Zum Inhalt der Seite

Lichtbringer

Der Fall des Lichkönigs einmal anders...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Silberne Hände

Das furchterregende Fauchen des Lindwurms, dass schon aus der Ferne zu ihm ans Ohr drang, wies ihm ganz klar die Richtung. Die Höhle konnte nicht mehr ferne sein! Celestian gab seinem treuen Ross Sternenmähne die Sporen. „Los mein guter Freund, leg’ dich ein letztes Mal ins Zeug, die Höhle des Scheusals ist nahe!“

Wieder erklang das entsetzliche Gebrüll des Untieres. Nun drang auch ein spitzer, angsterfüllten Schrei an Celstians Ohr. Er sah auf. „Beim Licht, es ist Prinzessin Amalfis! Sternenmähne, flieg’ wie der Wind, wir dürfen nicht zu spät kommen!“

Sternenmähne antwortete mit einem lauten Wiehern und seine Hufe trommelten noch schneller über den steinigen Boden.

Bald hatten sie die steilen Felsen erreicht, hinter der sich die Höhle des Lindwurms verbarg. Schwungvoll sprang Celestian aus dem Sattel, zog sein Schwert Glamrid, Flammenwächter des heiligen Haines, aus der Scheide und rüstete sich mit seinem magischen Schild Orbas, dem Auge der Wächter. Entschlossen sah er die steinerne Wand hinauf und wandte sich ein letztes Mal an Sternenmähne. „Mein treuer Freund- ab hier muss ich den Weg alleine gehen. Warte hier bis zum Sonnenuntergang und wenn ich bis dahin nicht zurückgekehrt bin, kehre heim zu König Sigmeron und er wird wissen, was zu tun ist! Aber mit Glamrid an meiner Seite werde ich diese Prüfung bestehen!“ Celestian riss das Schwert in die Höhe und grüne Flammen umzüngelten den Stahl. „Wohlan, es gilt eine Prinzessin zu retten!“

Der wackere Krieger warf einen Blick auf den Ring der neun Mächte. Das Leuchten des magischen Steines hatte sich verstärkt und Celestian wusste, wohin er zu gehen hatte. Als er die oberen Felsen erklommen hatte, erblickte er im Tal die dunkel gähnende Drachenhöhle.

Und direkt davor, gekettet an einen hölzernen Pfahl, stand seine geliebte Amalfis! Sie lebte noch! Sein Herz juchzte für einen Freudenmoment auf. Aber das arme Ding sah arg mitgenommen aus, ihre Kleidung hing zerrissen, ihr goldenes Haar zersaust – das Untier würde bezahlen für alles, was er ihr angetan hatte! Celestian sprag hinab in den steinernen Vorhof der Höhle. „Prinzessin! Ich bin gekommen, um euch zu retten!“

Amalfis sah auf, erfreut und angsterfüllt zugleich. „Geliebter! Kommt nicht näher, es ist eine Falle!“ In diesem Moment erscholl wieder das markerschütternde Fauchen aus dem Dunkel der großen Höhle. Ewas begann sich dort zu regen und kam näher. Und es war sehr groß. Celestian riss seinen Schild hoch und hielt Glamrid angriffsbereit.

Da schoss auch schon der mächtige Lindwurm aus der Höhle, noch entsetzlicher und grausamer anzusehen, als Celestian es sich in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Er hatte den gehörnten Kopf und den Hals einer riesigen Schlange, den geschuppten Körper einer Raubkatze und den dornenbewehrten Schwanz eines Krokodils. Gewaltige Flügel wie die einer Fledermaus entfalteten sich auf seinem Rücken und von seinen Spitzen Fängen triefte der Geifer. Sein Gebrüll hallte von den Wänden wieder. Aber Celestian blieb standhaft. „Kreatur der Finsternis, nun hat dein letztes Stündlein geschlagen. Nie wieder wirst du die Bewohner von Felonien in Angst und Schrecken versetzten!“

Wieder brüllte die Kreatur auf und es klang wie ein höhnisches Lachen. Der Lindwurm richtete sich zu seiner vollen Größe auf, reckte seinen Kopf nach hinten und holte tief Luft.

Dann rast sein dreieckiger Schädel wieder nach unten und spie einen gewaltigen Strahl Feuer- genau in Prinzessin Amalfis Richtung! Celestian schrie auf und sprang....“

„Seyfried!“

Indigniert sah der junge Paladin auf und schnellte dann von dem gepolsterten Holzschemel hoch, als er seinen Vorgesetzten erkannte. Kallian hatte sich mit in die Hüften gestemmten Armen vor ihn gestellt und sah ihn tadelnd an. „Was lest ihr denn da schon wieder für einen Schund?“ Er streckte ihm mit einer auffordernden Geste die Hand entgegen.

Äußerst widerstrebend klappte Seyfried den Deckel des kleinen, recht abgenutzten Buches zu und reichte es dem älteren Paladin. Dieser warf einen verächtlichen Blick auf die abgeriebenen Goldbuchstaben des Titels und sah wieder zu dem rotlockigen, jungen Mann. „Die unglaublichen Abenteuer des Celestian von Rabenhausen“ Kallians Mund verzog sich zu einem herablassenden Lächeln. „Junger Paladin, ihr solltet euren Geist wahrlich mehr mit erhabeneren Worten schulen als sie hier in dieser niederen Literatur zu finden sind.

‚Die zehn Wege der Erleuchtung’ von Ottofreyd Maroso oder ‚das Licht im Fokus’ von Anselmus von Karbungen sind Werke, mit denen sich ein junger Krieger der Lichts befassen sollte- aber doch nicht mit so etwas!“ Kallian reichte ihm das Buch zurück.

„Die sind aber nicht so spannend,“ murmelte Seyfried leise und fing sich sogleich einen zweiten, tadelnden Blick ein. Seufzend legte der junge Mann das Buch zur Seite. Der heilige Kallian konnte einem aber auch jeden Spaß verderben.

Kallian von Seebrück, ein durchtrainierter Mann Anfang Dreißig mit asketischem Gesicht und sehr gepflegtem, langen, braunem Haar, stammte ursprünglich aus dem Rotkammgebirge, war aber schon früh seiner Berufung als Krieger des Lichts gefolgt. Er war nach Lordaeron gegangen, um dort unter der Anleitung der damals angesehensten Paladine Uther Lichtbringer und Tirion Fordring zu einem strahlenden Ritter des Lichts ausgebildet zu werden. In der Gruppe der Aspiranten, die in der Kathedrale zu Stratholme zusammen mit ihm die Weihe zum Ritter der silbernen Hand empfangen hatten, war auch Prinz Arthas gewesen. Für gewöhnlich war die Weihe einer der erhabensten Momente im Leben eins jeden Paladins und die meisten wurden nicht müde, es bei passender Gelegentheit einzuflechten, wie sie vom Licht berufen wurden. Nicht so Kallian. Er sprach niemals darüber.

Gemeinhin wurde spekuliert, dass er sich schämte, mit Arthas zusammen die Weihe empfangen zu haben, aber manchmal blitze durch, dass mehr dahinter steckten musste. Kallian war nach seiner Initiation in das südliche Königreich zurückgekehrt und so von dem Grauen, das wenige Jahre später über den Norden mit der Geißel hereinbrach verschont geblieben- dennoch war er einer der Ersten, die kamen, um den Widerstandskämpfern in Lordaeron beizustehen. Viele Paladine der silbernen Hand hatten im Kampf gegen Arthas Armee des Schreckens ihr Leben verloren und Kallian stand nun Tirion Fordring zur Seite, den dringend benötigten Nachwuchs auszubilden. Nachwuchs wie Seyfried.

Als Seyfried zu Fordring und seinen Widerstandskämpfern kam, war er ein verbitterter, junger Mann gewesen, voller Hass auf Arthas, der ihm seine ganze Familie genommen hatte, erfüllt von glühenden Rachegelüsten – und eigentlich schon viel zu alt, um die Ausbildung zum Paladin zu beginnen. Fordring aber hatte darauf bestanden.

Seyfried Rotpfad entstammte einer ärmlichen Familie von Seifensiedern und Korbflechtern aus Darrowheim und hätte unter normalen Umständen kaum eine Chance gehabt, ein Paladin zu werden, die Kosten für Rüstung, Waffe und Kriegsross wären für seine Familie unbezahlbar gewesen. Es war zwar durchaus üblich, dass ein ganzes Dorf zusammenlegte, wenn ein Heranwachsender sich berufen fühlte oder gewisse Befähigungen zeigte. Seyfried fühlte sich aber zu keinem Zeitpunkt berufen und die einzige Befähigung, die er bis dato gezeigt hatte, war sich vor der Arbeit zu drücken, wenn er mal wieder ein Buch nicht aus der Hand legen konnte. Er wollte immer in die weite Welt hinausziehen und ein großer Abenteurer werden- so wie der Zwerg Muradin Bronzebart, von dem man immer wieder die tollsten Geschichten hörte. Aber dann war die Geißel über Lordaeron hinweggefegt und hatte sein Leben in rauchende Trümmer und Verzweiflung gestürzt. Wie fast alle Überlebenden hatte er sich dem Widerstand angeschlossen. Der einstmals des Hochverrats für schuldig befundene und geächtete Paladin Tirion Fordring hatte den von Arthas aufgelösten Paladin-Orden der silbernen Hand wieder ins Leben gerufen und mit seinen Paladinen das völkerübergreiffende Bündnis der Argentumdämmerung geründet, das nur ein Ziel kannte – den Lichkönig zu vernichten und die Geißel für alles Zeiten aus dieser Welt zu eliminieren. Angehörige aller Völker, waren ihnen in Scharen zugerannt, allen voran die Vetriebenen und Verzweifelten aus Lordaeron. Verzweifelte wie Seyfried.

Tirion Fordring war ihm in dieser Zeit wie ein leuchtendes Signal der Hoffung in dunkler Trostlosigkeit erschienen, er verehrte den alten Krieger des Lichts zutiefst- vom ersten Augenblick an. Und als Fordring geradezu darauf bestand, ihn zum Paladin auszubilden, konnte Seyfried es zunächst überhaupt nicht fassen. Genauso wenig wie Kallian.

Für ihn war der Junge ein hoffnungsloser Fall. Bis er erkennen musste, warum Fordring darauf bestanden hatte. Würde er auch niemals ein herausragender Kämpfer werden, seine Fähigkeiten, das Licht zu kanalisieren, waren einzigartig. Was Kallian sich hart hatte erarbeiten müssen, schien dem Jungen einfach nur so zuzufallen. Bis er begann, immer mehr Fehler zu machen. Zunächst hatte Kallian sich gewundert. Aber dann verstanden. Seyfried machte die Fehler seinetwegen. Erst hatte es ihn beinahe gerührt. Dann hatte es das Gefühl von Wut und Ungerechtigkeit in ihm geweckt. Lange war er in sich gegangen und hatte darüber meditiert. Nach ausgiebigen Gesprächen mit Tirion Fordring konnte er langsam akzeptieren, dass es immer jene gab, die das Licht ganz besonders liebte. Und es gab solche, die auserkoren waren, jene auf ihrem Wege zu leiten. Er, Kallian, sowie auch Tirion Fordring selbst gehörten zu solchen, die leiteten – und denen somit große Verantwortung auf die Schultern gelegt worden war. Und von da an sah Kallian es als seine Berufung, Seyfried nach besten Vermögen auf den Pfad des Lichts zu führen. Was ihn bisweilen hart an seine Grenzen brachte, vor allem, wenn es darum ging, dem jungen Mann den Sinn und die Notwendigkeit geistiger Meditation und innerer Einkehr nahe zu bringen.

Vor einem guten halben Jahr erst, kurz bevor sie nach Nordend abberufen wurden, hatte Seyfried mit den anderen Aspiranten in der kleinen Kirche zu Süderstade in dem Vorggebirge von Hillsbrand, dass bisher mit Hilfe massiver Truppenunterstützung aus Sturmwind erfolgreich gegen die Geißel verteidigt werden konnte, die Weihe empfangen. Es war eine schöne, erhabene Feierlichkeit gewesen. Natürlich kein Vergleich zu den Initiationen in der prachtvollen Kathedrale zu Stratholme, aber dem Anlass durchaus angemessen. Nur das Strahlen, als Seyfried der Hammer überreicht wurde, hatte wieder unliebsame Erinnerungen bei Kallian geweckt, die er aber schnell beiseite gewischt hatte.

Auch wenn er nun ein geweihter Paladin war- zu Seyfrieds großem Leidwesen sah Kallian seine Ausbildung mitnichten als abgeschlossen an. Glücklicherweise gab es in der riesigen Festungsanlage genügend Möglichkeiten, den erhabenen Worten und erleuchteten Lehren des heiligen Kallian immer mal wieder zu entkommen. Das Kallian ihn aber ausgerechnet jetzt in der beheizten Gesindestube der Stallknechte entdecken würde, war ausgesprochen ärgerlich.

Sehnsüchtig warf er einen letzten Blick auf das Buch und folgte dann seinem älteren Vorgesetzten nach draußen.

Es war noch recht früh am Tage, die ersten Strahlen der morgendlichen Wintersonne blinzelten soeben über den hohen Mauerkamm des inneren Festungswalls. Ein frostblauer, wolkenloser Himmel wölbte sich über der Leere des weitläufigen, mit riesigen Steinplatten gepflasterten Platzes vor der Burg. Der eine oder andere Stallknecht oder Soldat, der über die riesige Freifläche eilte verlor sich in der Weite des Platzes.

Seyfreid ärgerte sich, dass er seinen gefütterten Mantel in der Gesindestube hatte liegen lassen. Die Morgenluft war bitterkalt. Fröstelnd schlang er seine Arme um sich und versuchte, ein nicht ganz so jämmerliches Bild vor seinem Vorgesetzten abzugeben.

Kallian sah ihn mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln an.

„Das Kommandant Sardak Dunkelschwinge gestern mit seinem Erkundungtrupp vorzeitig zurückgekehrt ist und dabei in einen Hinterhalt der Geißel geriet, davon habt ihr sicherlich gehört.“

Der junge Paladin nickte. „Allerdings. Freunde von mir waren dabei. Mograine hat sie glücklicherweise rechtzeitig herausgehauen!“

In Kallians Stirnrunzeln mischte sich jetzt wieder leiser Tadel.

„Fürst. Mograine. Auch wenn Fürst Mograine nicht mehr unbedingt unseren Vorstellungen eines Verbündetem entspricht, so ist er dennoch ein verdienter und angesehener Ritter der silbernen Hand gewesen und der Letzte, der das Blut der alten Könige in sich trug. Wir sollten dem, was er war und dem großen Opfer, was er für uns gebracht hat Respekt erweisen, ganz ungeachtet dessen, was er nun ist.“

Seyfrieds Blick wanderte betreten zu Boden, entdeckte dort einen abgebrochenen Eiszapfen und trat ihn von sich. Kallians leises Seufzen hörte er nicht.

Der ältere Paladin fuhr fort. „Da dieser Vorfall der Letzte einer bereits länger andauernden Reihe von Überfällen seitens der Geißel auf unsere Außenposten war – und nicht nur auf unsere Posten, auch Späherposten der Horde sind Hinterhalten von Seuchenpirschern zum Opfer gefallen – hat Hochlord Fordring die Führungsspitze des Bündnisses heute Nachmittag zu einer Besprechung einbestellt um die Möglichkeiten einer zeitnahen Offensive gegen den Lichkönig zu aspektuieren.“

„Wow! Endlich gehen wir wieder gegen Arthas vor!“ Aber so leicht, wie Seyfried die Worte über die Lippen gekommen waren, fühlte sich dieses aufgekeimte Gefühl in seiner Magengrube nicht an. Noch zu lebendig waren die schrecklichen Bilder von der Pforte des Zorns. Viele gute Kämpfer hatten dort ihr Leben verloren. Er hatte nur überlebt, weil er als Heiler in die hinteren Reihen abkommandiert worden war und so den tödlichen Giftwolken noch rechtzeitig entkommen konnte. Andere aus den Reihen der silbernen Hand waren nicht so glücklich gewesen. Ganz besonders schmerzlich war der Verlust von Hochlord Fordragon gewesen, der die Offensive an der Pforte des Zorns zusammen mit dem Sohn des orkischen Kriegsherrn Saurfang geführt hatte. Er hatte den ruhigen, dennoch humorvollen Paladin sehr gemocht.

Kallian nickte nachdenklich. „Ja. Es sieht ganz so aus.“ Er schwieg einen langen Moment, dann wandte er sich wieder an den rotlockigen, jungen Mann.

„Hochlord Fordring wünscht, dass ihr bei der Besprechung zugegen seid.“

Erstaunt wies Seyfried auf sich und vergaß für einen Moment die Kälte. „Ich? Aber ich bin doch nur ein kleiner Heiler.“

„Nun stellt mal euer Licht nicht so unter den Scheffel, Seyfried. Genau darum will der Hochlord euch wahrscheinlich diesmal dabeihaben. Die Besprechung wird aller Voraussicht am frühen Nachmittag stattfinden – kommt noch einmal zu mir, wenn sie hier draußen beginnen, die Vorbereitungen für das Herunterfahren des Schildes zu beginnen. Ich werde euch noch einige Details und Verhaltensregeln mitgeben. Das Waffentraining fällt für euch heute aus.“ Es war nicht ganz offensichtlich, ob es Gleichgültigkeit oder Resignation war, die sich nun auf Kallians Züge legte. „Und von mir aus könnt ihr euch vorerst wieder in eure heldenhaften Abenteuer vertiefen.“

Seyfried grinste, verbeugte sich dankend und eilte schnurstracks wieder zum Gesindehaus zurück, allein schon um zu vermeiden, das Kallian doch noch sein Zähneklappern bemerkte.
 

Celestian schrie auf und sprang mitten in die Feuerlohe. Dabei riss er seinen Schild Orbas hoch, so dass das gleißende Licht des Feuers von dem glänzenden Metall reflektiert wurde und so den Lindwurm blendete! Das Untier brüllte zornig auf und hieb mit seiner gewaltigen, krallenbewehrten Pranke auf den wackeren Recken ein. Celestian aber zog grünflammend sein Zauberschwert Glamrid hervor und hieb der Kreatur mit einem gewaltigen Schlag die Pranke ab. Dunkles Blut spritze in alle Richtungen während der Lindwurm vor Schmerz rasend sich aufbäumte und mit seinem dornenbespickten Schwanz ausholte. Drachenblut hatte für einen Moment Celestians Blick vernebelt und so sah er die tödliche Gefahr nicht mehr rechtzeitig kommen- der wuchtige Aufprall des Schwanzes schleuderte ihn zu Boden und ein heftiger Schmerz durchfuhr sein linkes Bein. Ein Dorn hatte sich tief in das Fleisch seins Oberschenkels gebohrt. Das Untier erhob sich jetzt zu seiner vollen Größe, immer noch spritzte Blut aus dem Stumpf der abgetrennten Pranke und ein dunkelroter Regen ging auf die Felsen ringsumher hernieder. Mit einem Brüllen, das selbst die Säulen der Welt erschüttern ließ, raste der massige Leib Celestian wieder entgegen. Aber der Gedanke an seine geliebte Amalfis hatte ihm nochmals neue Kraft gegeben. Mit einem wütenden Schrei riss er Glamrid im letzten Moment hoch und trieb die flammende Klinge tief in den schuppenbewehrten Leib des herabstürzenden Lindwurms. Die Kreatur brach mit einem finalen, ungläubigen Fauchen tot zusammen. Im letzten Moment konnte sich Celestian zur Seite rollen.

Aber er wusste, das die Dornen des Untiers mit tödlichem Gift benetzt waren und spürte das Gift bereits heiß in seinem Körper brennen. Wenn er es nur noch schaffen würde, die Fesseln der Prinzessin zu lösen...“

„Seyfried!“

„Was!“ Wütend klappte der junge Paladin das Buch zu und blickte hoch, jetzt war er wirklich verärgert. Mathis der Steinmetz stand in der Türe zum Gesinderaum und sah ihn fragend an. Er kannte Mathis noch von früher, der blatternarbige Mann hatte eine ganze zeitlang in Darrowheim gewohnt und die örtliche Kapelle gebaut, war aber dann mit seiner Familie mangels Arbeit nach Lordaeron-Stadt gezogen.

„Was gibt es, Mathis?“ Der Klang in Seyfrieds Stimme unterstrich recht deutlich, dass der junge Paladin im Moment nicht gestört werden wollte, was Mathis aber schlichtweg ignorierte.

„Wir brauchen deine Hilfe, Seyfried.“

Seyfried seufzte, stand schwerfällig auf, schlüpfte in seinen Mantel und ließ das Buch in eine der tiefen Manteltaschen gleiten. Mißmutig kam er Mathis entgegen.

„Wenn es wieder einer deiner Zwergenfreunde ist, den ihr nicht aus seinem Rausch geweckt bekommt- Mathis, du weißt, bei so etwas kann ich nicht helfen.“

Mathis schüttelte vehement den Kopf. „Nein, nein, wegen so einer Lappalie bin ich nicht hier. Es ist etwas komplizierter.“ Er begann etwas herumzudrucksen. „Lass’ uns doch einfach erst einmal gehen.“

„Wohin?“

„Wirst du schon sehen, komm einfach.“

Jetzt war Seyfrieds Neugier doch geweckt worden und er eilte Mathis über den riesigen Freiplatz in die Richtung des inneren Festungstores nach.

„Erzähl’ mir doch schon einmal was!“

„Ich habe dir doch gestern von dem Besuch berichtet, den wir aus den Sturmgipfeln mitgebracht haben.“

Seyfried nickte. „Du meinst diese Blutelfe, die Golofin aus der Schlucht gefischt hat?“

„Die meine ich,“ bejahte Mathis. „Was ich dir nicht erzählt habe, ist warum sie alleine auf dem Weg hierhin war.“

„Mach’s nicht so spannend.“

„Nach allem, was ich so mitbekommen habe, war sie mit Hochlord Fordragon liiert, ist in der Scherbenwelt von ihm getrennt worden und hat nun gehofft, ihn hier zu finden.“

Der junge Paladin schwieg einen Moment, während er Mathis jetzt zwischen den Zelten hindurch folgte. Der ältere Mann hielt zielstrebig auf den Aufgang zu einer der Geschützkanzeln im Eiswall zu.

„Da ist nicht gut. Habt ihr es ihr denn gesagt?“

„Balinar hat ihr gestern die traurige Nachricht überbracht.“

„Ihr habt sie die ganze Zeit mit euch reisen lassen und kein Wort darüber verloren?“ Seyfried krauste etwas unwillig die Stirn.

Mathis zuckte mit den Schultern. „Golofin war der Meinung, es wäre besser, dass sie es erst hier erführe. Er fürchtete wohl, sie hätte uns ansonsten nicht begleitet und er wollte sie nicht alleine in den Sturmwipfeln mit den Seuchenpirschern zurücklassen.“

„Womit er natürlich nicht ganz unrecht hat,“ entgegnete Seyfried nachdenklich. „Ich wusste gar nicht, das Hochlord Fordragon eine Liaison mit einer Blutelfe hatte. Hat er nie von erzählt.“

„Eine Liaison im herkömmlichen Sinne ist das wohl auch nicht gewesen. Er scheint ihr mehr ein Mentor gewesen zu sein. Hat ihr wohl auch einige eurer Lichttricks beigebracht.“ Mathis grinste.

Seyfried runzelte wieder die Stirn. „Zum ersten, Mathis, sind das keine ‚Lichttricks’ und zum zweiten können Blutelfen so etwas nicht.“

Mathis Grinsen wurde breiter. „Zum ersten entschuldige ich mich für die Lichttricks und zum zweiten, doch, können sie. Ich hab’s selbst erlebt, wie sie mir im Kampf mit einem Lichtschild den Hals gerettet hat.“ Er stieg die hölzerne Treppe zur Geschützkanzel hoch, Seyfried folgte ihm. „Das ist erstaunlich. Aber warum auch nicht? Hochlord Fordring sagt ja auch, dass jeder den Weg zum Licht finden kann.“

Er hatte hinter Mathis die mit Holzplanken ausgelegte Plattform erklommen, auf der ein größeres Speerkatapult stand. Die beiden dort postierten Wachsoldaten grüßten sie freundlich und störten sich nicht weiter an ihrer Anwesenheit. Wie Mathis lehnte sich der junge Paladin über die Brüstung einer Schießscharte und sein Blick fiel auf den langen Mauerabschnitt aus Eis, der zur nächsten Geschützkanzel führte. Eine Handvoll Krähen hatte sich auf dem gefrorenen Mauerkamm niedergelassen, pickten hier und da ins Eis und beobachteten neugierig das mittlerweile überall im äußeren Festungsring erwachte Leben.

Seyfried wandte sich wieder an Mathis. „Und weswegen sind wir jetzt hier?“

Mathis wies über die Brüstung hinaus an den Rand des Bergkammes, der in direkter Sichtlinie zur Eiskronenzitadelle lag. Auf einem der Felsen, die dort aus dem Schnee ragten, hockte etwas. Zunächst hielt Seyfried es für eine weitere Krähe, erkannte aber dann, dass dort jemand saß.

„Sie sitzt dort schon seit dem frühen Morgenrot.“ Mathis hielt seinen Blick unverwandt auf die kleine Gestalt gerichtet. „Golofin und mich will sie nicht sehen.“

„Würde ich auch nicht wollen, wenn man mir eine solche Information den ganzen Rückweg über vorenthalten hätte.“ Seyfrieds Augen wanderten nach rechts zu den Palisaden. „Ist das nicht Golofins Hundeschlitten da drüben?“

Mathis nickte. „Yepp. Er passt auf, dass da nicht nachher noch ein Seuchenpirscher oder ein ähnlich unliebsamer Besucher auftaucht. Wenn wir sie schon nicht überzeugen können, wieder hereinzukommen...“

Seyfried zog seine hellen Brauen hoch. „Ihr scheint euch ja wirklich um sie zu sorgen.“

„Wir fühlen uns irgendwie verantwortlich. Ich meine, an der traurigen Nachricht hätten wir nichts ändern können, aber vielleicht wäre es doch besser gewesen, ihr direkt die Wahrheit zu sagen,“ entgegnete Mathis reichlich zerknirscht.

„Und was wollt ihr jetzt von mir?“

„Du bist doch ein Paladin. Wir haben uns überlegt, wo sie doch schon diese Neigung zum Licht hat, vielleicht könnte es ein wenig helfen, wenn sich jemand um sie kümmert, der sich damit auskennt- ihr vielleicht noch ein bisschen mehr von dem zeigt, was Hochlord Fordragon offensichtlich begonnen hat...“ druckste Mathis herum.

Seyfried sah ihn mit einem Ausdruck der Befremdlichkeit an. „Ihr wollt, dass ich sie ausbilde? “ Er verzog unwillig seinen Mund. „Wie stellt ihr euch das vor? Ich kann doch nicht einfach irgendeiner Blutelfe den Pfad des Lichts weisen, ganz zu schweigen davon, dass ich überhaupt nicht dazu befugt bin – und auch gar nicht wüsste, wie!“

Mathis machte eine beschwichtigende Handbewegung. „So habe ich das ja auch gar nicht direkt gemeint, ich dachte nur, vielleicht kommt jemand, der Hochlord Fordragon gut kannte und auch dieses silberne Dingsda um den Hals trägt, im Moment besser an sie heran. Sie kann doch nicht die ganze Zeit da draußen sitzen bleiben.“

Seyfried wirkte alles andere als begeistert. „Ganz ehrlich, Mathis- mir reicht eine Blutelfe in der Burg, da muss ich nicht noch eine in meiner Nähe haben.“

„Diese arrogante Buhlschaft von König Varian kannst du nun wirklich nicht mit dem Mädchen vergleichen. Du wirst sie mögen, vertrau mir. Hochlord Fordragon war ihr ja auch zugetan...“ Mathis krauste die Stirn.

Ein kurzes, sarkastisches Grinsen zuckte in Seyfrieds Mundwinkeln.

„Die Führungsriege von Sturmwind scheint ganz offensichtlich einen Hang zum Exotischen zu haben.“ Er sah wieder hinaus und versuchte, Details in dem kleinen schwarzen Umriss auf dem Felsen zu erkennen. Der Gedanke an Bolvar Fordragon hatte einen Hauch von Traurigkeit über sein Gemüt geweht. Und auf eine gewisse Weise dauerte ihn das unbekannte Mädchen da draußen. Sie war den ganzen, langen Weg von der Scherbenwelt hierher gekommen, um dann zu erfahren, dass er tot war. Mit einem versöhnlichen Lächeln nickte er Mathis zu. „Ich lass’ mir etwas einfallen.“
 

Hochlord Bolvar Fordragon fiel an der Pforte des Zorns. Er starb als Held.

Wie ein Echo in einen nicht endenen Gang waren die Worte durch ihr Innerstes gehallt und hatten einen Vorhang aus Dunkelheit und Leere mit sich gerissen. Die ganze Zeit hatte sie es geahnt, aber nicht wahrhaben wollen. Hatte verzweifelt diesen winzigen Funken Hoffnung in ihrem Innersten bewahrt, das das Licht doch immer mit den seinen war und man nur genug Vertrauen haben musste. Aber Herrn Balinars Worte hatten den Funken in die Finsterniss davongefegt. Wie auch alles andere. Kein Hass, keine Zorm, keine Trauer. Selbst Tränen waren in der Leere versickert.

Sein Tod wird gerächt werden, hatte Herr Balinar gesagt. Schließt euch uns an, denn wir werden dafür sorgen, dass sein Tod nicht umsonst gewesen sein wird. Wenn der Schlächter auf dem Frostthron gefallen ist, wird wieder Frieden einkehren- Frieden in das Land und in unsere Seelen.

Er hatte ihr die Hand gereicht, aber sie war nur aufgestanden und wortlos gegangen. Wie in einem Traum, in dem sie über sich schwebte war sie Golofin zurück zum äusseren Ring gefolgt. Er hatte sie zu Jaelle ins Zelt gebracht und dort hatte sie sich, so wie sie war, einfach nur auf die Bettstatt gelegt und den Filzhimmel angestarrt. Jaelle Bemühungen, mit tröstenden Worten und einem heissen Kräutertee sie aus dieser Stasis der Leere zu holen hatte sie völlig ignoriert. Am frühen Morgen starrte sie immer noch in den Filzhimmel. Aber langsam schälten sich aus dem gefühllosen Nichts wieder Bilder, Erinnerungen. Und mit den Bildern kam die Traurigkeit. Waren ihr die grauen Filzwände des Zeltes zunächst wie der Kokon erschienen, der sich um ihre Leere schloß, so wurden sie jetzt zu einer erdrückenden Mauer, innerhalb derer sie an der wachsenden Traurigkeit zu ersticken drohte. Sie musste hinaus.

Jaelle hatte noch tief und fest geschlafen und so war sie fast geräuschlos durch die Türe geschlüpft und hatte am grossen Tor im Eiswall Auslass verlangt. Was ihr die Wachen zunächst verwehrten. Schließlich aber hatten sie ihrem Insistieren nachgegeben und sie auf eigene Verantwortung gehen lassen.

Als sie in der eisigen Kälte vor das Tor trat, war der Morgen noch nicht mehr als eine rötliche Ahnung am Horizont, der zwischen der knochigen Architektur der finster aufragenden Eiskronenzitadelle hindurch schimmerte. Wie hyptnotisiert war sie durch den hohen Schnee dem Anblick entgegengestapft, bis zu dem Punkt, an dem die sanft abfallende Fläche des Bergkammes abrupt in eine steile, felsige Schlucht abfiel.

Sie hatte sich auf einen der aus dem Schnee ragenden Felsen gesetzt und den Sonnenaufgang hinter dem steingewordenen Abbild des Grauen beobachtet. Das Grauen, das sie zu dem gemacht hatte, was sie war und das sie ganz offensichtlich nicht mehr loslassen wollte.

Dennoch – da waren kein Hass, keine Rachegelüste, nur dieses überwältigende Gefühl der Traurigkeit, dass sie erfüllte und alles um sie herum so sinnlos erscheinen lies. Allmählich machte sich der Frost bemerkbar, der unter ihre Kleidung gekrochen war. Beinahe dankbar hieß sie den leise beissenden Schmerz willkommen, die alles vereinnamende Kälte die langsam von ihren Körper Besitz ergriff, der frostigen Atem, in dem auch ihre Traurigkeit erstarren würde. Es war so einfach, so verlockend, einfach nur hier zu sitzen und zu auf den eisigen, entgültigen Trost zu warten.

Dann waren Golofin und Mathis neben ihr aufgetaucht und wollten sie zur Rückkehr in die Festung bewegen. Sie war nicht sehr freundlich gewesen und hatte sie fortgejagt. Für einen Moment war sie so wütend geworden, wütend darüber, dass sie sie aus ihrer Starre gerissen hatten, wütend darüber, dass sie es die ganze Fahrt über gewusst und kein Wort darüber verloren hatten. Aber mittlerweile bereute sie ihren Ausbruch auch schon wieder.

Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen, der anfänglich in ihrem Leid so willkommende Schmerz der schneidenden Kälte äusserte sich mittlerweile in einem ausgesprochen unangenehmen Kältezittern. Zurück konnte sie jetzt nicht mehr. Nicht, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Sie starrte in das blendende Licht der aufgehenden Morgensonne. Vielleicht sollte sie einfach loslaufen, laufen und laufen, bis es nicht mehr ging, bis...ja, bis was?

Das Licht gibt immer eine Antwort. Bolvars leise Stimme hallte fern in ihrem Kopf wieder. Nur manchmal sind wir noch nicht soweit, es zu verstehen. Niamanee schüttelte kaum merklich den Kopf. Nein, ich verstehe es nicht. Es führt mich hierher und dann verlässt es mich.

„Wenn ich früher traurig gewesen bin, hat meine Mutter das immer für mich gemacht.“ Die unbekannte Stimme riss sie aus der nächsten, hereinbrechenden Woge trostlosen Selbstmitleids. Niamanee sah auf und blickte erst unwillig, dann überrascht in das etwas verlegen lächlende, sommersprossige Gesicht eines jungen Mannes mit feuerrotem, lockigen Haarschopf, der ihr einen dickbauchigen, dampfenden Tonbecher reichte, aus dem es süßwürzig duftete. Zögerlich griff sie zu und starrte ihr Gegenüber immer noch an.

Das Lächeln des jungen Mannes war eine Spur breiter geworden. „Heisse Mandelmilch mit Gewürzen viel Honig und gerösteten Nüssen.“ Irgendetwas an seiner Aura kam ihr vertraut vor. Und dann wusste sie es. Ihr verbissener Zug um den Mund entspannte sich ein wenig.

„Ihr seid Seyfried, nicht wahr? Da steckt doch bestimmt Mathis dahinter.“

Der Rotlockige wirkte für einen kurzen Moment wie ein erwischter Fuchs im Gänsestall. „Ich bin durchschaut. Mathis traut sich nicht mehr hier her, ist aber der Meinung, das es schade wäre, wenn hier draussen festfrieren würdet.“ Er grinste wieder. „Und weil wir, wie’s aussieht, ein paar Gemeinsamkeiten haben, dachte er sich wohl, dass ihr vielleicht auf mich hören würdet.“

Seine unbekümmerte Art war Niamanee auf Anhieb sympatisch. Und die langsam erwachende Erkenntnis, dass es hier Menschen gab, die kaum kannten, sich aber dennoch um sie sorgten, ließ einen dicken Kloß der Rührung in ihrer Kehle aufsteigen, den sie hastig mit einigen Schlucken süßer Milch wieder hinabzwang. Nicht nur dass die Wärme ihrem durchgefrorenen Körper guttat- der süßwürzige Geschmack weckte längst verschüttete Erinnerungen von Behaglichkeit und Schutz, ließ langsam ihre innere Starre schmelzen. Zum ersten Male seid der Nachricht von Bolvars Tod spürte sie Tränen in ihren Augen brennen, ließ aber nicht zu, dass sie ihren Weg nach draussen fanden.

Seyfried hatte sich neben sie an den Fels gelehnt und blinzelte nun ebenfalls nachdenklich in die entgegenfallenden Strahlen der hellen Morgensonne, in deren leuchtendem Dunst die Eiskronenzitadelle sich nur noch als bizarrer, kontrastloser Schatten erhob.

„Als wir nach dieser schlimmen Sache an der Pforte des Zorns wieder hierher zurückgekehrt waren, habe ich auch lange oben auf dem Eiswall gestanden und im Anblick der Zitadelle mit der Weisheit des Lichts gehadert. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich auch noch keine zufriedenstellende Antwort gefunden.“ Er wandte sich zu ihr um und ein jungenhaftes Grinsen erhellte wieder sein Gesicht. „Aber ich kenne einen Ort, wo man auf die Zitadelle starren kann ohne so frieren zu müssen. Das erleichtert das Nachdenken ungemein!“

Niamanee sah ihn an und zog fragend ihre spitzen Brauen hoch. Seyfried nickte mit dem Kopf zur Feste. „Allerdings müssten wir zurückgehen.“

Mit verschlossener, emotionsloser Miene wandte Niamanees ihren Blich wieder dem Panorama der Eiskronenzitadelle zu. Eigentlich gab es keinen Grund mehr, dorthin zurückzukehren. Sie gehörte dort nicht hin. Auch wenn Allianzler wie Golofin und Mathis ihr ganz offensichtlich zugetan waren, die vielen skeptischen Blicke, die ihr bisher begegnet zeugten von Mißtrauen und Argwohn. Selbst Balniar von Breenan hatte recht verhalten ihr gegenüber reagiert-auch wenn seine Worte anderes bezeugten, so sprach seine Ausstrahlung eine eineutig Sprache. Was also wollte sie hier noch?

„Wollen wir?“ Seyfried deutete eine leise Verbeugung Richtung Feste an. Manchmal sind wir noch nicht soweit, es zu verstehen. Niamanee nickte kaum merklich und kletterte dann ungelenk mit steifgefrorenen Gliedern vom Felsen. Sie warf noch einen letzten, langen Blick auf die Zitadelle und folgte dem Paladin schweigend durch den Schnee. Einige Felsen weiter unterhalb erhob sich eine kleinere Gruppe Krähen und stieg in den frostblauen Himmel auf.
 

Zunächst aber kehrten sie in den ‚hängenden Prinzen’ ein. Seyfried wollte den Tonbecher zurückbringen und es war ihm nicht schwergefallen, Niamanee davon zu überzeugen, dass sie sich erst einmal wieder richtig aufwärmen sollte.

Um die frühe Mittagsstunde war es – vor allem, wenn man an den gestrigen Abend dachte- noch recht leer in dem Wirtshaus. Eventuelle Spuren gestriger Sauf- und Tanzgelage waren bereits restlos beseitigt worden. Ein hübsches Mädchen mit goldbraunem, hochgesteckten Haar und gut proportionierter Figur stand hinter dem langen Schanktisch, begrüßte die beiden mit einem frischen Lachen und fuhr fort, Tonkrüge abzutrocken. Niamanee war nicht im geringsten überrascht, Mathis und Golofin hier zu finden, die mit Dolmin vor dem großen Freikamin saßen und ihr mit einer beinahe schon komisch wirkenden Mischung aus Erwartung und Verdrießlichkeit entgegensahen. Weitaus überraschter war die Elfe, Herrn Lemmele, dem sie gestern in Mikelis Magazin begegnet war, hier anzutreffen. Der hagere Mann hockte wie eine Krähe an einenem kleinen Tisch in der Ecke gegenüber dem Kamin vor einem Teller Eintopf, warf den Neuankömmlingen einen interessierten Blick zu und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Tresen zu.

Und ein weiteres bekanntes Gesicht entdeckte sie an einem der großen Rundtische. Der Nachtelf, der sie gestern zum Tanzen aufgefordert hatte saß dort inmitten einer kleineren bunt durchmischten Gruppe Menschen und Zwergen und vergnügte sich offensichtlich beim Würfelspiel. Als er aufblickte und sie erkannte, nickte er ihr freundlich zu. Für einen Moment blitzte unter seinem Umhang die violette Magisterrobe der Kirin Tor hervor. Was Niamanee noch mehr erstaunte als der Anblick des Herrn Lemmele. Sie hatte keine Ahnung gehabt, das ein Magister der Kirin Tor die Sturmgipfel- Expedition begleitet hatte!

Seyfried hatte bereits seinen schweren, fellgefütterten Ledermantel abgelegt und sich zu Mathis und den beiden Zwergen ans Feuer gesetzt. Etwas verhalten folgte Niamanee seinem Beispiel, schlüpfte aus ihrer Jacke und ließ sich auf dem Stuhl nieder, den Seyfried herangerückt hatte. Zunächst warf sie einen verstohlenen Blick auf die funkelnde silberne Hand an der Kette um Seyfrieds Hals, dann sah sie zu Mathis und Golofin.

„Ich habe vorhin sehr unangemessen reagiert und das tut mir leid.“

„Vergeben und vergessen.“ Golofin winkte ab. „Wir hätten es dir sagen sollen. Dachten aber, du würdest dann nicht mit uns mitkommen und ich wollte dich da nicht im Eis stehen lassen.“

„Ich wäre mit Sicherheit nicht mitgekommen.“

„Bereust du’s?“ Mathis zug fragend die Brauen hoch.

Einen Moment dachte Niamanee nach. Für einen unauffälligen Moment wanderten ihre Augen zu Seyfried und blieben dann wieder auf Mathis hängen. „Nein. Es war gut, dass ihr mir gezeigt habt, dass nicht alle von euch so sind wie die, die ich in der Scherbenwelt kennengelernt habe.“

Mathis narbiges Gesicht verzog sich zu einem schrägen Grinsen. „Wie doch ein gemeinsamer Feind plötzlich alte Animositäten bedeutungslos erscheinen lässt...“

„...wenn da nicht so einige wären, die nicht müde werden uns ständig daran zu erinnern.“

Golofin lehnte sich dem Armstuhl zurück und nahm einen tiefen Zug aus seiner Pfeife.

„Jetzt fang nicht schon wieder damit an,“ knurrte Dolmin und warf Golofin einen mürrischen Blick zu. Golofin zuckte mit den Schultern. „Ich mein’ ja nur.“

Jetzt war es Seyfried, der sich an Niamanee wendte. „Warum habt ihr euch damals eigentlich gegen uns gestellt? Menschen und Elfen waren doch über Jahrhunderte Verbündete. Warum habt ihr das Bündnis verraten?“

„Wir euch verraten?“ Niamanee lachte auf. „Nein, da verkennt ihr aber gewaltig die Tatsachen. Mein Vater hat selbst Truppenkontingente nach Lordearon entsandt, um euch im Kampf gegen die Geißel beizustehen. Wir haben versucht, euch zu helfen, aber euer feiner Marschall Garithos hat die Truppen ins offene Messer rennen lassen, um seine Truppen zu retten! Das Prinz Kaelthas sich mit den falschen Verbündeten eingelassen hat, um seine Kämpfer in einer völlig auswegslosen Situtuation zu retten entschuldigt ihn nicht, aber es war die Konsequenz aus dem Verrat, den ihr begonnen hattet!“ Ein paar mal musste Niamanee nach Worten suchen und je aufgeregter sie wurde, desto mehr rollte ihr Akzent. Aber jetzt wurde ihre Stimme wieder leiser. „Als Arthas fast mein ganzes Volk auslöschte, kam niemand zur Hilfe. Und nachdem die ausströmende, verdorbene Energie des zerstörten Sonnenbrunnen uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind, waren wir plötzlich Verfehmte, Ausgestossene für euch! Thrall und seine Verbündeten der Horde haben uns damals die Hand gereicht und uns vor dem Untergang bewahrt.“

Seyfried hatte mit einem solchen Ausbruch offensichtlich nicht gerechnet und wirkte jetzt etwas zerknirscht. „Das wusste ich nicht. Man hat uns das immer ganz anders erzählt.“

Mathis verschränkte die Arme hinter seinen Kopf und lehnte sich ebenfalls zurück. „Ach Seyfried, die da oben belügen uns doch schon seid Anbeginn der Zeit, ganz so, wie es in ihren Kram passt.“

Der junge Paladin schüttelte den Kopf. „Nein, nicht alle da oben sind so. Fordring zum Beispiel ist anders. Der ist ehrlich!“

„Und ist dafür in den Knast gewandert und in die Verbannung geschickt worden. Aber ja, es gibt Ausnahmen. Sonst hätte der Lichkönig wohl schon längst gewonnen.“

„Aber wie kommen denn dann eine Blutelfe und ein Paladin wie Hochlord Bolvar Fordragon zusammen.?“ Unverhohlene Neugier stand jetzt in Seyfrieds Augen.

Niamanees Gesicht verdüsterte sich.„Darüber kann ich nicht sprechen. Noch nicht.“

Da war diese Provokation in Mathis’ Blick.

„Nein, es ist nicht das, was ihr jetzt denkt!“

„Ihr habt doch bestimmt Hunger, nachdem ihr das draussen so lange in der Kälte gesessn habt!“ Mit einem schrägen Seitenblick zu Mathis wandte sich Seyfried wieder Niamanee und winkte dann dem Mädchen hinter dem Tresen. „Meira, gibt es schon etwas Warmes?“

Das junge Mädchen nickte eifrig. „Wir haben noch warmen Gerstenbrei vom Frühstück!“

„Hört sich gut an,“ lachte der junge Paladin ihr zu. „Bring uns doch bitte zwei Portionen!“

Niamanee war der Anflug von Röte, der Meira über die Wangen gehuscht war, nicht entgangen. Ebensowenig wie starre Blick von Lemmles wässrig-grauen Augen, die ihr nachfolgten.

Am Nachbartisch wurde es jetzt lauter. Niamanee drehte sich neugierig um. Dort war ein lebhafter Disput entflammt und es war nicht zu überhören, dass der Nachtelf sich vehemment über gezinkte Würfel beklagte.

„Ich wusste gar nicht, dass uns ein Magister begleitet hat.“ Die Elfe wandte sich wieder an ihre Runde. Golofin zog gemütlich an seiner langen Pfeife.

„Das ist nichts Ungewöhnliches. Riviel ist Portalmagier. Grössere Expeditionen haben immer einen Portalmagier dabei. Für die Nachrichtenübermittlung- und für Notfälle, falls man mal schnell verschwinden muss. Als uns die verdammten Widergänger überfallen haben, war’s dafür leider schon zu spät.“ Er stieß einen fetten Rauchkringel aus. „Aber man soll ja sowieso nicht allzu oft ein Portal durchschreiten.“

Die abenteuerlichen Geschichten, was alles beim Durchschreiten eines magischen Portals schieflaufen konnte, hatte sie schon früh in Silbermond gehört. Sie erinnerte sich noch genau an die unglaubichen Schilderungen, was schon alles passiert war, wenn ein Portalmagier den Zielort falsch anvisiert und den Reisenden genau in ein Hindernis geschickt hatte. Gesehen hatte sie ein solches Opfer allerdings noch nie. Aber jeder wusste, das das Reisen durch Zeit und Raum krank machte. Es liess den Körper viel schneller altern und böse Zungen behaupteten, es verwirre auf Dauer auch den Geist. Dennoch gab es in jeder grösseren Stadt sogenannte Portalräume, peinlichst sauber und staubfrei gehaltene Umgebungen, die Magier als Zielorte kollisionsfrei anvisieren konnten. Und Niamanee war sich sicher, dass es einen solchen Raum auch hier in der Feste gab.

Während Niamanee nochmals zu Riviel hinüberschielte, stellte Seyfried seine bereits geleerte Breischüssel zur Seite. „Das wir heute nachmittag noch hohen Besuch bekommen, hat sich bestimmt herumgesprochen.“

Dolmin nickte griesgrämig. „Allerdings. Kulgin und ich müssen Sonderschicht auf der Mauer schieben.“

Seyfried beugte sich vor und flüsterte kaum hörbar: “Wir werden angreifen. Arthas ist fällig!“

Mathis pfiff leise durch die Zähne. „Dann doch noch. Hoffentlich wissen die, was sie tun.“

Auf dem sommersprossigen Gesicht des jungen Paladin breitete sich eine verschwörerische Miene aus. „Hochlord Fordring möchte mich bei der Besprechung dabei haben. Ich werd’s aus erster Hand erfahren.“

„Ich wusste doch, dass aus dir nochmal eine große Nummer wird.“ Mathis grinste schräg.

Beinahe verlegen winkte Seyfried ab. „Aber deswegen müssen wir jetzt auch schon wieder weiter. Die machen oben bald die Burg dicht.“

Golofin kräuselte fragend die Stirn. „Was wollt ihr denn da oben?“

Seyfried grinste zu Niamanee hinüber. „Überraschung.“ Während er seinen Ledermantel überzog, tauchte wieder dieser verschwörerische Zug um seinen Mund auf. „Heute abend wieder hier?“

„Ganz bestimmt,“ murmelte Mathis. „Wir wollen doch wissen, worauf wir uns da einlassen!“

Als Seyfried von dem bevorstehenden Angriff sprach, hatte sich eine eigenartige Spannung iun Niamanees Körper ausgebreitet. Und wie ein fernes Echo stiegen Mathis Worte aus ihrer Erinnerung auf. Wir werden ihm all das, was er der Welt angetan hat heimzahlen. Dann werden auch unsere Träume gehen.
 

Das gigantische Metalltor in dem mächtigen Steinwall, das den Eingang zum inneren Ring verschloss, war ihr in der gestrigen Nacht, als sie zum ersten Male den Weg zur Burg hochgeschritten war, nicht aufgefallen. Jetzt aber, wo sich das helle Licht der Mittagssonne in dem blanken Metall der unzähligen, teilweise mannshohen Zahnräder und Gegegngewichten spiegelte konnte Niamanee gar nicht anders, als dieses Meisterwerk zwergischer Schließmechanik zu bestaunen. Jeder Rammbock würde an dieser beeindruckenden Massivität aus Stahl und Technik zerschellen.

Als Seyfrieds Niamanees Staunen über das Tor bemerkte, hielt er inne.

„Sie haben die Einzelteile mit dreißig Schiffsladungen aus Eisenschmiede hierhergebracht und bestimmt ein halbes Jahr daran gebaut. Das Stahltor als solches war bereits vorhanden gewesen. Aber da es verschlossen war, als die ersten Truppen hier ankamen, hat man es aufsprengen müssen- und auch dass muss sich wohl ganz schön hingezogen haben. Und dabei wurde es nicht unerheblich beschädigt. Aber die Meisterschmiede der Zwerge haben’s hinbekommen. Und es nebenbei noch auf diese beeindruckende Weise verbessert.“

Er warf der Elfe einen amüsierten Blick zu. „Man fühlt sich ganz schön sicher hier drinnen, nicht wahr?“

Niamanee nickte kurz und sah sich weiter um, während sie über den weiten, schneefrei gehaltenen Freiplatz auf die Burg zugingen. Eine grössere Gruppe von hochgerüsteten Soldaten in den Wappenröcken Sturmwind exerzierte nach lautstark gebellten Kommandos eines kleineren, untersetzten Mannes in goldumbördelter Rüstung auf den riesigen Steinplatten. Ein leiser Wind hauchte feine Schneekristalle von den zusammengekehrten Schneehaufen wieder auf die offene Fläche.

Rund um die trutzige Burg standen den steinernen Wall entlang Gesindehäuser, Stallungen und Depots unterschiedlichster Baustile. Der Argentumskreuzug hatte einen Großteil der alten Vyrkul-Bauten zu Kasernen umfunktioniert, die über die Jahrhunderte teilweise eingefallenen Mauerabschnitte provisorisch wieder flicken lassen und einige neue Gebäude, größtenteils in schlichter Holzbausweise, dazwischengesetzt. Immer wieder standen größere Zelte zwischen den Häusern. Alles schien sehr zweckgebunden, wirkte aber in seiner optischen Inkohärenz wie ein riesiges Flüchtlingslager, in dessen Mitte die gewaltige Burg mit ihren fünf hohen Türmen herausragte, vom Zahn der Zeit gänzlich unberührt.

Einzig die verspielte Architektur eines großen, weißgetünchten Kuppelbaus, der wie ein Halbmond an der Mauer direkt neben einem der beiden weissen Türme klebte, hob sich mit dem violett schimmernden, metallischen Dachkuppelkonstrukt und den schmalen, hohen Fensterschlitzen von der nüchternen Funktionalität der übrigen Gebäude ab.

Auch ohne Seyfrieds Erläuterung war Niamanee sofort klar gewesen, dass dies das Refugium der Kirin Tor sein musste. Und erneut wunderte sie sich, wie all dies ohne nennenswerte Intervention unter den Augen des Lichkönigs hatte erbaut werden können.

Es kümmert ihn nicht. Er wähnt sich sicher hinter den Mauern seiner Zitadelle und lässt die Lebenden kommen, ist doch jeder Gefallene ein Soldat mehr für seine Armee. Gefallene wie Bolvar....

Ein ohnmächtiges Gefühl der Verzweiflung streckte seine eiskalten Klauen nach ihrer Kehle aus. Was, wenn sie Bolvar in der bevorstehenden Offensive entgegenübertreten mussten? Sie war stehengeblieben und versuchte, das jäh aufgeflammte Entetzen wieder unter Kontrolle zu bringen.

Seyfried sah sie besorgt an. „Stimmt etwas nicht?“

Mit emotionsloser Miene wehrte die Elfe ab. „Es geht schon. Böse Gedanken.“

„Wir müssen nicht weitergehen.“ Seyfried versuchte ein aufmunterndes Gesicht. „Wenn ihr euch zurückziehen möchtet, ist das völlig in Ordnung.“

Die dunklen Geister in ihrem Kopf schienen sich vor Seyfrieds positiver Ausstrahlung zurückzuziehen. Niamanee schüttelte den Kopf.

„Jetzt möchte ich die Überraschung auch sehen!“
 

Die beiden Wachen vor dem hohen Burgportal salutierten vor Seyfried und würdigten Niamanee keines Blickes. Was ihr vertraut vorkam, diese ganze Freundlichkeit ihr gegenüber hier in der Bastion der Allianz hatte schon beinahe etwas Surreales.

„Ihr scheint ja einen ziemlich hohen Rang zu bekleiden.“

Der junge Mann grinste vergnügt. „Ich bin ein Paladin. Die stehen ganz oben in der Hackliste. Ihr wisst schon – Verteidiger gegen die Schatten, Nemesis der Untoten, Hüter der erleuchteten Balance und so weiter... Wir sind hier ziemlich gefragt. Was gewisse Privilegien mit sich bringt. Wie zum Beispiel salutierende Wachsoldaten.“ Seyfrieds Grinsen war noch eine Spur breiter geworden, als er die kleine Pforte in dem schweren, eisenbeschlagenen Burgtor aufdrückte.

Die Pforte führte in eine schlichte, aber durch ihre Höhe ausgesprochen beeindruckende Eingangshalle- die Höhe der Decke, von schweren, schmucklosen Holzbögen gehalten, entsprach mindestens der Höhe des höchsten Gebäudes ausserhalb. Wenn man von dem Kuppelbau der Kirin Tor einmal absah. Vom mittleren Holzbogen hin an einer langen, dunklen Kette eine massive, zwanzigflammige Öllampe herab. Dennoch verlor sich das Licht der brennnenden Dochte in dem gewaltigen Foyer. Und es schien hier in der steinernen Halle noch kälter als draußen zu sein.

Staunend sah Niamanee sich um- dafür hatte sie gestern keine Augen gehabt.

An den schmucklosen Flur mit den teilweise recht verbeulten und blutbespritzen Schilden an der Wand, der dem Foyer folgte, konnte sie sich jedoch sehr gut erinnern. Gestern war sie Golofin in einen der Türme zur Rechten gefolgt, Seyfried jedoch führte sie geradeaus auf eine mit Messingrosetten beschlagene, hohe Flügeltüre zu. Zur linken den Flur hinab gewahrte Niamanee aus den Augenwinkeln vier Wachen in den Farben Sturmwinds. Dort, in dem linken Flügel der Burg residierte König Varian Wrynn mit seinem Gefolge und für einen kurzen Moment schlüpfte ihr der Gedanke durch den Kopf, das dort auch Bolvar gelebt haben musste. Sie scheuchte den Gedanken beiseite, bevor die Traurigkeit wieder übermächtig wurde.

Der rotlockige Paladin hatte mittlerweile die großen Flügeltüren einen guten Spaltbreit aufgestoßen und lud sie ein, ihm zu folgen. Vor ihnen lag ein riesiger Saal dessen Decke von mächtigen, mit kantigen Schnitzereien verzierten Holzbögen gestützt wurde. Helles Tageslicht fiel durch hohe Bogenfenster an der gegenüberliegenden Wand und im Dunst der Sonnenstrahlen drehten sich unzählige, winzige Staubpartikel in einem trägen Reigen.

In der Mitte des Saales hing ein wahrhaft gigantischer Kerzenleuchter, bestehend aus drei ineinander hängenden Bronzeringen auf denen in verschnörkelten Haltern hunderte von weißen Kerzen standen. Für einen Moment fragte sich Niamanee, wie lange es wohl dauern würde, diese unzähligen Kerzen alle zu entzünden.

Dann fiel ihr Blick auf den riesigen, darunter stehenden runden Tisch und mit ungläubigem Staunen vergaß sie zunächst, ihren Mund wieder zu schließen. Im Gegenlicht des hellen Sonnenscheins stand dort eine exakte Nachbildung des gesamten Areals von Eiskrone, so echt gearbeitet, dass es schien als hätte man das Original geschrumpft.

Geradezu ehrfürchtig trat sie an den schweren Tisch, betrachtete das ungemein detaillierte Kunstwerk. Jede einzelne Zinne, jedes Gebäude und jede Mauern schien im exakten Maßstab nachgebildet, ja sogar die Felsformationen entsprachen offenbar weitestgehend dem Original.

Die offenen Bereiche hatte man mit einer bläulich glitzernden Farbe überzogen, die den Eindruck von Schnee und Eis nur allzu lebendig wiedergab.

Überall verteilt auf dem Modell befanden sich kleine im Vergleich zu dem Modell weniger präzise gearbeitete Figürchen einzeln und in Gruppen, versehen mit winzigen Bannern und Markierungen. Fasziniert strich Niamanee um den Tisch, erforschte mit ihren Augen jedes noch so kleine Detail. Jetzt erst merkte sie, dass es hier im Saal merklich wärmer war als in den Fluren. Ihr Blick fiel für einen Augenblick auf den imposanten Freikamin an der rechten Wand, unter dessen elaboriert gearbeiteten Eisenrost noch ein heruntergebranntes Feuer glomm. Dann wandte sie ihre ganze Aufmerksamkeit wieder dem kunstvollen Panorama zu. Wer immer dies gebaut hatte, dies war das Werk wahrer Künstler!

Ein Bereich fiel ihr besoners ins Auge. Von links aus den Bergen kommend, schob sich eine schmale, unscheinbar wirkende Mauer den Felsen entlang und endete in einer der dolchzinnenbewehrten Wehrmauern, die zur Zitadelle führten. Direkt oberhalb lag eine große Freifläche, auf der wie kleine Altare in unregelmässigen Abständen größere Steinblöcke standen. Im hinteren Bereich schien ein größerer Eingang in ein Gewölbe zu sein.

Niamanee drehte sich zu Seyfried um, der sie amüsiert beobachtete und wies auf die unscheinbare Mauer. “Was ist dass denn hier? Dass passt irgendwie nicht zu dem Rest.” Der Paladin beugte sich vor.

“Ein Wasseraqädukt. In den Bergen dahinter gibt es einige heisse Quellen und wir vermuten, dass diess Aquädukt Wasser von dort in die Zitadelle leitet.”

Der Blick der Elfe wanderte zu der größeren Freifläche. “Und warum ist da der Boden so schmierig braun angemalt? Hat das eine besondere Bewandtnis?”

Das bis jetzt recht unbekümmerte Gesicht des jungen Mannes verfinsterte sich.

“Das hat es, in der Tat. Wir haben diesen Bereich ‘die Fleischwerke’ genannt. Ein ganz übler Ort. Dort sammeln sie die Körper derer, die für eine direkte Wiederbelebung nicht mehr zu gebrauchen sind, trennen die noch brauchbaren Körperteile ab und setzen sie zu grotesken Flickwerken neu zusammen. Da möchte man nicht sein, glaubt mir.”

Niamanee sah Seyfried angewidert an. „Das ist ja entsetzlich.”

Seyfried verzog seinen Mund zu einem schiefen, freudlosen Grinsen. „Die lassen nichts umkommen. Man riecht diesen Ort auch schon von Weitem.”

Dann zeigte er auf zwei Bereiche, an denen jeweils eine auffällige Ballung von kleinen Figürchen stand. „An diesen beiden Stellen haben wir einen Durchbruch erwzingen können. Der Linke wird von der Horde gehalten, den Rechten halten wir. Wenn es jetzt tatsächlich zu einer Offensive kommen wird, werden dort vermutlich unsere Truppen zur Zitadelle vordringen.”

Niamanee wies auf die Modelle der gedrungenen Türme mit den eigenartigen Dornenkränzen auf pyramidenförmigen Sockeln, die in der Nähe des Allianz-Durchbruches auf einem höher gelegenen Plateau standen. „Was sind das für Türme?”

„Nerubische Ziggurats. Scheinen schon vor dem Bau der Zitadelle dort gestanden zu haben. In dieser Ecke lungert immmer gerne mal ein Schwung mumifizierter Gruftspinnen herum. Die können mit ihren Beissern ganz schön unangenehm werden. Und sind verdammt groß. Aber glücklicherweise untot. Das macht die Sache einfacher.“

Von der großen Flügeltüre her erklangen jetzt Schritte. Fast gleichzeitig sahen Niamanee und Seyfried auf. Es war Balinar von Breenan, der mit zwei Bediensteten in den großen Saal trat und zunächst überrascht wirkte, als er die beiden am Panoramatisch stehen sah. Dann aber glitt ein verbindliches Lächeln über seine Züge. Er nickte Niamanee höflich zu und wandte sich an Seyfried.

„Eine gute Idee von euch, Seyfried, unserem Besuch die Sehenswürdigkeiten von Eiskrone zu erklären. Dennoch muß ich euch bitten, den Saal jetzt wieder zu verlassen, da sich hier jetzt um die Vorbereitungen für das Treffen heute Nachmittag gekümmert werden muss.“

Seyfried nickte verständig. „Natürlich, Herr Balinar!“ Und fügte dann mit einem beinahe stolzem Lächeln hinzu: „Wir sehen uns dann heute Nachmittag wieder hier.“

Mit einer höflichen Verbeugung schritt Niamanee ein paar Schritte rüchwärts vom Tisch weg. Trotz Balinars verbindlichen Freundlichkeit beschlich sie das ungute Gefühl, das sie eigentlich gar nicht hätte hier sein dürfen und war froh, als sie wieder neben Seyfried im Flur stand nachdem sich die großen Flügeltüren wieder geschlossen hatten. Sie sah ihn besorgt an.

„Werdet ihr jetzt Ärger bekommen, weil ihr mir das Panorama gezeigt habt?“

Seyfried feixte. „Warum sollte ich? Das ist kein Geheimnis. Wir haben ja keine Militärspionage betrieben. Thrall und Sylvanas haben das Panorama schon oft genug zu sehen bekommen, also was soll’s?“

Etwas beruhigter wandte sich Niamanee nochmals zu den Flügeltüren um, als genau in diesem Moment eine gertenschlanke, dennoch wohlgeformte Blutelfe mit einer wallenden, goldenen Haarmähne um die Ecke des linken Flures bog, innehielt, und sie mit großen, leuchtenden Augen anstarrte. Dann glitt ihre offensichtliche Überraschung in ein süßliches Lächeln über und mit einer ungemein fließenden Eleganz in der Bewegung, noch unterstrichen von der wallenden Seide ihres karmesinroten Kleides, kam sie auf Niamanee und Seyfried zu.

„ Anu belore dela'na – was für eine Überraschung!“ Nach der thalassischen Begrüßung war die Elfe wieder in die Gemeinsprache gewechselt. „Wenn das nicht die Tochter von Kommandant Nebeltänzer ist!“ Ihr liebreizendes Lächeln wurde noch eine Spur strahlender.

„Euer Vater hat sich ja in Silbermond durchaus einen Namen gemacht! “

Mit einem graziösen Schwung reichte die Blutelfe Niamanee die Hand. „Valeera Sanguinar.“

Niamanees Augen verengten sich zu Schlitzen und sie machte nicht die geringsten Anstalten, Valeeras Hand zu ergreifen. Sie will, dass Seyfried sie versteht.

Sie warf einen schnellen Blick auf den jungen Paladin, der Valeera mit einem recht abfälligen Ausdruck beobachtete und keinerlei Anzeichen zeigte, dass er verstand, worum es ging. Ein trockenes Lächeln blitzte auf Niamanees bleichen Lippen. „Wohingegen ich mich nicht entsinnen kann, euren Namen schon einmal gehört zu haben.“

„Es hat durchaus Vorteile, wenn einem der Name nicht vorweg eilt. Vor allem, wenn man eine gewisse Popularität hat, nicht wahr, Ar’dika Neydanfalla’niel?“

Ein heißer Adrenalinstoß ließ Niamanees Herz deutlich schneller schlagen.

Nachdem sie mit dem Splitter des gefangenen Naaru aus Silbermond entkommen war, hatte man sie in ganz Quel Thalas steckbrieflich suchen lassen. Da es nicht im allgemeinen Interesse lag, die Welt außerhalb wissen zu lassen, dass die Blutritter einen gefangenen Naaru in ihrem Keller anzapften, hatte man eine dubiose Mordgeschichte erfunden, die jenseits der Grenzen niemanden mehr interessierte – mit Ausnahme potentieller Kopfgeldjäger. Auf ihrer Flucht in die Scherbenwelt war sie einigen mit knapper Not entkommen, aber auf der monatelangen Reise nach Nordend hatte es keine Zwischenfälle mehr gegeben, die auf die Geschehnisse in Silbermond zurückgeführt hätten können. Und sie hatte sich in der Annahme, dass mit dem Dahinscheiden der Naarus sich in Silbermond einiges geändert hatte, in trügerischer Sicherheit gewähnt. Weiß Valeera etwas davon?

Sie versuchte, sich ihre wachsende Nervosität nicht anmerken zu lassen.

„Vorteile besonders dann, wenn man es vorzieht, im Schatten zu bleiben, a’ mandiya.“ Immer noch das kühle Lächeln wahrend, taxierte Niamanee ihre Landsmännin unauffällig. Wahrscheinlich war Valeera sogar noch einige Jahre jünger als sie, das akkurate Make-up ließ sie älter erscheinen. Der lasziven Eleganz ihrer Bewegungen und dem geschulten Timbre ihrer Stimme nach konnte sie nur eine Shimba’yla, eine Begleiterin sein. Zumindest war sie entsprechend ausgebildet worden. Aber was machte so eine Person hier?

Auch Valeeras charmantes Lächeln hatte bis jetzt nichts von seiner Süße verloren.

„Nicht jeder konnte in den Strahlen der Sonne gedeien.“ Jetzt schlich sich ein lauernder Zug in ihre Mundwinkel. „Ich bin sicher, dass Vereesa Windläufer entzückt sein wird, von eurer Anwesenheit hier zu erfahren.“

Wieder ein Schlag ins Gesicht. Die dunklen Gespenster der Vergangenheit bewiesen soeben, wie lebendig sie noch waren. Die jüngere Schwester von Sylvanas war so ziemlich die Letzte, der sie je wieder begegnen wollte. Aber immerhin verstärkte sich bei Niamanee der Eindruck, das Valeera nichts von ihrer Flucht aus Silbermond wusste. Oder ihr Wissen zumindest für einen passenderen Moment zurückbehielt.

Für einen kurzen Moment hatte sie begonnen daran zu glauben, dass das Licht sie hierher geführt hätte, die bis dato herzlichen Kontakte hatten sie darin immer mehr bestärkt. Aber nun belehrte sie die Realität eines Besseren – mit Bolvars Tod war ihr Leben zu einer ziellosen Reise geworden. Ihr war klar, dass sie hier in der Feste nicht mehr lange bleiben konnte.

Kein Muskel in ihrem Gesicht verriet ihre aufgewühlten Gedankengänge. Sie warf einen kurzen Blick auf Seyfried, der ihre Unterhaltung mit offensichtlicher Ungeduld verfolgte.

„Die Welt, auf die unsere Sonne scheint ist klein.“

„Und die Zeit, die sie am Tage leuchtet, begrenzt,“ mischte sich nun mit einem höflichen Kopfnicken der rotlockige Paladin ein. „Mein Terminplan ist aus euch sicherlich bereits bekannten Gründen heute etwas straffer als sonst, von daher bedauere ich, das sonnige Wiedersehen jetzt unterbrechen zu müssen. Ihr entschuldigt uns bitte, werte Valeera. Möge das Licht mit euch sein.“

„Selbstverständlich, edler Herr Rotpfad,“ Valeera deutete einen unterwürfigen Knicks an, ihr provokantes Lächeln aber strafte diese devote Geste Lügen. „Es liegt mir ferne, mich in eure Angelegenheiten zu mischen. Re’turcye mhi.“

Die letzten Worte mit einem anmutigen Kopfnicken Niamanee gerichtet, wandte sie sich ab, schlug die weite Kapuze ihres Umhanges hoch und schritt leichtfüßig zum Foyer hinaus.

Seyfried machte sich nicht die geringste Mühe, seine Geringschätzigkeit zu verbergen. Aber Niamanee spürte, dass er auch ihr gegenüber nun reservierter reagierte.

„Ich kann dieses intrigante Miststück nicht leiden.“ Der junge Mann verzog verächtlich seinen Mund und sah Niamanee dann fragend an.

„Woher kannte sie euch?“

Die Elfe zuckte resignierend mit den Schultern. „Als Prinz Kael’thas sich damals weigerte, Sylvanas Windläufer zur Frau zu nehmen, wie es schon vor langer Zeit festgelegt worden war, kam es zu einem Putschversuch seitens der Windläufer- Dynastie. Mein Vater war damals Kommandant der Königsgarde und somit Anasterian Sonnenwanderer zur Treue verpflichtet – und war deswegen maßgeblich daran beteiligt, dass der Putschversuch bei einem Versuch blieb. Und das hat die Familie Windläufer anscheinend bis heute nicht vergessen.“

„Damit trifft euch doch keine Schuld.“ Seyfried schienen ihre Worte als Erklärung offensichtlich zu reichen, er wirkte fast etwas erleichtert.

„Aber mein Familienname weckt offenbar noch unliebsame Erinnerungen.“

Bedächtigen Schrittes näherten sich die Elfe und der Paladin dem mächtigen Burgportal.

Niamanee sah Seyfried fragend an. „Was macht diese Valeera Sanguinar eigentlich hier?“

Ein spöttisches Grinsen erhellte sein sommersprossiges Gesicht.

„Wärmt das Bett von König Varian. Er hat sie wohl während seiner Abwesenheit von Sturmwind aufgegabelt und nun schwirrt sie ständig um ihn herum.“

Der König von Sturmwind nimmt sich eine thalassische Prostituierte? Niamanee konnte ihre Irritation kaum verbergen. Zumal König Varian Wrynn alles andere als ein Freund der Horde war. Sie runzelte leicht die Stirn. Und konnte sich die nächste Frage nicht verbeißen.

„Und wessen Bett wärmt Vereesa Windläufer?“

Seyfrieds Grinsen wurde deutlich breiter. „Das von Rhonin, Erzmagus der Kirin Tor. Allerdings ist sie mit ihm verheiratet. Männer aus Sturmwind scheinen ganz offensichtlich ein Faible für euresgleichen zu haben.“

Niamanee ignorierte den kleinen Seitenhieb. Irgendwann würde sie dem offenherzigen, jungen Mann von den Naaru erzählen. Aber eine unbestimmte Ahnung in ihrem Innersten hielt sie noch davon ab.

Seyfrieds Züge hatten sich wieder etwas verdüstert.

„Wenn hier einige mehr in die Zukunft blicken würden als ständig in der Vergangenheit zu wühlen, wäre vielleicht auch schon der Lichkönig Geschichte,“ murmelte Seyfried mehr zu sich selbst denn zu seiner Begleitung. Dann wandte er sich mit einem humorlosen Grinsen wieder der Elfe zu.

„Valeera, Vereesa Windläufer und Daidanis Silberschatten, die Mondpriesterin, glucken ständig zusammen – wir nennen sie nur ‚das Triumvirat.’ Alle drei eint ein unverhohlener Hass auf Orks und Trolle, was Hochlord Fordrings Arbeit hier bisweilen ganz schön schwermacht. Als ob es nicht reichen würde, das König Varian sich ständig querstellt.“

„Und wie seht ihr das Bündnis mit der Horde?“

„Da stehe ich voll hinter Hochlord Fordring. Wir brauchen die Kampfkraft der Horde. Nur zusammen werden wir Arthas die Stirn bieten können. Vor Jahren hat Hochlord Fordring mir ein paar Worte gesagt, die ich bis heute nicht vergessen habe: Unser Wert wird nicht zuletzt daran gemessen, wie wir unsere Feinde behandeln. Man muss Feinden auch vergeben können. Nur so können wir letztendlich alle in Frieden leben.“

Niamanee sah ihn forschend an. „Könntet ihr Arthas vergeben?“

Für einen Moment sah Seyfried sie an, als hätte sie etwas Ungeheuerliches gesagt. Dann wurde er nachdenklich und über sein Gesicht legte sich ein Schatten. Er sah sie nicht an, als er leise sprach.

„Wir waren völlig unvorbereitet, als er an der Spitze seiner Truppen auf Darrowheim marschierte und alles Leben niedermähte, das auf seinem Weg lag. Er hat meine Eltern umgebracht. Ich stand dabei, als er sie mit diesem verfluchten Schwert durchbohrte. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance. Dann drehte er sich zu mir und meiner Schwester um. Er hat sie mit diesen fürchterlichen, blauglühenden Augen nur angesehen. Er hat Pamela einfach nur angesehen, während das Blut unserer Mutter von seiner Klinge tropfte. Dann hat er sich wortlos umgedreht und ist gegangen.”

Seyfried schüttlte leicht den Kopf. “Nein. Vergebung mag einer der Grundpfeiler unseres Glaubens sein, aber Arthas werde ich niemals vergeben können.”

Er sah sie wieder an, aber das Unbekümmerte war fort. “Was ist mit Euch, Niamanee? Auch ihr müsst Schreckliches erlebt haben.”

Niamanee nickte und für einen Augenblick erhoben sich um sie herum wieder die entsetzlichen Bilder aus Silbermond. “Ich war nicht dabei, als Geißeltruppen meine Mutter und meine Schwestern töteten. Ich bin meinem Vater und seinen Männern hinterhergerannt, als sie versuchten, den Sonnenbrunnen zu schützen. Dort habe ich mich versteckt und mitangesehen, wie Arthas unseren König tötete. Mein Vater hat es nicht verhindern können, Arthas hat ihn mit einem Streich niedergestreckt. Ein Wunder, dass er es überhaupt überlebt hat. Ich habe auch gesehen, wie Arthas diese Abscheulichkeit in unserem Sonnenbrunnen beschworen hat. Als die Kreatur dem Brunnen entstieg, war es vorbei. Das war alles, was er gewollt hatte. Unser Volk abzuschlachten war reine Nebensache gewesen. Er tat es, weil er es konnte.”

Die albtraumhaften Bilder wurden wieder von der blendenden Wintersonne überstrahlt und verblassten im Funkeln der vom Winde aufgewirbelkten Eiskristalle. Sie sah Seyfried ruhig an. “Unsere Sprache kennt kein Wort für Vergebung.”



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück