein ungutes Gefühl dabei und schaute sich wieder nach dem Magier um. „Tenebrae! Bitte! Sag mir wo du bist!“, flehte sie nun und wünschte sich, dass er sich blad zeigen würde. Trotz was er ihr angetan hatte, brauchte sie ihn. Er war der einzige, der die beschützen konnte. Und den sie bei sich haben wollte. „Tenebrae!“

Ihre Stimme überschlug sich beinahe, als sie wieder und wieder nach ihm rief und nun den Hügel hinunterrannte. Ununterbrochen schaute sie sich um. Der Magier jedoch blieb unsichtbar. Nur seine Stimme schien sie noch zuhören. Oder glaubte sie das nur?

Lumen spürte, wie Panik sie erfasste, wie eine eisige Klaue und sie zum weiterrennen trieb. Was wenn ihr vermeintliches Paradies, sich als tückische Falle entpuppte und sie darin gefangen war. Was wenn sie sich das alles nur erträumt hatte?

Lumen schüttelte diesen und noch andere schreckliche Gedanken ab und rannte. Rannte, bis ihre Füsse schmerzten und sie kaum noch Luft in ihren Lungen hatte. Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass sie sich fragte, ob es Nacht war oder wieder diese Finsterniss, in der sie zuvor gefangen gewesen war. Jedoch nach oben, in den Himmel, zuschauen oder gar den Blick von dem, was vor ihr lag, zunehmen, traute sie sich nicht. Sie hatte zugroße Angst. All die schrecklichen Alpträume, die sie hatte, schienen nun wieder allgegenwärtig zusein, sich zusammenzurotten und auf sie zulauern. Irgendwann blieb sie mit dem Fuss an einem Stein hängen stolperte. Sie schrie auf, als sie zu Boden stürzte und war zuerst nicht in der Lage, sich zurühren. Doch dann hörte sie das Donnern und rollte sich herum. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie die grauen Wolken sah, die sich über sie türmten und sich dann zu mehreren schrecklichen Kreaturen verformten. Wölfe, Drachen und Wesen, die menschliche Körper, aber den Kopf eines Stieres oder einer Echse besaßen, starrten auf sie nieder und das Rot in ihren Augen glühte infernalisch. Lumen schrie entsetzt auf und versuchte zurück zuweichen. Es war genauso wie damals, als sie das erste Mal im Schloss des Magiers schlief und von diesen Träumen heimgesucht wurde. Und die Angst, die sie nun zu Eis erstarren ließ, war es ebenso. Langsam krochen die schrecklichen Kreaturen auf sie zu und streckten ihre Klauen nach ihr aus. Wollten sie fassen, sie zu sich ziehen und sie mit ihren gewaltigen Mäulern zerreissen.

„Nein…!“, schrie sie, wisch über dem Boden rutschend zurück, doch die Klauen folgten ihr. Krochen, ähnlich wie Nebelschwaden, über dem Boden und als eine der Kreaturen sie am Saum ihres Kleides erwischte und daran zog, schrie sie erneut. Grub die Finger in das Gras und trat nach dem Arm, der sie festhielt. Sie wollte nicht, dass diese Monster sie bekamen. Doch egal wie fest sie auch trat und versuchte sich von ihnen fern zuhalten, die Klaue zog und zerrte sie weiter zu sich heran und neben dieser kamen nun abdere Krallen, die sich tief in ihr Fleisch gruben und sie fürchtete, dass sie ihr das Fleisch von den Knochen reissen würden. Lumen schrie und schrie. Hatte Tränen in den Augen und die Angst stieg ins unermessliche.

Mit jedem Herzschlag kam sie den Monstern immer näher, bis sie ihren ekelhaften Atem in der Nase hatte und deren Klauen auch nun auf ihren Schultern spürte, die zudrückten. „Nein!“, schrie sie und wehrte sich erneut. Versuchte sich aus den Griffen der Ungeheuer zu befreien. Die Kreaturen aber verstärken ihre Griffe immermehr und fauchten wütend.

„Lasst mich los!“, schrie sie, schlug um sich. „Beruhige dich, Lumen!“, hörte sie plötzlich eine Stimme sagen und die Kreaturen begannen sich wie von einem Moment auf den nächsten aufzulösen. Verloren ihren Schrecken und anstatt in die glutroten Augen der Monster und deren schrecklichen Grimassen, blickte sie in die besorgten Augen und Gesichter ihrer Familie.

Lumen stutzte und glaubte in den nächsten Tarum geschlittert zusein. Aber dann hörte sie die Stimmen ihrer Schwestern. Und schaute zu ihren Handgelenken. Sah statt Klauen ebenso Hände, die sie umfassten. Zarte, warme und weiche Hände, die sie erkannte. Es waren die ihrer Schwestern. Lumen blinzelte und schaute sich dann richtig um. Sie war in ihrem Zimmer. Sah die weissgetunchten Wände, die ebenso weissen Seidengardinen, die sich im Wind blähten und im Sonnenlicht tanzten. Ihre Hände sanken, nachdem ihre Schwestern sie losgelassen hatten, auf die Laken und strichen darüber. Fühlten den weichen, beinahe wolkigen Stoff und sie drehte den Kopf. Sah die Fenster, durch die sich das Licht brach und das Glas bunte Lichtpunkte auf die gegenüber liegende Wand warf.

Lange blieb ihr Blick an diesen hängen. Wo sie zuvor dachte, dass sie das noch träumte, wurde sie sich mal zumal sicher, dass sie im Schloss war. Und wie zuvor in ihrem Traum fragte sie sich, wie sie hierher gekommen war.

Fortitiudo war es, die ihre Schwester aus ihren Gedanken holte. „Lumen?“, fragte sie und setzte sich auf das Bett. Lumen verweilte noch einen Moment so, den Kopf abgewandt und mit einem Blick, der in die weite Ferne gerichtet war. Dann drehte sie ihn, sodass sie sie ansah. Aber sie schien immer noch ganz woanders zusein. „Alles in Ordnung mit dir?“, fragte Fortitudo. Besorgt, dass ihre Schwester irgendwie geistig nicht wirklich dar war. Der Blick, der in ihren Augen lag, macht ihr Angst. „Ja!“, kam es nur von Lumen. Dann drehte sie den Kopf und ihre Augen schienen nach etwas zusuchen. Oder eher nach jemanden. Ihr Vater war nicht da und das ließ sie ein wenig stutzen. Der König hätte genauso gewartet, bis sie erwachte und wäre der erste gewesen, der sie in seine Arme geschlossen hatte. Aber irgendwie war sie froh, dass sie ihn nicht gleich sah. Denn sonst wären ihr die Fragen, warum er einst die Eltern des Magiers töten ließ und wie er sich im Spiegel noch ansehen konnte, rausgerutscht und das hätte wiederum dazu geführt, dass sich beide aufregen. So hatte sie aber Zeit, sich was einfallen zu lassen, wie sie besser damit umgehen konnte.

„Wie bin ich hiehergekommen?“, fragte Lumen nun um nicht weiter darüber nachzudenken. Sie richtete sich auf und kurz erfasste sie ein Schwindel. Sie stöhnte und fasste sich an die Stirn. Cor stützte sie und legte sie, mit sanftem Druck in die Kissen zurück. Fortitudo schien erstmal nicht zuwissen, was sie mit dieser Frage meinte. Kurz schaute sie zu Cor, die auf der anderen Seite des Bettes stand und ihren ratlosen Blick zuerwiedern schien. Dann blickte sie wieder Lumen an. „Hauptmann Fidus hat dich zurückgebracht!“, erklärte sie nur. Lumen runzelte die Stirn.

Wie und wann war das passiert?

„Und…und der Magier?“, fragte sie wieder. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Tenebrae sie so einfach hatte gehen lassen. Schließlich war sie seine Gefangene. Bei diesem Gedanken wurde ihr erneut übel. Nein, ich war sein Gast, sagte sie sich. Doch diese Worte konnten nichts gegen die Übelkeit ausrichten, die sie überkam, als sie sich die vergangen Tage, oder mochten es Wochen sein, vor Augen hielt, als sie im Kerker eingesperrt war und vergiftet wurde. Fortitudo schwieg und Lumen fürchtete schon, dass es zum Kampf zwischen dem Hauptmann und dem Magier kam. Fortitudo warf Cor nun einen hilflosen Blick zu. Cor verstand und nickte. „Er hat dich gehen lassen!“, sagte sie sanft und nahm Lumens Hand, die sich eiskalt anfühlte. „Weil du aussahst wie tot, bat Fidus ihn, deinen toten Körper zurück ins Schloss bringen zudürfen, damit du im Kreise der Familie deine letzte Ruhe finden kannst!“

Daraufhin bildete sich ein schleimiger Kloss in ihrem Hals, an dem sie beinahe erstickte.

Tot?

War sie das wirklich gewesen?

Lumen erinnerte sich an die Dunkelheit und die Kälte, die sie umhüllte, wie einen Mantel, der sie erstickte und schauderte. Aber dann hatte sich etwas verändert. Die Kälte war in Wärme umgeschlagen und sie hatte das Licht gesehen. Konnte sie sich das alles nur eingebildet haben?

War das etwa das, was man „Das Leben nach dem Tode“, nannte. In einem Buch, welches in der Bibliothek des Magiers gestanden hatte, hatte sie davon beiläufig gelesen und erstmal nicht weiterbeachtet. Sondern es zurückgestellt und sich ein neues Buch genommen. Nun aber erinnerte sie sich daran. Darin stand, dass Menschen, die kurz vor ihrem Ende standen, und bereits mehr lebendig als tot waren, davon erzählten, dass sie ein Licht am Ende eines langen Tunnels sahen, durch den sie gegangen waren und wenn sie in Licht traten, in das Paradies eintreten würden.

Und für einen kurzen Moment, hatte sie das auch geglaubt. Hatte die herrliche Landschaft gesehen und es für das Paradies, für den Garten Eden gehalten. Der sich jedoch in das Gegenteil verwandelt und schließlich in einen Traum endete.

Nein, sie war nicht tot. Aber sie wäre es beinahe gewesen. Sie hatte es gespürt. Wie ihr Herz langsamer schlug und die Kälte immer stärker wurde. Und noch etwas war da. Da war diese Stimme, die sie dem Magier zuschrieb und wie etwas gegen ihre Lippen gedrückt wurde. Eine Flüssigkeit, die ihre Kehle hinunterrann und ihr neue Kraft gab. Sie wärmte. Ähnliche wie die Sonnenstrahlen, die in ihr Zimmer fielen. „Und er…er hat es einfach zugelassen?“, fragte sie und war erschrocken, wie schwach ihre Stimme war. Noch immer wollte sie es nicht glauben, dass der Magier ihn und ihren vermeindlichen Leichnam ohne irgendeinen Protest hatte gehen lassen. Aber vermutlich lag es daran, dass er für eine tote Prinzessin keine Verwendung hatte. Was nützte ihm ein kalter Frauenkörper. Lumen gab sich darauf selbst die Antwort. Nichts!

Er würde sich nicht die Mühe machen und sie bestatten lassen. Nicht eine einzige Träne für sie vergießen.

Bei diesem Gedanken brannten ihr die Augen. Ihr Herz schlug verkrampft, als wollte es aufhören und es schmerzte. Sie unterdrückte ein Schluchzen. Sie wollte nicht glauben, dass er sich nicht von ihr verabschieden wollte.

„Ja!“, sagte Fortitudo. Dieses eine Wort schnitt ihr ins Herz, wie ein Messer und sie schloss die Augen. Ihre Lippen wurden schmal und blass. „Hat er was gesagt?“, fragte sie und ihre Stimme war erstickt von nahenden Tränen. „Nein!“

Cor warf ihrer Schwester daraufhin einen finsterten Blick und Fortitudo versuchte ihn nicht beachten. „Lasst mich allein!“, wimmerte Lumen und vergrub das Gesicht in den Kissen. An dem Zittern und Zucken ihrer Schultern sahen ihre Schwestern, dass sie weinte. Cor legte behutsam die Hand auf ihre Schulter. Strich sanft darüber, um sie zu trösten. Doch Lumen streifte ihre Hand ab. „Lumen!“, sagte Cor besorgt und wollte sie wieder an der Schulter brühren. Lumen aber schrie in das Kissen:„ Lasst mich allein!“

Und ihre Schwestern berücksichtigten ihren Wunsch.
 

Einsam ging der Magier durch die Flure seines Schlosses. Es war still gworden, als er die Prinzessin in die Obhut ihrer Familie übergeben hatte. Und mit ihr war auch das Leben, welches einst dieses Schloss erfüllt hatte, verschwunden. Selbst das Licht, welches die Finsterniss durchbrochen hatte und das man Hoffnung nannte und ihn glauben ließ, so zu leben, wie einst, war fort. Nun gab es nichts mehr.

Lumen hatte dies alles fortgenommen. Das einzige, was gab es, war Leere und Dunkelheit.

So wie zuvor, bevor Lumen in sein Leben trat und sein Herz berührte.

Tenebrae vermochte nicht zusagen, ob er froh oder tiefbetroffen sein sollte. Zum einen hatte er es getan, weil er nicht wollte, dass sie noch länger durch seinen Egoismus zu Schaden kam und zum anderen, weil er wusste, wie sehr sie ihre Familie vermisste.

Dabei hatte das erste den stärksten ausschlaggebenden Punkt, da er vielzuspät erkannt hatte, nachdem er sie vor dem Tode bewahrt hatte, dass es ein Fehler war, sie als Lohn gefordert zuhaben.

Fallacia hatte es ihm deutlich gezeigt. Auch wenn sie das mit Sicherheit nicht beabsichtigt hatte, hatte sie es und dafür war er ihr dankbar. Trotz dass sie damit zuweit gegangen war. Aber anders hätte er es nicht erkannt. Er hätte nicht erkannt, dass diese Welt, die Welt der Dunkelheit, viel zugefährlich für sie war. Dass es immer jemanden oder etwas geben würde, was ihr nach dem Leben trachtete und er dies nicht verhindern konnte. Das er sie nicht immer beschützen konnte.

Diese Tatsache mochte schmerzlich sein, aber sie war so wahr und echt, wie der Stein aus dem das Schloss gebaut war. Tenebrae blieb stehen und schaute sich um. Die Dunkelheit, die durch Lumens Licht, welches sie im Herzen trug, zurückgedrängt wurde, war nun wieder erstarkt und lauerte um ihn herum. Als wollte sie sich auf ihn stürzen. Auf ihn, ihren Herren. Doch vielleicht sann die Finstenriss, die jahrelang sein Vertrauter gewesen war und ihn geschützt hatte, nun auf Rache.

Tenebrae wusste um die Gefahr, die die Finsterniss und die darin lebenden Wesen darstellten.

Sie waren die Ausgeburt seiner eigenen Wut und seines Hasses auf den König.

Waren daraus erschaffen worden.

Und zu ihnen kamen all die verloren und verzweifelten Seelen derer hinzu, die einst ihn bedienten und unter der Dunkelheit zugrunde gingen. Selber zu Schatten wurden. Er hörte ihr Klagen, Jammern und ihre Wut darüber, was sie aus ihnen geworden war und dass sie ihm die Schuld dafür gaben, nun laut und deutlich. Hörte, wie sie Rachepläne schmiedeten und sich die schlimmsten Qualen für ihn ausdachten. Ein Schauern ging ihm durch Mark und Bein.

Sie sind das absolut Böse, welches keine Gande kennt. Und jetzt wo er selbst verwundbar und leicht anzugreifen war, würden sie es sich nicht nehmen lassen, sich auf ihn zustürzen. Er spürte schon, wie sich einer der Schatten ihm näherte und die mit Klauenversehene Hand nach ihm ausstreckte. Doch kaum, dass der Schatten den Magier berührte, drehte er sich um und schleuderte ihm eine Lichtkugel zu. Als die Lichtkugel auf den Schatten traf, explodierte er und seine Gestalt löste sich binnen von Sekunden auf. Daraufhin wischen die anderen Schatten zurück. Flohen, doch ihre Nähen blieb spürbar.

Tenebrae erlaubte sich ein siegeerisches Lächeln. „Lasst Euch das eine Lehre sein!“, sagte er und ging weiter. Für dieses eine Mal, konnte er die Schatten in ihre Schranken weisen, doch er wusste, dass sich das bald ändern kann. Und wenn dies geschehen würde, dann würde er sterben. Und die Prinzessin würde es nicht erfahren. Vielleicht war es auch gut so. Er hatte die ganze Zeit in Einsamkeit gelebt und sich nicht daran gestört.

Nun würde er auch in dieser Einsamkeit sterben.

Und niemand würde um ihn trauern.
 

Fünf Tage. Fünf Tage vergingen, in denen Lumen das Bett nicht verließ. Auf Anordnung der Ärzte und weil sie selber keinen Wunsch verspürte, aufzustehen. Jeden Tag kamen die Ärzte, um zusehen, wie es der Prinzessin ginge. Und immer wieder sagte sie ihnen, dass es ihr gut ginge.

In dieser Zeit kamen Cor und Fortitudo oft zu ihr und unterhielten sich mit ihr. Um über das Wetter, über die Männer, die versucht hatten, Fortitudo den Hof zumachen und dabei kläglich scheiterten und dass Cor im siebten Himmel schwebte, wie nie zuvor, seit der Hochzeit mit ihrem geliebten Hauptmann. „Mich würde es nicht wundern, wenn wir bald schon Tanten werden!“, bemerkte Fortitudo mit einem Kichern und Cor errötete. „Naja, wir…wir wollen uns Zeit lassen!“, sagte sie. Lumen musste dabei etwas lächeln. Doch dann wich das Lächeln und sie schaute wieder aus dem Fenster. Sah den Sonnenschein und hörte die Vögel zwitschern. Doch so froh sie auch sein sollte, wieder dazusein, fragte sie sich, was mit dem Magier war. Wusste er denn, dass sie noch lebte?

Oder hatte er sich damit abgefunden, dass sie tot war und sie schon längst vergessen?

Lumen weigerte sich, das zudenken oder gar zu glauben. Tenebrae würde sie niemals vergessen. Er liebte sie und sie liebte ihn. Wie gern wäre sie jetzt bei ihm und könnte ihm zeigen, dass sie wohlauf war. Dass ihr Körper nicht kalt und leblos war.

Dass ihr Herz noch schlug.

„Tenebrae!“, dachte sie sehnsüchtig und schloss die Augen.

„Lumen!“, hörte sie jemanden sagen und erst dachte sie, es sei ihr Geliebter, doch dann erkannte sie, dass es ihre Schwester Cor war, die sie angesprochen hatte. Sie öffnete die Augen und sah sie an. „Was hast du gesagt?“, fragte sie und Cor hob verwirrt die Brauen. „Ich habe nichts gesagt!“

„Ach, dann…dann habe ich mir das nur eingebildet!“, sagte sie und sah wieder hinaus. „Wo ist eigentlich Vater. In der ganzen Zeit habe ich ihn nicht gesehen?“

„Vater ist mit einigen seiner Minister auf Reisen gegangen. Es ging um die Verhandlungen mit den Nachbarreichen. Wegen Vorräte für den Winter, Soldaten, die gebraucht werden und so weiter!“, erklärte Fortitiduo und machte eine drehende Handbewegung. Lumen nickte. Sie kannte diese Reisen und wie lange sie dauerten. Es würden gute mehrere Wochen vergehen, ehe er wieder kam. Kurz erlaubte sie sich ein erleichtertes Lächeln. Genug Zeit um sich auf das Treffen mit ihm und mit den neuen Erkenntnissen vorzubereiten.

„Lumen, ist alles in Ordnung mit dir?!“, fragte Cor, der das seltsame, abwesende Verhalten ihrer Schwester Sorgen machte. „Ja. Ja, natürlich.Warum sollte nichts in Ordnung sein?“

„Naja, seit mein Mann dich wiedergebracht hat und du wieder zu dir gekommen bist, bist du so seltsam!“, erklärte Cor.

Fortitudo sagte nichts, aber ihre Blicke sprachen Bände und dass es stimmte, was Cor sagte. Auch sie machte sich Sorgen um Lumen.

„Ich…ich…es belastet mich immernoch sehr!“, sagte sie dann. „Zum Glück haben die Ärzte dich noch rechtzeitig retten können!“, meinte Fortitudo und sie lächelte. Dann aber schwand das Lächeln. „Wie das überhaupt passiert?“

Lumen schluckte. Wie sehr sie sich vor dieser Frage gefürchtet hatte. Wenn sie ihren Schwestern sagte, dass sie das Gift aus purer Verzweiflung genommen hatte, weil der Magier sie in ein Verließ geworfen hatte, würden sie wieder dieses falsche Bild von ihm haben. Und es reichte schon, wenn ihr Vater gegen ihn war und sie von ihm fernhalten wollte. Als sie an ihren Vater dachte, wurde ihr anders zumute. Bisher hatte er sie nicht besucht und sie fürchtete sich davor, wenn er irgendwann vor ihrer Tür stand und hineinkommen wollte.

Sie fragte sich, ob sie es ertragen könnte, mit ihm zusprechen. Ihn anzusehen. Jetzt wo sie wusste, was ihr Vater getan hatte, würde es ihr schwerfallen, in ihm dem Mann zusehen, dern sie von Kleinauf kannte. Ihren Vater, der gütig und gerecht war.

„Ich weiss es auch nicht!“, log sie schnell. „Ich weiss nur, wie ich durch das Schloss lief und mich dann plötzlich etwas niederschlug. Ich wurde wohl dabei ohnmächtig!“

„Aber du…du hattest so gut wie keinen Puls. Du sahst mehr tot als lebendig aus!“, wiedersprach Fortitiudo. Lumen sagte darauf erstmal nichts. Sie konnte sich vorstellen, dass Fortitudo misstraurisch wurde und ihr diese Lügengeschichte nicht glaubte. „Nunja…!“, gab Lumen nur von sich. Sie hatte ganz vergessen, dass sie Fortitudo nichts davon gesagt hatte, dass sie ihn liebe. Und auch nicht ihrem Vater. Nur Cor, weil sie wusste, dass sie es als einzige verstehen würde.

„Raus mit der Sprache. Was ist da passiert?“, bohrte nun Fortitudo und beugte sich zu ihr hinüber. Lumen schluckte. Sowie ihre Schwester das sagte, klang das wie, als würde sie keine Ruhe geben, ehe sie die Wahrheit erfahren hatte. Und sie würde dabei sogar vermutlich zu drastischen Mitteln greifen. „Nun!“, sagte sie und rückte etwas näher. Lumen fühlte sich, als würde sie verhört werden und kroch etwas zurück. „Ich ähm…!“, begann sie und suchte nach dem richtigen Worten. „Fortitudo, hör doch auf. Du siehst doch, dass ihr das unangenehm ist!“, mischte sich Cor nun ein und rettete sie damit. Fortitudo wollte schon etwas sagen, doch Cor schüttelte den Kopf. Für heute war es mit den Fragen genug.
 

Nach einiger Zeit erlaubten die Ärzte ihr, das Bett schließlich zuverlassen und Lumen war froh darüber. Diese ewige Bettruhe und ihr Gemach hatten sie malzumal eingeengt und ihr die Luft zum atmen genommen. Sie wollte raus und das erste wohin sie wollte, war der Garten. Unter einem Baum sitzend genoss sie die warmen Sonnenstrahlen und lauschte dem Gesang der Vögel, die sich in den Wipfel der Obstbäume ihre Nester gebaut hatten. Der Wind streifte durch die Blätter. Ließ sie tanzen und wehte ihr den Duft der Blumen zu ihr hinüber. Wie wunderbar sie dufteten. Doch im Gegensatz zu denen, des Magiers, rochen sie nicht annähernd so gut und kaum dachte sie an die außergeöhnlichen Rosen, schon hatte sie wieder an den Magier denken müssen. Wie sehr sie sich wünschte seine Stimme zu hören und ihn zusehen. Ihre Finger strichen über den Anhänger. Er fühlte sich warm an und das Metall schien in einem stetigen Rhythmus zu pulsieren. Als würde er selbst Leben in sich tragen. Lumen schaute auf diesen hinunter und sah, wie das Licht, welches im Anhänger gefangen war, flackerte. Sich dem Pulsieren anpasste und den Eindruck immer mehr verstärkte, als würde wirklich Leben in dieser Kette sein. Dabei musste sie an den Magier denken, der ihr einst erklärt hatte, dass die Kette einen Teil seiner Macht in sich trug, um sie zu beschützen. Bedeutete das Flackern und Pulsieren dann auch, dass etwas von seinem Herzen darin war?

Lumen schluckte und versuchte den Knoten in ihrem Hals loszuwerden, als sie darüber nachdachte, dass wie womöglich sein Herz um den Hals trug. Sie wusste nicht, ob sie das freuen oder ängstigen sollte.

Wenn sie wirklich sein Herz hatte und hier war, was würde dann aus ihm werden?

Würde er sterben?

Lumen wagte es nicht, weiterdarüber nachzudenken und versuchte den Gedanken beseite zu schieben. Ihn zu verdrängen. Doch er kehrte immer wieder zurück und legte sich wie ein kaltes Leichentuch um sie. „Tenebrae. Du darfst nicht sterben!“, dachte sie und umschloss den Anhänger fester.
 

Die Angst um den Magier ließ sie nicht los. Selbst abends, als sie sich zum Schlafen legen wollte. Immer wieder, sobald sie einschlief, schreckte sie auf und schaute sich um. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass jemand sie rief oder dass sie ihr Zimmer, wie ein Geist durch die Wände verließ und davon schwebte. Durch die Dunkelheit der Nacht. Über die Felder und Täler, bis sie unter sich die scharfen Zacken der Berge sah und in der Ferne das Schloss. Mit wachsener Freude wieder bei Tenebrae zusein, schwebte sie schneller, bis sie auch durch die Mauern des Schlosses glitt. Ohne auch nur ein Geräusch zu verursachen.

Auf der Suche nach ihrem Geliebten schwebte sie durch sämtliche Räume, rief nach ihm. Doch es kam keine Antwort.

Als sie ihn endlich fand, war sie froh ihn zusehen und kaum das ihre Füsse den Boden wieder berührten, eilte sie zu ihm, um ihn zu umamrnen. Ihm zusagen, dass sie wieder bei ihm sei und auch bleiben würde. Aber dann fuhr ihr der Schreck in die Glieder, als sie näher herantrat. Tenebrae hatte die Augen geschlossen und schien nicht bei Bewusstsein zu sein. Nichtmal zu atmen. Sein Körper war in sich gesunken. Sein Kopf ruhte auf seiner Brust. Lumen ging zu ihm und berührte ihn an der Schulter. Flüsterte seinen Namen, doch er reagierte nicht. Lumen fürchtete schon, dass es zuspät war. Zärtlich über seine Wange streichend und darum flehend, er möge doch die Augen öffnen, setzte sie sich vor ihm auf den Boden. „Tenebrae, mach doch bitte die Augen auf!“, flüsterte sie mit tränenerstrickter Stimme. Und sie wollte schon die Hoffnung aufgeben, als dann doch der Magier die Augen öffnete und sie ansah. Lumen wollte schon ihrer Erleichterung kundtun, doch dann sah sie, welche Farbe seine Augen angenommen haben. Sie waren nicht mehr eisblau, sondern pechschwarz. Und etwas Dunkles, Bedrohliches lag in diesen Augen. Lumen spürte, wie sie kalte Angst packte und sie zurückweichen ließ. Was war mit ihrem Liebsten passiert?

Jetzt wo sie seine Augen gesehen hatte, bemerkte sie auch seine Hände. Sie waren schwarz. Wie es seine Augen waren. Und seine Finger endeten in scharfen Klauen. Wie bei den Schatten, die ihr nach dem Leben trachteten. Lumens Herz raste in ihrer Brust und die Angst wurde immer größer. „Tenebrae?“, fragte sie und hoffte, dass das Schwarz, das Bedrohliche, in seinen Augen verschwinden würde. Doch es blieb und der Magier sah sie auf eine Art an, wie es ein Wolf tat, der sich seine Beute besah, bevor er sie sich holte. Lumen wich weiter zurück und stand dann auf. Wollte fortlaufen. Woher die Angst vor ihm plötzlich kam, verstand sie nicht. Doch womöglich liegt das an seinen Augen, die denen eines Tieres glich und kaum dass sie seinen Namen gesagt hatte, hörte sie ein Knurren aus seiner Kehle.

Dann erwachte sie und zitterte am ganzen Leib.

Das wiederholte sich immer wieder, bis die Sonne aufging.

So war es auch nicht verwunderlich, dass Lumen kaum aus dem Bett kam und wenn, dann dunkelvoilette Ringe unter den Augen hatte.

Ihren Schwestern entging das nicht. Besonders nicht Cor, die schon immer ein wachsames Augen dafür hatte, wenn jemand Kummer hatte. Eines Tages, als die beiden im kleinen Salon beisamen saßen und Tee tranken, sprach sie ihre Schwester an. „Lumen, magst du mir nicht sagen, was mit dir ist?“, bat sie sie, als sie ihr eine Tasse Tee warmen Kamlilientee eingoss. Lumen, die ganz in ihren Gedanken, in ihren Sorgen um den Magier, versunken war, verstand sie erst nicht, doch dann drang die Frage Cors in ihr Bewusstsein und sie bemühte sich ein fragendes Gesicht zumachen. „Was meinst du?“, fragte sie und nippte an ihrer Tasse. Der Tee nahm etwas von ihrer Anspannung und ließ sie ein wenig ruhiger werden. „Dass mit dir etwas nicht stimmt. Seit du hier bei uns bist!“, sprach sie ihre Sorge direkt aus und Lumen hörte deutlich ihre älteste Schwester. Wie sie darauf drängte, zu erfahren, was ihr im Schloss des Magier wiederfahren war. Lumen senkte augenblicklich den Blick, konnte ihre Schwester nun nicht ansehen. Das konnte sie nie, wenn sie bei etwas erwischt wurde und versuchte zulügen. Se nahm noch einen Schluck Tee. Und mit einemal schien ihr der Tee nicht mehr zu schmecken. Statt der gewohnten milden Note, schmeckte er nun bitter, wie Bier und sie verzog für einen kurzen Moment das Gesicht. „Ich…ich möchte nicht darüber reden!“, sprach sie leise und stellte die Tasse auf den Untereller. Dabei zitterte ihre Hand, sodass die Tasse klimperte. „Noch nicht!“

„Wenn Vater kommt, wirst du es müssen!“, gab ihr Cor plötzlich bedenken und bei der bloßen Erwähnung ihres Vaters krampfte sich alles in ihr zusammen. Sie hatte Recht. Wenn ihr Vater von seiner Reise zurückkam und sie ihm gegenüber steht, würde er von ihr verlangen, zu erzählen, was geschehen war. Cor hatte es nicht böse gemeint. Wollte sie damit nicht unter Druck setzen, sondern ihr klarmachen, dass es besser wäre, wenn sie es ihr als erste erzählte. Denn so konnte Cor, den Schaden, der dabei entstehen würde, etwas abmildern. Und Lumen wusste das.

Daher beschloss sie, ihre Schwester einzuweihen, da sie die einzige sein würde, die sie danach in Ruhe lassen würde. Und ihr somit Zeit gab. Tief holte sie Luft und begann zu erzählen.
 

Als es Abend war, stand Cor noch lange an dem Fenster ihres Schlafgemachs und schaute in die Nacht hinaus. Die Geschichte, die ihr Lumen erzählte, war furchteinflössend gewesen und wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie den Magier dafür verflucht, dass er zugelassen hatte, dass ihr sowas zustiess. Nach den Schilderungen ihres Vaters und Fortitudo war er ein grausamer Mann, der sich der schwarzen Magie bediente und vor dem man sich in Acht nehmen sollte. Auch ihr Mann hatte am eigenen Leib erfahren müssen, dass mit dem Magier nicht zuspassen war und er keine Skrupel hatte. Aber wenn dem so gewesen wäre, hätte er ihn getötet und nicht nur einfach verletzt. Und auch Lumens vorherige Berichte irritierten sie und ließen zum Schluss den Verdacht aufkommen, dass der Magier Tenebrae ein menschliches Wesen war, das fühlen konnte. Und noch etwas gab es, was sie in diesem bestärkte. Sie ging zu ihrem Schminktisch, öffnete die kleine Schatulle, in der ihr Schmuck lag und holte einen Ring hervor. Hätte man dnicht gewusst, für was er stand, hätte man ihn für ein gewöhnliches Schmuckstück gehalten. Doch dieser Ring hatte eine Bedeutung. Eine sehr wichtige. Einst hatte ihre Mutter ihn ihrer jüngsten Schwester gegeben. Mit den Worten: „Schenke diesen Ring nur demjenigen, den du liebst!“

Und diesen Ring hatte Lumen dem Magier gegeben. Als Zeichen ihrer Liebe.

Dass dies auch ein Irrglaube sein kann, kam nicht in Frage. Sie hatte ja gesehen, wie Lumen versucht hatte, den Magier in Schutz zunehmen und sich freute ihn bald wiederzusehen. Sie hatte ihr ja gesagt, dass sie ihn liebe und dass er ihre Liebe erwiederte.

Jedoch machte es sie stutzig, dass der Magier den Ring ihr, Cor, gegeben hatte. Als er die bewusstlose Lumen zurückgebracht hatte. Cor hatte es, jetzt wo sie darüber nachdachte, wieder deutlich vor sich.

König Sapientia, Hauptmann Fidus, der sich von dem Angriff einigermassen erholt hatte und seine Frau und ihre Schwester saßen im Versammlungsraum, der für das Schmieden von Strategien im Krieg, benutzt wurde und berieten sich. Gerade hatte Fidus ihm erzählt, was sich in den Bergen, im Reich des Magiers abgespielt hatte und der König machte ein betroffenes Gesicht. „So, gibt es keine Chance, Lumen zu befreien?“, fragte er und der Hauptmann schüttelte den Kopf. „Nein, ich bedaure, dass es so ist!“

„Ihr habt selbst gesehen, wie vielese wir vor dem Aufbruch waren und wenige wir waren, als wir zurückkamen!“

„Aber wir müssen Lumen wiederzurückholen. Wer weiss, was er mir ihr anstellt. So wütend wie er war!“, rief Fortitiudo, die die Lehnen ihres Stuhls umklammerte und dass so fest, sodass ihre Knöchel weiss hervorstachen. Deutlich war der ältesten Prinzessin anzusehen, dass ihre Sorge um Lumen kaum noch mit denen der anderen zuvergleichen war. Sie machte sich, wie ihr Vater zuvor schlimme Vorwürfe. Warum hatte sie nicht besser aufgepasst und ist ihrer Schwester zuhilfe gekommen, als sie von dem Magier geraubt wurde. Sie hätte sich mit einem Schwert bewaffnen und sich ihm in den Weg stellen sollen. Hätte gegen ihn kämpfen sollen. Doch was nützte es jetzt, sich deswegen selber zumartern, wenn die Schwester, bei dem Magier, um ihr Leben bangte. Sie mussten etwas tun!

König Sapientia hob beruhigend die Hand. „Ich verstehe deine Angst, Fortitudo. Und ich mache mir ebenso Sorgen. Doch wenn wir wieder Männer loschicken, werden sie sicherlich auch sterben und ich möchte nicht schuld an den Tod solch vieler Unschuldiger sein!“, sagte er und seine Stimme brach. „Ich habe schon deine Schwester ins Unglück gestürzt, wegen meiner eigenen Feigheit!“

Cor sagte als einzige nichts. Sie schaute nur stumm vor sich hin. Sie machte sich ebenso Sorgen um Lumen und ihre Angst war ebenso groß, wie der anderen. Doch sie hatte Zweifel, dass Lumen gerettet werden wollte. Wenn sie wüsste, wie viele Männer bereits den Tod gefunden hatten, würde sie den Magier schon allein aus diesem Grund nicht verlassen wollen. Mochte er ihr auch schlimmes angetan haben oder nicht. Sie wollte nicht, dass umsonst Menschen für sie ihr Leben ließen.

Fortitudo fiel auf, dass Cor nichts sagte und sie fühlte Wut in sich hochkommen. Wie konnte ihre Schwester nur still dasitzen und nichts zu der Beratung beitragen. Wollte sie sie nicht wieder zurückhaben?

„Cor, warum sagts du nichts?“, herrschte sie sie an. „Wir alle müssen uns jetzt was einfallen lassen, wie wir Lumen befreien können!“

„Ich weiss. Nur ich glaube kaum, dass wir es schaffen würden!“, sagte Cor kleinlaut, und biss sich im nächsten Moment auf die Zunge. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sich das in den Ohren der anderen anhören würde. Um voreilige Schlüsse erst gar nicht aufkommen zulassen, sprach sie schnell weiter. „Selbst wenn es uns gelingen würde, sie zu befreien was dann. Ich habe selber gesehen, dass sie wirklich etwas für den Magier empfindet und dass sie sich nach ihm sehnt. Auf der Hochzeit und auf dem Ball, war dies deutlich zusehen. Du hast es doch auch gesehen, Fortiudo. Wie kannst du also glauben, dass sie wirklich weg von ihm will. Ich weiss, dass das falsch klingt und dass ich dabei anhöre, wie eine Närrin. Aber ich sage nur die Wahrheit!“

Daraufhin sagte Fortitudo erstmal nichts. Cor hatte Recht. Sie hatte es ebenso gesehen, aber es nicht wahrhaben wollen. Es als einen bösen Zauber gesehen, den der Magier über sie gelegt hatte, um ihr seinen Willen aufzuzwingen. Nun aber, war sie sich nicht mehr so sicher. „Was wenn er und sie wirklich!“, begann sie sich zufragen. „Egal, was Ihr auch für ein Bild von ihm habt, Schwester und Vater. Ich glaube, dass Ihr Euch darin täuscht!“, waren ihre letzten Worte und stand auf. Wollte die Runde verlassen. „Cor, das kann nicht dein Ernst sein!“, platzte es aus dem König und seine Augen sprachen förmlich Bände des Unglaubens.

Hatte dieser Teufel nun auch noch seine zweite Tochter verhext?

Cor blieb stehen und drehte sich wieder herum. Sah ihren Vater bitternst an. Sie musste ihm seine Augen öffnen. „Doch, das ist mein Ernst, Vater. Lumen liebt Tenebrae. Und dasselbe fühlt er auch für sie!“, sagte Cor. Je mehr er ihren Worten lauschte, desto mehr glaubte er, dass Cor nun auch unter den Eifnluss des Magiers geraten war. Zwar wusste er nicht wie, aber er fest davon überzeugt.

„Cor, höre dich doch selbst mal reden. Du nimmst diesen Unhold in Schutz, obwohl er uns deine Schwester wegnahm. Und ihr womöglich Schlimmes antut, redest du über ihn, als sei er gut!“

„Er ist gut!“

„Cor, du…!“, wollte der König noch sagen, doch weiter kam er nicht, als ein heftiger Windstoss die Türe aufstiess und sich für einige Minuten Dunkelheit den Raum erfüllte.

Alle Anwesenden schrien entsetzt auf und verstanden nicht, was das zubedeuten hatte. Doch als die Fackeln an den Wänden wieder brannten und die Dunkelheit vertrieben, stand der Magier vor ihnen. Auf seinen Armen die Prinzessin. Ohne Bewusstsein. „Lumen!“, schrie der König außer sich und eilte auf ihn zu. „Was hast du mit meinem Kind gemacht?“

Wütend und fassungslos entriss er dem Magier die Bewusstlose und sah Tenebrae voller Hass an. Er hatte sich schon gedacht, dass Lumen durch die Hände des Magiers zu Schaden kommen würde. Doch nun zusehen, dass sein Kind womöglich nicht mehr atmetete, versetzte ihn in blanke Panik. „Ich habe sie gerettet!“, sagte Tenebrae nur, der sich davon nicht beeindrucken ließ. Dass der König ihm grollte, war ihm bewusst gewesen. Er konnte sich gut denken, dass ihm gleich den Hauptmann auf den Hals hetzten würde, um ihn für sein Vergehen zubestrafen. Kurz schaute er zum Hauptmann und sah sogleich, dass die Hand am Griff seines Schwertes lag. Senkte sich jedoch wieder. Zeigte ihm, dass er nicht vorhatte, ihm zu nahe zu kommen. Ein schwaches Lächeln stahl sich von seinem Lippen. Kluger Mann, dachte er. Dann wandte er sich wieder an den König.

„Warum, spielt auch keine Rolle. Ich will sie jegendlich wieder zurück bringen. Ich habe erkannt, dass Eure Tochter ebenso verschlagen und verlogen ist, wie Ihr es seid, König Sapientia!“, sprach der Magier und alle, der König, seine Töchter und der Hauptmann schnappten hörbar nach Luft.

Der König und Fortitudo, weil sie solch eine Anschuldung nicht glauben konnten und über alle Maße empört waren. Und Cor ebenso. Aber auch, weil sie es ihm nicht glaubte. Lumen würde ihn niemals hintergehen. Dass hatte sie deutlich in ihren Augen gesehen, als sie von ihrer Liebe für den Magier erzählte. Nein, etwas anderes musste dahinter stecken.

„Was erlaubt Ihr Euch?“, keifte der König außer sich über solch eine Unverschämtheit und machte einen drohenden Schritt nachvorne. Dass er immernoch die bewusstlose Lumen in den Armen hielt, schien er vergessen zuhaben.

„Erst bedroht Ihr michm, raubt mir mein Kind und bringt mir nun eine leblose Hülle. Und dann wagt Ihr es noch mich und sie als verlogen zubeschimpfen!“, polterte der König und sein Gesicht wurde rot.

„Ich sage nur die Wahrheit. Und dass sie eine leblose Hülle ist, stimmt nicht. Wie ich bereits sagte: Ich habe sie gerettet. Sie lebt. Obwohl ich sie eigentlich für ihren Verrat hätte sterben lassen sollen!“

Cor wurde es eiskalt bei diesen Worten, während bei dem König und der ältesten nur blanker Zorn hochkam. „Ihr seid ein Ungeheuer!“, schrie Fortitudo außer sich. Tenebrae hob dabei die Brauen. „Bin ich das? Oder haltet Ihr mich nur für solches, um Euch in ein anderes, besseres Licht zurücken?“, hakte er nach und sah deutlich das Entsetzen in den Augen des Königs. Hatte er ihn endlich wiedererkannt. Oder überraschte es ihn nur, dass ein vermeintlich außenstehender, wusste, was er getan hatte?

Tenebrae konnte und wollte nicht weiter daraufherumreiten. Er hatte die Prinzessin zurückgebracht und damit hatte es sich.

„Seht es so wie Ihr wollt. Ich habe getan, was ich tun wollte. Und jetzt werde ich Euch verlassen. Gehabt Euch wohl, König Sapientia!“, sagte er und legte all sein Hohn und seine Verachtung hinein. Dann drehte er sich um und wollte gehen. Da erklang die Stimme des Königs. „Hauptmann. Tötet ihn!“

Es war reine Wut und Verzweiflung, die den König dazu getrieben hatte, diesen Befehl auszusprechen und er wusste auch, dass er ihn in den sicheren Tod schickte. Doch was anderes blieb ihm nicht. Sein Hass und sein Entsetzen über die Gleichgültigkeit des Magiers brachten ihn dazu und ließen alle Vernunft vergessen.

Hautpmann Fidus sah nun etwas verunsichert drein. Er hatte nicht vergessen, dass er tief in der Schuld des Magiers stand und dies nun mit gleichem gutmachen konnte. Dennoch behagte es ihm nicht, dass er sich gegen den Befehl des Königs wiedersetzte. Er tauschte einen besorgten Blick mit Cor. Seine Frau schüttelte kaum sehbar den Kopf. Fidus verstand, nickte und überhörte den Befehl des Königs. Königs Sapientia, sichtlich verwirrt, über die plötzliche Befehlsverweigerung seines Schwiegersohnes, wiederholte den Befehl, weil er glaubte, der Hauptmann hätte es nicht richtig verstanden. Als sich der Hauptmann immernoch nicht rührte, wurde er nun auch auf ihn wütend. „Wollt Ihr wohl gehorschen, Hauptmann. Auch wenn Ihr der Mann meiner Tochter seid, seid Ihr auch mein Hauptmann und müsst meinen Befehlen gehorschen!“, rief er ihm ins Gewissen. Da mischte sich Cor ein. Sie ergriff die Hand ihres Mannes, der unter der Drohung des Königs ein wenig zusammen schrumpfte. „Vater, lass es. Es ist gut!“, rief sie und hob beschwichtigend die Hand. König Sapientia glaubte seinen Ohren nicht zutrauen. Was sagte da seine mittlere Tochter?

Hatte sie sich nun gegen ihn gestellt?

„Cor, was ist in dich gefahren?“, fragte er.

Doch Cor ließ sich von dem Entsetzen ihres Vaters nicht zurückschrecken. Dass er außer sich war, weil Lumen nicht bei Bewusstsein war, kann sie verstehen. Aber dass er nun den Hauptmann dem Magier auf den Hals hetzte, ihm den Befehl gab, ihn zu töten, und ihn damit sicherlich selbst ins offene Messer laufen ließ, ging zuweit. Selbst ihr Vater musste einsehen, dass es nicht so weiterging.

„Dassselbe könnte ich dich fragen. Was willst du noch? Er hat sie zurückgebracht, hat sie vor dem Tod gerettet. Das sagte er selber und ich glaube ihm. Also lass ihn gehen!“, erwiederte sie und ihre älteste Schwester schaute sie nun ebenso an, als habe sie ihren Verstand verloren. „Cor, weißt du, was du da sagst?“, fragte sie sie. Cor jedoch antwortete nicht sofort, sondern sah zum Magier. Dieser schaute sie nur stumm an und für die anderen wirkte es so, als würde es ihn nicht kümmern, dass man ihm dankbar war, doch Cor sah deutlich in seinen Augen, dass er froh war, dass immerin sie ihm glaubte und wohl die einzige war, die die erhitzten Gemüter beruhigen konnte.

„Das weiss ich!“, endete sie und sah dann wieder zu ihrem Vater. „Vater, lasst den Magier gehen!“

Diesesmal legte sie alle Nachdrücklichkeit in ihre Worte und auch wenn sie ihren Vater dabei flehend ansah, war auch bitterer Ernst darin zusehen. Sollte er nicht zur Vernunft kommen und nochmal dem Hauptmann befehlen, den Magier anzugreifen, würde sie ihm das niemals verzeihen. König Sapientia schaute daraufhin seine Tochter lange schweigend an und haderte mit sich. Sollte er auf die Worte seiner Tochter wirklich hören und den Magier gehen lassen?

Er zweifelte wirklich daran, dass es seine Tochter Cor war, die ihn darum bat. Nie und nimmer hätte sie Partei für jemanden, wie den Magier ergriffen. Aber er brauchte nur in ihre Augen sehen, um zuwissen, dass es wirklich seine Tochter war. Hauptmann Fidus mischte sich nun ein. „Eure Majestät, hört auf sie. Der Magier hätte die Prinzessin sicherlich nicht gerettet, wenn er wirklich so ist, wie Ihr glaubt!“, sagte er und musste dabei daran denken, wie der Magier ihn nur verletzt hatte, um ihn zu entlasten. Das verschwieg er jedoch. König Sapientia warf seinem Hauptmann kurz einen grimmigen Blick zu. Er hatte kein Recht, das zusagen, nachdem er den Befehl verweigert hatte. Ließ ihn das aber diesesmal durchgehen. „Na schön. Für heute will ich gnädig sein. Doch sollte ich Euch nocheinmal in meinem Schloss, in der Nähe meiner Tochter erwischen, gnade Euch Gott!“, drohte der König ihm und der Magier musste ein höhniches Lächeln unterdrücken. Gnädig. Das kam einer Beleidigung gleich. Ihr seid nicht gnädig. Sondern verlogen und ein Mann, der sich gern fromm wie ein Lamm stellt. Dabei aber Dreck am stecken habt.

Zugerne hätte er diese Worte dem König entgegen geschleudert. Ihm gezeigt, wer er wirklich war und was er von ihm hielt. Doch jetzt wo der König besänftigt war und ihn gehen lassen wollte, wollte er es sich nicht damit verderben.

Tenebrae sagte deswegen nichts, sondenr drehte sich um und ging. Löste sich nicht in Dunkelheit auf, sondern ging einfach, wie es ein normaler Mensch tat. Als er aus dem Blickfeld verschwunden war, rief der König nach den Wachen, die sofort kamen und er gab ihnen den Befehl, die ohnmächtige Lumen in ihr Gemach zu bringen. Fortitudo folgte ihnen. Der König sagte etwas zum Hauptmann, dass wie eine erste und letzte Mahung klang, ehe auch er ging und Hauptmann Fidus wischte sich nervös Schweiß von der Stirn. Dann ging er zu Cor. Sie aber reagierte nicht. Sondern blieb einige Minuten stehen, dann rannte sie los. Dem Magier hinterher.

Tenebrae war gerade im Garten angekommen und als er die Schritte der Prinzessin hinter sich gehört hatte, drehte er sich um und wartete auf sie. Er hatte damit gerechnet, dass sie ihm nachlief. Es sogar gehofft. Denn es gab da noch etwas, was er ihr, und nur ihr, geben konnte.

„Tenebrae, wartet!“, rief sie, auch wenn es dazu keine Aufforderung bedarfte. Als Cor vor ihm stand, sah sie ihn mit zweifelnden Blicken an. Sie verstand nicht, warum er sich so gleichgültig stellte. Dabei sah es in ihm doch ganz anders aus. Wieso gab er es nicht zuerkennen und wollte weiterhin als der grausame Magier angesehen werden.

„Warum das ganze Theater? Warum sagt Ihr nicht, warum Ihr sie wirklich zurückbringt?“, fragte sie ihn. Wie er es sich gedacht hatte, hatte sie ihn als einzige durchschaut und das ließ ihn lächeln. Doch nur für einen kurzen Moment. „Was spielt das für eine Rolle? Mir war es wichtig, dass sie in Sicherheit ist!“, sagte er und etwas wie Trauer lag in seiner, vorherigen so kalten Stimme. „Und jetzt wo ich sie nun zurückgebracht habe, werde ich in mein Reich zurückkehren!“

Doch statt zugehen, griff er dann in seinen Umhang und holte etwas kleines, rundes und goldschimmerndes hervor. Cor erkannte es sofort und schnappte nach Luft. Es war der Ring, der Lumen einst von ihrer Mutter gegeben wurde und den sie nun an ihn weitergereicht hatte. Es hatte sie schon etwas überrascht, auch wenn sie wusste, dass die beiden eine tiefe Liebe miteinander verband. Aber nun wo sie sich daran zurückerinnerte, war es für sie das verständlichste.

Nur, dass er ihr den Ring wiedergab, hatte sie verwirrt und tat es immernoch.

Mit gehobenen Brauen, streckte Cor die Hand aus und nahm den Ring in Empfang. „Warum…?“, fragte sie und sah ihn direkt an. Schien in seinen Augen nach etwas zusuchen. Doch Tenebrae schlug die Augen nieder, wollte nicht, dass sie es sah und sagte nur. „Es wäre besser, wenn sie mich vergisst!“, sagte er nur. „Bitte, erfüllt mir nur diesen einen Wunsch: Erzählt Ihr nicht, wie sie hierher gekommen ist und dass ich Euch den Ring gegeben habe. Es würde sie wieder zu mir treiben, und das will ich nicht!“

Cor blieb keine Zeit um etwas zusagen und sie wusste auch nicht, was. Denn der Magier schien festentschlossen zusein, Lumen nicht mehr bei sich haben zuwollen und auch wenn sie das nicht so recht verstand, nickte sie dennoch. Kaum hatte sie das getan, war der Magier auch schon verschwunden.

Cor seufzte und verwünschte sich, dass sie so leichtfertig ihr Wort gegeben hatte. Dabei lag ihr nichts mehr am Herzen als ihrer Schwester die Wahrheit zusagen. Weil sie sah, wie sehr sich Lumen mit der Frage quälte, warum er sie nicht bei sich haben wollte.

Die Prinzessin seufzte und schloss den Ring fest in ihre Faust. „Machst du dir immernoch Vorwürfe?“, fragte ihr Mann sie sanft und sie spürte, wie er von hinten seine Hände auf ihre Schulern legte und ihr sanft einen Kuss auf die Wange hauchte. Cor lächelte traurig und nickte. Ohne, dass sie etwas sagte, hatte er gewusst, was sie beschäftigte und lehnte den Kopf an seine Brust. „Sie hat es nicht verdient, angelogen zuwerden. Nicht nachdem was sie für den Magier empfindet und nun leiden muss!“

„Dann sag es ihr, wenn es dich so sehr bekümmert!“

„Und was dann?“

„Das wirst du nur sehen, wenn du es ihr sagst!“

Cor schloss dabei die Augen. Lange darüber nachzudenken, ob es richtig oder falsch war, brauchte sie nicht. Ihr Herz nahm ihr die Entscheidung ab. Auch wenn ihr dabei bewusst war, dass sie dabei war ihr Wort zubrechen. Sie musste es tun, um Lumens willen.
 

Jetzt wo Lumen ihrer Schwester reinen Wein eingeschenkt hatte, fühlte sie sich um einiges besser, doch wenn sie bedachte, dass sie ihrem Vater bald schon Rede und Antwort stehen musste, war sie nicht wirklich von der schweren Last befreit, die ihr Herz schwermachte und ihr keinen Schlaf vergönnte.

Mehr als einmal wälzte sie sich in Bett herum und versuchte einzuschlafen. Doch kaum, dass sie die Augen schloss, sah sie wieder den Magier vor sich, mit den schwarzen Augen und den Klauen, die einst mal seine Hände waren, um sie wieder hochschrecken zulassen. Irgendwann musste sie doch noch eingeschlafen sein, denn ein Geräusch ließ sie hochschrecken und einige Minuten lang konnte sie nicht sagen, ob sie immernoch träumte, oder wach war. Das Geräusch, welches erstmal nur gedämpft und weit weg zu sein schien, war nun deutlicher zuhören und Lumens Herz setzte einen kurzen Moment aus. Dieses Geräusch war in Wahrheit Musik gewesen. Violinenmusik und sie erkannte, wessen Musik es war. Tenebrae?!

Wie kam er hierher?

Und was machte er hier?

Doch diese und andere Fragen, die ihr dabei in den Sinn kamen, waren nebensächlich. Eine unbändige Freude ergriff sie und sie schwang die Beine aus dem Bett. Vegeudete keine Zeit damit, sich anzuziehen und lief so, in Nachthemd und Barfus aus ihrem Zimmer. Durch die langen Korridore, die sich mit einem Male in unendliche Längen zu ziehen scheinen. Als wollten sie verhindern, dass Lumen zu ihm ging und Lumen beschleunigte ihre Schritte, um endlich aus dem Schloss zu gehen. Zwar wusste sie nicht, woher genau die Musik kam, aber irgendwie schienen ihre Füsse den Weg zu kennen. Und so fanf sie sich schon sehr bald in dem Garten wieder. Irgendwie war es ironisch, dass sie hier nun stand und die Musik des Magiers hörte. Aber Lumen scherte sich nicht darum, sondern begann nach Tenebrae, der sich mit größter Wahrscheinlichkeit in den Schatten versteckte, zusuchen. Zuerst ging sie zu den Bäumen, hinter denen sich der Magier einst versteckt hatte, als er sie zum ersten Mal erblickt hatte, mit der leisen Hoffnung ihn dort sofort zufinden. Kaum das sie aber hinter die Bäume trat, wurde sie enttäuscht. Der Magier war nicht hier. Die Musik jedoch spielte weiter, als wäre er es und gab ihr neuen Mut, weiter nach ihm zusuchen. Sie suchte in den verborgensten Winkeln. Schaute trotzdem nach, um sicher zusein, dass sie sich nicht doch etwas übersehen hatte, an denselben Stellen nach. Doch der Magier blieb verschwunden. Nur die Musik war noch da und Lumen ließ sich, nachdem sie nach einer gefühlten Stunde erfolglos nach ihm gesucht hatte, auf den Rand des Springbrunnens nieder und stützte, mit einem schweren Seufzen, ihren Kopf auf den Händen. Irgendwo muss er doch sein, dachte sie und nun schien auch die Musik zu verstummen. Als wollte das Schicksal ihr zeigen, dass sie sich das alles nur eingebildet hatte. Wurde immer leiser, bis sie ganz verstummte und Lumen fühlte sich auf einmal verloren und kam sich ziemlich dumm vor.

Was wenn sie sich doch geirrt hatte und er nicht da war?

Wenn diese Musik wirklich nur ein Produkt ihrer Wünsche gewesen war, hatte sie sich in etwas verrannt, was sich als eine bittere Enttäuschung herausstellte. Und sie fühlte sich wie am Boden zerstört. Noch lange blieb sie auf dem Brunnen sitzen und machte sich selber Vorwürfe, dass sie so dumm war und geglaubt hatte, er wäre wirklich hier. Doch als sie aufstand, sah sie aus dem Augenwinkel etwas Rotes, Leuchtendes und verharte kurz. Als sie dann neben sich auf den Stein schaute, stockte ihre der Atem. Was sie dort liegen sah, war eine rote Rose. Eigentlich nichts Besonderes. In all der Dunkelheit aber leuchtete sie, als wäre das Sonnenlicht in ihr gefangen und als Lumen sie in die Hand nahm und an ihr roch, wusste sie, dass es eine der Rosen war, die der Magier ihr immer geschenkt hatte. Ihr Herz jubelte dabei und sie roch an ihr, als würde diese Rose die Luft haben, die sie dringend brauchte. Dann, mit beschwingten und glücklichen Schritten, ging sie zurück auf ihr Zimmer und schlief ein. Diesesmal ohne einen schrecklichen Traum zuhaben.
 

Die gehobene Stimmung, die sie seit der letzten Nacht hatte und die sie mit einem Lächeln auf den Lippen erwachen ließ, verging ihr allerdings schnell, als sie gleich nachdem Frühstück mit ihren Schwestern, die Nachricht erhielt, dass ihr Vater von seinen zurückgekehrt war und dass er, kaum dass man ihm gesagt hatte, seine verschwundene Tochter sei zurück, sie augenblicklich sprechen wollte. So würde nun die Konfrontation eintreffen, die sie zugerne vermieden hätte. Und als sie vor der großen Tür stand, die zum Thronsaal führte, rumorte es in ihrem Inneren. Ihr Magen fuhr Bergauf-und ab und ihre Füsse entwickelten ein Eigenleben. Wollten weglaufen und sie gleich mitzerren. Doch wenn sie jetzt weglaufen würde, würde der Vater natürlich misstraurisch werden und sie nie in Ruhe lassen. Vielleicht könnte sie ihm ja eine falsche Geschuchte erzählen, so wie sie es bei Fortitudo getan hatte. Auf keinen Fall, wollte sie ihm die Wahrheit sagen, da er ihr sowieso nicht glauben würde.

Daher raffte Lumen all ihren Mut zusammen und klopfte dreimal gegen die Tür. Als diese dann geöffnet wurde, trat sie ein. Neben ihrem Vater, waren auch einige der Stadtsminister, die natürlich große Augen machten, als sie die verschollene Prinzessin sahen. Doch wie überrascht und überglücklich war der König. Mit schnellen Schritten ging er zu ihr und schloss sie in seine Arme. Drückte sie so fest an sich, so dass sie beinahe keine Luft mehr bekam. „Lumen, ich dachte schon, ich würde dich niemals wieder sehen!“, sagte er und strich ihr über den Kopf. War den Tränen nahe, doch Lumen wiederstand der Versuchung sich aus der Umarmung ihres Vaters zubefreien. Kaum dass sie ihn sah, musste sie wieder daran denken, was der Magier gesagt hatte. Dass der König eigentlich ihn hinrichten wollte, weil er seine erwachende Macht fürchtete und seine Eltern nur sterben mussten, weil sie ihn schützen wollten. Zugerne hätte sie ihn darüber ausgefragt, doch sie fürchtete sich zusehr davor, dass er der Wahrheit sagen konnte. Doch wenn sie es sich so recht überlegte bezweifelte sie, dass er überhaupt etwas dazu sagen würde. Daher zog sie es vor zuschweigen.

„Lumen, tut mir leid, dass ich nicht bleiben konnte, bis du aufgewacht bist!“, hörte sie ihren Vater wie aus weiter Ferne sagen und sie schüttelte nur mit einem milden Lächeln den Kopf. „Schon gut, Vater. Es ist gut. Ich bin ja in guten Händen gewesen!“, sagte sie und versuchte ihre Hände ruhig zuhalten. Dabei hätte sie gerne was anderes gesagt. Es förmlich geschrien.

Warum hast du es nicht?

Warum hast du nicht die Geschäfte Geschäfte sein lassen und wärst an meinem Bett geblieben, wie es Fortitudo und Cor getan hatten?

Lumen biss sich auf die Unterlippe und versuchte die Vorwürfe nicht rauszulassen. Wobei sie eigentlich jeden guten Grund dazuhatte. Wenn ihr Vater sich wirklich so große Sorgen um sie gemacht hätte, wäre er geblieben. Solangsam fragte sich Lumen, ob seine Vaterliebe nicht doch nur gespielt war und ob er mit ihrem und dem Leben seiner beiden anderen Töchter leichtfertig spielte, als wären sie nicht von Bedeutung. Er würde nicht so handeln, wenn es anders wäre. Der Handel, den er damals mit dem Magier geschlossen hatte, war das beste Beispiel dafür. Aber was nützte es, sich darüber aufzuregen und wütend zuwerden. Sie war hier und sie lebte noch. Eigentlich sollte sie deswegen glücklich sein, doch der Gedanke, dass mit dem Magier womöglich etwas schlimmes passierte, ließ sie innerlich vor Angst erschauern. Der König deutete ihr Zittern falsch. Er dachte, es wäre eine Folge ihres Todesschlafes, aus dem sie erwacht war und umfasste sie an den Schultern. „Nein, Lumen. Nichts ist gut. Ich hätte das niemals tun sollen. Wenn ich gewusst hätte, was mit dir passieren würde, hätte ich…!“

Lumen konnte es nicht mehr hören und musste sich wirklich an sich halten, um nicht doch ihren Vater anzuschreien. „Hört bitte endlich damit auf, Vater!“, bat sie ihn inständig. Noch länger und sie wäre aus dem Thronsaal rausgerannt. König Sapientia nickte nur und lächelte dann wieder glücklich. „Du hast Recht. Du bist wieder unter den Lebenden und das allein ist wichtig!“, sagte er und umarmte sie wieder.

„Du kannst mir gleich alles erzählen, was passiert ist. Ich muss nur noch etwas klären!“, sagte er und Lumen war damit einverstanden. Auch wenn es sie wütend machte, dass er seine Pflichten als König über die als Vater stellte. Doch so konnte sie sich eine glaubwürdige Geschichte einfallen lassen. Daher verabschiedete sie sich erstmal von ihrem Vater und ging zurück zu ihrem Gemach. Dort, im Flur, wartete Cor auf sie. „Und wie ist es gelaufen?“, fragte sie sie. Lumen hob die Schultern. „Nunja, ich habe erstmal eine Gnadenfrist erhalten. Ich muss diese nun auch gut nutzen, um mir was einfallen zulassen!“

„Warum sagst du ihm nicht die Wahrheit?“

Lumen schüttelte den Kopf. „Nein, das würde er mir nie und nimmer glauben. Er würde denken, der Magier hätte mich mit einem Bann belegt. Er denkt sicherlich jetzt schon, dass er mich verhext hat!“, sagte sie. Cor nickte. Sie konnte sich gut in die Situation ihrer Schwester hineinversetzen. „Am besten gehen wir erstmal in dein Gemach. Hier haben selbst die Wände Ohren!“, sagte sie dann und Lumen und ihre Schwester gingen hinein.

Sie sprach noch lange und ziemlich ausführlich, über das was als nächstes kommen würde. Lumen schauderte bei der bloßen Erwähnung über das nahende Gespräch mit ihrem Vater. Am liebsten hätte sie ihm für den Rest ihres Lebens den Zutritt zu ihrem Zimmer verwehrt. Doch das war unmöglich. Selbst wenn es ihr gelänge ihrem Vater etwas vorzulügen. Er würde dahinter kommen und misstraurisch werden und dann würde sie sich nicht mehr vor ihm und seiner väterlichen Neugier verstecken können. Wäre es da nicht besser, das ganze gleich hinter sich zu bringen. Als es spät am Abend war, und der König nun endlich Zeit für seine jüngste hatte, setzte er sich mit ihr in den kleinen Salon, so wie sie es bei ihrer ersten Rückkehr getan hatten und der König war gespannt, was Lumen ihm zu berichten hatte.

„Und du kannst dich an nichts anderes mehr erinnern?“, hakte er nach und Lumen schüttelte den Kopf. Sie hatte sich gehütet, ihm die Wahrheit zu sagen. Dass der Magier sie in seinem blinden Zorn in ein tiefes Verließ geworfen und sie tage oder gar wochenlang dort unten gefangen hielt. Stattdessen hatte sie ihm das gleiche erzählt, was sie auch ihren schwester vorgelogen hatte. Dabei fügte sie noch hinzu, dass er sie in ihr Zimmer geschleppt und dir Tür hinter sich abgeschlossen hatte. Zugegeben, nicht die beste Ausrede um das ganze zuverharmlosen, aber besser als die Wahrheit zusagen. Durch die Hilfe eines Dieners, mit dem sie Freundschaft geschlossen hatte, war es ihr gelungen, aus dem Zimmer zu kommen und sie war gelaufen, bis sie, wie erwähnt den Schlag gegen den Kopf bekam. Doch ihr Vater schien ihr nicht so recht zuglauben. Seine Stirn legte sich in misstraurische Falten.

„Dieser Teufel!“, knurrte der König. „Zuerst hat er seine Schatten auf dich losgelassen, damit sie dich bewusstlos schlagen und dann hat er dich vergiftet!“

„Nein, das glaube ich nicht!“, kam es aus ihr heraus, noch ehe sie richtig nachdenken konnte und schreckte zusammen. Verflucht, soeben hatte sie sich selber verraten.

„Was macht dich da so sicher?“

Lumen biss sich nun auf die Unterlippe, schlug die Augen nieder und überlegte, wie sie sich aus dieser Situation herauswinden konnte. „Er…er mag zwar…abundzu furchteinflösend sein. Aber er ist auch gut. Er würde niemals seine Schatten auf mich hetzen, davon bin ich überzeugt. Ist es denn nicht dafür Beweis genug, dass ich noch lebe. Wenn er wirklich so ist, wie du denkst, warum lebe ich dann noch!“, sagte sie. Tenebrae würde sich eher selbst richten, als dass er mir etwas antut oder gar tötet, dachte sie und ihre Hände krallten sich in den Stoff ihres Kleides. „Ein Beweis ist das nicht. Du lebst noch, weil die Ärzte dich wieder zurückgeholt haben, nachdem der Hauptmann dich aus den Klauen dieses Monsters befreit hat. Und dass er gut sein soll? Ich bezweifle das. Nach all dem, was er getan hatte!“, hörte sie ihren Vater sagen. „Und was hast du getan?“, schrie es in ihr und sie musste sich beherrschen, um es nicht laut auszusprechen.

Stattdessen senkte sie noch tiefer den Kopf, sodass ihr Kinn die Kuhle in ihrem Hals berührte. Sie konnte und wollte ihm nicht in die Augen sehen. Diesem Mann, an dessen Händen Blut klebte und sich dennoch als Heiliger hinstellte. „Mich würde es nicht wundern, wenn er dich mit einem dunklen Bann belegt hat!“, sagte der König. „Die Kette, die du da um deinen Hals trägst, könnte zum Beispiel eine Art von solch einem Bann in sich tragen!“

Da ruckte ihr Kopf nun hoch und ihre Finger fuhren zu dem Anhänger. Schnell schlossen sich die Finger um diesen und verbargen ihn vor den Blicken ihres Vaters. „Ich möchte, dass du diese Kette ablegst und mir gibst. Ich werde sie von meinen Magiern vernichten lassen, auf das sein unheiliger Zauber von dir abfällt!“

„Nein, Vater. Das kannst du nicht von mir verlangen!“, rief Lumen entsetzt darüber, dass ihr Vater das letzte und einzige haben wollte, was sie an den Magier erinnerte. Auch wenn sie sich bewusst war, dass sie sich damit nun endgültig verriet. Doch dieses eine kleine Stück von Tenebrae dürfte er ihr nicht nehmen. König Sapientias Gesicht verfinsterte sich daraufhin. Der Verdacht, dass der Magier einen dunklen Zauber über sein Kind gelegt hatte, nahm immer mehr zu. Wurde hart wie Stein. Er stand auf und streckte verlangend die Hand aus. „Gib sie mir, Lumen!“, sagte er und hörte sich in ihren Ohren nicht wie der Mensch an, den sie zu kennen glaubte. Sondern ganz wie der König, der über sein Volk herrschte.

Lumen schüttelte den Kopf. Sie war bereit ihrem Vater die Stirn zu bieten, wenn es sein musste und sich seiner Forderung zu wiedersetzen. Etwas, was sie noch nie getan hatte. Aber von der Kette wollte sie sich noch weniger trennen, als von dem Respekt, den sie ihrem Vater stets entgegen gebracht hatte. „Lumen, ich sage es nicht nocheinmal. Gib. Mir. Die. Kette!“, sagte er und machte einen Schritt auf sie zu. Wenn es sein musste, würde er ihr die Kette sogar vom Hals reissen, wenn er damit sie von dem Einfluss des Magiers befreien konnte.

„Nein!“, flüsterte Lumen und ihre Hand, die die Kette umklammerte, zitterte. Nie hätte sie gedacht, dass sie sich vor ihrem Vater fürchten würde. Der König blinzelte paarmal, richtete sich dann in seiner vollen Größe auf. Blickte mit einer Mischung aus Sorge und grimmiger Enttäuschung über den Ungehorsam seiner Tochter zu ihr hinunter und holte tief Luft. Versuchte ruhig und beherrscht zu klingen. „Ich meine es nur gut!“, sagte er und seine Hand streckte sich weiter nachvorne. Lumen presste sich in den Stoff des Sofas auf dem sie saß. Sie glaubte ihm nicht. Sie glaubte ihm einfach nicht, dass er es wirklich so meinte, wie er es sagte. Immer wieder hielt sie sich vor Augen, dass er der Mörder zweier Unschuldiger war. Wie konnte sie ihm dabei noch Glauben schenken?

„Ich glaube dir nicht!“, kam es erstickt aus ihr und Tränen rannen ihr die Wangen hinunter. Noch bevor der König etwas sagen konnte, sprang sie auf und lief aus dem Salon. Hörte dabei nicht wie ihr Vater nach ihr rief. Sondern rannte einfach blind von Tränen und Kummer durch die Flure, bis sie ihr Zimmer erreichte und sperrte sich darin ein.
 

In den folgenden Tagen setzte Lumen keinen Fuss vor die Tür ihres Zimmers. Zu groß war die Angst, dass ihr Vater ihr über den Weg laufen und wieder von ihr verlangen würde, ihm die Kette zu übergeben. Da verhungerte sie lieber. Doch Cor und Fortitudo wollten, dass ihre kleine Schwester sich nicht einsperrte und vor, was weiss der liebe Herr, dahinsiechte. Also berschlossen sie, ihr das Essen, egal ob Frühstück, Mittag-oder Abendessen aufs Zimmer zu bringen und dabei ihre eigenen Speisen mit zunehmen, damit sie zusammen essen konnten. Irgendwie hatte es für sich, zudritt und allein miteinander zuessen. Es hatte etwas Verschworenes. Wie einst in ihren Kindertagen, als sie sich mit Bettbezügen ein Zeltaufbauten und nur im Kerzenlicht sich Geschichten über Geister und anderen Märchengestalten erzählten. Doch so unbekümmert und schön diese Momente waren, waren dennoch die Sorge und die Ratlosigkeit über das Verhalten der jüngsten präsent. Und so war es auch kein Wunder, dass Fortitudo irendwann wissen wollte, was eigentlich los war. „Warum sperrst du dich ein und lässt niemanden, außer mir und Cor in dein Zimmer?“, fragte sie und die fröhliche Stimmung war dahin. Cor, die natürlich ahnte, was Lumen bekümmerte, verbiss es sich, ihre ältere Schwester zusammenzufahren. In manchen Dingen konnte sie wirklich ein Trampel sein.

„Ich…ich möchte Vater einfach nicht sehen!“, erklärte Lumen und legte den Löffel nieder, mit dem sie vorher etwas von der würzigen Suppe gegessen hatte. Dann trat langes Schweigen ein und die beiden Schwestern sahen ihre jüngere mit besorgten und verwirrten Blicken an. „Ist es etwa doch, weil er dich damals verkauft hat?“, fragte Fortitudo und Cor war zuerst verblüfft, dass sie so etwas Ungeheuerliches ausgesprochen hatte. Sie konnte verstehen, dass sie zu Anfang wütend auf ihn war, da er sie so einem schrecklichen Schicksal überlassen hatte. Wer wäre das nicht. Auch sie hatte ihrem Vater zuerst gegrollt. Hatte mit ihm zwei Wochen nicht gesprochen. Doch Fortitudo war ihrem Vater treuergeben und hatte sich immer davor gehütet, ihm solche Schandtaten zubezichtigen. Aber nun schien sie wieder wütend auf ihn zusein. Lumen schüttelte den Kopf. „Nein, nicht deswegen!“, sagte sie leise. „Dann sag uns doch um Himmelswillen endlich, warum du dich hier einsperrst und du Vater nicht sehen willst. Wir wollen dir doch nur helfen!“, sagte Fortitudo und ihre Stimme war erfüllt von Ungeduld, aber auch von Sorge. Wie konnten sie ihr helfen, sie trösten und wieder aufbauen, wenn sie ihnen nichts sagte. Lumen kaute auf ihrer Unterlippe und blickte verstohlen zu Cor. Die einzige Mitwisserin. Bis jetzt hatte sie in ihr die einzige Person gesehen, der sie sich anvertrauen konnte. Doch nun mutte sie sich auch ihr offenbaren und so sehr sie auch fürchtete, dass Fortitudo dies alles als eine Lüge abtun würde, war sie auch erleichtert, es endlich loszuwerden. Dieses ganze Versteckspiel wurde wirklich zu einer Last, die sie nicht länger tragen konnte. Cor ahnte dies, konnte es wohl auch auf ihrem Gesicht sehen, denn sie nickte. Es war Zeit reinen Tisch zumachen.

Lumen holte daher tief Luft, fasste allen Mut zusammen und erzählte nun auch ihrer ältesten Schwester, was wirklich geschehen war.

„Hast du das gewusst?“, fragte Fortitudo aufgebracht Cor, nachdem Lumen geendet hatte und Cor senkte beschämt den Kopf. „Ja!“

„Und warum sagst du mir nichts. Ich dachte, wir können immer ehrlich zueinander seien!“, warf sie Cor vor und die mittlere schloss die Augen. Es machte sie wütend, dass sie als Letzte die Wahrheit erfuhr. Dabei hatte sie immer gedacht, dass zwischen ihr und ihren Schwestern ein festes Band des Vertrauens war. „Hör auf, ihr Vorwürfe zumachen. Ich habe sie darum gebeten, nichts zuverraten!“, mischte sich Lumen ein, die sich noch schlechter fühlte, als Cor es tat. Immerhin war sie ja die Schuldige, die dieses Geheimniss bis zuletzt für sich behalten hatte. „Weil ich wusste, wie du darauf reagierst!“

„Ach, ist es denn ein Wunder? Wir alle machen uns die schrecklichsten Sorgen, die man sich vorstellen kann und fürchten, dass du nicht mehr lebst. Du stellst den Magier hin, als wäre er der reinste Engel. Verteidigst ihn und dann höre ich, wie er dich in ein Verließ sperrt, nur weil du nicht an diesem verdammten Treffpunkt warst und dich beinahe sterben lässt. Also in meinem Augen ist das Grausamkeit in seiner höchsten Form!“, tobte Fortitudo und lief auf und ab, wie ein Tiger in seinem Käfig.

Lumen war die einzige, die sitzen blieb und hilflos von einer zur anderen schaute. Wo waren so hinein geraten. Nun stritten sie sich, wer Recht hatte und wer nicht. Vermutlich würde Fortitudo noch zu ihrem Vater gehen und die Wahrheit sagen und sie, Lumen, damit an Messer liefern.

„Wenn er wirklich grausam wäre, dann hätte er sie bestimmt nicht gerettet!“, warf Cor ein und stand ebenso auf. Da horchte Lumen auf und ihr klappte der Mund auf. Was hatte Cor da eben gerade gesagt. Tenebrae hatte sie gerettet und nicht die Ärzte?

Was wurde hier gespielt. Nun war es an ihr aufzuspringen und ihre Schwestern zur Rede zustellen. „Was war das eben? Er hat mich gerettet. Aber ich dachte, die Ärzte…!“, brach es aus ihr heraus und Cor und Fortitudo sahen sie ertappt an. Doch während Fortitudo ihre Verlegenheit hinter einer Maske aus Zurückhaltung und immernoch angestauter Wut zurückhielt, blickte Cor ehrlich betroffen ein. „Ja, das…das war eine Lüge. Wir…zumindest ich sollte behaupten, dass die Ärzte es waren, die dich ins Leben zurück holten. Auch dass Fidus dich hierherbrachte!“

„Aber warum?“

„Weil Tenebrae mich darum bat. Er hatte es so gewollt. Ich musste ihm versprechen, dich glauben zulassen, dass er dich nicht mehr wolle!“, brachte Cor heraus und wirkte dabei genauso hiflos, wie es Lumen vorher war, als sie ihre Beichte ablegte. Fortitudo, die dies nun auch zum ersten Mal hörte, war noch mehr in Rage. Nicht jedoch so sehr, wie Lumen es war. Von Cor hätte sie solch eine infame Lüge nicht erwartet. „Und du sagst mir nichts?“, schrie sie mit unterdrückter Wut. „Obwohl du siehst, wie sehr ich leide? Was bist du nur für eine Schwester? Ich habe mich dir anvertraut und du lügst mir weiterhin ins Gesicht!“

Cor, erschüttert darüber und auch mit einem einem enormen Schuldgefühl, machte einen Schritt auf sie zu und legte ihr die Arme um sie. Zog sie an sich und versuchte sie zu beruhigen. „Ich weis und es tut mir leid. Ich hätte dir von anfang an sagen sollen, was eigentlich die Wahrheit ist. Aber ich musste dem Magier versprechen, dass ich dich in Unwissenheit lasse. Er wollte nicht, dass du die Wahrheit erfährst. Mir ist es selber nicht leichtgefallen, dich Tag für Tag anzulügen!“, gestand sie und trotz das Lumen über diesen Vertrauensbruch ihrer Schwester jedes Recht hatte, sie dafür zu hassen, konnte sie es nicht. Stattdessen fragte sie sich, was in den Magier gefahren sein konnte, dass er ihrer Schwester solch ein Versprechen abnahm.

Lumen schluchzte und schüttelte immerwieder fassungslos den Kopf. Das ergab alles einfach keinen Sinn. Warum? Warum nur?

Cor konnte deutlich die Verzweiflung ihrer Schwester spüren. So hatte sie sich ebenso gefühlt, als ihr Mann schwer verwundet ins Schloss zurückkam und es schlecht um ihn stand. Doch während sie mit ihm vereint war, war Lumen von dem Mann getrennt, den sie liebte und die Verzweiflung und der Schmerz waren größer, als es ihre waren. „Lumen, ich…!“, wollte sie sagen und weitersprechen, doch da löste sich Lumen von ihr. Schüttelte, mit Tränen auf den Wangen, den Kopf und bat ihre Schwestern sie allein zulassen. Cor öffnete den Mund um zu wiedersprechen, doch da schritt Fortitudo ein. Sie legte ihrer Schwester die Hand auf die Schulter und drückte sie. Ihr Ärger darüber, dass sie nicht eingeweiht war, war verflogen, als sie sah, wie Lumen weinte und sich ihrem Kummer ergab. Cor blickte daraufhin zu ihr und Fortitudo gab ihr stumm zuverstehen, dass sie gehen sollten. Jedoch, bevor sie aus dem Zimmer gingen, blieben sie in der Tür stehen und sahen Lumen mitleidig und flehend an. „Bitte, versuche es zuverstehen und sprich mit uns, wenn der Kummer für dich zugroß wird!“, sagte Cor inständig. Das letzte was sie wollte, war, dass Lumen sich in ihrem Schmerz womöglich etwas antat und auch Fortitudo bangte um das Leben ihrer kleinen Schwester. „Wir sind immer für dich da. Du bist nicht allein!“

Dann gingen sie, auch wenn es ihnen schwerfiel. Doch trotz der aufmunternden Worte zum Schluss fühlte sich Lumen so verlassen und einsam, wie nie zuvor. Und es gab niemanden, der sie daraus befreien konnte. Nur der Magier konnte dies. Dieser ist nicht da, um sie in seine Arme zu schließen und ihr das Gefühl von Geborgenheit und Mut zugeben.
 

Spät in der Nacht lag Lumen zusammengerollt in ihrem Bett und starrte ins Leere. Das was ihre Schwester ihr gestanden hatte, ließ sie nicht los und machte es unmöglich einzuschlafen. Aber das erklärt zumindest warum der Magier sie hierher gebracht hatte und warum sie nichts von ihm hörte. Sie verstand es sogar. Sie wusste ja von der Gefahr, die von den Schatten ausging. Und dass er sich um sie sorgte. Dennoch wäre sie am liebsten jetzt bei ihm. Jetzt wo sie nicht mehr bei ihm war, was würde aus ihm werden. Der Traum, in dem sie den Magier sah, wie er sich verwandelte, kam wieder in ihren Sinn und sie schauderte. „Er darf nicht…!“, dachte sie und grub das Gesicht ins Kissen.
 

Er kam lautlos wie ein Schatten in ihr Gemach. Und war darauf bedacht, sie nicht zuwecken. Leise glitt er zu ihr, schien förmlich über dem Boden zuschweben und blieb dann an ihrem Bett stehen. Blicke auf sie nieder und beobachtete sie, während sie schlief. Wie friedlich ihr Gesicht war und wie ruhig ihr Atem. Dennoch sah er deutlich die Tränen, die sie geweint hatte und sein Herz krampfte sich zusammen. Sie zuvergessen war leichter gesagt, als getan. Die Sehnsucht nach ihr war viel zu groß gewesen, als dass er diese einfach so verdrängen und als vergangen abtun konnte. Sich Vorwürfe zumachen und seine Entscheidung zubereuen. Sogr mit dem Gedanken spielen, sie doch noch mitzunehmen, wollte er nicht zulassen. Er hatte diese Entscheidung getroffen und würde dazu stehen. Sie durfte nicht weiterhin ewig in Gefahr schweben, nur weil er zu egoistisch war und sie bei sich haben wollte.

Doch wie sollte es weiter gehen?

Er konnte nicht ohne sie sein. Sie war sein Licht. Dieeinzige, die ihm zeigte, dass es noch ein anderes Leben gab. Außer ein Leben in der Dunkelheit. Ohne sie würde er sterben. Er spürte es jetzt schon. Seine Macht über die Schatten schwand. Trotz der ersten Warnung an die Schatten, hatten sie es nicht aufgegeben, ihn weiterhin zubelauern und ihre Klauen nach ihm auszustrecken. Und es würde nicht lange, bis sie sich auf ihn stürzten. Wieder musste er dabei denken, wie wichtig sie ihm. Wie sehr er sie brauchte und wie einfach es wäre, sie wieder mit sich zu nehmen. Aber was würde dies bringen, wenn sie doch irgendwann ein Opfer der Schatten wurde. Da wollte er lieber an Einsamkeit dahinsiechen, sich von den Schatten verschlingen lassen, als zuzulassen, dass sie doch noch ein schlimmes Ende fand.

Heute Nacht würde er sie zum ersten und auch zum letzten Mal besuchen. Sich von ihr verabschieden und die Türe, zwischen sich und ihr für immer verschliessen. Zum Abschied beugte er sich zu ihr hinunter und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Da öffnete sie die Augen und der Magier schrack hoch.

Damit sie ihn nicht sah, machte er einen Satz nachhinten und tauchte in den schützenden Schatten. Von dort aus, sah er zu ihr. Lumen war, als hätte ein Lufthauch sie gestreift. Doch das konnte nicht sein. Das Fenster war geschlossen. Dann dachte sie, sie hätte geträumt, aber dann wurde sie sich der Berühung wirklich bewusst und sie war hellwach. Mit aufgeregten Augen schaute sie sich um und Tenebraes Herz setzte einen Schlag aus, als ihre Augen auf ihm haften blieben. Er erstarrte und hoffte, dass sie ihn nicht sehen würde. Das Bangen und Hoffen schien ewig zudauern, bis die Prinzessin schwer seufzte und sich wieder hinlegte. Tenebrae unterdrückte ein erleichtertes Ausatmen. Blieb aber dennoch einige Zeit dort, wo er war stehen und beobachtete weiterhin ihren Schlaf, ehe er wieder in sein Schloss zurückgekehrt war.

Kaum dass er in seinem Gemach war und in seinem Sessel platz nahm, spürte er, wie schwer ihm das Atmen ging und wie schnell ihm das Herz in der Brust hämmerte. Ihm wäre nie in den Sinn gekommen, dass das Wiedersehen mit ihr ihn so aus der Fassung brachte. Schon als er die Violine spielte und die Musik zu ihr in das Schloss mit dem Wind tragen ließ, wusste er, dass er damit gegen seinen eigenen Entschluss verstiess. Und damit ihren Wunsch wieder zu ihm zu kommen nährte. Aber er konnte nicht anders. Umso mehr brach es ihm das Herz, als er den enttäuschten Ausdruck in ihren Augen sah. Ich hätte etwas sagen sollen. Ihr zeigen sollen, dass ich da war und das es mir gut ging.

Warum habe ich nur geschwiegen und mich davon gemacht, wie ein Feigling?

War es überhaupt richtig, zu ihr zugehen?

Auf diese Fragen wusste sich der Magier keine Antwort zugeben. Fest stand nur, dass es viel schwieriger sein würde, nicht mehr an sie zu denken, als er bisher angenommen hatte. Verzweifelt darüber, dass er nicht mehr die Kraft hatte, das durchzusetzen, was er sich vorgenommen hatte, grub er das Gesicht in beide Hände und fragte, was nun werden sollte.

Als ein jäher Schmerz ihn durchfuhr und ihn zusammenkrümmen ließ. Der Schmerz war dort, wo sein Herz sich befand, entflammt und darauf folgte eine lähmende Kälte, die ihm das Atmen schwer machte. Entsetzt und fassungslos, was da mit ihm ebenpassiert war, befühlte er sich die schmerzendkalte Stelle und spürte plötzlich, wie sich etwas unter seinen Fingern, unter seiner Haut zubewegen schien. Hastig und mit einer schlimmen Vorahnung, riss er seine Jacke und das Hemd auf und warf einen Blick auf seine Brust. Ein entsetztes Keuchen kam über seine Lippen, als er den schwarzen ausgefransten Klecks sah, der sich auf der Herzstelle gebildetet hatte und sich mit einem Pulsieren zuvergrößern schien. Tenebrae brauchte nicht lange nachzudenken, was das bedeutete. Er verwandelte sich in einen Schatten!



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Pamuya_
2015-11-08T19:02:56+00:00 08.11.2015 20:02
Oh bitte nicht! Tenebrae darf nicht zu einem Schatten werden!
Lumen, wach auf und renne zu ihm! Er braucht dich! Ihr braucht euch einander!
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 20:47
Keine Bange ^^
Von:  Hidan_1975
2015-09-21T22:00:04+00:00 22.09.2015 00:00
Nenenene,nicht Tenebrae auch noch.Also,Lumen rette ihn...

Boah...ich verzweifel langsam.


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