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Drei Jahre in Hong Kong

KaRe
von

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Some Steps

SOME STEPS
 


 

Diesem OS widme ich der Sorge.
 

Enjoy reading!
 


 

Nach ihrem ersten „Treffen“ auf Kais Hausboot hatte es sich eingebürgert, dass sie sich jede Woche verabredeten, wenn ihre engen Zeitpläne es zuließen. Sie trafen sich auf dem Boot, um etwas zu trinken, in Reis Hochhausappartement, um etwas zu essen, in Cafés oder Parks. Sie redeten über Gott und die Welt und fanden allmählich gefallen daran, dass der jeweils andere problemlos folgen konnte.

Dabei stellte Rei fest, dass Kai ihm gegenüber zwar recht aufgeschlossen war, aber eigentlich immer noch ein grummelnder, kühl erscheinender und einzelgängerischer Typ war, der er schon als Junge gewesen ist. Aber der Schwarzhaarige störte sich viel zu selten an seiner Art, um den Kontakt mit seinem ehemaligen Teamkollegen nicht zu genießen.

An einem Abend hatte Rei Kai zum Essen eingeladen, weil er zu faul gewesen war, seine Wohnung zu verlassen. Er musste erst nächsten Abend wieder arbeiten und wollte sich gebührend ausruhen.
 

Sie unterhielten sich gerade über Angehörige einer von Reis Patientinnen, als Kai plötzlich ungewöhnlich blass wurde und der Chinese besorgt nachfragte: „Alles in Ordnung?“

„Hmm“, gab Kai von sich, stand auf und eilte aus der Küche Richtung Badezimmer.

Etwas perplex ließ der Schwarzhaarige seine Stäbchen sinken und ging ihm nach. Hinter der geschlossenen Tür nahm er eindeutige Würgegeräusche wahr: „So schlimm war mein Essen auch nicht.“

Die Antwort war ein gequältes Husten.
 

Wahnsinnig genervt und vor allem leidend, klammerte sich Kai ans Klo und übergab sich. Er hatte keine Ahnung, woher die Übelkeit so plötzlich kam, aber er wusste, dass es nicht am Essen gelegen haben konnte. Seit Tagen grassierte in seiner Abteilung eine Magen-Darm-Grippe und nun sah es ganz danach aus, als hätte es ihn ebenfalls erwischt. Ausgerechnet jetzt. Abgesehen davon, dass er es hasste Schwäche zu zeigen, war das Übergeben müssen nicht nur ekelhaft, entwürdigend und unangenehm, sondern auch überaus schlauchend. Er zitterte wie Espenlaub, sein ganzer Rachen brannte und es schien kein Ende nehmen zu wollen.

Als sich sein Magen endlich beruhigt hatte, wischte er seinen Mund mit Klopapier ab, spülte und blieb erst mal neben der Toilette hocken, zu erschöpft, um zu dem Waschbecken zu gehen. Rei, der die ganze Zeit über draußen gewartet hatte, drückte die Klinke herunter und entdeckte besorgt den aschfahlen Kai, der sich gerade weit weg wünschte.

„Magen-Darm-Grippe?“ Der Schwarzhaarige ging zum Spiegelschrank über dem Waschbecken und suchte etwas heraus, während Kai ein „Ja“ krächzte. Bewaffnet mit einer Spritze, Wasserbecher und Schüssel mit Lappen, kniete er sich vor den Graublauhaarigen, der ihn missmutig ansah:

„Es geht schon wieder. Du brauchst dich nicht um mich zu kümmern, ich komm gleich raus.“

Dummerweise ließ sich Rei nicht so leicht loswerden: „Mag sein. Ich gebe dir diese Spritze gegen Durchfall. Es gibt zwar auch Tabletten und Pulver zum Trinken, aber nachher wird dir wieder schlecht und es war umsonst.“ Mit diesen Worten reichte er Kai das Wasser, mit dem er seinen Mund ausspülte.

„Du willst mir dieses Ding jetzt in den Arm jagen?“, fragte er anschließend, die Augen auf die aufgezogene Spritze gerichtet.

„In den Arm oder den Po“, grinste Rei, „du kannst es dir aussuchen.“

Widerwillig krempelte Kai seinen Ärmel hoch und spürte sogleich kühle Finger um seinen Ellenbogen, als sich Rei vorlehnte, um im Licht des Flures die Vene zu finden. Misstrauisch beobachtete er, wie der Chinese die Nadel positionierte und zustach. Überraschenderweise spürte Kai nicht viel davon.

„Ich dachte, ihr Ärzte könnt nicht richtig Spritzen geben.“

„Es gibt auch viele, die das auf die Schwestern oder Arzthelferinnen abschieben, aber ich habe seiner Zeit an jedem geübt, der mir unter die Finger kam und außerdem mache ich das gern“, erklärte er, während er ein Pflaster auf die Einstichstelle klebte.

„Als kleine Rache für nervige Patienten?“

„Hmm, ich muss zugeben, manchmal kann das wirklich befriedigend sein“, grinste Rei, ehe er aufstand und die Sachen wegräumte.

Auch Kai stand etwas wacklig auf und krempelte sich den Ärmel wieder runter: „Danke. Ich gehe jetzt am besten nach Hause.“

Ein wenig neben der Spur, wollte Kai sich seine Jacke holen, um endlich dieser vermaledeiten Situation zu entgehen, als ihm plötzlich schwarz vor Augen wurde.

„Hey, nicht so schnell!“ Reflexartig hatte Rei nach dem Graublauhaarigen gegriffen, hielt ihn von vorne unter den Armen fest und stemmte sich gegen den plötzlich bleischweren Körper, damit er nicht zu Boden sackte. Kai war unterdes nur kurz weggetreten und hielt sein Körpergewicht rechtzeitig wieder selber, sodass Rei sich nicht mehr überlegen musste, wie er ihn auf eine bequeme Unterlage verfrachtete.

Die roten Augen waren glasig und sahen ihn verwirrt an, ehe Kai begriff, was geschehen sein musste.

„Ich denke nicht, dass du in diesem Zustand nach Hause fahren kannst“, meinte der Chinese mit hochgezogener Augenbraue, den anderen immer noch an den Schultern festhaltend, da er befürchtete, Kai könne gleich erneut umkippen.

„Ich muss mich nur kurz ausruhen. Mit einem Taxi geht das schon.“ Er wollte sich von Reis Händen befreien und ins Wohnzimmer gehen, doch der junge Arzt wich ihm nicht von der Seite.

„Unsinn. Du kannst ja kaum gehen. Außerdem bist du ganz heiß und hast womöglich Fieber. Du bleibst hier.“

„Aber...“

„Kai! Sei doch nicht so stur. Ich bin immerhin Arzt.“

„Frauenarzt.“

„Arzt. Frauenheilkunde ist doch nur eine Spezialisierung. Außerdem weiß jeder normale Mensch, dass man sich in so einem Zustand ausruhen und nicht eine dreiviertel Stunde durch die Stadt tigern sollte, nur um in der Nacht alleine über rutschige Stege zu stolpern.“

„Ich bin keine Katze.“

„Nein, du hast einen Vogel!“ Damit zwang er Kai auf die Wohnzimmercouch, bevor er ins Schlafzimmer ging, um Decke und Kissen herauszusuchen.

Kai legte sich erschöpft hin und kam sich vor wie ein Kleinkind. Er wusste zwar, dass Rei recht hatte, aber es passte ihm ganz und gar nicht krank hier zu liegen und sich umsorgen zu lassen, gleich ob Rei nun Arzt war oder Metzger.

Rei hingegen hatte keinerlei Probleme mit der Tatsache, dass Kai krank geworden war. Ihm war es in seiner Assistenzzeit auch einmal passiert, dass er von jetzt auf gleich von einer Magen-Darm-Erkrankung heimgesucht worden war. Zu seinem Pech war das jedoch während einer OP passiert, aus der er rennen musste. Das Gelächter darüber klang ihm bis jetzt noch in den Ohren. Als wenn er etwas dafür gekonnt hätte.

Mit einer weichen Decke, Kissen und Thermometer kam der Schwarzhaarige zurück und als feststand, dass Kais Körpertemperatur 39,3 °C betrug, schien auch der einzusehen, dass er hier besser aufgehoben wäre.

„Warum auch noch Fieber?“

„Womöglich hast du dir noch andere Keime eingefangen, die sich über dein geschwächtes Immunsystem gefreut haben, sonst aber keine Chance gehabt hätten.“

„Dein patientenfreundliches Gerede in allen Ehren, aber ich bin nicht bescheuert.“

„Das wollen wir mal nicht auf den Prüfstand stellen.“

„ICH schon.“

„Ja, das mit dem „wir“ und „uns“ ist schon eine Arztmarotte. Als wäre die Frage: „Wie geht’s uns denn heute“ sinnvoll.“

Kai seufzte unzufrieden auf.

„Ich könnte dir eine Infusion verabreichen mit Elektrolyten und einem fiebersenkenden Mittel“, schlug der Schwarzhaarige enthusiastisch vor, „Außerdem könnte ich dir anbieten mit - oder auch ohne mich - in meinem Bett zu schlafen. Es ist groß und viel bequemer und geeigneter als die Couch.“

„Geeigneter für was?“

„Für so einiges, aber für dich vor allem zum Gesund werden.“ Rei zwinkerte ihm zu, als er aufstand, was Kais Gemütszustand nicht besserte.

„Ich bleibe hier.“

„Ich dachte, das hätten wir schon geklärt.“ Der Chinese blieb stehen.

„Ich meine, auf der Couch. Und eine Infusion will ich auch nicht.“ Der Graublauhaarige verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.

Der Anblick ließ Rei auflachen, bevor er ihn aufzog: „Meine Suppe ess’ ich nicht, nein, ich esse meine Suppe nicht.“

„Ach, leck mich doch!“

„Gerne, aber erst, wenn du wieder gesund bist. Das heißt, du lässt meine Behandlung, die übrigens kostenlos ist, über dich ergehen und ärgerst mich nicht weiter, sonst hole ich den Notarzt und lasse dich ins Krankenhaus einliefern. Und falls du denkst, eine Magen-Darm-Grippe sei dafür zu harmlos, so lass dir gesagt sein, dass ich auf patientenunfreundliche Weise genug im Petto habe, dass die dich nehmen. Außerdem habe ich viel Phantasie.“

Rei brauchte nicht in Kais Gesicht zu sehen, um zu wissen, dass er ihn in Grund und Boden geredet hatte, so bemerkte er jedoch auch nicht die Verlegenheit in den roten Augen.
 

Der Schwarzhaarige hatte in einem der Badschränke immer Vorräte an medizinischen Mittelchen, die normal Sterbliche nicht in der Hausapotheke führen durften und war schnell mit einem justierbaren Infusionsständer von 1,50 m samt Beutel und Spritze im Wohnzimmer. Flink und professionell legte er einen Zugang im linken Arm des Graublauhaarigen und spritze das fiebersenkende Mittel in den Infusionsbeutel. Tropfen für Tropfen rann die klare Flüssigkeit den Schlauch hinab und verschwand in Kais Blutbahnen.

Dem Schwarzhaarigen entging der überaus misstrauische Blick nicht: „Ich vergifte dich schon nicht.“

Kais Lippen verzogen sich zu einem müden Lächeln und seine Augen funkelten undeutbar, als er ehrlich sagte: „Danke.“

Rei erwiderte sanft: „Das mach ich doch gerne.“ Diese rubinfarbenen Augen zogen ihn immer noch in ihren Bann. Schon früher fand er sie faszinierend.

Ohne darüber nachzudenken, beugte er sich hinunter und gab Kai einen Kuss auf die Stirn. Erschrocken über seine eigene Handlung stand er daraufhin schnell auf, vermied Kais fragenden Blick und flüchtete fast aus dem Zimmer, während er meinte: „Ich räume noch die Küche auf und mach alles fertig. Es dauert ja noch, bis die Elektrolyte durchgelaufen sind.“
 

In der Küche musste sich Rei erst einmal an der Spüle abstützen. Er atmete tief durch, versuchte seine plötzlich weichen Knie zu ignorieren und das seltsame Gefühl in seinem Bauch zu ergründen. Er ahnte, dass es wohl kaum an einer aufkommenden Grippe liegen konnte, dafür fehlten die weiteren Symptome. Die andere Bedeutung solcher Empfindungen kam ihm in den Sinn, was sogleich ein Flattern in seiner Magengrube auslöste. Rei schüttelte energisch den Kopf, fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Nein, Fieber hatte er wahrscheinlich nicht. Er sollte wohl mal wieder ausgehen. Eine Frau kennenlernen, Sex haben, die Anspannung abbauen. Seine Abstinenz ließ ihn noch durchdrehen, wenn es so weiter ging. Er konnte sich schließlich nicht ewig wegen Mariah grämen. Das war immerhin schon gute vier Jahre her...
 

Kai war eingeschlafen, als er wiederkam. Er wusste einen kurzen Moment nicht, wie er reagieren sollte, ließ ein Lächeln dann doch zu, das sich bei diesem Anblick auf seinem Gesicht manifestierte. Der Beutel war leer und so machte sich der Schwarzhaarige daran die Sachen wegzuräumen und den Zugang abzumachen, wobei Kai trotz der vorsichtigen Entfernung der Nadel aufwachte.

„Rei?“, fragte er verschlafen.

„Die Infusion ist zu Ende. Du kannst gleich weiter schlafen. Wir müssen dich nur rüberbringen.“

„Hmm.“

Ungewöhnlich gefügig, dachte Rei. Er schmunzelte darüber, wie pflegeleicht der Graublauhaarige wurde, wenn er so müde war. Das musste er sich merken.

Er half Kai in sein Bett, wo er auch schnell wieder vom Land der Träume entführt wurde. Rei indessen beschloss, dass es besser für ihn wäre auf der Couch zu schlafen.
 

Kai schlief den nächsten Tag einfach durch und da es Sonntag war, stellte das mit seiner Arbeit auch kein Problem dar. Ungeachtet dessen, musste Rei um 17:00 Uhr seine Schicht im Krankenhaus antreten und hinterließ kurzerhand einen Zettel auf dem Nachttisch. Immerhin hatte er zurzeit nur einen Hausschlüssel da, weil der andere sich in seinem Krankenhausspind befand, und musste seinen ehemaligen Teamleader einsperren.

Als Kai wenig später aufwachte, gefiel es ihm nicht sonderlich zu erfahren, dass er wie ein Haustier in der Wohnung festsaß, andererseits fühlte er sich ohnehin zu matt, um nach Hause zu fahren. Daher nahm er Reis Hinweis auf den vollen Kühlschrank gerne an und aß ein wenig Hühnersuppe, die er in der Mikrowelle erwärmte, ehe er sich wieder ins Bett legte, um die Zeit wenigstens zur Erholung zu nutzen und morgen zur Arbeit gehen zu können.
 

Ein Geräusch weckte ihn aus dem Schlaf und es dauerte einige Augenblicke, bis er sich erinnerte, wo er war und das es wohl Rei sein musste, der die Haustür geöffnet hatte. Wie zur Bestätigung kam der Schwarzhaarige keinen Wimpernschlag später in das dunkle Schlafzimmer und ließ sich auf die andere Betthälfte fallen.

„Rei?“

Der junge Arzt zuckte ein wenig zusammen. Anscheinend hatte er Kais Anwesenheit vergessen, was diesen etwas verwunderte, geradezu irritierte.

„Ich wollte dich nicht wecken“, meinte dieser nach einer Weile der Stille mit einer seltsam kraftlosen Stimme.

Der Graublauhaarige zog die Augenbrauen zusammen und drehte sich zu dem Chinesen, der auf dem Rücken lag, den linken Arm über die Stirn geschlagen.

„Alles in Ordnung?“

Er sah, wie er den Kopf langsam von rechts nach links bewegte, ehe Rei fragte: „Fühlst du dich besser?“

„Rei“, Kai konnte genau so unnachgiebig sein, wie der Schwarzhaarige, „Was ist passiert?“

Statt zu antworten, zog sich Rei ein Kissen über das Gesicht. Durch dieses Verhalten beunruhigt, stützte sich Kai auf dem Unterarm ab und blickte auf Rei hinab. Nach einer ihm unendlich erscheinenden Wartezeit verlor er die Geduld und zog dem anderen schlicht das Kissen vom Gesicht und erschrak. Die sonst funkelnden Augen wirkten trüb und so niedergeschlagen, wie Kai es noch nie bei ihm gesehen hatte.

Rei wandte den Kopf zu ihm, als er begann zu sprechen: „Es gab einen Autounfall. Ein Mann fuhr mit seiner hochschwangeren Frau besoffen über eine rote Ampel und kollidierte mit einem Kühllastwagen. Die Frau kam zu uns mit schweren inneren Blutungen und wir mussten einen Kaiserschnitt machen, um die Babys zu retten und die Frau medikamentös behandeln, sie operieren zu können. Doch die Verletzungen waren zu schlimm. Sie verblutete uns auf dem Tisch und die Zwillinge... ich habe noch versucht sie wiederzubeleben, aber sie waren durch den schweren Aufprall beim Unfall und dem Blutverlust zu schwach. Sie starben mir unter den Fingern weg, während ihr verfluchter Vater mit ein paar Kratzern davongekommen ist und besoffen durch den Gang gegrölt hat, von seinen Rechten gesprochen hat, die ihm beschnitten würden, weil die Polizei zum Verhör gekommen ist. Der LKW-Fahrer liegt übrigens auch schwer verletzt auf der Intensivstation. Nur ihm ist nichts passiert.“

Der junge Arzt hatte die ganze Erzählung monoton heruntergeleiert und nun die traurigen Augen geschlossen: „Ich hätte die Babys oder die Frau retten können, wenn ich nur etwas schneller erkannt hätte, dass ich einen Kaiserschnitt machen muss. Aber ich wollte einfach nicht einsehen, dass ich nicht alle retten kann.“ Seine Stimme versagte.

„Ich bin sicher, du hast dein Bestes gegeben“, sagte Kai beruhigend, seine Bestürzung zu verbergen versuchend.

„Es war nicht genug“, presste Rei zwischen den Zähnen hervor, „es hat einfach nicht gereicht!“

Seine Fäuste ballten sich so fest, dass die Fingergelenke knackten und sein ganzer Körper spannte sich in dieser Verzweiflung zum Zerbersten an.

„Rei, du bist kein Gott, du bist ein Mensch und fehlbar. Deine Fähigkeiten helfen und die nächste Frau mit diesen Symptomen wird es schaffen, weil du gelernt hast, was du tun musst. Andere Ärzte ohne diese Erfahrung würden diesen Fehler vielleicht auch machen, oder einen anderen, der nicht weniger schwerwiegend ist. Und das sind dann die Ärzte, die das Leben schätzen und ihren Beruf gut ausüben werden. Es ist doch im jeden Bereich so.“

„Es sterben dabei Menschen! In welchem Bereich hast du das schon? Durch diese Autos, die ihr verkauft, tötet ihr höchstens“, spie Rei auf Kais Worte hin.

„Gäbe es nicht so Masochisten wie dich, würden viel mehr Menschen sterben, weil keiner da wäre, der ihnen wenigstens noch einen Hauch Hoffnung geben könnte. Du kannst nur davon lernen oder such dir einen anderen Beruf.“

Direkt starrten ihn diese verzweifelt glänzenden Augen an, ehe Rei mit den Händen über sein Gesicht rieb.

„Diese kleinen Babys... sie sind gestorben, kaum dass sie die Augen aufgemacht haben. Es waren zwei Mädchen, das ganze Leben hätte vor ihnen gelegen. Wo ist da die Gerechtigkeit? Warum passiert so etwas Schreckliches?“ Reis Stimme versagte jäh.

Er krümmte sich geradezu vor seelischen Schmerzen und Kai konnte nicht anders, als den Schwarzhaarigen kurz entschlossen in seine Arme zu ziehen. Fest umklammerte Rei ihn sogleich und presste sich Halt suchend an ihn, den Kopf in seiner Halsbeuge vergrabend. Kai sagte nichts mehr. Worte konnten diesen Schmerz einfach nicht lindern. So versuchte er den Schwarzhaarigen mit zärtlichem Streicheln über dessen Rücken zu trösten bis sich seine verkrallten Finger in seinem T-Shirt entspannten. Doch anstatt sich von ihm zu lösen, glich es nun eher einer sanften Umarmung, als sich Rei weiterhin an ihn schmiegte.

„Danke“, flüsterte er leise gegen seinen Hals, während Kai unbeirrt über seinen Rücken strich.

„Für nichts.“
 

Am nächsten Morgen befiel den Schwarzhaarigen auf einmal eine ungekannte Sehnsucht, die ihn sich ausstrecken und schließlich erwachen ließ. Seine Finger griffen ins Leere und es dämmerte ihm langsam, warum er das tat, was eine Welle des Kribbelns in seinem Bauch auslöste. Die Ereignisse des Vorabends verscheuchten dieses Gefühl jedoch wieder und er fühlte sich ausgelaugt und müde.

„Kai?“, fragte er, auf dem Bett sitzend, „Bist du da?“

Ein Blick auf den Radiowecker bestätigte ihm, dass es noch früh war, 6:30 Uhr morgens. Wahrscheinlich war Kai zur Arbeit abgehauen. Wut durchflutete Rei bei diesem Gedanken. Warum konnte dieser Sturschädel nicht auf ihn hören? Nachher überanstrengte er sich und lag wieder krank im Bett.

Doch die Wut verrauchte ganz schnell wieder, als er Kai ins Zimmer kommen sah: „Guten Morgen. Hab ich dich geweckt?“

„Nein“, na ja, indirekt vielleicht..., „Was machst du? Solltest du dich nicht noch ausruhen?“

„Mir geht es gut und ich fahre jetzt nach Hause, um mich umzuziehen. Ich habe meinem Chef gesagt, dass ich ein bis zwei Stunden später kommen werde. Mehr kann ich mir nicht leisten.“

Rei stand auf, die goldenen Augen skeptisch dreinblickend, blieb er vor ihm stehen.

„Hmm, tatsächlich. Du siehst gesünder aus als vorher.“

„Ich habe auch seit Jahren nicht mehr so lange geschlafen“, schmunzelte Kai.

„Na gut“, seufzte Rei theatralisch auf, „du darfst gehen.“

„Danke, Herr Doktor.“ Kai deutete eine leichte Verbeugung an und drehte sich um, als er meinte: „Wenn was ist, kannst du mich jederzeit anrufen oder zu mir kommen, okay?“

Überrascht von diesem Angebot ging Rei hinterher und blieb in der Haustür stehen, als sich Kai noch einmal zum Abschied umdrehte und ihn irgendwie seltsam – anders konnte Rei es nicht beschreiben – ansah.

„Danke. Das weiß ich zu schätzen.“ Und er wusste es zu schätzen, dass Kai ihn nicht auf die Sache im Krankenhaus ansprach, ihn fragte, wie es ihm geht, zurückhaltend war. Das hatte er immer an ihm gemocht und gehörte zu den grundlegendsten Unterschieden zu Tyson und Max.

„Gut.“ Rei wartete, dass Kai endlich ging.

„Gut.“ Der stand aber noch da.

„Tschüs.“ Kai hob letztlich die Hand zum Abschied und verschwand den Flur herunter.

„Tschüs“, murmelte Rei verwirrt zu sich selbst.
 

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So Magen-Darm-Grippen sind echt fies und tauchen wirklich manchmal schlagartig auf. Ist mir mal passiert -_- War ungut.

Reis Schicht betrug hier echt "nur" acht Stunden.

Man braucht vier bis fünf Jahre in Deutschland für den Facharzt in Gynäkologie.

Langsam wird es mit den Beiden^^.

Ja, es ist noch mehr eine FF, als OS, aber das wird sich ändern, sobald sie zusammen sind. Dann kommen zeitlich unabhängige Sequenzen aus ihrer Beziehung. Aber zwei Kapitel kommen noch mit "Zusammenhang"^^.
 

Über ein Statement würde ich mich sehr freuen!
 

Bye
 

Minerva



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  caramel-bonbon
2011-11-27T14:45:01+00:00 27.11.2011 15:45
wie hat die ff eigentlich zuvor geheißen?
und wo ist der versprochene prolog geblieben? ^^
oder war der prolog hier etwa das erst kapitel?

wieso steht hier „Diesen OS widme ich der Sorge“? ist doch ein kapitel und kein OS?
oje.... das ist nicht schön... armer kai... zum glück ist rei arzt!
und schon wieder ist es einfach nur witzig zu lesen! XD
haha, das ist einfach nur lustig, wie die miteinander reden! das trieft nur so vor sarkasmus! achja und dann diese andeutungen erst!! XD
4 jahre keinen sex?? du meine güte... Ôo
wofüs sprechen denn die symptome herr arzt? na? na???

[wo er war und das es wohl Rei sein musste, der die Haustür geöffnet hatte] und dass es wohl...

hach ja, das sind die dunklen seiten des berufs... gut, dass er grad nicht alleine ist...
ouh mann, ja diese kapitel widmet sich wirklich der sorge... ich fühl mich ganz matt... :(

sag mir nichts von „ich habe seit jahren nicht mehr so lange geschlafen“.. ich habe heute bis halb drei gepennt!! das ist mir erst etwa 2x passiert und ich hasse es!! normalerweise wache ich immer um 10, spätestens um halb 12 auf, egal, wann ich ins bett gegangen bin... das nervt mich total... ><

haha der schluss ist süß ^^
gutes kapitel... ganz anders als das erste, aber nicht minder gut!

weiter kommentier ich ein ander mal, ich muss jetzt zelda – skyward sword zocken!! =P
*bonbon da lass*

Von:  Pfefferminze
2011-04-04T14:36:27+00:00 04.04.2011 16:36
Uhhh <3
Kai derartig krank zu 'sehen' ist kuhl >D Besonders wenn Doktor Rei sich so fabelhaft um einen kümmert <3

Den Medikamentenschrank mit uA Infusionsständer und Elektrolytenlösung hat leider übertrieben gewirkt, auch die arg kurze Schicht ist für Krankenhaus-Verhältnisse seltsam. Aber gut...

Die generelle Dynamik und der schöne Fluss zwischen den Beiden macht da einiges wieder wett und auch die Andeutungen etc zwischen Kai und Rei ist einfach nur geil, also auf zum nächsten Kapitel xD
Von:  X66
2011-04-04T14:00:15+00:00 04.04.2011 16:00
Ich merke hier bei diesem Kapitel, warum ich Rei als Arzt so gern mag <3 Es ist total süß, wie er sich um Kai kümmert. Dabei fand ich es auch gut, dass Kai dabei nicht aus seinem Charakter rausfällt, sondern am liebsten nach Hause fahren würde, damit er keine Schwäche zeigt, und zunächst auch Reis Behandlungen verweigert :)

Leider konnte mich die Sache mit dem Infusionsständer nicht richtig überzeugen – ich glaube gerne, dass man als Arzt einiges mehr an Medikamenten zu Hause hat als andere, aber gleich so was? Man braucht als gesunder Mensch ja auch eher selten Infusionen ;)

Wiederum sehr gefallen haben mir all die kleinen Andeutungen zwischendurch, dass sich zwischen Kai und Rei langsam was anbahnt *_* Ich hoffe, da kommen noch einige mehr von, bevor es dann mit den beiden richtig losgeht. Vor allem bin ich gespannt, wie du die Entwicklung geplant hast, dass Kai und Rei bisher auf Frauen stehen, obwohl sie sich ja offensichtlich ineinander verlieben – ist ja als KaRe ausgegeben die Story XD
<3
Von:  BeautyRani
2011-03-31T17:53:50+00:00 31.03.2011 19:53
Hi^^
habe es endlich mal geschafft, mir deine FF durchzulesen und muss sagen, dass ich richtig angetan von ihr bin^^
Mir gefällt dein Schreibstil und was du aus den beiden Schnuckelchen gemacht hast, auch scheinst du viel über das medizinische Wissen zu verfügen (was ich von mir leider nicht behaupten kann =()und genau das, bringt Rei als Arzt, noch authentischer rüber^^
Bis jetzt habe ich nichts zu meckern gehabt und hoffe, dass noch mehr solcher tollen Kapitel folgen werden, denn mein Interesse hast du hiermit auf jeden Fall geweckt^.~

Übrigens muss ich dich für die Länge deiner Kapitel loben, schön wenn man so viel Lesestoff bekommt, auch wenn man sich am Ende wünscht, noch mehr zum Lesen zu haben, trotzdem guter Schnitt und bleib dabei ^.~

LG
Von:  SayuriKon
2011-03-30T22:01:31+00:00 31.03.2011 00:01
Hallo :)
Mir hat das Kapitel sehr gut gefallen.
DIe Dialoge waren anfangs sehr amüsant und es hat Spaß gemacht sie zu lesen. War eine schöne Dynamik^^.
Die anderen Hälfte war eher traurig, aber dennoch sehr schön geschrieben.
Ich freue mich auf das nächste Kapitel :)

Liebe Grüße!
Von:  tenshi_90
2011-03-30T18:45:14+00:00 30.03.2011 20:45
Huhu!

Wieder ein sehr schönes Kapitel, bis auf die Sache mit dem tragischen Unfall...

Schön, dass sich die beiden jetzt etwas näher gekommen sind =)

mach weiter so

lg


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