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Drei Jahre in Hong Kong

KaRe
von

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Fancy Faith

FANCY FAITH
 

Dieses Kapitel widme ich dem Vertrauen.
 

Enjoy reading!
 

Es war eine wunderbare Frühsommernacht und Rei saß satt und zufrieden auf der Couchlandschaft auf dem Deck von Kais Hausboot, wo sie zuvor gegrillt hatten und nun Wein tranken. Kai war gerade herein gegangen – wahrscheinlich ins Bad – während der Schwarzhaarige genüsslich am Weinglas hing und die Sterne bestaunte, die sich durch den Dunstschleier der Stadt kämpften und ihn anstrahlten. Doch er wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen, als ein typischer Nokia Tune die angenehme Ruhe zerstörte. Mit missmutig zusammengezogenen Augenbrauen starrte Rei auf das klingelnde und auf dem Tisch rumrutschende Handy. Anders als erhofft, hörte es jedoch nicht nach einer Minute auf und Kai war auch nicht in Sichtweite, um dem Lärm ein Ende zu setzen, sodass Rei der Geduldsfaden riss und kurzerhand an das fremde Handy ging:

„Hiwatari’s mobile phone. Kon.“

„Oh, wieder einer von Kais Liebhabern?“, sprach es vom anderen Ende der Leitung auf Englisch zurück. Definitiv weiblich und schlecht gelaunt.

„Äh, Entschuldigung. Ich habe deinen Namen nicht verstanden.“ Rei war von dieser „Begrüßung“ irritiert. Hatte er das richtig verstanden?

„Mein Name ist Jasmin Meerberger“, kam es etwas ungeduldig zurück.

„Jasmin? Aus München?“

Eine kurze Pause entstand, ehe die Frau antwortete: „Ja, genau die. Wer bist du?“

Es war klar herauszuhören, dass es sie verwunderte, dass ihm ihr Name ein Begriff war: „Rei Kon...“

Er kam gar nicht zu mehr, da es sogleich aus dem Handy fiepte: „Rei Kon? Der mit den wunderschönen goldenen Augen?“

„Äh, denke schon.“ Dieser Stimmungsumschwung war ja heftig.

„Kai hat ein Bild von euch im Wohnzimmer stehen. So ein Siegerbild von der ersten Beyblade-Meisterschaft.“

Was sollte er darauf antworten?

„Was war das eigentlich, was du am Anfang gesagt hast?“, fiel ihm wieder ein.

„Ach das. Vergiss es. Nicht so wichtig“, beschwichtigte sie schnell. Zu schnell. Also hatte er sich nicht verhört? Aber das war doch abstrus. Was hatte sie gemeint?

„Wo ist Kai eigentlich und was machst du in Hong Kong?“

„Kai ist gerade drin und ich lebe hier seit vier Jahren.“

„Was arbeitest du denn?“ Desinteresse konnte man ihr nicht unterstellen.

„Ich bin Arzt“, er befürchtete einen Fiepanfall, sollte er ihr eröffnen, dass er Frauenarzt war, „und du?“

„Tierärztin. Was für ein Fachbereich?“

Tierärztin. Warum überraschte es Rei nicht, dass Kai sich in eine Tierärztin verliebt hatte?

„Frauenheilkunde“, gab er nun doch zu.

„Echt?“, lachte sie. Es war ein belustigtes, angenehmes Lachen. Überhaupt klang ihre Stimme angenehm. Rei wäre zu neugierig gewesen zu erfahren, wie sie aussah.

„Warum findet das jeder lustig?“, fragte er verständnislos.

„Mein Frauenarzt ist kompetent und hässlich. Ich würde sterben, müsste ich mich vor so einen gutaussehenden Arzt legen.“

Ihre Schmeicheleien stimmten ihn skeptisch, aber sie hatte recht mit dem, was sie sagte. Die meisten Frauen, vor allem junge, schämten sich anfangs bei ihm. Aber im Krankenhaus hatten sie keine Wahl und werdenden Müttern, welche einen Großteil seiner Patientinnen darstellten, war das ohnehin ziemlich egal.

„Rei?“ Kais Stimme holte ihn wieder in die Realität zurück. Der Graublauhaarige hatte eine geschlossene Weinflasche in der Hand und sah ihn fragend an. Rei hielt ihm nur entschuldigend dreinblickend das Handy hin und erklärte:

„Es hat nicht aufgehört zu klingeln. Jasmin ist dran.“

Kai nahm ihm das Gerät ab und der Schwarzhaarige konnte deutlich das freudige Aufblitzen der roten Augen sehen, als er hineinsprach: „Hey Jazz!“

Den Rest konnte der Chinese nicht mehr verstehen. Kai redete Deutsch mit ihr und ging Richtung Reling, weg von Rei. Dieser war nicht davon begeistert ignoriert zu werden, auch, wenn er versuchte diese alberne Eifersucht zu verdrängen.

Jazz. Ein Spitzname. Sie kennt Kais Bilder in Kais Wohnzimmer. Hatte der Graublauhaarige nicht erwähnt, dass sie womöglich herausgefunden hatte, dass er was für sie empfand? Was war da dann vorgefallen? Anscheinend waren sie immer noch befreundet. Was hatte sie nur am Anfang gemeint?
 

Rei schrak regelrecht hoch, als Kai sich wieder ihm gegenüber setzte und es bemerkte: „Alles ok?“

„Ja, ja. Sorry, dass ich rangegangen bin.“

Kai winkte ab und öffnete die Weinflasche: „Solange das nicht zur Gewohnheit wird.“

„Sie scheint recht launisch zu sein“, begann Rei vorsichtig.

Kais Lippen verzogen sich zu einem Lächeln: „Sie ist mir einerseits ziemlich ähnlich, andererseits kann sie sehr enthusiastisch und mitreißend sein. Hat sie dich angehimmelt?“

„Vielleicht ein bisschen.“ Der Chinese sah in die rote Flüssigkeit in seinem Glas.

„Als sie das Bild von den Championchips gesehen hat, war sie vollkommen hin und weg von dir“, grinste Kai ihn an. Um eine leichte Verlegenheit zu kaschieren, griff Rei zu der neuen Flasche.

„Es musste ja eine Tierärztin sein“, schmunzelte er.

Kai hob eine Augenbraue: „Wie lange habt ihr eigentlich telefoniert?“

„Ach, eine Weile. Sie musste mir schließlich all deine Eroberungen aufzählen.“

„Jetzt tust du mir Unrecht. So viele waren es nicht.“ Er sah in die goldenen Augen und ahnte, dass Rei neugierig auf sein Privatleben geworden war, von dem Jasmin ein Teil war. Und ehrlich gesagt, war der Graublauhaarige auch überaus interessiert daran, was der andere so zu verbuchen hatte.

„Wie viele?“ Der Chinese vertrug nicht viel Alkohol, Enzym sei Dank, und er war gerade dabei sich mit seinem losen Mundwerk in eine heikle Situation zu begeben.

Kai legte den Kopf schief, schien zu überlegen.

„Das ist nicht dein Ernst?“ Baff beugte sich Rei nach vorne und starrte ihn an: „Sag nicht, du weißt es nicht mehr?“

„Hm, es müssten so um die sechzig gewesen sein“, meinte er leicht zweifelnd. Er hatte echt nicht mitgezählt. Es diente nur der Befriedigung und spielte für ihn danach keine Rolle mehr. Und das auf beidseitigem Einverständnis. Erinnern konnte er sich nur an diejenigen, die sein Herz gefangen nahmen, egal ob es sich dabei um Liebe oder Freundschaft handelte.

Rei hingegen war sprachlos.

„Schau mich nicht so an! Ich bin 26, was erwartest du?“ Die Art, wie der Schwarzhaarige ihn ansah, machte ihn ganz verrückt. Als hätte er ihm gerade erklärt eine Affäre mit der ganzen Stadt zu haben.

„Wie viele waren es denn bei dir?“

Oh je, durchzuckte es Rei, genau diese Frage wollte er vermeiden. Jetzt hatte er sich in die Nesseln gesetzt. Er musste ja fast antworten, schließlich hatte er es provoziert: „Wenigere“

„Wie viele weniger?“ Er würde jetzt ganz sicher nicht locker lassen.

„Na, so um die neunundfünfzigsechzigstel.“

Kai sah ihn kurz mit blankem Ausdruck an, ehe er zu begreifen schien: „Sag mir jetzt nicht, dass du nur mit Mariah geschlafen hast?!“

Reis ausweichender Blick sprach Bände. Kurz herrschte eine, für Rei peinliche, Stille, bevor Kai in herzliches Gelächter ausbrach.

Der Schwarzhaarige ertrank seine Scham im Wein.

Als er wieder Luft in den Lungen hatte, wandte er sich zu dem Chinesen: „Aber warum denn, Rei? Du bist den ganzen Tag von Frauen umgeben, schließlich bist du ihr Arzt, und schläfst mit keiner einzigen?“

„Man schläft nicht mit seinen Patientinnen“, murmelte er gegen sein Glas.

Dem Graublauhaarigen dämmerte noch etwas: „Warte, du hast doch vor deinem Facharzt mit Mariah Schluss gemacht, nicht?“

Rei nickte zaghaft. Nun war es Kai, der ihn völlig baff anstarrte: „Du hattest seit vier Jahren keinen Sex mehr? Seit du 23 warst?“

Wieder ein zaghaftes Nicken.

„Oh man. Und wie überlebst du das?“ Er lehnte sich zurück in die Lehne und beobachtete, wie der junge Arzt ihn daraufhin spitz ansah.

„Warum sollte ich das nicht überleben? Ich hatte viel zu arbeiten. Und das mit Mariah hat sich halt so ergeben. Sie war meine erste große Liebe und ich wollte sie heiraten. Als sie Schluss gemacht hat, war ich halt zu fertig, um mich auf was Neues einzulassen.“ Seine Stimme wurde immer verbitterter.

„Tut mir leid, dass das jetzt so unsensibel rüberkommt, aber... das war vor vier Jahren! Wer hat denn gesagt, dass es gleich eine Beziehung sein muss?“

„Ich!“ Mit diesem barschen Wort stand Rei auf und ging zur Kajüte.

Die Kälte in seiner Stimme und der verletzte Ausdruck in den Bernsteinaugen, ließen Kai innerlich zusammenzucken.

„Hey, Rei! Das war doch nicht böse gemeint.“ Er ging hinterher und fand den Schwarzhaarigen vor, wie er sich die Jacke anzog: „Wohin willst du?“

„Nach Hause.“ Seine Mimik war immer noch wie versteinert. Den Grauhaarigen erschreckte es, den anderen so zu sehen und die Erkenntnis, dass er daran schuld war.

Gerade als Rei an ihm vorbei durch die Tür gehen wollte, fasste er ihn kurz entschlossen an den Schultern und drückte ihn leicht gegen die Wand:

„Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht verletzen.“

„Lass mich los“, zischte Rei gefährlich, „ich hasse das.“

Ruckartig ließ Kai ihn los, trat einen Schritt zurück, hielt aber Blickkontakt. Die goldenen Augen verloren etwas an Kälte, doch strahlten sie weiterhin Widerwillen aus. Anders als erwartet blieb der Schwarzhaarige jedoch an Ort und Stelle stehen.
 

Er wusste, dass seine negativen Gefühle, diese arge Reaktion, durch den Wein ziemlich verstärkt wurden. Aber er fühlte sich schlichtweg ungemein deprimiert und frustriert. Er wollte einfach nur weg, nicht darüber reden müssen, was mit Mariah war, nicht analysieren, warum er unfähig war sich zu binden, warum ihm diese Sache so Nahe ging. Doch als er in diese rubinfarbenen Augen blickte, die ihn ehrlich entschuldigend und bang ansahen, wollten sich seine Beine nicht mehr vom Fleck bewegen.

Rei seufzte tief auf, als er sich umdrehte und wieder rein ging, sich auf die Couch im Wohn-/Küchenbereich setzte. Kai folgte ihm und der Schwarzhaarige fühlte sich an einen wilden Hund erinnert, so bedacht wie er sich dabei bewegte, die Augen aufmerksam auf ihn gerichtet, als würde er jeden Augenblick mit einem geworfenen Stein rechnen.

Erneut seufzte er auf und vergrub sein Gesicht in den Händen, massierte seine Schläfen:

„Tut mir leid. Ich vertrage keinen Wein. Bei Ärzten ist der Alkoholismus eine Berufskrankheit, ich sollte wohl nicht schon jetzt damit anfangen.“

„Wir machen das ja nur selten“, gab Kai von sich, während er sich neben Rei setzte.

„Für mich kam das so aus heiterem Himmel. Ich dachte wirklich es ist alles in Ordnung und dann sagt sie mir, dass sie mich nicht mehr liebt. Man sollte meinen nach vier langen Jahren hätte ich das abgehakt.“

„Was hat sie denn dazu gesagt, dass du ihr einen Antrag machen wolltest?“

„Oh, davon weiß sie nichts.“

„Warum?“, fragte Kai verständnislos.

„Warum hätte ich mir und ihr das antun sollen? Es war auch so schlimm genug, dass ich nicht mitbekommen hab, dass es für sie nicht mehr funktioniert. Auf ihren fassungslosen und mitleidigen Blick konnte ich verzichten.“

„Hm.“

„Was?“, wollte Rei gereizt wissen. Diese „Hms“ hatten immer etwas zu bedeuten.

„Ich finde, du hättest es ihr trotzdem sagen sollen.“

„Und das kommt von jemanden, der sich in seine besten Freundinnen verliebt und seinen Kummer in One-Night-Stands ertränkt, statt es ihnen zu sagen“, kam es barsch zurück.

„Ich denke wir sind jetzt quitt“, presste Kai aus zusammengebissenen Zähnen hervor.

Beschämt von seinen Worten, wich er den roten Augen aus, die ein gewisses Maß an Verletzung nicht vor ihm verbergen konnten.

„Um eines klarzustellen: Ich habe meinen Liebeskummer nicht bei anderen ertränkt. Ich habe einfach nur meine Sexualität ausgelebt. Die paar Male, wo ich das aus Frust getan habe, kann ich an einer Hand abzählen.“

„Und dazu brauchtest du immer jemanden? Schon mal was von „Handarbeit“ gehört?“

„Das ist unbefriedigend.“

„Orgasmus ist Orgasmus.“

„Bei mir eben nicht.“

„Was ist es dann?“ Rei konnte ein Schmunzeln nicht verhindern, als er zu Kai sah, der so viele Emotionen wie eine Marmorstatur verriet.

„Belassen wir es einfach dabei, dass es mir nicht reicht.“

Dem Schwarzhaarigen wurde noch etwas anderes bewusst: „Du hast dann ja noch nie mit jemandem geschlafen, den du liebst, oder?“

„Nein“, gab Kai zu und hätte sich dafür watschen mögen, dass Rei so leicht an alle Informationen kam, die er haben wollte. Das schaffte doch sonst nur Jazz und bei ihr purzelten die Tatsachen auch nicht so schnell über seine Lippen.

Rei hingegen versuchte das erst einmal zu verdauen, bevor er etwas dazu sagte. Er kannte es gar nicht anders, als jemanden in den Armen zu halten den er liebte und der ihn liebte. Er wollte es sich eigentlich nicht anders vorstellen. Das Gefühl dabei war zu berauschend und es tat ihm leid, dass Kai bisher nicht dieses Glück gehabt hatte.

Sein Mitleid darüber musste sich in seinen Augen widergespiegelt haben, denn Kai meinte sogleich etwas scharf: „Hör sofort auf mich zu betrauern! Dazu gibt es keinen Grund.“

Rei verkniff sich seinen Kommentar und fragte stattdessen: „Dann warst du bis jetzt zweimal verliebt?“

„Eigentlich schon.“

„Und uneigentlich?“

„Eigentlich auch.“

Sie schwiegen eine Weile und starrten ins Nichts, ehe Rei wieder etwas einfiel und er seine Neugier nicht mehr bremsen konnte:

„Als ich rangegangen bin, hat Jasmin etwas gesagt, dass ich nicht verstanden habe“, fing er an und analysierte dabei den Ausdruck in den Rubinen, „Sie fragte mich, ob ich wieder einer deiner Liebhaber sei.“ Gut versteckt, aber vor seinem geschulten Arztblick leider nicht gut genug, erkannte er ein kurzes Aufflackern in den roten Meeren vor sich. Kai wusste also, was sie damit gemeint hatte.

„Und warum hast du sie nicht gefragt?“, entgegnete er gelassen wie immer.

„Hab ich, aber sie hat abgewiegelt.“

„Dann kann ich dir auch nicht helfen.“

„Du lügst“, entfuhr es Rei erheitert.

„Wie bitte?“ Als hätte er etwas ganz und gar irrationales von sich gegeben, hob sich eine von Kais Augenbrauen verständnislos in die Höhe.

„Jetzt verarsch mich nicht! Ich sehe es in deinen Augen. Du weißt ganz genau, was sie meinte und du weißt, dass sie es mir nicht verraten würde.“

Kai biss sich auf die Zunge. Jedes weitere Wort würde ihn nur weiter in den Schlamassel bringen. Er hatte Reis Aufmerksamkeit und Scharfsinn letztlich doch unterschätzt. So sah er ihn einfach nur mit unbewegter Mine an und zuckte gleichgültig mit den Schultern.

Na gut, dachte sich Rei, dann würde er ihn eben aus der Reserve locken müssen.

„Bist du schwul?“, fragte er frech.

Leider hatte es nicht den gewünschten Effekt: „Ich denke, dass die vielen Frauen das anders gesehen haben.“

„Woher soll ich wissen, dass es wirklich Frauen gewesen sind?“ Er wagte sich auf dünnes Eis. Jederzeit könnte Kais Geduldsfaden, ob dieser dreisten Unterstellung reißen.

Doch leider hatte der Graublauhaarige bemerkt, dass Rei seine eigenen Worte nicht ernst nahm und spielte weiter mit: „Ach, komm schon Rei! Hast du keine bessere Taktik?“

„Wenn es nichts zu verheimlichen gibt, kannst du mir bestimmt erklären, was sie gemeint hat.“

„Könnte ich, aber ich mag nicht.“

„Angst?“

„Sturheit.“

Kai lachte kurz auf, als sich Reis Lippen zu einem Schmollmund verzogen: „Jetzt siehst du aus wie Tyson.“

„Ich hab dir auch so viel erzählt“, versuchte er es weiter schmollend wie ein Kind.

„Ich habe dich aber nicht dazu gezwungen.“

„Ah, dann bin ich also der Idiot hier?“

Kai schüttelte belustigt mit dem Kopf, ehe er scherzhaft meinte: „Man könnte ja fast glauben, du würdest es dir wünschen, ich hätte mit Männern geschlafen.“

„Hast du?“, schaltete Rei rechtzeitig, dieses seltsame Gefühl in seinem Bauch verbannend, was ihm vorzüglich gelang. Kai jedoch scheiterte damit, als ihn seine Körpersprache verriet und er unbewusst kurz den Saum seines Hemdes zwirbelte.

Ein überlegenes Grinsen breitete sich auf Reis Zügen aus. Anfangs verwundert, realisierte der Graublauhaarige, was seine Hand tat und legte sie still auf seinem Oberschenkel ab. Er hatte verloren. Sich selbst verraten durch eine unbedachte Bewegung. Man merkte, dass der Abtei-Drill lange zurück lag.

„Also?“, fragte Rei triumphierend.

Es sollte wohl ein böses Funkeln sein, doch stattdessen sahen ihn die roten Augen mehr beleidigt an, als Kai sich erhob und Richtung Ausgang ging.

„Wohin gehst du?“ der Schwarzhaarige stand ebenfalls auf.

„Raus.“

„Fliehst du?“

Er schaute genervt über seine Schulter: „Ich hole die Sachen rein.“

„Eine Ausweichhandlung.“

„Ein Akt des Ordnung Schaffens“, meckerte er sarkastisch.

Rei verschränkte grinsend die Arme vor der Brust, während er den anderen vom Türrahmen aus beobachtete.

Der bemerkte es unerfreut: „Du darfst gerne auch ‘nen Finger krumm machen.“

Provokativ hob der Chinese seinen Zeigefinger und bog ihn betont langsam ein.

„Du bist ein Idiot“, kommentierte Kai und ging mit Gläsern und Flasche bewaffnet an ihm vorbei.

„Und du bist bi“, stellte er nüchtern fest.

„Bin ich nicht.“

„Aber du hast mit Männern geschlafen.“

„Deswegen bin ich noch lange nicht bi und schon gar nicht schwul.“

„Ah, du gibst es also zu!“ Rei tat so, als hätte er die Entdeckung des Jahrhunderts gemacht.

Kai rollte mit den Augen.

„Wie würdest du es denn bezeichnen?“, bohrte der Chinese weiter.

„Als Experiment.“

„Und wie viele dieser „Experimente“ hast du gemacht und warum?“ Er war richtig in Fahrt.

Für einen kurzen Moment haftete sich Kais Blick an die leere Weinflasche neben sich und ein gedankliches Szenario, in dem diese nette und überaus harte Flasche Bekanntschaft mit Reis hübschen Köpfchen machte, spielte sich vor seinem geistigen Auge ab, ehe er durch die erneute Nennung seines Namens wieder zurück in die Realität geholt wurde. Innerlich tief aufseufzend, lehnte er sich mit dem Rücken an die Spüle und sagte mit Blick auf die neugierigen Katzenaugen vor ihm: „Es waren drei und ich war frustriert.“

„Hintereinander?“ Diese Frage konnte im Zweifelsfall zweideutig aufgenommen werden.

„Nein“, antworte er bissig.

Vielleicht sollte er nicht allzu sehr in die Tiefe gehen, dachte der Schwarzhaarige, als er zur nächsten Frage kam: „Warum warst du frustriert?“

„Aus einem sehr ähnlichen Grund, warum du Abstinenz hältst.“

//Liebeskummer also//, schoss es Rei durch den Kopf.

„Und du hast dann jedes Mal mit einem Mann geschlafen, wenn du Liebeskummer hattest? Als Rache am weiblichen Geschlecht, oder warum?“

Nun traf ihn doch der Waschlappen im Gesicht, als Kai die Beherrschung verlor: „Nein!“

„Hey! Der ist nass.“

„Wirst schon nicht zergehen“, fauchte der Graublauhaarige ungehalten und drehte sich zum Abspülen um.

Rei verzog das feuchte Gesicht: „Hat es wenigstens Spaß gemacht?“

„Probier’s halt aus“, knurrte er sauer.

„Nein, ich denke nicht. Außerdem frage ich nach deiner Erfahrung.“

„Da ich der Aktive war, war der Unterschied nicht zu immens. Und wenn du mir noch eine Frage diesbezüglich stellst, dann ertränke ich dich im Meer“, drohte er eindrucksvoll.

Rei verging es tatsächlich noch weiter zu stochern, obwohl er bezweifelte, dass Kai ihn so einfach klein kriegen würde. Schließlich hatte er neben dem Bladen zahlreiche Stile der Kampfkünste erlernt. Er konnte sich verteidigen. Aber er hatte mehr von seinem ehemaligen Teamkameraden erfahren, als er sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte. Obwohl er zu anderen Menschen noch immer unbotmäßig kühl und verschlossen war, verhielt er sich zu ihm so, wie Rei es sich immer gewünscht hatte: freundschaftlich.

Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er einem Impuls folgte und hinter Kai trat, der weiterhin abspülte. Ohne darüber nachzudenken, schlang er seine Arme um den Graublauhaarigen, der prompt erstarrte.

„Danke“, meinte Rei leise, wobei er sein Kinn auf Kais Schulter legte, den Kopf gegen den des anderen gelehnt, wie eine Katze, die sich anschmiegte.

Kai wurde ganz anders.

„Für was?“, wollte er misstrauisch wissen, die Augen nach hinten gerichtet.

„Für dein Vertrauen“, flüsterte er ihm ins Ohr, nicht ahnend, was er bei dem Rotäugigen dabei auslöste.

„Du bist wirklich betrunken.“ Mit diesen Worten nahm der Graublauhaarige Reis Hände und löste sie von seinem Bauch, was dieser problemlos zuließ, und drehte sich um.

Die goldenen Augen funkelten ihn halb geschlossenen an, ein Lächeln auf den Lippen. Kai musste sich daran erinnern weiter zu atmen.

„Hm hm. Ich denke, ich sollte mir ein Taxi für nach Hause rufen. Du hast doch eine Nummer, oder?“, fragte er müde.

„Ja, im Handy.“

„Darf ich?“

„Du weißt ja, wie es geht“, gab der Graublauhaarige mit einem ironischen Unterton von sich.

Rei kommentierte diesen Kommentar mit einem schelmischen Grinsen.
 

Als Rei wenig später über die Stege verschwand und Kai zurück in die Kajüte ging, fuhr er sich schaudernd über die Arme. Die Gänsehaut, die der Schwarzhaarige ihm mit seiner Schmuseattacke verschafft hatte, endlich verjagend.
 

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Das Kapitel besteht aus Dialogen, ich weiß^^°.

Es wird langsam.

Zwischen den Beiden gibt es viel Konfliktpotenzial und viel Unausgesprochenes, aber ich denke, das ist auch in Ordnung so. Was meint ihr?
 

Über Kommentare würde ich mich sehr freuen!
 

Bye
 

Minerva



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  caramel-bonbon
2011-11-27T22:25:57+00:00 27.11.2011 23:25
egal, wie sehr das geschwätz im radio, der geschirrspüler in der küche gleich neben mir oder meine mutter im bad löcher in mein hirn bohren, schon nach den ersten worten bin ich wieder dermaßen gefesselt und in diese kleine fiktive welt eingetaucht, dass mich alles nicht mehr stört... ist deinem schreibstil zu verdanken :)

bitte was? liebhaber? einer von vielen? haha lol, wie das klingt XD
fiepen... oje, ich wittere ein girlie XD nein, wie witzig XD
oh jaaaa, da würde ich glaub ich auch sterben... *-* bzw. mich zusammenreißen, dass ich nicht an was schmutziges denke XD
irgendwie versteh ich das nicht so ganz, bin wohl nicht so schlau wie rei ^^’ aber wieso war das so klar, dass kai sich in eine tierärztin verliebt hat?
60? holla, da war ja jemand fleissig! 8D wobei... auf vier jahre verteil ist das pro monat eine, das ist ganz akzeptabel :)
hahaha im vergleich dazu ist rei ja richtig keusch... kchchch XD armer junge, ka lacht ihn aaaaaaus... XD
oje, jetzt ist er beleidigt... wieso, denn, wenn er doch dazu steht! ich kenne frauen, die sind 22 und hatten noch nie sex... aus überzeugung...
der vergleich mit dem wilden hund finde ich sehr gelungen!!
unglaublich, was die beiden sich an den kopf werfen... allerdings ist der wein wohl auch etwas schuld daran, was rei betrifft zumindest...

ach, bei dem wort rubine (kais augen) denke ich immer an zelda, da heißt die währung ja so, das ist komisch XD

seeehr dünnes eis.. kai so zu provozieren... ôo
haha, diese dialoge und dieses analysieren non-verbaler handlungen ist einfach nur prickelnd, ich liebe es!!
das mit dem finger krumm machen ist auch so köstlich! :D
hintereinander!!! aaaaahahaha lol XD
ich glaaaube, wir kommen der sache langsam näher XD
oohjaa, das war ein guten kapitel! lustig, ernst, informativ hehe
das nächste monster-kapitel nehm ich mir ein ander mal vor :)

der schluss war einfach mal wieder zucker, du schaffst es einfach, immer einen guten schluss zu finden ^^
*bonbon da lass*

Von:  X66
2011-05-22T20:58:42+00:00 22.05.2011 22:58
Je länger ich drüber nachgedacht habe, desto mehr freunde ich mich mit dem Gedanken an, dass Kai schon mit so vielen Leuten ins Bett gegangen ist. Es ist nicht der einzige Weg, wie Kai auf Bindungsängste wegen der recht lieblosen Kindheit in der Abtei reagieren könnte, aber doch ein möglicher (womit ich mich nur aus dem Grunde anfreunden muss, weil dieses Verhalten mir so fremd ist, also eine sehr subjektive Sache ;) ). Umso besser gefiel mir der Kontrast, den dies aufgebaut hat, wenn man daneben Rei mit seiner Beziehung zu Mao betrachtet – jede Menge Konfliktpotenzial! xD

Letztes Mal hatte ich ja geschrieben, dass ich gespannt wäre zu sehen, wie es zu KaRe kommt, nachdem Kai und Rei es beide eher mit Frauen zu haben scheinen. Da hab ich mich gefreut zu lesen, dass zumindest Kai da schon mal die ein oder andere Erfahrung gesammelt hat – was ihn auf den richtigen Weg zu Rei bringt xDD

Einmal hast du Reis Gedanken mit // eingerahmt, andere Male nicht. Ich würde diese besonderen Markierungen, die in Büchern etc. ja auch nicht verwendet werden, einfach weglassen. Wenn du ein „dachte“ dazu schreibst, wird einem schon klar, wie das gemeint ist J

Was mir noch auffiel: du wechselst ständig die Sichtweise zwischen Kai und Rei. Das ist zwar sehr praktisch, weil es einem erlaubt, von beiden Gedanken und für die Geschichte wichtige Informationen mitzubekommen, aber es ist auch schwierig, weil es den Leser schnell verwirrt, bei welchem Charakter er sich gerade befindet. (Besonders, wenn die POV nicht kapitelweise wechselt, sondern während des Kapitels.) Je nach dem kann es den Leser auch ganz schnell aus einer Szene „rauswerfen“, weil man sich gerade in einen Charakter eingefühlt hat und so, na ja.

Besonders gefielen mir in diesem Kapitel übrigens die Dialoge, also hab ich durchaus nichts dagegen, wenn in deinen Kapiteln viel davon vorkommt. (Weil du das unten drunter so kommentiert hattest, als würde es dir leid tun, dass es so gekommen ist – das muss es meiner Meinung nach gar nicht <3)
Von:  WeißeWölfinLarka
2011-04-05T17:46:10+00:00 05.04.2011 19:46
Er geht an Kais Handy? Echt? Das sollte sich mein Ray in „Guilty“ mal erlauben XD
Übrigens: Bei der Rechnerei hab ich aufgegeben. Ich hab zwar angefangen, es verstehen zu wollen, aber ausgerechnet – nein. Bin ja auch kein Naturwissenschaftler. Liegt mir gar nicht. Warum lamentiert Kai darüber? Er als Verkäufer müsste doch auch gut im Kopf rechnen können XD
Achso, ja, ich finds auch sehr interessant, dass Kai mal in Deutschland studiert hat :D

Von:  Pfefferminze
2011-04-04T14:48:26+00:00 04.04.2011 16:48
Ein betrunkener Rei ist ein widersprüchlicher Rei xD Sagt ieh und knuddelt dann Kai *rofl*

Die Dialoge mussten ja mal sein, also mach dir desgwegen keine Sorgen. Jazz klingt nach einer netten Person, allerdings hat mich ihr Kommentar ähnlich stutzig gemacht wie Rei.
Liebhaber klingt nach etwas, vor allem in Kombination mit einem 'wieder', nach einer festeren Sache. Ich bin also gespannt, ob es bei diesen mickrigen Erklärungenv on Kai bleibt xD"

LG
Von:  BeautyRani
2011-04-03T18:29:44+00:00 03.04.2011 20:29
Hello^^

*deine Schleichwerbung mich erreicht hat*^^

Wieder mal Daumen hoch für die schöne Länge des Kapis und auch der Inhalt hat mir gut gefallen.

Vor allem Reis Umarmung am Schluss und dann noch der letzte Satz, dass Kai davon ne Gänsehaut bekommen hat, da sag ich doch nur: Da geht doch was!!! *zwinker*
Und auch bei Reis Frage, ob Kai bis jetzt nur zweimal verliebt war und sein Kommentar aus einem ´eigentlich schon` bestand, hat wieder mal meine Fantasie angekurbelt und ich werde das Gefühl nicht los, dass Rei ebenfalls dazu gehört oder interpretiere ich in diese zwei Worte doch zu viel rein?

Und als Kai die Zahl 60 gesagt hat, dachte ich mir erst „Oh, Kai du Playboy“ XD
Aber dann hab ich mich wieder daran erinnert, dass er ja schon 26 ist, also irgendwie schon eine akzeptable Zahl, ich hoffe nur, darunter war kein Rothaariger Russe mit eisblauen Augen dabei XD (kennst ja meine Einstellung zu dem YuKa Paar)

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Kai aus Liebeskummer zu Rei, mit den besagten drei Herren geschlafen hat, aber die beiden haben sich ja Jahre nicht mehr gesehen von daher komme ich mit meiner Vermutung schon etwas ins Schwanken, trotzdem darf man hier ja noch träumen ^.~

Und keine Sorge, in einer FF muss man ja auch miteinander ´kommunizieren` können und das tun sie hier ja eindeutig^^

Hab im Übrigen einen winzig kleinen Fehler gefunden und zwar heißt es bei dir: ´mit unbewegter Mine`, da fehlt bei Mine ein ´e` ^.~ *auch mal nützlich bin*XD

Etwas hat mich jedoch stutzig gemacht, nämlich bei deinem Satz hier:
„Erinnern konnte er sich nur an diejenigen, die sein Herz gefangen nahmen, egal ob es sich dabei um Liebe oder Freundschaft handelte.“
Kai hat Rei ja gesagt, dass er nur zweimal verliebt gewesen war und das in seine besten Freundinnen mit denen er ja nicht geschlafen hat, zumindest hast du das nicht geschrieben.
Meine Frage daher: Wer hat dann Kais Herz in Sachen ´Liebe` gefangen genommen, wenn es nicht die beiden Frauen waren??? *confused*

Soooo, ich glaube das war bis her mein längster Kommi ever XD

Ich hoffe, die Fortsetzung lässt nicht lange auf sich warten, will unbedingt wissen wie es weiter geht und mehr solch süßer KaRe Szenen wie am Ende haben *KaRe-Fähnchen schwenk*

LG
Von:  tenshi_90
2011-04-03T16:56:25+00:00 03.04.2011 18:56
Huhu!

Es war wieder ein sehr schönes Kapitel =)

Also, die Unterhaltung zwischen Rey und Kai war richtig interessant... Vor allem die Thematik ;)

Wenn Rey betrunken ist, ist er richtig niedlich =)

Ich bin echt gespannt, wie es zwischen den beiden noch weiter geht ^^

Also bis zum nächsten Mal


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