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Zeitlos -♠-

100 Storys -1-
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Vom Sterben und Scheitern

Es war ein regnerischer Tag. Aber wenn ich heute zurückdenke, habe ich das Gefühl, an diesem Tag habe die Sonne geschienen.

Ich weiß nicht recht, warum ich mit diesem Tag – dem Tag an dem der größte Teil meines Ichs brach - die stahlende Wärme der Sonne assoziiere. Vielleicht weil ich glaube, dass die Sonne hätte scheinen müssen, um der traurigen Nachricht etwas Bitteres anhaften zu lassen, sie irgendwie in den Dreck zu ziehen. Sie lächerlich wirken zu lassen, bedeutungslos. Sie hätte mir zeigen sollen wie idiotisch es ist zu weinen, wie dumm und kindisch. Hätte mir zeigen sollen, dass es weiter geht, dass sie trotzdem scheint, auch wenn die Seele sich in der Dunkelheit für immer verirrt. Dass es deswegen noch lange nicht vorbei ist. Dass es gar nicht auffällt, wenn ein Mensch stirbt.

Und ja, ich hätte damit leben können, wenn an diesem verdammten Tag die Sonne geschienen hätte, weil ich dann gewusst hätte, wie wertlos wir alle sind. Weil ich dann in meiner Annahme bestätigt worden wäre. Weil ich dann gewusst hätte, dass weder ich das Interesse dieser Welt wecke, noch irgendjemand sonst!

Aber an diesem Tag schien nicht die Sonne.

Es regnete. Der Himmel schüttete literweise Wassertropfen auf das Dach unseres Autos. Auf die Windschutzscheibe. Auf den Lack. Auf die glühenden Scheinwerfer. Nur nicht auf mich.

Als würde der Himmel das weinen, was ich in diesem Moment weinen wollte, aber nicht imstande war zu weinen, weil der Schock des Gesagten alles lähmte. Als würde ein Teil von mir unwiederbringlich meinen Körper verlassen, hinaufsteigen zu den Wolken und von dort aus den Sturzbach aus Tränen regnen zu lassen. Um meinen Part zu übernehmen.

Und dann, gerade als ich dachte, ich würde nie wieder weinen können, blinzelte ich. Die erste und einzige Träne an diesem Tag, und in den Jahren danach, kullerte langsam meine Wange hinab. Ich blieb stumm. Verlor nicht einen Laut. Kein Schluchzen, kein Wimmern. Da war nur das Trommeln des Regens, der nicht nur für mich zu weinen, sondern auch zu schreien schien.

Eigentlich wusste ich schon, dass er tot war, noch bevor es ausgesprochen wurde. Noch bevor ich in das Auto gestiegen war. Noch bevor es all die anderen wussten. Die Gewissheit war da gewesen, von Anfang an. Die Nachricht, überbracht von einem unsichtbaren Boten. Tief in meinem Inneren war ich mir schon eine ganze Weile sicher gewesen. Und dennoch war es ein heftiger Schlag, es aus dem Mund eines anderen zu hören. Denn mein Gefühl hätte mich trügen können – und ich hatte mir nichts mehr gewünscht, als dass es mich trügt. Aber als der alles vernichtende Satz ausgesprochen wurde, da gab es keine Zweifel mehr.

In nur einer Sekunde verlor die Welt ihr Gesicht.

Und ich den Bezug zur Welt.

Vielleicht war das der Anfang von meinem Ende. Vielleicht war dieser Tag der Grund für mein späteres Scheitern.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2013-06-26T18:57:46+00:00 26.06.2013 20:57
hast dir wohl zum Ziel gesetzt mich zum Heulen zu bringen, was?
wenn ja, hast du Erfolg damit.
Antwort von:  TommyGunArts
26.06.2013 20:59
:o Oh mein Gott, bitte nicht.
Das war eigentlich nicht meine Absicht...
Antwort von: abgemeldet
26.06.2013 21:04
doch heul grad Rotz und Wasser.
Es ist zwar nicht viel, aber es geht mir trotzdem recht nahe. Ich denke... da finden sich einige Menschen wieder, die bereits einen ihrer Lieben verloren haben.
Wobei mich gerade im Augenblick etwas anderes daran bewegt hatte.
Eher dieses Gefühl. Dass es weder die Welt, noch sonst jemanden es schert, wie es einem geht, das einfach alles seinen normalen Gang weiter läuft, auch wenn für einen selbst die Welt unter geht.

Antwort von:  TommyGunArts
26.06.2013 21:15
Ich muss ehrlicher Weise gestehen, dass ich hier versucht habe eine meiner Erinnerungen zu rekonstruieren und zu verschriftlichen.
Und für mich war es damals so, dass ich genau dieses Gefühl hatte; dass es im Endeffekt nicht auf einen einzelnen ankommt. Und es ist ja auch so, dass während für den einen ein Leben beginnt, das eines anderen endet. Und ob es nun jemanden interessiert, letztendlich kommt es doch immer auf das Subjektive an, auf das eigene Erleben und Empfinden...
Antwort von: abgemeldet
26.06.2013 21:18
JA, und gerade darum, geht es einem so nahe.zum einen, weil es einfach so ist, zum anderen, weil deine Emotionen da mitschwingen.
Ich finde es jedenfalls... schön ist nicht das richtige Wort... bewegend.
Antwort von:  TommyGunArts
26.06.2013 21:22
:D Ich finde, dass es immer sehr hilfreich ist, vergangene Momente zu verschriftlichen und sich noch einmal mit allem auseinanderzusetzen. Und dann freut es mich natürlich auch, wenn es ankommt ;)
Danke dir <3


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