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Fortum

Das dunkle Herz und das Licht
von

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Tod der Spinne

Als Tenebrae sie am siebten Abend nicht an der Stelle angetroffen hatte, an der sie erscheinen sollte, machte sich Angst in ihm breit. Angst, dass sie ihr Wort gebrochen hatte und nicht wiederkommen würde. Nicht mit ihm zurück wollte. Doch die Angst wurde dann schnell von Wut verdrängt und ließ ihn kochen. Er hatte sich doch klar und deutlich ausgedrückt. Genau in der Nacht des siebten Tages und keinen Tag später. Erzürnt über den Bruch ihres Versprechens hatte er sich auf den Weg gemacht um sie zu holen. Er traf sie im Hof an, als sie versucht hatte, zugehen. Kaum dass sie seiner angesichtig wurde, versuchte sie ihm alles zuerklären. Doch der Magier wollte ihre fadenscheinigen Enschuldigen nicht hören. Sie hatte ihr Wort gebrochen und sie würde nun dafür die Folgen zuspüren bekommen. Hatte sie nicht selber bei allem was ihr heilig ist, geschworen. Was gäbe es also für eine passendere Strafe, als ihr die Freiheit zunehmen und sie der Dunkelheit vorzuwerfen. Mit kalter Genugtung hatte er die Tür zugeworfen und war von dannen gelaufen. Nun saß er in seinem Zimmer. Das Feuer im Kamin blieb aus, sodass er in der Finsterniss saß und sich in seine Wut und Enttäuschung immer mehr hineinsteigerte. Und mit der Enttäuschung kam auch der Schmerz. Etwas, was er geglaubt hatte, nie mehr zu spüren.

Doch der Schmerz brannte sich tief und glühendheiss in ihn hinein. Ließ ihn nach Luft ringen und trieb ihm die Tränen in die Augen. Sie hat ihr Wort gebrochen, wie es einst ihr Vater getan hatte, durchschoss es ihn und der Schmerz wurde unerträglich.

Er begann sich zufragen und zu zweifeln. Hatte er sich bloss was vorgemacht und daran geglaubt, dass sie die eine sein würde, die sein Herz erwärmen und ihn retten würde?

War er wirklich so blind gewesen, um nicht zusehen, was wahr und was eine Lüge war?

Tenebrae konnte sich darauf keine Antwort geben. Zugroß war der Kummer und die Enttäuschung über sich selber und über die Prinzessin, die in ihm Liebe erweckt hatte und diese nun auf schändlichste ausgenutzt hatte.

„Ich Narr. Was habe ich mir nur dabei gedacht?“, fragte er sich mit einem heisseren Lachen, das von Schluchzern erschüttert wurde und vergrub das Gesicht in seinen Händen. „Ich hätte es besser wissen müssen!“
 

Für Lumen schien die Zeit jede Bedeutung verloren zuhaben. Außerhalb der Zelle gab esnichts außer Finsterniss. Sie hatte schon längst aufgehört, den Magier anzuflehen und um Vergeben zu bitten. Er würde sie nicht hören. Geschweige denn sie rauslassen. Warum hatte sie bloss nicht darauf geachtet, wie spät es war?

Wäre sie früh genug losgegangen, wäre das nicht passiert. Doch sich jetzt zufragen, was wäre wenn, machte dies nicht rückgängig. Sie würde hier unten bleiben, bis sie starb. Sie hatte es sich ja selbst verschuldet, als sie sagte, dass sie es bei allem, was ihr heilig ist, schwor. Warum hatte sie nicht darauf geachtet, wie viel Zeit vergangen war?

Sich das immer wieder fragend, kauerte sie sich in die hinterste Ecke ihrer Zelle und schlang die Arme um ihre Knie. Weinte bitterlich. Ihr Schluchzen hallte, wie zuvor ihre Schreie, durch den Gang und drang bis hinauf in die Gemächer des Magiers. Tenebrae hörte sie und versuchte ihnen keine Beachtung zuschenken. Sich einzureden, dass sie sich das selber zuzuschreiben hatte. Und er nichts Falsches gemacht hatte. Schließlich hatte er ja angekündigt, dass sie, sollte sie gegen seine Forderungen vertossen, sich im Kerker wiederfinden würde. Sie war sich der Tragweite ihres Bruches bewusst gewesen. Also konnte sie keine Gnade von ihm erwarten.

Aber warum fühlte er sich trotzdem sich schrecklich?

Tenebrae versuchte eine Antwort auf diese und andere Fragen zufinden.

Ehe er jedoch dazukommen konnte, spürtre er die Anwesenheit von jemandem, den er gar nicht hier haben wollte. „Ich habe es Euch doch gesagt. Ihr werdet nur Kummer haben, wenn Ihr sie zu Euch holt!“, kam es von Fallacia. Sie versuchte traurig zuklingen, doch Tenebrae konnte sie nicht täuschen. Er hörte deutlich, dass es sie freute, sie entzweit zusehen. Seine Finger gruben sich in den Stoff seiner Stuhllehnen und er hielt den Blick starrgeradeaus. „Spar dir dein Mitleid und deine leeren Worte, Fallacia. Es freut dich doch, dass es soweit gekommen ist!“, sagte er leise. Fallacia wich daraufhin einen Schritt zurück. Er hatte sie durchschaut. Doch das war nur die halbe Wahrheit. „Es stimmt. Ich bin froh, dass Ihr und die Prinzessin entzwei gerissen wurdet. Aber ich kann es nicht ertragen, Euch so am Boden zerstört zusehen. Darum…!“, sagte sie und ging auf ihren Herren zu und kniete sich neben ihn. Legte ihm die Hand auf sein Knie. Tenebrae zuckte bei dieser Berührung zusammen. Ekel überkam ihn. Was erlaubte sie sich, ihn anzufassen. Jetzt wo es ihm so schlecht ging.

Dennoch war er neugierig, was sie sagen würde. Daher schaute er sie an und wartete darauf, dass sie weitersprach. „….Bitte ich Euch: Vergesst sie und vertraut Euch mir an. Ich würde Euch niemals enttäuschen!“

Tenebrae sagte erstmal nichts, sah sie nur an. Dann als er weitersprach, war seine Stimme kalt und ungerührt. „Ich weiss nicht, ob ich dir das glauben soll. Du hast oft genug gegen meinen Willen gehandelt. Da fällt es mir schwer, dir zuglauben!“

Fallacia senkte den Kopf. „Ich weiss, und es tut mir auch leid. Aber ich verspreche Euch hier und jetzt, dass ich nichts tun werde, was Euch erzürnt. Wenn…wenn Ihr mich nur endlich erhört!“, sagte sie und begann das Knie des Magier zustreicheln. Etwas weiter hoch zuwandern. Tenebrae sah dies mit lauerndem Blick. Hatte er vorher gedacht, dass Fallacia nicht zuweit gehen würde, um das letzte bisschen von seiner Güte ihr gegenüber zuverwischen, so war er sich nun sicher, dass sie mit dem Feuer spielte und sich daran verbrennen würde. Wollte denn niemand hier akzeptieren, dass er der Herr war?

„Und was willst du?“

„Das Ihr sie aus Eurem Herzen verbannt und mich an ihre Stelle nehmt!“, sagte sie und stürzte sich damit in eigene Unglück. Tenebrae hätte sie für diese Worte schlagen können. Doch dann hatte er eine bessere Idee. Wenn Schläge und Drohungen nicht wirkten, würde es vielleicht reichen, sie zu demütigen. Mit einem finsteren Lächeln, nahm er ihr Kinn und hob es zu ihm hoch. „Wenn dem so ist…?“, begann er und stiess sie nach hinten. Fallacia brachte nur einen überraschten Laut von sich und wollte aufstehen. Doch da war schon der Magier über ihr und drängte sie wieder auf den Boden. In seinen Augen war ein gefährliches Funkeln zusehen. Ein grausam lüsterner Zug umspielte seinen Mund. „Du sagst, dass du mich niemals enttäuschen würdest und ich glaube dir!“, flüsterte er und seine rechte Hand legte sich um ihre Brust. Strich über diese.

Fallacia schluckte. Eigentlich hätte sie sich darüber gefreut, dass er sie berührte, doch sie war wie gelähmt vor Angst. So wie er das sagte, konnte das nichts Gutes bedeuten und als er mit einem brutalem Ruck ihr Kleid in Stücke riss und den Blick auf ihren nackten Oberkörper freigab, wusste sie, dass sie eine Fehler gemacht hatte. Schnell legte sie ihre Hände auf ihre entblössten Brüste und versuchte von ihm wegzukommen. „Bitte. Ich…ich habe das nicht so…!“, wollte sie sagen, doch der Magier knurrte. „Gesagt ist gesagt. Glaube nicht, dass ich dich jetzt gehen lassen werde!“

Und mit diesen Worten, drückte er ihre Beine auseinander und schob sich dazwischen. Fallacia schrie auf, als sich sein Becken gegen das ihrige drückte. Doch dann schien er es sich anders überlegt zuhaben. Denn er packte ihre Schultern und drehte sie herum, sodass sie mit dem Rücken zu ihm gewandt dalag. Die Angst blieb jedoch. Er wollte doch nicht wirklich…?

Sie versuchte wegzurutschen, doch der Magier hielt sie an ihren Hüften fest. „Nein, bitte…!“, flehte sie. Doch es war sinnlos. Tenebrae war festentschlossen sie zu bestrafen. „Zuspät. Mit dem was du sagstest, hast du dich mir ausgeliefert!“, sagte er und das nächste was Fallacia spürte war, wie er mit Gewalt in sie eindrang.
 

Als er fertig mit ihr war, jagte er sie mit Drohungen aus seinem Gemach. Fallacia schleppte sich, wie eine geprügelte Hündin durch das Schloss. Der Schmerz in ihrem Unterleib war immernoch deutlich spürbar und loderte immer auf neuste auf, wenn sie einen Schritt machte. Vertrocknete Tränen glänzten auf ihren Wangen. Vertrocknet war ebenso das Blut, an den Innenseiten ihrer Schenkel. Sie zitterte am ganzen Leib. Blieb stehen und sank zu Boden. Die letzten Minuten und der damit verbundene Schrecken ließen sie nicht los. Hatten sich tief in ihre Seele und ihren Körper gebrannt. Mit allem hatte sie gerechnet, doch nicht, dass er sich an ihr vergehen würde. Und auch noch Freude daran hatte. Sie hatte es deutlich in seinen Augen gesehen, wie er es genossen hatte. Als sie sich wieder das Bild von ihm vor Augen führte, wie er sich über sie beugte und in sie immer wieder eindrang, wurde ihr schlecht und sie konnte sich nur schwer zurückhalten, um sich nicht zuübergeben. Warum hatte er das nur getan?

Was war falsch gewesen, ihm zuzeigen, dass sie ihm gegenüber treuergeben war?

Fallacia blieb noch lange auf dem Boden hocken. Wimmerte vor sich hin und suhlte sich in Selbstmitleid. Doch dann stieg in ihr blanker Hass auf. Hass auf die Prinzessin. Weil sie schuld war, dass der Magier sich von ihr abgewandt hatte. Eigentlich hätte sie auch den Magier hassen sollen, da er es war, der sie erniedrigt hatte. Doch dann sagte sie sich, dass das alles die Schuld der Prinzessin war. Wegen ihr musste sie leiden. Sie musste dafür büsen.

Endgültig!
 

„Was ihr getan habt, Herr?“, fragte Comitas aufgebracht, als er erfuhr, dass der Magier die Prinzessin in das Verlies geworfen hatte. „Das hat dich nichts zu kümmern!“, waren seine einzigen Worte. Er hatte sich, nachdem er Fallacia gestraft hatte, gewaschen. Sich von dem Schmutz befreit, den Fallacias Körper auf seinem hinterlassen hatte. Grimmige Zufriedenheit war in seinen Augen zusehen. „Ihr einen Fehler machen!“, warf Comitas ihm vor. „Den einzigen Fehler den ich gemacht habe, ist, zuglauben, dass sie mich liebt und ich ihr vertrauen kann!“, knurrte er und seine Hände ballten sich für einen kurzen Moment, sodass seine Knöchel weiss hervortraten. „Es war Irrsinn es zuglauben!“

„Nein, das war es nicht!“, murmelte Comitas niedergeschlagen. „Geh jetzt. Ich will alleine sein!“, befahl Tenebrae und Comitas gehorchte. Wenn auch nur wiederwillig.

Tenebrae holte den Ring hervor, den die Prinzessin ihm gegeben hatte und drehte ihn in seinen Fingern. Sah, wie das Licht des dunklen Feuers auf dem polierten Gold glänzte. Er war versucht dieses Stückchen Metal ins Feuer zuwerfen, auf das es zuerschmolz und zerstört wurde. Nachdem die Prinzessin ihn betrogen hatte, wollte er nichts mehr haben, was ihn an sie und an ihre angebliche Liebe erinnerte. Er hob schon die Hand, um den Ring zuwerfen. Hielt aber inne. Sein Blick blieb daran haften und aus einem ihm nicht erfindlichen Grund, stecke er ihn wieder ein. Konnte es sein, dass er immernoch etwas für sie fand?
 

Die Zeit verging und Lumen rechnete nicht damit, dass jemals jemand anderes an ihre Zelle kommen würde, außer den Zwergen, die ihr das Essen brachten.

Sie war sich sicher, dass sie hier allein dahinvegetieren würde. Umso überraschter war sie, als sie Schritte hörte, die sich von außen der Zelle näherten und die Tür geöffnet wurde. Doch statt des Magiers stand Fallacia in der Tür. Lumen wich zurück. Jetzt hat sie mich, wo sie mich haben wollte, dachte sie. Blanke Angst erfasste sie. Nach dem hitzigen Wortgefecht und ihren scharfen Worten, konnte sie nicht damit rechnen, dass sie sie mit Samthandschuhen anfassen würde. Sondern es geniessen würde, sie zu quälen und zu demütigen. Und so gern Fallacia dies auskosten wollte, wie die Prinzessin litt und ihr Fett wegbekam, wollte sie an ihrem Plan festhalten. Denn dann wäre der Genuss des Triumphes umso größer. Langsam schloss sie die Tür hinter sich und kam auf sie zu. Lumen wich weiter zurück, bis ihr Rücken gegen die Wand hinter ihr zuspüren war und ihr Blick blieb stetig auf sie gerichtet. In Erwartung, dass Fallacia sich auf sie stürzen und sie mit ihren Fingernägel, die wie Klauen aussahen, zerkratzen würde. Doch Fallacia tat nichts dergleichen, sondern blieb vor ihr stehen. „Du hast dir das selber zuzuschreiben, dass der Herr dich hier eingesperrt hat!“, sagte sie leise. Lumen biss sich daraufhin auf die Unterlippe. Das brauchte sie ihr nicht zusagen. Sie wusste, dass sie selber schuld war. Sie hatte das Vertrauen des Magiers bitter enttäuscht. Sie wandte den Kopf ab und musste gegen das Zittern ankmöpfen, was sie erfasste. Fallacia sah, dass sie sich dessen bewusst war und lächelte kurz verächtlich. Dann wurde ihr Gesicht milder. „Was hast du dir gedacht? Er hat dir sein Herz und sein Vertrauen geschenkt. Und du? Du zerstörst es!“, sagte sie. „Dabei war er so glücklich!“

„Ich wollte das nicht!“, war Lumens antwort und sie begann zu weinen. „Und doch hast du es getan. Wie einst dein Vater!“, hörte sie Fallcia sagen und Lumen zuckte bei diesen Worten zusammen. „Mein Vater?“, fragte sie verwirrt, weil sie nicht verstand, was das zubedeuten hatte und was sie damit meinte. Fallacia nickte. „Ja, dein Vater. Einst kam Tenebrae, da sein Vater ebenso ein Magier und im magischen Rat des Königs war, in die Lehre von einem andern Magier, der nun der Großmagier am Hofe deines Vaters ist und er erkannte die Macht und das Potenzial, das in ihm steckte. Der älteste Hofmagier missgönnte ihm seine Kraft natürlich. Er fürchtete um seinen eigenen Rang und um das Ansehen, welches er zweifelslos beim König genoss. Schon seit langen war die Familie Tenebraes, allen voran aber sein Vater, ihm ein Dorn im Auge und hatte immer versucht ihn loszuwerden. Und er sah auch seine Chance für gekommen. Also redete er deswegen dem König ein, dass er dabei war, sich einen mächtigen Feind zu machen, der irgendwann einen Angriff gegen ihn führen würde. Wenn er nichts dagegen unternehmen würde, versteht sich. Und dein Vater glaubte ihm. Darum schickte er seine Männer los, um den Jungen zuholen. Er war nicht mehr da. Nur seine Eltern.Doch das war ihm auch recht. So konnte dein feiner Vater auch die beiden auslöschen, die seiner Meinung nach, das Übel in diese Welt gesetzt haben. Er schickte sie beide auf den Scheiterhaufen, wo sie verbrannten!“

Als Fallacia geendet hatte, konnte Lumen nicht glauben, was sie da gehört hatte. Ihr Vater soll der Mörder der Eltern des Magiers sein. Aber das konnte doch nicht sein. Ihr Vater würde das niemals tun. Würde nie etwas so grausames machen. Dafür kannte sie ihn zugut. Und was wenn doch…?

Nein, ihr Vater wäre dazu niemals im Stande. Nicht mal wenn es wirklich darum, sich und das Volk zuschützen. Niemals hätte er zu solch einen Mittel gegriffen. „Das…das ist eine Lüge!“, sagte sie und stand auf. Ihre Knie waren weich und gaben etwas nach. Doch sie konnte sich aufrechten halten. „Das ist keine Lüge. Sondern die bittere Wahrheit. Euer Vater hat dem Magier, meinem Herr, soviel Leid und Schmerz zugefügt, dass er daran zerbrach und nur eines wollte. Rache!“, sagte sie und konnte nun ein Lächeln nicht verbergen. Sie genoss es, sie aus der Fassung geraten zusehen. „Darum holte er Euch hierher, als Lohn für seine Dienste. Es ging ihm niemals um Euch selbst. Oder um Euer Herz. Er wollte Euren Vater dort treffen, wo er ihn getroffen hatte!“

„Nein, das ist nicht wahr!“, kam es erstickt aus ihr und sie schüttelte fassungslos durch den Kopf. „Wenn du es nicht mir glaubst, warum fragst du ihn nicht selber. Er wird es dir Wort für Wort wiedergeben!“, sagte sie ungerührt und drehte sich dann um. Öffnete die Türe und ehe sie sie verließ, drehte sie sich zu ihr herum. Sah sie gleichgültig an. „Frage ihn ruhig, sonst wirst weiterhin blauäugig durchs Leben gehen. In dem dummen Glauben, dass jeder Mensch etwas Gutes in sich hat und dieses stärker ist, als alles andere!“, sagte sie und schloss dann hinter sich die Tür. Ließ Lumen allein, mit ihren Gedanken. Hatte sie etwa recht und ihr Vater hatte wirklich das Blut von Tenebraes Eltern an seinen Händen kleben.

Tat das wirklich, weil er fürchtete, dass er sich gegen ihn wenden würde.

Obwohl sie wusste, dass sie Fallacia nicht trauen durfte, konnte sie den Gedanken nicht abschütteln, das was Wahres dran war. Und dass nur der Magier ihre Zweifel beseitigen konnte. Sie musste ihn sprechen.
 

Aus dem Westen rückte eine Schar von Soldaten heran. Nach der Entführung der Prinzessin, hatte der König Männer in die Berge geschickt, damit sie die Prinzessin holen sollten. Doch es verging eine Woche und keiner der Männer, geschweige denn die Prinzessin kehrte zurück. Darauf sandte man einen Boten, der sich nach dem Verbleib der Soldaten erkundigen sollte. Als er dann die, von Geiern und anderem Getier, zerfressen Leichen der Männer entdeckt hatte, hatte der König erneut eine Gruppe geschickt. Diesesmal angeführt von seinem fähigsten Hautpmann. Nämlich Fidus. Er und dreisig Männer. Cor war natürlich nicht begeistert davon. Wütend schimpfte und schrie sie ihren Vater an, er solle ihr nicht den Gatten rauben. Es dauerte Stunden, ehe Fidus Cor davon überzeugen konnte, dass er es tun musste. Denn wenn sie erneut eine Gruppe ohne einen guten Hauptmann schicken würden, würden auch diese sterben und ihre Schwester wäre immernoch nicht befreit.

Cor musste mit den Tränen kämpfen. Ihr fiel es sichtlich schwer, sich von ihrem Gatten zuverabschieden. Da sie ja nicht wusste, ob sie ihn jemals wiedersehen würde. „Versprich mir, dass du nichts Dummes tust!“, flehte sie ihn am Tag seiner Abreise an. Fidus lächelte und strich ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. In ihrem Gesicht war deutlich die Angst und die Sorge zusehen, die sie Nächtelang nicht schlafen ließen. Sanft küsste er sie auf die Stirn. „Ich verspreche es Euch, meine Liebste!“, sagte er dann und umarmte sie. Minutenlang blieben sie so stehen. Dann löste er sich von ihr. Es viel beiden schwer. Ebenso sich auf Wiedersehen zu sagen. Das Schlagen der Hufe und das Zuschlagen der großen Tore, ließen sie zusammenzucken und sie fühlte plötzlich eine schmerzliche Leere. Es war genauso wie damals, als er hinausritt um zuerfahren, welche Armee das Reich ihres Vaters bedrohte und sie fürchtete, dass er ebenso schwerverletzt sein würde, wie damals. Oder schlimmeres. Sie faltete die Hände und blickte zum Himmel hinauf. Sprachstumm ein Gebet, dass ihr Mann wieder kommen würde. Lebendig und unverletzt. Dabei flossen ihr die Tränen über die Wangen.

Fidus wünschte sich ebenso, bei seiner Frau anstatt nun hier zusein. Aber was konnte er schon gegen den Befehl seines Königs tun. Er hatte, als er zum Hauptmann ernannt wurde, geschworen, seinem König treuzudienen. Und daran fühlte er sich gebunden.

Aber ebenso an dem Bund den er mit Cor geschlossen hatte. Cor, dachte er und schaute über seine Schulter. Das Schloss und das Reich des Königs, ihrem Vaters, schien meilenweit weg. Man konnte es nur schwach am Horizont erahnen. Er fühlte förmlich, wie es ihn immer zum Schloss und damit zu seiner Frau zog. Hoffentlich würden sie die Prinzessin schnell finden und befreien, damit er zu ihr zurückkehren konnte.

Sie waren mittlerweile tiefer in das Gebirge eingedrungen und die Soldaten schienen vor Angst kaum noch die Augen schließen zukönnen. Immer wieder schauten sie sich um. Redeten über die anderen. Die unglücklichen Soldaten, die vor ihnen hier waren und einen grausamen Tod gefunden hatten und steigerten sich damit immer mehr in ihre Angst.

Fidus teilte ihre Furcht.

Noch gut hatte er die Begegnung mit den Schatten in Erinnerung, die alle, bis auf ihn, getötet hatten. Sah noch deutlich, wie seine Männer vor seinen Augen abgeschlachtet wurden. Auch jetzt sah er es und ein Schauer rann ihm über den Rücken. Immer wieder ließ er den Blick über die scharfen Kanten der Berge schweifen, die dunkel und pechschwarz über ihnen und von allen Seiten aufragten. Wie zu Stein erstarrte Ungeheuer erhoben sie sich und erweckten den Eindruck, dass sie sich jeden Moment aus ihrem felsigen Gefängniss befreienen und sich auf sie stürzen würden. Fidus wandte schnell den Blick ab. Hielt den Blick geradeaus und ermahnte sich, sich nicht abzulenken. Suchte stattdessen etwas in den Schatten, was auf einen Hinterhalt deuten konnte. Der Wind, der durch das Gebirge pfiff, klang schauerlich. Erinnerte ihn an das Wehklagen verlorener Seelen. Fidus atmete tief ein und versuchte ruhig zubleiben. Einer der Soldaten war bei diesen Lauten Angst und Bange zumute. Er trieb sein Pferd schneller an und ritt dann neben seinem Hauptmann. „Hauptmann, hört Ihr das auch?“, fragte er überflüssigerweise. Fidus nickte. Straffte die Schultern. „Ja!“

„Wahrlich beängstigend!“, bemerkte der Soldat und kam konnte deutlich hören, dass ihm die Zähne klapperten. „Reiss dich zusammen. Wir haben den Befehl die Prinzessin zurück zuholen!“, konterte er scharf und musste sich dabei selber ermahnen, nicht vor Angst sein Pferd zuwenden und davon zugallopieren.

Ihm fiel es ebenso so schwer, ruhig zubleiben. Mit dem Schritt, den sein Pferd machte und ihn näher ans Reich des Magiers brachte.
 

Tenebrae sah dies alles vom höchsten Turm seines Schlosses und verzog verächtlich das Gesicht. Diese Narren versuchen doch tatsächlich in sein Reich zugelangen, um die Prinzessin zubefreien. Wie dumm von ihnen. Dabei wäre es doch das klügste, wenn sie fortbleiben und damit länger leben würden. Und so gern Tenebrae sie mit einem einzigen Fluch getötet hätte, so wollte er ihnen dennoch eine und letzte Warnung geben. Mittlerweile ritten sie auf einem Weg, der an einer Schlucht führte. Dieser war nur so breit, sodass die Reiter hintereinander herreiten konnten. Sie passierten eine Felsnase. Der pefekte Ort, um sie am Weitergehen zu hindern. So hob er die Hand und ein Sturm zog auf. Riss und zog an ihm. Vermochte es aber nicht, ihn vom Turm zustossen. Tenebrae murmelte einige Worte und die finsteren Wolken teilten sich. Ein greller Blitzstrahl schoss aus diesen und zischte auf die Berge zu. Fidus und einige der Männer sahen den Blitz. „Duckt Euch!“, schrie er, als kurz danach der Blitz in das Gestein des Berges über ihnen einschlug und große Felsbrocken herausgebrochen wurden. Die Männer schrien auf und versuchten sich zu retten. Doch ein zweiter Blitz bohrte sich in die Felsen. Diesesmal war es der Weg, auf dem die Soldaten standen. Dieser bekam auf der Stelle Risse und brach weg. Riss gut die Hälfte der Männer und ihre Pferde hinab in den Abgrund und in den Tod. Zugleich wurden fünf der übrigen Männer von den herabfallenden Felsen erschlagen und unter ihnen begraben. Die Pferde der Überlebenden hatten sich aufgebäumt und sie von ihren Rückengeworfen. Fidus und die restlichen seiner Gefolsleute drückten sich an die Wand. Krochen weg von dem totbringenden Abgrund. Nur knapp konnte sich Fidus vor einem Sturz in den Abgrund retten. Schweratment klettete er über den Rand. Saß mit den übrigen seiner Männer auf festen Stein.

„Hauptmann Fidus. Die anderen, sie…sie…!“, stammtelte einer von den Überlebenden und konnte nicht fassen, was so eben passiert war. Fidus nickte. Nach dem Grollen des Blitzes, dem Bröckeln der herabstürzenden Felsen und der Schreie der sterbenden Männer, war es plötzlich still. Nicht mal das Wehklagen des Windes, war zu hören. Nur das Wummern der verängstigten Männer, die unter der Felsennase kauerten und nicht wussten, was sie tun sollten. Der Weg zurück war ihnen praktisch abgeschnitten und die Pferde waren vor lauter Panik davongeritten. „Was sollen wir jetzt tun?“, fragte er nun, da der Hauptmann nichts sagte. „Ihr solltet umkehren, solange Ihr noch könnt!“, hörten sie plötzlich eine Stimme, wie Donnerhall und die Männer zuckten zusammen. Schauten dann hoch und sahen auf einem Felsen über ihnen den Magier stehen. Wie aus dem Nichts war er aufgetaucht und schaute sie mit durchdringenden Blicken an. Kälte und Tod sprach aus seinen Augen. Für die Männer war klargewesen, dass er die Blitze und den Erdrutsch geschickt hatte. Und mochte das Entsetzen über sein Erscheinen auch noch so groß sein. Bei einem der Soldaten waren der Hass und der Schmerz über den Tod seiner Kameraden viel größter. Mit einem Schrei sprang er auf, zerrte sein Schwert aus der Scheide und stürzte auf den Magier zu. Wollte sein Herz mit einem Schwerthieb zerfetzen. „Du Teufel. Ich werde dich…!“, schrie er. Doch bevor er den Magier erreichen konnte, streckte dieser die Hand aus und ein Lichtstrahl schoss aus seinen Fingerspitzen. Traf den Soldaten in der Brust und kurz gellte sein Schmerzensschrei. Dann brach er zusammen. Fidus erhob sich. Lief auf den Mann zu, drehte ihn auf den Rücken. Wollte ihn retten, doch als er in die glasigen Augen des Soldaten schaute, wusste er, dass es zuspät war.

„Ihr…!“, rief Fidus zornig und seine Hand fuhr zum Griff seines Schwerters. „Lasst Euer Schwert stecken, Hauptmann!“, befahl der Magier und Fidus blieb wie vom Donner gerührt stehen. Seine Hand, die nach dem Griff seines Schwertes gelangt hatte, verharrte mitten in der Bewegung. Auch die anderen Soldaten machten keine Anstalten nach ihren Waffen zugreifen und blickten starr zum Magier, der über ihnen thronte, wie ein dunkler und grausamer Engel. Minuten vergingen, ehe der Magier zusprechen begann. „Ihr seid hier nicht erwünscht!“

Seine Stimme hallte wie Donner durch das Gebirge, sodass man glaubte, dass das Gestein jeden Moment nachgeben und die übrigen Überlebenden mit sich in die Tiefe reissen würde.

Hauptmann Fidus stand wie angewurzelt stehen. Den Magier hatte er nur einige Sekunden gesehen, als die Prinzessin mit Gewalt entführt wurde. Nun sah er ihn genau vor sich stehen und er konnte nun verstehen, warum man sich vor diesem Mann in Acht nahm. Er strhalte eine solch dunkle Präzens und Macht aus, dass man ihn mit einem schwarzen Gott vergleichen konnte. Es fiel ihm schwer sich vorzustellen, dass Lumen, seine jüngere Schwägerin sich bei diesem Mann wohlfühlen konnte und zu ihm zurück wollte.

Dass der Magier sie für ungebetene Gäste hielt, konnte sich der Hauptmann gut vorstellen. Und auch, was er mit solchen machen würde.

„Geht und sagt Eurem feigen König, dass, wenn er schon seine Tochter wiederhaben will, selber kommen und nicht irgendwelche dummen Gefolgsleute schicken soll!“, bellte der Magier und nun rührte sich der Hauptmann. Mit zitternen Beinen, machte er einen Schritt auf ihn zu. „Wir…!“, sagte er und versuchte seine Stimme ruhig und ebenso herablassend klingen zulassen, wie es der Magier getan hatte, doch die Angst, die ihm bei dem Anblick des Magiers erfasst hatte, ließ seine Stimme schwach werden und wie die eines ängstlichen Kindes klingen. Glich einem Wimmern und der Hauptmann räusperte sich. „Wir haben den Befehl, sie zurück zuholen!“

„Das haben die, die vor Euch hier waren ebenso und es nahm ein übles Ende mit ihnen!“, erwiederte der Magier und deutete dabei auf die Schlucht, auf dessen dunkler Grund die Gebeine der Unglücklichen lagen und sich zu diesen nun die wnächsten gesellt hatten. „Daher gebe ich Euch einen guten Rat: Wenn Euch Euer Leben lieb ist, dann geht. Vergesst den Befehl!“

„Nein!“, rief der Hauptmann widerspenstig und versuchte die Angst nicht siegen zulassen. Bisher hatte er seinen Mut immer wieder in der Schlacht bewiesen und hatte immer, auch wenn es nicht gut für ihn und seiner Männer aussah, einen Weg gefunden, die Schlacht für sich zu entscheiden. Nun aber stand er einem Gegner gegenüber, der sich nicht soeinfach durch seine Kühnheit und seinem Mut beeindrucken ließ. Sondern ihn dafür sogar verhöhnte. „Tut was ich Euch sage: Geht, solange Ihr noch könnt!“, wies der Magier ihn an und seine Stimme allein schon war eine Drohung. „Und ich sage: Nein!“, konterte der Hauptmann. Seine Vernunft nannte ihn dabei einen Narren. Einen lebensmüden Narren, doch die Pflicht, dem Befehl folgezuleisten, war größer. Mochte er noch soviel Angst haben. Die Angst zuversagen, und den König zuenttäuschen, weil er aus eigener Furcht die Prinzessin nicht zurückholen konnte, war es beneso. Messte sich mit der, vor dem Magier und seinem Zorn.

Bis jetzt konnte er nicht sagen, welche siegen würde.

„Ich habe dem König geschworen, dass ich sie zurückhole!“

„Und Euer Schwur ist Euch wichtiger, als Euer Leben?“, fragte der Magier und hob die Brauen. Soviel Starrsinn konnte doch unmöglich in einem Menschen sein. Geschweige denn gesund. Auch wenn er die Sturheit des Mannes vor ihm bewunderte, so bedauerte er es auch, ihn in die Schlucht zustürzen, wenn er ihn dazu zwang. In einem früheren Leben hätte er nicht gezögert, sondern ihn gleich getötet. Doch er hielt inne. Der Prinzessin hatte er es schließlich zuverdanken, dass er so etwas wie Mitgefühl und Erbarmen kannte. Eine lästige Angewohnheit, wie er nun zugeben musste. Aber sie hielt ihn zurück, wie eine Fessel ein wildes Pferd zurückhielt, das sich seine Freiheit wieder zurückerkämpfen wollte.

„Ja, denn ich schulde dem König meine Treue und damit auch meine Ehre!“, schrie der Hauptmann, ohne zuwissen, was er da wirklich von sich gab. Entweder war ihm seine Treue und Ehre wirklich so wichtig. Wichtiger als sein eigenes Leben, oder er musste verrückt gewesen sein, dass zusagen. Fidus konnte nicht sagen, welche es dieser beiden Möglichkeiten war.

Sollte er wirklich so verbohrt sein und sein Leben hergeben, nur weil er den Befehl des Königs erfüllen wollte?

In seinem Kopf hörte er sich selbst anschreien, er solle nicht so leichtsinnig sein und endlich tun, was der Magier sagte und sich und seine Männer retten.

Doch er blieb.

Tenebrae sah ihn einen langen Moment schweigend an. Für den Hauptmann sah es so aus, als würde er abwägen, ob er ihn sofort töten oder noch einmal eine letzte Warnung aussprechen sollte. Er machte einen unruhigen Schritt nachhinten und alles in ihm krampfte sich für einen bevorstehenden Angriff zusammen. „Ich frage mich wirklich, was der König Euch schuldet, dass Ihr so erpicht darauf seid, seinem Befehl zufolgen?“, fragte dann Tenebrae nachdenklich und alle Kälte war aus seiner Stimme verschwunden.

„Der König schuldet mir nichts!“, kam es vom Hauptmann prompt, der nun neuen Mut fasste. „Ich geniesse sein Vertrauen und er gab mir seine Tochter zur Frau, trotz dass ich kein Adliger bin. Mehr brauche ich nicht!“

„Seine Tochter? Soll das heissen, auf Euch wartet eine Frau?“, fragte er und die Verwunderung in seiner Stimme war nicht gespielt. Hauptmann Fidus nickte. „Ja, Cor. Die Schwester des Mädchens, das Ihr geraubt habt. Dies ist auch der Grund, warum ich nicht ohne sie zurückkehren kann!“, sagte er. „Meine Frau hofft darauf, ihre Schwester wiederzusehen. Lebendig!“

„Und was ist mit Euch?“, fragte Tenebrae. „Was soll mit mir seien?“, kam es von dem Hauptmann.

„Liegt Euch den nichts daran, dass sie Euch lebendig wiedersieht. Oder seid Ihr so blind?“

Als der Magier von seiner Frau sprach, zuckte Fidus zusammen. Und ob ihm was daran lag, dass er sie lebend wiedersah. Und bis jetzt hatte er sie, zu seiner eigenen Schande aus der Erinnerung gestrichen. Doch nun kehrte sie zurück und ebenso das Versprechen, dass er nichts Dummes tun würde. Ihr Gesicht erschien vor seinen Augen. Er sah, wie sie ihn flehend ansah und wie nahe sie den Tränen war. Er presste die Lippen aufeinander und sein Herz verkrampfte sich. Wie würde Cor reagieren, wenn man seinen Leichnam auf einer Bahre ins Schloss zurück trug. Sie wäre am Boden zerstört, würde weinend über seinem toten Körper gebeugt sein und ihrer Trauer laut hinausschreien. Sodass es jeder hören konnte. Hauptmann Fidus schauderte bei dieser Vorstellung und der Mut, den er ebenoch hatte, schwand erneut. Diesesmal um Cors Liebe und ihrer Angst ihn zuverlieren wegen. „Habe ich es mir doch gedacht. Die Pflicht und Eure Treue mögen zwar groß und wichtig sein, aber die Liebe zu Eurer Frau ist noch viel größer!“, sprach der Magier und seine Stimme klang nun eindringlich, als wollte er den Hauptmann wirklich davon abbringen, noch länger hier zuverweilen. „Darum seid nicht töricht und werft Euer Leben nicht für solch etwas Dummes weg!“

Der Hauptmann wollte schon aufbegehren und sagen, dass es nichts Dummes sei. Doch kaum wollte er es, schon sah er wieder Cor vor sich, wie sie weinend über ihn gebeugt war und sein bleiches Totengesicht streichelte und ihm versagte die Stimme. Sein Magen verknotete sich. Dann blickte er wieder zu dem Magier, der ungerührt dastand und auf eine Antwort des Hauptmannes wartete. Minuten lang sahen sich die beiden Männer an und dabei versuchte der Hauptmann etwas in den Augen des Magers zuerkenne, was ihn hoffen lassen könnte, er würde es sich anders überlegen. Aber der Magier ging als Sieger hervor. Mit einem resignierten Seufzen senkte er den Kopf, drehte sich um und wollte seinen Männern den Rückzug befehlen. Doch dann hielt er inne, wandte sich wieder dem Magier zu. Zwar hatte der magier ihn dazubewegen können, umzukehren, dennoch wusste er nicht, wie er mit leeren Händen unter die Augen des Königs treten konnte. „Und was soll ich dem König sagen, wenn er fragt, warum ich nicht, trotz des Risikos mein Leben zuverlieren, versucht habe, sie zurückzuholen?“, fragte er. Der Magier antwortete nicht gleich, sondern sah ihn nur an. Dann streckte er die Hand aus und ehe Fidus reagieren konnte, schoss etwas auf ihn zu und ein entsetzlicher Schmerz durchschoss ihn. Der Ursprung war sein Bein, das zubrennen schien. Als er zu diesem hinunterblickte, sah er die tiefe Fleischwunde, aus der stossweise Blut strömte.

„Das sollte Euch davor bewahren, vor dem König das Gesicht zuverlieren. Geschweige denn von seinem Vertrauen!“, sagte der Magier gelassen. „Wenn er wirklich der gutherzige Mann ist, für den man ihn hält!“

Und der Hauptmann verstand. Die Wunde bewahrte ihn davor, vom König in Ungnade zufallen. Er nickte. Seine übrigen Männer eilten sofort zu ihm und stützten ihn. Einer von ihnen, wies einen anderen an, nach einem der entlaufenen Pferde zusuchen. Dieser gehorschte sofort und nach vielen Minuten kam er zurück, mit einem Pferd.

Gemeinsam hievten sie den verletzten Hauptmann auf dieses und nahmen es an die Zügel.

Der Hauptmann verzog das Gesicht, als sein Bein eine falsche Bewegung machte und hielt sich an dem Sattelknauf fest. Dann gab er das Zeichen zum Rückzug. Die Männer horchten und führten das Pferd den Weg zurück, den sie gekommen waren. Ein letztes Mal blickte der Hauptmann über die Schulter. Sah den Magier, der sich nicht gerührt hatte, dastand und ihnen zusah, wie sie von dannen gingen.

Ihm wurde bewusst, wie glimpflich er eigentlich davon gekommen war. Anders als die Soldaten vor ihnen und er dankte Gott dafür. Aber diesem voran, dankte er auch dem Magier. Mit dieser Verletzung hatte er ihm mehr geholfen, als man sich vorstellen konnte.

„Danke!“, dachte er, doch seine Lippen formten das Wort stumm und er glaubte ein kurzes Lächeln, das weder falsch noch verächtlich war, über die Lippen des Magiers huschen zusehen, ehe er hinter einer Biegung verschwand.
 

Ein Geräusch weckte Lumen aus ihrem unruhigen Schlaf. Sie hatte von Feuer geträumt. Menschen, die darin gefangen waren und die sie als Tenebraes Eltern erkannte, obwohl sie sie noch nie gesehen hatte. Von ihrem Vater, der in aller Seelenruhe zusah, wie diese zwei Menschen in dem Feuer starben. Der Schrecken, den sie in diesem Traum erlitt, kroch ihr durch Mark und Bein und ließ sie nicht los.

Immer wieder fragte sie sich, ob er das wirklich war, oder nur eine von Fallacias Lügen erschaffene Illusion. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater, den sie als gütigen und gerechten Mann, kannte, so etwas Grässliches tun würde.

Der Traum verblasste dann, als sie das Quietschen von Scharnieren hörte und ihre Augen öffneten sich. Das erste was sie sah, war Schwärze, so wie immer. Erschöpft und frierend richtete sie sich auf und schaute sich um. Kurz hatte sie die Hoffnung gehabt, dass jemand, am liebsten Comitas in ihrer Zelle stehen würde und ihr Trost zusrepchen würde. Doch als sie in dieser undurchdringlichen Dunkelheit nichts sah, wie könnte sie auch, sagte sie sich, dass sie sich das Quietschen nur eingebildet hatte. Eine weitere durch Verzweiflung geborene Hoffnung, wie sie sich einredete.

Da tauchten plötzlich zwei glühende Sterne auf. Bläulich schimmernt. Zuerst glaubte Lumen sie würde sich diese Lichter nur einbilden. Dass sie ein weiteres Trugbild waren. Wie so viele andere Dinge, während sie hier gefangen war. Lumen hatte schon aufgehört zuzählen, wieoft sie aus ihren Alpträumen eracht war, weil sie glaubte, sich dann in ihrem Bett und in ihrem Zimmer zufinden und dann doch bitter enttäuscht wurde. Sie seufzte und musste ein Schluchzen unterdrücken. Da hörte sie die Stimme.

„Du hast versprochen, wieder zurückzukommen!“, sagte die Stimme. Lumen erkannte sie sofort, auch wenn es für sie gefühlte hundert Jahre hersein mussten, als sie zuletzt mit dem Magier gesprochen hatte. Zuerst war sie erleichtert, endlich wieder seine Stimme zuhören. Es war schreklich still und einsam in dieser Zelle gewesen, als er sie hier eingesperrt hatte. Und kurz schöpfte sie die Hoffnung, dass er ihr vergeben hatte, doch dann wurde sie sich bewusst, wie deutlich Verachtung und der Vorwurf in seiner Stimme zuhören waren. Ihre Kehle wurde ganz trocken und ihr Leib, wurde schwer wie Blei. Er hatte ihr nicht verziehen!

Wieso sollte er auch?

Er war es nicht, der hier zu recht saß. Sie hatte ihn hintergangen. Wie einst ihr Vater ihn hintergangen hatte.

Sie sah mit lähmender Angst, weil sie glaubte, die Strafe, die noch kommen würde, zu kennen, wie sich der Magier nun aus der Dunkelheit schälte. Langsam, als würde die Dunkelheit ihn gebären und der Blick, mit dem er ihr sie bedachte, war kalt und voller Verachtung. War mit der, in seiner Stimme nicht zuvergleichen. Lumen biss sich augenblicklich auf die Unterlippe. Senkte den Blick. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen. Nicht nachdem…

Sie versuchte nicht daran zudenken. Seine Worte hallten jedoch wie ein Echo durch ihren Kopf und ließen ihr das Herz zusammenkrampfen. Etwas zusagen, dass ihn beschwichtigen könnte, würde nichts bringen. Er hatte ja schließlich Recht. Sie hatte ihr Wort gebrochen. Sie fühlte sich scheußlich, als sie nun so ihm gegenüber saß und nicht wusste, was sie sagen sollte. Mit dem Wissen, dass es nichts ändern würde.

Der Magier sah sich die kümmerliche Gestalt an, die einst mal eine schöne Prinzessin war, der er sein Herz geschenkt hatte und nichts weiter war, als eine Gefangene ihrer eigenen Hinterlist. Das Haar, was einst glänzte, wie Gold, war stumpf und verfilzt. Das Gesicht, früher lieblich und schön anzusehen, von Schmutz und Unrat verschmutzt. Ihr Kleid, was sie am Leibe trug, das mal ein herrliches Festtagsgewand war, nun ein Schatten von diesem. Zerlumpt und wenig Schutz bittend vor der Kälte, die in dem Verließ herrschte. Man könnte Mitleid haben mit ihr. Er könnte es. Aber kaum, dass sich etwas dergleichen in ihm regte, sagte er sich, was sie getan hatte, und das Mitleid schlug in Wut um. Er fragte sich selber, warum er hier unten war, obwohl ihm ihr Anblick zuwider war. Doch er hatte nachdem er in sein Schloss zurückgekehrt war und Comitas ihn erneut aufgesucht hatte, um ihn umzustimmen, was jedoch nicht vom Erfolg gekränt war, dennoch keine Ruhe mehr gehabt. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu der Prinzessin in seinem Verließ zurück und er fragte sich, ob sie schon tot war.

Nun jetzt wo er ihr gegenüberstand und sie zitternt, wie ein Häufchen Elend, vor sich sah, konnte er nicht sagen, was er lieber fühlen wollte. Kalte Freude darüber, dass es ihr schlecht ging oder doch etwa Zweifel und sich fragen, ob es richig war, sie hierher zubringen. Als er aber in die Augen der Prinzessin sah und sah, dass sie sich erhoffte, er würde ihr vergeben, beschloss er, sich davon nicht entmutigen zulassen. Für jeden gab es Grenzen. Selbst für sie. Und die hatte sie überschritten.

Lumen merkte das natürlich. Ließ den Blick gesenkt, weil sie nicht in seine kalten Augen blicken konnte. „Es tut mir so leid!“, flüsterte sie und ihre Stimme verlor sich. „Für das, was du getan hast, gibt es keine Entschuldigung!“, kam prompt die kalte Antwort des Magiers und ließ Lumen innerlich erfrieren. Gerne hätte sie gefragt, warum er so grausam zu ihr war und ihr nicht vergeben konnte. Immerhin war es keine Absicht, sondern nur einMissgeschick. Doch sie wusste auch, dass der Magier sich damit nicht zufrieden geben würde. Missgeschicke würden ihn nicht umstimmen und ihr aus dieser Zelle holen.

Für ihn musste es wirklich ausgeshen haben, dass sie absichtlich die Zeit vergass und sich nun als das zuunrecht verutreilte Mädchen aufspielte, um dann wieder seine Gunst zu geniessen. Um sich damit rauszuziehen.

Dabei war es wirklich keine Absicht gewesen, warum sah er das nicht?

„Ich habe das nicht gewollt. Das musst du mir glauben!“, wimmerte sie, brachte jedoch immernoch nicht den Mut auf, ihn anzusehen. „Ich habe dir geglaubt. Mehr als bei jedem anderen zuvor und du hast mich angelogen!“, warf er ihr vor und jedes Wort schnitt tiefer, als es ein Messer tun konnte in ihr Herz. Schnitt ein Stück nach dem anderen davon heraus und Lumen glaubte vor Schmerzen und Tränen zusammen zubrechen. Da kam ihr ihr Vater wieder in den Sinn. Er hatte ihm auch geglaubt und war dann aufs übelste betrogen worden. Noch schlimmer als bei ihr. Dabei musste sie an ihren Traum denken. Ihr Vater ließ seine Eltern verbrennen und sie erinnerte sich auch wieder, zwar schwach nur, aber dennoch genau, dass sie ihn damit zur Rede stellen wollte. Dass sie es aus seinem Munde hören wollte. Auch wenn sie sich davor nun fürchtete.

„Und mein Vater?“, fragte sie mit heiserer Stimme und musste sich dazu zwingen, weiterzusprechen. „Was soll mit ihm sein?“

„Hatte er wirklich vorgehabt, dich und deine Eltern zutöten, nur weil du zu einem mächtigen Magier werden würdest?“, fragte sie und in ihrem Kopf schrie es sogleich:„ Bitte sag nein. Bitte sag nein!“

„Ja und nein!“, sagte der Magier. Er kreuzte die Arme vor der Brust. „Er ließ meine Eltern hinrichten, das stimmt. Aber er wollte auch mich verbrennen lassen. Meine Eltern wollten das natürlich nicht zulassen. Sie schickten mich und Comitas daher fort, bevor die Schergen deines Vaters, wo auch der Großmagier, bei dem ich in die Lehre ging, in unser Zuhause eindringen und uns holen konnten. Doch ich wollte sie nicht allein lassen, also lief ich zurück, trotz Comitas Rufen und Versuch, mich aufhzuhalten. Ich wollte irgendwas tun, um sie vor dem sicheren Tod zuretten. Aber es war bereits zuspät. Sie brannten auf ihren Scheiterhaufen lichterloh und dein Vater, dieser Feigling, sah zu und war erleichtert, dass immerhin die Eltern tot waren. Einen Jungen zufinden und zufangen würde nicht schwer werden, dachte er. Sie würden mich aber nicht finden. Zumindest nicht so, wie sie es sich vorgestellt haben. Ich floh in die Dunkelheit, machte sie zu meinem Verbündeten und schwor bittere Rache!“

„Und das Werkzeug zu deiner Rache war ich!“, brachte sie schwach hervor und ihr Körper gefror zu Eis. Und es lag nicht an der Kälte in ihrem Gefänginiss. „Genau! Ich wollte deinen Vater genauso schwer treffen, wie er einst mich traf!“, sagte er und sie hörte deutlich das grasuame Lächeln in seiner Stimme. Nun hatte sie die Antwort auf die Frage, die sie von anfangan geplagt hatte und Lumen konnte nicht sagen, ob sie auf diese lieber verzischtet hätte. Wenn sie das geahnt hätte. Sie hatte keine Zweifel an den Worten des Magiers. Dennoch weigerte sich ein Teil von ihr, es zuglauben. So wie das der Magier sagte, schien es so, als habe der König zwei Gesichter. Das eine, welches sie seit ihrer Geburt kannte und ihn als gutherzigen Mann zeigte und das andere, das einem Mann gehörte, der wahrlich über Leichen geht. Nur um seine Macht nicht zuverlieren. Lumen schauderte. „Warum hast du mir das verschwiegen?“, fragte sie dann. Sie war den Tränen nahe.

„Hättest du es mir geglaubt?“, fragte der Magier wiederum und Lumen konnte daraufhin nur den Kopf schütteln. „Also erübrigt sich diese Frage!“, erklärte er. Drehte sich dann um. Wollte gehen. Doch Lumen hielt ihn zurück. „Bitte verzeih mir!“

Ihre Worte waren ein letzter schwacher Versuch, es doch noch zum Guten zu wenden. Doch da hätte sie auch bei den Schatten, um Verzeihung bitten sollen. Tenebrae blieb erstmal nur stehen und sagte nichts. Dann drehte er den Kopf halb zu ihr herum. „Wie ich schon sagte: Für das, was du getan hast, gibt es keine Entschuldigung!“

Dann öffnete er die Türe zu ihrem Kerker und ließ sie laut zufallen. Schloss dann ebenso hörbar ab und ging.

Lumen war wieder allein. Allein in dieser Dunkelheit und fühlte sich noch verlorerner, als zuvor.

Jetzt wo sie die Wahrheit kannte und der Magier sie wieder wie siezte und damit deutlich machte, dass es aus zwischen ihnen war, wusste sie nun, dass sie für immer hier in diesem dunklen Loch bleiben würde. Bis zu ihrem Ende.
 

Tenebraes Hände zitterten, als er aus dem Verließ zurückgekehrt hatte. Es hatte ihn mehr Kraft gekostet, den Grund für ihren Aufenthalt zuerläutern, als er gedacht hatte. Er dachte, es würde ihn nicht kümmern. Ihn unberührt lassen. Doch kaum das Lumen den Tod seiner Eltern ansprach und wissen wollte, ob der König wirklich der Mörder war, hatten seine Hände angefangen zu zittern. Er hatte es für einen kurzen Moment wieder vor sich gesehen. Seine Mutter und sein Vater, wie sie von den Flammen verschlungen wurden und sich die Seelen vor Schmerzen aus dem Leibe schrien. Aber dann verscheuchte er dieses Bild und versuchte ruhig zu bleiben. Sich davon nicht überwältigen zulassen. Nachdem er gegangen war und sie ihrem Schicksal überlassen hatte, fühlte er sich ermattet und kraftlos. Er sank in den Sessel und atmete schwer. Fragte sich warum es ihn selber so sehr mitnahm?

Es sollte ihm gleich sein. Immerhin lag es Jahre zurück. Doch die Erinnerung an seine im Feuer gefangenen Eltern ließ ihn nicht los. Er hörte wieder ihre Schreie und hatte den Geruch vom verbrannten Fleisch in der Nase. Übelkeit stieg in ihm hoch und er musste ein Würgen unterdrücken. Er presste sich die Hand auf den Mund, als er den bitteren Geschmack der Galle auf der Zunge schmeckte. Nur mit größter Kraftanstrengung konnte er diesen hinunterwürgen.

Doch die Kraftlosigkeit blieb.
 

Nachdem sie endlich die ganze Wahrheit erfahren hatte, ergab alles nun einen Sinn. Der Zorn auf ihren Vater. Der Entschluss in dieser Dunkelheit zuleben. Und warum er das Licht einer Kerze nicht ertragen konnte. Seit er mit ansehen musste, wie seine Eltern in den Flammen starben, war ihm die Dunkelheit zu einem Zuhause und zu einem Schutz geworden. Lumen hätte sich gerne eingeredet, dass das eine Lüge war. Doch als sie in die Augen des Magiers gesehen hatte, sah sie, dass er die Wahrheit sagte. Ihr Vater war wirklich ein Mörder.

Wie konnte er?

Hatte er ihr nicht selbst die Tugenden gelehrt, die ein guter Herrscher haben sollte. Mitgefühl, Güte und einen Sinn für Gerechtigkeit in sich tragend. Und trotzdem hatte er selber dagegen verstossen. Wie würde sie jemals ihren Vater sehen können, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte, jetzt wo sie wusste, dass an den Händen ihres Vaters Blut klebte und einem Jungen seine Eltern genommen hatte?

Zu keiner Antwort fähig und weil es sowieso keinen Sinn hatte, sich weiterdarüber den Kopf zuzerbrechen, weil sie bis zu ihrem Tode hierbleiben würde, grub sie das Gesicht in die Hände und wimmerte. Sie spürte, wie sie immer mehr in ein tiefes Loch fiel, aus dem sie nicht mehr rauskommen würde. Es klaffte wie eine tödliche Wunde in ihrer Seele und quälte sie. Man hatte sie zu einem Spielball gemacht, ohne dass sie es wusste, oder sich wunderte. Wie naiv von ihr. Sie vefluchte sich selbst dafür.

Warum war sie nicht misstraurisch geworden?

Warum hatte sie sich von all dem blenden lassen?

Sie machte sich nun selber schwere Vorwürfe und glitt tiefer in das Loch hinein. Ließ es zu. Es würde sowieso nichts bringen. Sie wird sterben. Hier in dieser Dunkelheit. Da hatte alles keine Bedeutung mehr.

Ihre Finger berührten dabei den Anhänger, den der Magier ihr geschenkt hatte und sie zuckte zusammen. Schaute hinunter. Das Licht, welches in der Sternenträne gefangen war, leuchtete zwar, aber nicht stark genug, um die Dunkelheit zu durchdringen.

Sie hatte sie ganz vergessen. Und so sehr sie auch erleichtert war, sie noch zu haben, es würde nichts ändern. Ein fetter Kloss bildete sich in ihrem Hals und machte es ihr schwer, zuatmen.

Sie würde hier eingesperrt bleiben.

Nicht mal Comitas, ihr kleiner treuer Freund würde es vollbringen, sie aus diesem Loch zubefreien, ganz zuschweigen den Magier umzustimmen. Bei dem Gedanken an ihm, wurde ihr schwer um Herz. Wie mocht es ihm nun gehen. Machte er ihr ebenso Vorwürfe wie es der Magier tat, weil sie ihn ebenso enttäuscht hatte oder bangte er um sie und würde versuchen ihr zu helfen?

Sie hoffte es irgendwie. Comitas war stets ein guter Freund gewesen. Von Anfang an und sie konnte sich nur schwer vorstellen, dass es ihm gleichgültig war, dass sie hier unten war. Sicherlich machte er sich schreckliche Sorgen. Doch wenn dem so gewesen wäre, warum war er nicht gekommen, um ihr das Essen zubringen oder zumindest mit ihr zureden. Die Antwort fand sie schnell. Tenebrae würde den Teufel tun und ihn hinunter lassen. Sicherlich hatte er ihm unter Strafe befohlen, nicht mal daran zudenken, zu ihr hinunter ins Verließ zu gehen. Sondern schickte seine Brüder, diese griesgrämmigen Kerle, die ihr das Essen durch den Schlitz in der Türe durchschoben und dann auch wieder gingen. Jedoch hoffte sie schon irgendwie, dass er kommen würde. Mochte es auch nur für einen kurzen Moment sein.

Sie schloss die Augen und wünschte es sich vom Herzen. Da hörte sie wie sich die Türe öffnete und schaute auf. Sie erwartete, dass erneut der Magier vor ihr stehen würde. Doch stattdessen sah sie eine kleine Gestalt, mit dünnen Ärmchen und Beinchen und gekleidet in einem zerlumpten Sack. „Wer ist da?“, fragte sie mit brüchtiger Stimme. „Prinzessin?“, erklang die Gegenfrage und Lumens Herz machte einen freudigen Sprung. Comitas!

Sie richtete sich auf und sah mit Erleichterung, dass er hier war hatte zu ihm. „Comitas? Bist du das wirklich?“

Trotz dass er leibhaftig vor ihr stand, fürchtete sie dennoch, dass es sich dabei um ein Trugbild handelte. Als er jedoch näher trat und sie ihn deutlich erkennen konnte, war sie überglücklich. „Comitas, ich bin so glücklich, dass du hier bist!“, rief sie und umarmt den dürren Hals ihres Freundes. Comitas quiekte etwas und tätschelte ihr den Rücken. Dann wand er sich aus ihrer Umarmung, da er keine Luft mehr bekam und legte dann den Finger an seine Lippen. „Wir keine Zeit haben, Prinzessin. Hier!“, sagte er leise und hielt ihr ein Flakon hin, dass mit einer dunkelblauen Flüssigkeit, die schimmerte, als er es schüttelte. „Ihr das trinken müsst, dann Ihr kommen wieder in das Schloss Eures Vaters!“

Lumen schaute das Flakon mit gerunzelter Stirn an. „Aber wie?“

Sie konnte sich nicht vorstellen, wie diese dunkle Flüssigkeit sie zurück bringen sollte. Mochte Comitas auch magische Kräfte haben, ihr fiel es jedoch schwer, das zuglauben.

„Ihr mir ruhig vertrauen könnt. Es Euch wirklich zurückbringen!“, drängte Comitas und schaute nervös über die Schulter. In der Erwartung, dass bald jemand vor der Türe stehen und hineintreten würde. Er wollte sich nicht vorstellen, was dann passieren würde.

„Und was wirst du Tenebrae sagen?“, fragte sie und nahm für einen kurzen Moment den Blick von dem Flakon. Dass er ihr helfen wollte, freute sie. Aber sie machte sich auch Sorgen, um Comitas. Was wenn der Magier herausfand, dass Comitas ihr aus dem Kerker geholfen hatte?

Comitas war wohl zwar der einzige von den Dienern, die zu dem Magier ein freundschaftliches Verhältniss hatte. Aber das würde sicherlich dem Magier wenig kümmern, wenn er herausfand, dass sein treuer Diener die Gefangene befreit und in das Schloss ihres Vaters zurückgebracht hatte. Womöglich würde er ihn sogar dafür umbringen. Bei dem Zorn, den sie in seinen eisblauen Augen gesehen hatte, würde sie das nicht wundern. Und ein Schauern rann ihr über den Rücken.

Comitas bemerkte ihre Sorge. Lächelte sanft und strich ihr über die Wange. „Um mich Ihr Euch keine Sorgen machen braucht!“, sagte er leise. „Ich mir schon was einfallen lassen!“

Lumen schluckte. Gerne hätte sie ihm das geglaubt. Aber die Angst um ihren Freund blieb. Er sollte nicht wegen ihr zu Schaden oder schlimmeren kommen.

„Ja, aber…!“, begann sie. „Ihr doch hier rauswollen, oder etwa nicht?“, fragte Comitas und ehe Lumen darauf antworten wollte, hielt sie inne. Natürlich wollte sie hier weg. Aber gehen wollte sie auch nicht. Es war verrückt, das wusste sie. Der Magier hatte schließlich nicht vor, sie irgendwann aus diesem Loch zuholen. Dies hatte er deutlich gemacht.

Aber gehen…?

Sie fragte sich, ob sie das wirklich sollte. Vielleicht, so dachte sie, würde er sich doch noch beruhigen und ihr verzeihen. Wenn sie nur wartete und hoffte.

Sei nicht so dumm, rief eine bittere Stimme in ihrem Kopf und sie verzog schmerzlich das Gesicht. Es durchfuhr sie, als habe sie sich verbrannt und spürte zugleich eine lähmende Kälte. Nein, er würde mir niemals verzeihen, dachte sie und presste Lippen aufeinander. Kurz spürte sie, wie ihre Augen brannten, doch sie unterdrückte die Tränen. Tränen halfen nichts. Sie musste sich nun entscheiden. Entweder dafür, dass sie hierblieb und stirbt, allein in der Dunkelheit oder zu ihrer Familie zurückkehr zu kehren.

Einen langen Moment zauderte sie, dann blickte sie wieder zu der Flüssigkeit, die geheimnissvoll in dem Flakon glänzte. Es hatte beinahe schon eine hypnotische Wirkung auf sie. Das Schimmern erinnerte sie an das Licht, welches sich in den Wellen des Meeres brach und tausendfach zurückgeworfen wurde. Schon allein der Gedanke an das Meer, über dem sich der weite Himmel spannte, reichte es, damit der Wunsch, aus diesem Kerker zu entfliehen, in ihr wach wurde. Lumen schloss dabei die Augen. Konnte es sehen. Das blaugrüne Meer, dessen Schaumkronen auf den Wellen tanzten und mit einem donnernden Tosen sich an den Felsen brachen. Ihre Gedanken an das Meer und den Himmel sponnen weiter, wie von selbst und sie konnte nun die Berge und die Wälder sehen. Wie sich die Wipfel der Tannen und Fichten im Wind wiegten und hatte sogar ihren würzigen Duft in der Nase. Sie lächelte dabei. Dachte weiter und sie sah das Schloss ihres Vaters, das über dem Tal und dem Dorf htronte. Sie glaubte sogar ihre Familie zusehen, wie sie um sie bangten. Es wäre nur richtig, wenn sie zu ihnen zurückkehrte. Dann würden sie sehen, dass es ihr gut ging. So streckte sie die Hand aus und nahm das Flakon. Es fühlte sich warm und zerbechlich an. Lumen fürchtete, es zuzerbrechen, wenn sie zufest zudrückte und damit den einzigen Weg hier raus zuvernichten. Vorsichtig drehte sie es in ihren Händen und beobachtete, wie das Schimmern zunahm, je öfter sie es drehte. „Ich wäre sogern wieder bei ihnen!“, flüsterte sie zu sich selbst. „Dann Ihr einen Schluck daraus nehmt!“, sagte Comitas ermutigend. „Und Ihr wieder dort seien, wo Ihr hingehört!“

Lumen atmete einmal tief durch. Ja, sie müsste nur darauf trinken und dann wäre sie wieder zuhause. Es war so einfach. Sie öffnete das Flakon. Ein seltsamer Geruch stieg ihr in die Nase. Es roch salzig und bitte. Sie rümpfte die Nase. Aber dann überwand sie ihren Ekel und wollte es an die Lippen setzen. Doch da hielt sie inne und sah nocheinmal zu Comitas.

Blickte ihn lange dnkbar, aber auch traturig an. Es fiel ihr schwer zugehen. Sie wollte ihn nicht hier zurück lassen. Daher reichte sie ihm die Hand. Auch wenn sie wusste, dass er nicht auf ihre Bitte eingehen würde. Dennoch wollte sie es versuchen. „Komm mit mir!“, sagte sie. Doch Comitas schüttelte den Kopf. Wie sie es sich gedacht hatte. „Nein, ich hierher gehören!“, erwiederte er und lächelte. Dann nach eine kurzen Pause, sagte er noch zum Abscheid:„ Ich Euch alles Gute wünsche, Prinzessin!“

Lumen lächelte. „Ich dir auch!“, sagte sie und setzte dann das Flakon an die Lippen. Zäh rann es ihr die Kehle hinunter und hinterlies einen üblen Nachgeschmack. Es schmeckte genauso, wie es roch und ein Schauern ging ihr durch Mark und Bein. Sie schüttelte sich.

Dann, nach wenigen Minuten, nach dem sie es getrunken hatte, fühlte sie, wie ihre Haut zu Kribbeln begann. Eine Gänsehaut bildete sich auf dieser und Lumen sah zu ihren Armen. Sie wusste nicht, was sie zuerwarten hatte. Fragte sich, ob sie sich nun auflösen würde und dann im Schloss ihre feste Gestalt bekommen würde. Oder würde der Kerker vor ihren Augen verschwinden und sich in die Landschaft verwandelte, die sie im Reich ihres Vaters oft genossen hatte. Lumen blickte zu Comitas, wollte fragen, was nun passierne würde. Doch statt Comitas sah sie Fallacia, die mit einem grausamen Lächeln über ihr stand und mit einem Mal ergriff sie blanke Panik. „W-Was…?“, wollte sie fragen, als sie einen entsetzlichen Schmerz in ihrer Brust spürte und sich daran griff. Fallacia kicherte. „Nur ein kleines, aber feines Gift, das dich dahin bringt, wo du hingehörst, Prinzesschen. Nämlich in die Hölle!“, zischte sie und beugte sich vor. Nahm eine ihrer Haarsträhne und wickelte sie sich um die Finger. Genoss es sichtlich, dass ihre Rivalin langsam dahinscheidete.

Fallacia sagte noch etwas anderes, doch Lumen konnte es nicht hören. Ihre Sinne schwanden und sie fühlte, wie ihr Körper von einer bleienden Schwere erfüllt wurde. Fast so als würde sie in einen tiefen Schlaf gleiten. In einen Schlaf des Todes. Alles in Lumen sträubte sich, dies zu akzeptieren und sie versuchte sich dagegen zuwehren. Doch kaum das sie es wagte, spürte sie erneut den Schmerz und er schien sich nun furch ihren ganzen Körper zu ziehen. Raubte ihr damit die Luft. Lumen röchelte, griff sich an den Hals.

Bildete sie sich das ein, oder war er geschwollen?

Sie versuchte Luft in ihre schreienden Lungen zu bekommen. Doch ihr Körper schien nicht mehr ihrem Willen zu gehorchen und alle erdenklichen lebenswichtigen Aufgaben einzustellen. Nur ihr Herz schien sich noch gegen das Gift behaupten zuwollen. Zu hoffen, dass es den Kampf gewinnen würde, tat sie aber nicht. Es würde jegendlich das Gift, welches in ihrem Blut war, weiter durch ihren Körper pumpen, bis es auch den letzten Funken von Leben vernichtet hatte. Sie spürte schon, wie ihre Finger und Füsse in den Spitzen taub wurden. Ihr Geist immer mehr in tiefste Finsterniss dahinglitt. Darin versank, wie ein Stein im Wasser.

Wie sie auf den Steinboden fiel und das letzte bisschen Leben aushauchte, bekam sie, als sich ihre Augen schlossen, nicht mehr mit. Sie war schon in eine Dunkelheit eingetaucht, aus der sie nicht mehr wiederkommen würde.

Nur dumpf hörte sie noch die schwachen und unregelmässig werdenden Schläge ihres Herzens.

Bis auch diese verstummten.

Zufrieden dass die Prinzessin endlich aus dem Leben verschwunden war, aus ihrem Leben, drehte sie sich um und verließ die Zelle. Sie würde ihr nicht mehr in die Quere kommen.
 

Comitas hatte, nach langem Hinundherdiskurtieren mit seinem Herren, endlich die Erlaubniss hinunter in den Kerker zugehen, um der Prinzessin das Essen zubringen. Natürlich würde er nicht das Essen einfach so durch den Spalt schieben. Nein. Er würde sie auch gleich mal besuchen, um mit ihr zureden. Denn er glaubte nicht daran, dass Lumen ihr Wort absichtlich gebrochen hatte, sondern wusste, dass das alles nur ein Versehen war. So stellte er kurz das Tablett mit dem Essen, dass nicht aus einem Krug Wasser und altem Brot, so wie es üblich war, sondern aus einer Schale mit frischem Obst, einem Becher Wein und einer warmen Suppe bestand, auf den kleinen Hocker und und schloss auf. „So, Prinzessin. Ich hofen, Ihr großen Hunger haben. Ich…!“, sagte er und als er in den Kerker trat, fiel ihm vor Schrecken das Tablett aus den Händen. Es schepperte laut, als Becher, Schale zu Boden fielen und das Obst verteilte sich auf dme Boden. Die Suppe verschwand in den Fugen. Doch Comitas kümmerte sich nicht um das gute und nun verschwendete Essen. Lumen lag totengleich auf dem Boden und rührte sich nicht. Er rannte auf sie zu und rüttelte an ihr. „Prinzessin…Prinzessin was mit Euch seien. So wacht auf. Bitte. So wacht doch bitte auf!“, flehte er und ihm kamen die Tränen. Das Gesicht der Prinzessin war bleich, wie das einer Toten und als er sein Ohr auf die Brust legte und das schwache Schlagen ihres Herzens hörte, war er Jenseits von Angst. Er musste seinen Herren holen, sonst würde sie sterben.

So rannte er, wie vom Teufel gehetzt die Stufen hinauf und in die Gemächer des Magiers.

„Herr…Herr. Ihr sofort in den Kerker kommen müsst!“, schrie er außer sich. Tenebrae hob nur die Brauen. „Wieso? Was gibt es denn?“, fragte er. „Die Prinzessin sie ist…!“, rief Comitas aufgebracht und machte eine Armbewegung zum Flur. „Was ist mit ihr?“

„Sie…sie stirbt!“, brach es aus Comitas und Tränen rannen ihm über die Wangen.

Tenebrae trafen diese Worte so hart, wie es ein Schlag ins Gesicht tat und er sprang sofort auf. Vergessen waren plötzlich der Groll und die Enttäuschung, das einzige, woran er nur noch dachte war, sie zu retten. „Bring mich auf der Stelle zu ihr!“, befahl er und Comitas gehorchte.

Er brachte den Magier zu der Prinzessin, die immernoch totengleich dalag. Mit schnellen Schritten lief der Magier zu ihr und kniete sich neben sie. Er wollte die Hand nach ihr austrecken, hielt jedoch inne. Er fürchtete sich davor sie zu berühren und festzustellen, dass sie tot war. Er zögerte noch lange, dann legte er die Hand auf ihre kalte Schulter und beugte sich über sie. So wie ein Vater, der sein Kind wecken wollte.

„Lumen!“, flüsterte er. „Lumen, wach auf!“

Doch Lumen wachte nicht auf. Tenebrae erhob sich etwas. Blickte zu ihr hinunter und suchte etwas, was auf eine Verletzung deuten könnte. Nichts aber war zusehen. Langsam, vorsichtig drehte er sie auf den Rücken und hob sie auf seine Arme. Zog sie an sich.

Lumen glaubte in der Dunkelheit, in der sie gefangen war, etwas zuspüren. Eine Berührung, sanft und flüchtig wie ein Lufthauch. Auch meinte sie zu hören, wie jemand ihren Namen rief. Aber das war doch nicht möglich. Sie war doch tot. Wie konnte sie dann etwas spüren?

Tenebrae zog sie näher an sich heran, sodass sie eng an seiner Brust lag und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Haut war weiss und schien kein Blut mehr zuhaben. Ihr Körper wog nichts, war leicht wie eine Feder. Ein unkontrolliertes Zittern erfasste ihn und er strich nocheinmal die Hand aus, um über ihre Wange zustreicheln. Die Wange, die einst einer lebenden schönen Frau gehörte. Einer Frau, die er geliebt hatte und immernoch liebte. Mochte sie ihn enttäuscht haben oder nicht. Er konnte sie einfach nicht hassen. Mit dem aber was er getan hatte, hatte er sie in eine Lage gebracht, die sie nun zu einer Toten gemacht hatte.

Hatte sie sich etwa selbst getötet, nur weil er sie seinen Zorn spüren lassen wollte?

Tenebrae wollte das nicht glauben. Doch dann erinnerte er sich daran, wie sie ihn angesehen und angefelht hatte, er möge er doch verzeihen. Sie wollte es ihm sogar erklären, als sie zurück waren und er sie zum Kerker hinunter geschleift hatte. Wenn sie ihn betrogen hätte, hätte sie das nicht getan. Und schon gar nicht mit dieser Verzweiflung in der Stimme. Das alles wurde ihm erst jetzt, zuspät bewusst und er legte seine Stirn gegen ihre, die sich eisig anfühlte. Lange blieb er so und lange blieb es um sie herum still. Aber dann hörte man sein Schluchzen und es dauerte nicht lange, bis die erste Träne auf die geschlossenen Augenlider der Prinzessin tropfte. An dieser kurz liegenblieb und dann hinunterran, als würde es die Prinzessin sein, die weinte. „Was habe ich nur getan?“, warf er sich vor. Immer wieder und wieder. Strich Lumen ununterbrochen durch das Haar. Hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Als würde sie das wiederholen.

Lumen spürte dies und war verwirrt. Was ging hier nur vor sich?

War sie etwa doch nicht tot, sondern in einem Reich zwischen den Lebenden und den Toten. War sie darin gefangen bis in alle Ewigkeit?

Wenn ja, dann wollte sie endlich sterben. Denn nichts konnte sie sich schlimmeres vorstellen, als nicht tot und nicht lebendig zusein.

Comitas holte den Magier irgendwann aus seiner Trauer und Vorwürfen zurück. „Herr, seht Euch das an!“, sagte er und hielt ein Flakon hoch. Tenebrae konnte nur schwer den Blick heben und ihn ansehen. Tränen trübten seine Sicht. Er blinzelte paarmal und konnte wieder einigermassen was erkennen. Nun sah auch er das Flakon und runzelte die Stirn.

Warum hatte er das nicht gesehen?

„Woher hast du das?“, fragte er mit entkräfteter Stimme. „Das lag hier rum. Ich auch nicht sagen kann, wie das hieher kommt!“, erklärte Comitas und reichte es dem Magier, als er danach verlangte. Tenebrae drehte das feineglasige Fläschchen und roch schließlich daran. Er zog den Kopf zurück und verzog das Gesicht. Fluchte dabei, was das für ein widerwärtiges Zeug sei und hielt dann inne. Nochmal roch er daran und sein Gesicht, welches Trauer und Verwirrung spiegelte, wurde nun finster. „Dieses elende Miststück!“, knurrte er. Legte die Prinzessin dann behutsam ab. Erhob sich. „Bring sie in meine Gemächer. Ich bin gleich zurück!“, sagte er und drehte sich um, um zugehen. Comitas hielt ihn zurück. „Herr, wohin ihr gehen?“

„Ich werde ein paar Takte mit Fallacia reden!“, sagte er und etwas in seiner Stimme ließ Comitas wissen, dass Fallacia nun keine Gnade zuerwarten hatte. Sein Blick ging wieder zu Lumen, die dalag, wie eine welke Blume. Und hoffte, dass sein Herr Fallacia das gleiche antat, was sie ihr angetan hatte.
 

Was Fallacia anging, freute sie sich, dass es endlich mit der Prinzessin vorbei war. Und hoffte nun, dass der Magier sie nun etwas näher an sich heranlassen würde. Denn nun war sein Liebchen tot und er ganz allein mit seinem Schmerz. Sie würde ihn nur zugerne trösten. Als er dann nach ihr rief, erschien sie. Die Freude war groß und sie bemühte sich, sich nichts anmerken zulassen. Langsam schälte sie sich aus der Dunkelheit. „Ja, Herr?“, fragte sie, als sie dann neben ihn stand. „Was kann ich für Euch tun?“, fragte sie. Doch kaum, dass sie dies ausgesprochen hatte, packte Tenebrae sie am Hals und schleuderte sie gegen die nächstgelegene Wand. Fallacia schrie auf und ging zu Boden. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Doch dann rappelte sie sich wieder auf und schaute zum Magier, der über ihr stand und die Hände zu Fäusten geballt hatte. Sein Gesicht sprach von Zorn und blanker Rachelust. Fallacia versuchte, irritiert zuschauen. „Was…was ist mit Euch?“, fragte sie und das schüttete noch mehr Öl ins Feuer. Tenebrae stiess ein wütendes Knurren aus und packte Fallacia an den Haaren. Zerrte sie auf die Füsse. Überhörte dabei, dass sie vor Schmerzen schrie und schlug sie mehr als einmal hart ins Gesicht. „Das fragst du noch?“, keifte er.

„Ich weiss nicht, was Ihr meint!“

„Lüg mich nicht an. Ich weiss ganz genau, dass du der Prinzessin Nachtgift gegeben hast. Obwohl ich die ausdrücklich befohlen habe, sie nicht anzurühren!“

„Aber sie hat es freiwillig genommen!“

„Sicherlich hast du einen Zauber benutzt, um sie dazu zubringen!“, schrie er nun und stiess sie gegen die Wand, sodass sich der Putz aus dieser zulösen schien. Tenebrae musste sich wahrlich bremsen, wobei es ihm wirklich unter den Nägeln brannte, sie mit blossen Händen zu zuzerreissen. Doch an ihr wollte er sich nicht länger die Finger schmutzig machen. Sie war es nicht wert. „Ich frage mich warum!“

„Ich…ich tat das für Euch!“, wimmerte Fallacia, als der Magier endlich von ihr abließ und sie nach Luft schnappte. Schon allein diese Worte, brachten ihn zur Weisglut. Was nahm sich dieses Stückchen Dreck heraus, diese Tat mit seinem Wohlergehen auszugleichen?

„Für mich?“, schrie er und war kurz davor, seine Meinung zu ändern. Vielleicht sollte er sich doch die Finger schmutzig machen. Ihr einen Arm ausreissen, oder ein Auge oder vielleicht auch zwei ausstechen. Ihr die Zunge herausschneiden, damit sie keine Lügen mehr verbreitete. Tenebraes Vorstellungen für eine grausame Strafe für Fallacia wurden immer mehr, doch er besann sich, sich zurück zuhalten. „Ja…sie…sie schlecht für Euch. Seit sie hier ist, habt Ihr Euch zum negativen verändert. Ihr habt an Härte und Grausamkeit verloren und seid weich geworden. Ich konnte mir das nicht mehr mit ansehen. Darum habe ich das getan!“, begann sie und hob das Gesicht, dass Tränen und Blut verschmiert war. „Ich tat es weil ich Euch liebe!“

Tenebrae konnte nur ein verächtliches Schnauben dafür aufbringen. „Mich lieben, dass ich nicht lache!“

Fallacia schüttelte den Kopf. Wollte ihm damit zeigen, dass sie das nicht so gewollt hatte und sich dafür entschuldigen will. „Verzeiht, Herr. Verzeiht mir!“, flehte sie und kroch zu ihm hin. Wollte ihn am Fuss berühren. Doch Tenebrae machte einen Schritt zurück, entfernte sich so von ihr und zeigte ihr damit, dass es zuspät war und er ihr niemals vergeben würde. Sie hatte schon zuoft gegen seinen Willen gehandelt. Auch Fallacia sah dies und weinte. „Was..was wollt Ihr nun mit mir machen?“, fragte sie und die Stimme des Magiers klang kalt und endgültig. „Wie eine Spinne webst du deine Intrigen. Darum sollst du wie eine Spinne enden!“, sagte er und hob die Hand. Fallacias Augen weiteten sich. Sie öffnete den Mund, um zuschreien, doch nur ein heiseres Krächzen kam ihr über die Lippen und sie spürte sogleich, wie sich ihr Leib zusammen zog. Sie krümmte sich unter furchtbaren Schmerzen und sah, wie sich ihre bleiche Haut schwarz verfärbte. Dabei glänzte und keine Facetten sich darauf abbildeteten. Nein, schrie es in ihrem Inneren und sie blickte zum Magier hinauf, der zusah, wie sie sich verwandelte. Ihr Körper wurde kleiner und kleiner. Ihr wuchsen zustätzlich vier weitere Gliedmassen, die in spitze Klauen endeten und ihr Kopf schrumpfte auf Murmelgröße. Unzählige Augen glänzten feucht, als sie sich bewegten.

Aus der einstigen schönen Fallacia war nun eine Spinne geworden. Abstossend und hässlich, wie sie es in ihrer Seele war. Tenebrae sah zu dieser mit grimmiger Freude. Die Spinne bewegte ihre Beinchen, als müsste sie sich mit ihnen vertraut machen und versuchte sogleich wegzukrabbeln. Doch kaum dass sie die Wand erreicht hatte und daran hochklettern konnte, schwebte der Fuss des Magiers über ihr und trat zu. Ein Kreischen, viel zu laut für eine Spinne, erklang dabei und der Magier verzog triumphierend das Gesicht. Hob dann den Fuss und sah die tote Spinne. Sah sie ihrem eigenen Blut und mit zerquetschten Beinen und Körper. Beinahe wollte er schon auf sie spuken, aber dann wandte er sich davon ab. Er hatte sie bestraft und bereute es nicht. Das einzige, was er bedauerte, war, dass nun sein guter Teppich ruiniert war.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Pamuya_
2015-11-08T18:10:34+00:00 08.11.2015 19:10
Ich weiß zwar das laut Kapitelübersicht die Sache gut ausgehen wird, aber die Spannung hängt in diesem Kapitel immer noch in der Luft. Trotzdem bin ich fro, dass diese Fallacia endlich ihr Ende gefunden hat, denn wieder hat sie die verzweifelte Lumen durch einen Verwandlungszauber getäuscht und sie in den Tod getrieben.
Jetzt kommt mir die Frage, wie der Magier seine Geliebte wieder aus diesem todesähnlichen Zustand wieder herausholen will. Ich bin schon gespannt.
(P.S. Manche Szenen aus den bisherigen Kapiteln haben mich irgendwie an den beiden Disneyfilmen "Die Schöne und das Biest Teil 1 & 2 [Weihnachtszauber] erinnert. Besonders, was das gebrochene Versprechen angeht.^^)
Antwort von:  Mad-Dental-Nurse
08.11.2015 19:53
Sagte ja, dass ich es an dieses Märchen angelehnt habe
Von:  Hidan_1975
2015-09-21T20:54:34+00:00 21.09.2015 22:54
Juuuiii...

Absolut spannend jetzt und zum next Kapi jump.


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