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You Always Meet Twice A Lifetime

Final Fantasy VII
von

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Hunter's Chance

Ein leises Seufzen unterbrach die Stille, die zwischen den beiden Beobachtern im Lebensstrom geherrscht hatte.
 

"Was hast du?", fragte Sephiroth mit einem Grinsen, da er die Antwort eigentlich genau kannte. "Ich dachte, du würdest dich freuen, dass wir ihn aufgespürt haben."
 

Aeris seufzte ein weiteres Mal und ließ ihre Hand über das flüssige Fenster gleiten, so dass die Oberfläche für einen Augenblick verschwamm, jedoch war sie schon kurz darauf wieder klar. Darin ließ sich der entkleidete Körper von Vincent erkennen, der unter einem grellen Licht auf einem Operationstisch lag. Eine Vielzahl medizinischer Messgeräte war an ihm angebracht. Er hatte zwar die Augen geschlossen, aber er schien alles andere als sich in einem ruhigen Schlaf zu befinden. Vincents Gesicht war schmerzverzerrt, sein ganzer Körper über und über mit Schweiß bedeckt, außerdem schien er zu schreien und sich immer wieder aufzubäumen.
 

Einige Männer mit weißen Kitteln, die keiner der beiden Beobachter von irgendwoher kannte, standen um ihn herum und betätigten ab und zu einen Schalter einem Gerät oder beugten sich über Vincent um ihn zu untersuchen.
 

"Nun?", fragte Sephiroth ein weiteres Mal.
 

Aeris seufzte zum dritten Mal und sah auf. "Es ist genau, wie ich befürchtet habe. Fast noch schlimmer." Sie blickte wieder auf das Fenster. "Der Arme musste schon soviel durchmachen in seinem Leben, mehr als alle anderen, und nun wird er wieder so gequält. Er hat es verdient, endlich Ruhe zu finden."
 

Sephiroth ächzte süffisant. "Tja, wir bekommen halt nicht immer, was wir wollen."
 

"Ich weiß", meinte Aeris leise, während sie beobachtete wie ein Wissenschaftler mit rotem Bart Vincent etwas mit einer Spritze in den Hals injizierte.
 

"Hast du eine Ahnung, wo er sich befinden könnte?", fragte sie schließlich.
 

"In einem Operationssaal", antwortete Sephiroth ausdruckslos, worauf ihm Aeris einen verächtlichen Blick zuwarf.
 

"Sehr hilfreich. Ich dachte, eher daran, ob du vielleicht weißt, in welchem Labor er sich befinden könnte."
 

Sephiroth zuckte ahnungslos mit den Schultern. "Glaubst du, ich habe alle Labors und Operationssäle dieser Welt von innen gesehen?"
 

"Nein, aber..."
 

"Noch dazu sehen die doch praktisch alle gleich aus", fuhr er fort.
 

"Schon gut", meinte Aeris gleichgültig und blickt wieder auf das Geschehen vor ihnen. Sie riss überrascht die Augen auf, als sie sah wie sich eine knisternde Wolke um Vincent bildete und ihn in eine schwarzviolette Dunkelheit hüllte. Die Wissenschaftler machten allesamt erschrocken einen Schritt rückwärts als plötzlich zwei gewaltige Schwingen aus der Wolke hervorbrachen und den dunklen Nebel auseinander stoben. Auf dem Tisch kniete die bedrohliche Gestalt von Chaos, die langsam den Kopf anhob und die Anwesenden mit roten Augen musterte.
 

Sephiroth, dem die Szene ebenfalls nicht entgangen war, begann zu grinsen. "Sieht so aus, als hätte da jemand den Spieß umgedreht. Jetzt ist es nicht mehr dein Freund, der die Qualen ertragen muss."
 

* * *
 

Schweißgebadet und mit Blutspritzern bedeckt, die einen krassen Kontrast zum Weiß seines Kittels bildeten, stolperte Beruga in den Vorraum des Operationszimmers. Kraftlos ließ er sich gegen eine Wand sacken und zog mit zittrigen Hände seine Tablettendose aus seiner Brusttasche. Er warf sich drei der weißen Pillen in den Mund und schluckte sie hastig hinunter, dann lehnte er seinen Kopf zurück und wartete darauf, dass das Beruhigungsmittel anschlug.
 

Der Vorfall gerade eben war zuviel gewesen für seine Nerven. Beruga war ein Mann, der es liebte auf der sicheren Seite zu stehen. Er hatte zwar gewusst, dass das Vorhaben, auf das er sich eingelassen hatte, nicht hundertprozentig sicher war, aber er hatte die Risiken immer für kalkulierbar gehalten. Aber das gerade eben war eindeutig außer Kontrolle geraten und viel zu gefährlich geworden für seinen Geschmack.
 

Forschen, ja. Reich werden, ja. Dafür nicht ganz dem ethischen Konsens folgen, ja. Aber dafür sterben? Nein, auf keinen Fall!
 

Und der Vorfall gerade war nicht das einzige. In letzter Zeit gab es einige Dinge, die ihn wirklich enorm beunruhigten.
 

"Beruga, was haben Sie?", fragte ihn die begeistert klingende Stimme seines jungen Kollegen. "Sie sind so blass."
 

Beruga riss die Augen auf und starrte Sarcone, der etwas mehr Glück gehabt hatte und nicht mit Blut verschmiert war, ungläubig an.
 

"Warum ich blass bin? Deshalb!" Der Wissenschaftler deute mit nicht mehr ganz so zittrigen Händen auf den blutigen Leichnam eines Assistenten, der gerade von zwei der Wachleute hinausgetragen wurde und nicht mehr auch nur annähernd Ähnlichkeit mit dem Mann hatte, der er vor zehn Minuten noch gewesen war.
 

Dahinter wurde ein weiterer Assistent auf einer Barre herausgetragen. Der verletzte Mann schrie vor Schmerzen und hielt sich mit der linken Hand die klaffenden Wunde an seinem Bauch. Sein rechter Arm war außerdem knapp unterhalb des Ellenbogens abgerissen worden. Hinter ihm schleppten sich die restlichen geschockten Assistenten, die nur leicht oder gar nicht verletzt waren, aus dem Raum.
 

"Sie sollten sich deshalb nicht so aufregen, Beruga", meinte Sarcone etwas ungläubig. "Das war ein kleiner, unvorhergesehener Zwischenfall. Sie müssen das Ergebnis sehen, Beruga: Wir haben es geschafft! Wir haben die Verwandlung gezielt herbeigeführt. Und wir haben ihn unter Kontrolle!"
 

Beruga schoss vorwärts und packte Sarcone am Kragen seines Kittels.

"Er hätte uns beinahe alle umgebracht!", schrie er aggressiv. "Nennen Sie das etwa kontrollieren?"
 

Sarcone schien sich nicht im geringsten angegriffen zu fühlen und löste sich aus Berugas Griff, bevor er antwortete. "Die Frequenz war anfangs einfach nicht hoch genug, das ist ein Problem, das wir jetzt kennen und in Zukunft vermeiden können. Es gibt keinen Grund, sich so aufzuregen."
 

Beruga blickte Sarcone ungläubig an. Hatte der junge Wissenschaftler nun etwa doch den Verstand verloren? Zu Beginn hatte er einen sehr vernünftigen Eindruck auf ihn gemacht, er hatte sogar immer wieder erwähnt, dass es Hojos größte Schwäche gewesen war, vor lauter Fanatismus seine eigenen Ziele aus den Augen verloren zu haben. Aber nun? Sarcone schien seinem Vorbild plötzlich sehr ähnlich.
 

"Beruga, sehen Sie es denn nicht?", fuhr Sarcone fort. "Wir haben Hojos vergessenes Meisterwerk vollendet - und das schneller als erwartet. Jetzt brauchen wir nur noch das Serum und die Produktion kann beginnen."
 

Nun war es Sarcone der vorwärts schoss. Der braunhaarige Wissenschaftler packte Beruga an den Schultern und schüttelte ihn kurz.
 

"Denken Sie doch mit, Beruga, uns steht praktisch nichts mehr im Weg. Midgar, Junon, Wutai, selbst Mideel und die Nordländer werden ein wahres Vermögen für diese Superkrieger bezahlen. Sämtliche Kriege der Zukunft werden mit unseren Superkriegern gefochten werden. Auf uns wartet ein Vermögen. Beruga, Sie dürfen also nicht einfach wegen einem kleinen Unfall ausrasten!"
 

Sarcone nahm seine Arme wieder runter uns sah Beruga erwartungsvoll an.
 

*Soviel also zu 'die Ziele aus den Augen verloren'*, dachte dieser bei sich und zog sich die Brille von der Nase. Beruga rieb sich kurz die schmerzenden Augen, anschließend stieß er einen langen Seufzer aus, dann sah er wieder auf und setzte die Brille zurück an ihren Bestimmungsort. "Vielleicht haben Sie ja Recht, Sarcone."
 

"Natürlich habe ich das!", jubelte der andere. "Lassen Sie uns anstoßen! Wir haben zu feiern, werter Kollege."
 

Beruga schüttelte ablehnend den Kopf. "Nein, danke. Ich fühle mich nicht sonderlich gut. Ich werde mich etwas hinlegen."
 

Sarcone zuckte mit Achseln und spazierte gut gelaunt auf die Tür zu. "Wie Sie wollen, Beruga, verschieben wir das eben. Außerdem muss ich sowieso Mishima kontaktieren und ihn fragen, wie es mit Miss Devon vorangeht. Ich möchte so schnell wie möglich ein zweites vollständiges Exemplar fertig stellen."
 

Ohne Antwort von Beruga abzuwarten, verließ er den Raum und knipste dabei das Licht aus - ob absichtlich oder aus Versehen, konnte Beruga nicht feststellen, aber es war ihm auch egal. Die Notausgangsbeleuchtung über der Tür erhellte den Raum zur Genüge.
 

Der erschöpfte Wissenschaftler zog sich abermals die Brille vom Gesicht und beugte sich anschließend über das Waschbecken, das sich neben der Tür zum Operationssaal befand. Er drehte den Hahn auf und hielt seinen Kopf unter den breiten Strahl aus kühlem Nass.
 

Als das Wasser seinen heißen Kopf kühlte, ging es ihm langsam wieder besser, aber immer noch nicht gut. Er drehte das Wasser wieder ab und starrte in den Abfluss. Schlafen war eine wirklich gute Idee. Er hatte Kopfschmerzen, ihm war furchtbar schlecht und außerdem hatte er - obwohl er Sarcone zugestimmt hatte -immer noch arge Bedenken was ihr weiteres Vorgehen betraf. Nicht mal in erster Linie wegen dem schrecklichen Vorfall gerade eben, sondern...
 

"Einen erfolgreichen Tag gehabt, nicht wahr, Doktor?", fragte eine bohrende Stimme hinter ihm.
 

Beruga fuhr erschrocken herum und blickte in Shishimas dunkle Augen. Der Ninja stand nur knapp einen halben Meter hinter ihm und starrte ihn durchdringend an. Dem Wissenschaftler kroch ein eisiger Schauer den Rücken hinab, wie beinahe jedes Mal, wenn er mit dem dunklen Mann zu tun hatte.
 

Shishima war kein Teil von Mishimas Söldnertruppe, die sich aus einigen verbliebenen SOLDAT-Mitgliedern und ehemaligen ShinRa-Soldaten zusammensetzte, sondern war ihnen von ihrem Auftraggeber 'freundlicherweise' zur Seite gestellt worden, um die Wissenschaftler zu 'unterstützen', was Sarcone mit überschwänglichem Dank angenommen hatte.
 

Beruga war da misstrauischer. 'Bespitzeln' war der Term, den er für Shishimas Tätigkeit gebrauchte.
 

Allerdings war Shishima mehr als nur ein gewöhnlicher Spitzel. Gegen so jemanden hätte vielleicht etwas unternommen werden können, aber der Ninja war ein unvorhersehbarer und vor allem gefährlicher Mann, der kam und ging wie es ihm passte. Beruga konnte sich außerdem nicht daran erinnern ihn jemals beim Betreten eines Raumes beobachtet zu haben. Manchmal schien er sogar überall gleichzeitig zu sein.
 

So wie gerade im Moment. Er sollte - konnte - gar nicht hier sein.

"I... Ich dachte, S... Sie sind in Midgar und suchen nach Miss Devon?", stotterte der überraschte Wissenschaftler, Shishima ignorierte die Frage jedoch einfach.
 

"Fortschritte erzielt?"
 

"J... Ja, durchaus. Beachtliche Erfolge sogar."
 

Beruga konnte sich denken, warum Shishima wieder hier war. Er hatte die Mishimas Truppe wahrscheinlich nur nach Midgar begleitet, um zu sehen, ob die SOLDATs wirklich wegen der entlaufenen Frau dort waren und nicht wegen etwas, was die Wissenschaftler eventuell vor seinem Boss geheim halten wollten. Ihr Auftraggeber traute ihnen nicht besonders, so schien es, allerdings war auch eine beträchtliche Summe Geld im Spiel. Und schließlich entwickelten sie keinen neuen Softdrink sondern etwas, das vielleicht die Waffe der Zukunft wurde.
 

"Wir liegen noch vor dem Zeitplan", fuhr Beruga fort, "allerdings gab es einige Verletzte und..."
 

"Das wird meinen Lord erfreuen", schnitt ihn der Ninja ab. "Allerdings glaube ich, dass es ihn weniger freut zu hören, dass ihr werter Kollege plant, die Ware an mehrere Abnehmer zu verkaufen. Sie wissen doch..."
 

"Keine Sorge!", stieß Beruga aus. "Er hat diesen Punkt garantiert nicht vergessen. Da... Das war nur die Freude über das gelungene Experiment, ein kleiner Anfall von Größenwahn. Wir halten uns natürlich an die Abmachung. Schließlich ist das Angebot von Lord..."
 

"Dann ist es ja gut", unterbrach ihn Shishima ein weiteres Mal und trat noch ein Stück näher an Beruga heran. "Andernfalls..."
 

Der Schwarzgekleidete ließ langsam einen Finger horizontal über den Hals des Wissenschaftlers wandern, was einen dünnen Schnitt hinterließ, aus dem ein kleiner Tropfen Blut floss. Mit der anderen Hand umfasste er dessen Schulter und packte zu, so dass Beruga schmerzhaft sein Gesicht verzog und seine Brille, die er immer noch in der Hand gehalten hatte, fallen ließ.
 

"Bleiben Sie in Zukunft einfach auch so kooperativ, dann sind auch alle Beteiligten zufrieden." Daraufhin löste der Ninja seinen Griff und trat einen Schritt zurück. "Wir verstehen uns?"
 

"J... Jawohl!"
 

Shishima nickte zufrieden. "Sie haben ihre Brille fallen lassen. Sie sollten sie aufheben, sonst treten Sie noch darauf."
 

"J... Ja. Ja, natürlich."
 

Beruga bückte sich hastig nach seiner Sehhilfe, als er sich jedoch wieder aufrichtete, bemerkte er, dass er sich wieder allein in dem Raum befand. Shishima war spurlos verschwunden.
 

Langsam setzte sich Beruga seine Brille auf. Er war wieder schweißgebadet und seine Hände zitterten stärker als zuvor.
 

* * *
 

Elena war als tappte sie schon eine Ewigkeit durch die Dunkelheit. Jeder ihrer Schritte auf dem harten Untergrund hallte lange nach. Alles um sie herum war nicht einfach nur dunkel, sondern tiefschwarz. Nur sie selbst schien sich unter einer Art Lichtkegel zu befinden, der ihr überallhin folgte. Wo war sie hier? Und wie war sie hierher gekommen? Eben hatte sie sich noch bei Tifa in der Wohnung befunden und nun...
 

Sie schreckte aus ihren Gedanken hoch, als sie plötzlich Schritte hörte. Schnelle Schritte, die hinter ihr vorbei huschten und ebenfalls einen unheimlichen Hall erzeugten. Elena fuhr herum und blickte misstrauisch in die Dunkelheit. Hier war noch jemand - oder etwas.
 

"Wer bist du?", rief sie in die Dunkelheit.
 

Es erfolgte keine Antwort. Dafür huschte die andere Person abermals an Elena vorbei, diesmal links von ihr. Elena versuchte einen Blick auf den Unbekannten zu erhaschen, aber es gelang ihr nicht. Sie fuhr herum, als sie ein weiteres Mal Schritte hinter sich hörte.
 

"Wer bist du?", wiederholte sie ihre Frage. Langsam wurde ihr mulmig zu mute. Sicher, sie befand sich nicht gerade in einer angenehmen Umgebung, aber es war dieser unbekannte Fremde in der Dunkelheit, der ihr erst wirklich einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
 

"Zeig dich endlich!"
 

"DU wEißT, wER iCh BiN."
 

Elena erschrak fast zu Tode, als die aggressive, verzerrte Stimme hinter sich ertönte. Als sie sich jedoch nach der Geräuschquelle umdrehte sah sie wieder nichts weiter als Dunkelheit.
 

"Wer zum...?"
 

"Du WeIßt Es", ertönte es aus einer anderen Richtung.
 

"Nein, ich weiß nicht wer... oder was du bist." Elena blickte sich langsam um und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unwohl sie sich fühlte.
 

"SPieL nICht dIe DuMmE! DU WEißT eS", kreischte es weiteres Mal.
 

Bevor Elena etwas antworten konnte, tauchte plötzlich direkt vor ihr eine grässliche Fratze aus der Dunkelheit auf und sprang ihr beinahe ins Gesicht. Elena stieß einen entsetzten Schrei aus und stolperte erschrocken einen Schritt zurück. Dabei ließ sie jedoch keine Sekunde lang die Augen von der Fratze vor ihr. Mehr als das Gesicht und dem Halsansatz konnte sie nicht sehen, aber das reichte aus um sie endgültig zu verängstigen.
 

Das Gesicht vor ihr war eine grünlich geschuppte Fratze, um die herum verfilzte, lange, blonde Haare in alle Richtungen wehten. Zwei gelbliche Reptilienaugen starrten sie durchdringend an, während aus dem leicht geöffneten Maul immer wieder eine gespaltene Zunge hervorzüngelte.
 

"NUn weIßt dU ES. SAg, wEr IcH bIN!"
 

Elena Mund öffnete und schloss sich, aber es kamen keine Worte daraus hervor. Statt dessen wich sie weiter zurück, doch die Distanz zwischen ihr und der Fratze schien sich nicht im Geringsten zu verringern.
 

"SaG eS!"
 

Elena schüttelte nur ungläubig den Kopf. "Nein..."
 

"SAg ES!", forderte die Fratze.
 

"Das ist nicht..."
 

"DOcH! ICh BiN dU!"
 

Als schien die Fratze ihre Aussagen beweisen zu wollen, schob sie plötzlich ein Bein aus der Dunkelheit hervor, das mit einem lauten 'Klack' auf dem Boden aufsetzte. Es handelte sich um dieselbe Prothese, die Elenas linkes Bein ersetzte.
 

"UNd dU bISt iCh." Die Umrisse von Elenas verwandeltem Klauenarm tauchten ebenfalls in der Dunkelheit auf.
 

"NEIN!", schrie Elena auf und wandte sich ab. Sie schlug die Hände auf die Ohren und kniff ihre Augen so fest zu, wie sie nur konnte. "Du lügst! Du bist ein Monster!"
 

Obwohl sie sich die Ohren zuhielt, konnte Elena jedes Wort, das die Fratze ausstieß, deutlich hören. "Ja, DaS BIn icH, uNd DU eBeNSo."
 

Elena nahm die Hände runter, als die Stimme weiter in ihrem Kopf dröhnte, und schlang statt dessen die Arme um ihren Oberkörper. Sie schüttelte ihren Kopf, so fest sie nur konnte. "Das ist nicht wahr!"
 

"GIb Es zU! Du bIsT EIn TuRk, eIn MoNStEr iN mEnSChlIchEr GeStALt."
 

"Das..."
 

"DU HasT gEtÖTet, uM AUfgEnoMmen Zu WeRdEn, DU HaSt GEtöTEt, aLS Du dABeI wArST UNd tÖtESt iMmEr nOCh."
 

"Hör auf..."
 

"TÖtEn iSt dEInE BeSTiMmuNg. UNd iCH WeRDe dIR HelFEn, DeINe BEsTImmUnG zU eRfÜlLEn."
 

"HÖR AUF! Ich will nichts mit dir zu tun haben!"
 

"DaS kAnN IcH nIChT. ICh wAr sChON iMMeR eIN TeIL vON Dir, unD NUn haBe IcH ENdLicH eiN GeSiCHt."
 

Mit einem wütenden Aufschrei fuhr Elena herum und brüllte die Fratze an. "LASS MICH IN RUHE! Ich bin kein Monster, ich bin ein normaler Mensch!"
 

"AbER daS bISt dU NicHT. WiLlST DU SeHEn, WaS Du BIst, WAs dU sEIn wIrSt? WArTe, ICh ZEiGe eS diR."
 

"Nein, ich will nicht!" Elena schüttelte abermals ihren Kopf und versuchte ihre Augen wieder zu schließen, aber irgend etwas hinderte sie daran. Entsetzt sah sie, wie die Fratze langsam aus der Dunkelheit hervortrat und der ganze scheußliche Körper der Kreatur sichtbar wurde.
 

"NEIN!!!"
 

Erschrocken setzte Elena sich auf und brauchte eine kurze Weile, um sich zu orientieren. Sie saß auf Tifas Couch - wieder einmal. Neben ihr flimmerte der Fernseher. Sie musste eingeschlafen sein, ohne es zu merken.
 

"Was hast du?", fragte Tifa, die aufgeregt in das Zimmer stürzte.
 

Erschöpft wischte sich Elena mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und streifte anschließend ihre zerzausten Haare zurück. "Nur schlecht geträumt, nichts weiter..."
 

"Geht's dir gut?"
 

"Klar", gähnte Elena und streckte sich ausgiebig. Die Couch war nicht gerade die bequemste Schlafgelegenheit. "Wie gesagt, es war nichts."
 

Tifa schien sich mit dieser Antwort zufrieden zu geben und kehrte in ihr Schlafzimmer zurück, um ihr Arbeitsoutfit zu vervollständigen. Elena verbrachte noch einen Augenblick damit ihren müden Körper aufzuwecken und stand dann auf, wobei ihr Blick aus dem Fenster fiel und sie die Dunkelheit draußen bemerkte.
 

"Wie spät ist?", fragte sie überrascht.
 

"Kurz vor Acht", antwortete Tifa aus dem Schlafzimmer. "Ich sollte schon längst unten sein."
 

"So spät!? Wie lange habe ich geschlafen?"
 

"Fast drei Stunden", meinte Tifa, die wieder aus ihrem Zimmer kam und sich gerade noch die Haare zusammen band. "Ich bin dann unten..."
 

"Warte auf mich! Ich wollte dir doch..."
 

"Du brauchst dich nicht zu hetzten, Elena. Ich sagte doch schon, du musst mir nicht helfen. Heut' Abend dürfte eh nicht viel los sein."
 

Elena nahm Tifas Absage nicht hin. "Ich will dir aber helfen. Irgendwie muss ich mich doch revanchieren." Nach einem kurzen Moment fügte sie noch mit einem Grinsen hinzu: "Wenn es wirklich nichts zu tun für mich gibt, erleichtere ich eben deine Stammgäste wieder um ein paar Gil."
 

"Mach das", meinte Tifa ebenfalls mit einem Grinsen, dann zuckte sie mit den Achseln. "Also schön, davon abhalten kann ich dich wohl nicht, aber du brauchst dich wirklich nicht zu hetzen. Lass dir Zeit, du bist alles andere als in einem guten Zustand."
 

Elena nickte einsichtig. "Schön, ich lass mir Zeit. Aber glaub nicht, dass du mich wegen meinem 'Zustand' die ganze Zeit hier oben halten kannst. Ich brauche Abwechslung, sonst geh ich noch ein."
 

"Ich will dich auch nicht gefangen halten. Ich will nur, dass du dich nicht überanstrengst." Tifa warf einen Blick auf ihre Uhr. "Ich muss los, dusch dich in aller Ruhe und komm runter, wenn du fertig bist."
 

Tifa eilte zu ihrer Wohnungstür, machte allerdings auf der Schwelle noch einmal kehrt. "Und nicht hetzen, verstanden?"
 

"Ich hab's schon beim ersten Mal verstanden", antwortete Elena etwas genervt, was Tifa jedoch scheinbar nicht bemerkte und kurz darauf durch die Tür verschwand.
 

Elena hasste es so bemuttert zu werden. Sie hatte es schon als Kind nicht gemocht, als Teenager noch weniger und als sie zu den Turks gekommen war, hätte sie Reno und Rude dafür manchmal umbringen können. Was sie daran jedoch immer so verärgerte war, dass die anderen meist auf irgendeine Weise Recht hatten, so auch Tifa in diesem Fall. Eine Dusche würde ihr wirklich gut tun. Sie war durch und durch nassgeschwitzt.
 

"Blöder Traum", schimpfte sie und schritt langsam in Richtung Badezimmer.

Alpträume. Erschrecken einen zu Tode, lassen einen schweißgebadet aufwachen und sind zu nichts gut. Elena hasste Alpträume, wie wahrscheinlich jeder andere auch.
 

Auf der Schwelle zum Badezimmer blieb sie abrupt stehen und krümmte sich zusammen, als ein stechender Schmerz ihre Lunge durchfuhr. Ihre rechte Hand krampfte sich um den Türstock, während sie die andere auf den Mund presste als sie von einem Hustenanfall gepackt wurde.
 

So plötzlich wie er gekommen war, verschwand er jedoch auch wieder. Elena richtete sich wieder auf und betrachtete ihre Hand. Sie hatte wieder etwas Blut ausgehustet, aber bei weitem nicht soviel wie beim letzen Mal. Vielleicht wurde es ja wirklich von alleine besser.
 

"DU mUsST ALlEs töTeN!"
 

Elena schloss die Augen und rieb sich genervt die Schläfen. Jetzt bekam sie auch noch Kopfschmerzen. Sie stapfte verärgert ins Bad und begann sich auszuziehen. Tifas gute Ratschläge hin oder her, sie brauchte Abwechslung um diesen blöden Traum endlich zu vergessen.
 

Es war schließlich nur ein Traum gewesen.
 

Was Elena nicht bemerkte, als sie in die Dusche stieg, war das die Stelle am Türstock, die sie umklammert hatte, nicht etwa den Abdruck von fünf Fingernägeln trug, sondern von vier scharfen Krallen.
 

* * *
 

Das gute Dutzend Personen, welche die alte, heruntergekommene Doppelgarage bewohnten, wussten nicht wie ihnen geschah, als das Tor zu ihrer Behausung plötzlich anschwoll und dann mit einem Krachen nach innen explodierte. Ein Regen aus brennenden Holzstücken schoss durch den Innenraum und veranlasste die versammelten Gang-Mitglieder dazu sich so gut es ging in Deckung zu werfen. Als jedoch keine weiteren Explosionen folgten, begannen die ersten wieder ihre Köpfe zu heben.
 

Zwischen den Überresten stand eine weißhaarige Frau, die eine kleine Flamme von ihrer Fingerspitze pustete und dann ihre Hand wieder unter ihre dunkelvioletten Roben gleiten ließ. Sie marschierte langsam ins Innere, während ihr drei Männer in dunklen Klamotten folgten.
 

"Guten Abend, Herrschaften", begrüßte Jinua die überraschten Punks mit einem bissigen Tonfall. "Ich hätte da ein paar Fragen. Und hoffe ich bekomme ein paar Antworten von euch."
 

"Du wirst gleich sehen was du bekommst!", brüllte einer der Punks und sprang auf. Er stürmte auf Jinua zu, holte aus und ließ seine Faust nach vorne schnellen. Allerdings traf er nur eine unsichtbare Wand kurz vor ihr, die kurz weiß aufflackerte. Ein erstaunter Ausdruck huschte über das Gesicht des Jungen, während Jinua wieder ihre Hand hervorzog und sie vor den Brustkorb ihres Angreifers hielt.
 

Ein lautes Knacken ertönte als plötzlich ein Blitz aus Jinuas Handfläche schoss und in die Brust des Punks schmetterte. Der Zauber schleuderte ihn durch den Raum und ließ ihn gegen die Wand prallen. Dampfend ging er zu Boden und rührte sich nicht mehr.
 

"Wenn ich sage, ich möchte Antworten von euch", zischte Jinua, "dann will ich, dass ihr mir ohne Widerworte gehorcht. Haben das alle Anwesenden verstanden?"

Jinua warf einen Blick in die Runde. Immer mehr der Gang-Mitglieder erhoben sich, allerdings griffen die meisten nach irgendwelchen Schlagwerkzeugen oder Messern, das weibliche SOLDAT-Mitglied sah jedoch einfach darüber hinweg.
 

"Ich suche eine blonde Frau, und wie mir zu Ohren gekommen ist..."
 

"Halt die Klappe, du Miststück!", fuhr ihr ein weiterer Punk dazwischen, der mit einem Baseballschläger bewaffnet war. "Wer glaubst du eigentlich, wer du bist?"
 

"Die Materia-Queen."
 

"Und ich bin der Herrscher von Wutai!"
 

Er stürzte sich zusammen mit einem weiteren Gang-Mitglied auf Jinua, doch die erfahrene Kämpferin wich mit unmenschlicher Geschwindigkeit aus. Sie befreite auch ihre zweite Hand aus ihren Roben und ließ sie durch die Luft kreisen, während sich kalter Nebel darum bildete. Ein Eiszapfen schoss aus ihrer rechten Hand und durchschlug den Hals des einen Punks, der mit einem Röcheln zu Boden ging. Fast gleichzeitig packte sie mit der anderen Hand den Arm des Keulenschwingers, der augenblicklich zu schreien begann, als sein Arm einfror. Mit einem ausdruckslosen Gesicht machte Jinua einen kurzen Ruck mit ihrer Hand und brach das tiefgefrorene Gliedmaß ab. Sie ließ dem Punk einen Augenblick Zeit entsetzt zu schreien, dann jagte sie auch ihm einen Eiszapfen durch den Brustkorb.
 

Die übrigen Gang-Mitglieder starrten entsetzt auf ihre verstorbenen Freunde, während Jinua die Arme verschränkte.
 

"Bekomme ich jetzt endlich meine Antworten?"
 

Die übrigen Punks schienen für einen Augenblick mit dem Gedanken zu spielen Jinua zu geben, was sie wollte, aber dann zogen zwei von ihnen Pistolen, und ein Weiterer rief der Bande ihre zahlenmäßige Überlegenheit ins Gedächtnis. Langsam rückte die Gruppe Halbstarker auf sie zu.
 

"Ihr habt wirklich eine Lektion in Gehorsam verdient, Kinder", knurrte Jinua und zog ihre Arme wieder auseinander.
 

"Ma'am", meldete sich einer der Männer hinter ihr. "Wie sollen wir sie nach der Blonden befragen, wenn sie alle tot sind?"
 

"Wenn die Hälfte am Schluss noch lebt, reicht das vollkommen aus", meinte Weißhaarige. "Mischt euch nicht ein, passt nur auf, dass keiner entkommt."
 

Jinua machte einen Schritt vorwärts und ergriff den Kragen ihrer Robe, riss sie sich mit einer gekonnten Bewegung vom Körper und schleuderte den wallenden Stoff in die Luft.
 

"Dann wollen wir mal!"
 

* * *
 

Dank des verräterischen Luftzuges, wusste Tifa, dass jemand die Bar betreten hatte, noch bevor sie sich umgedreht hatte. Sie schnappte sich eine Flasche aus dem Regal hinter der Theke, ließ sie einmal in der Hand kreisen - eine Bewegung die über die Jahre nun praktisch schon von allein funktionierte - und wandte sich anschließend wieder dem Tresen zu, einerseits um die Drinks für die anderen Gäste zuzubereiten, andererseits um den Neuankömmling zu begrüßen.
 

Ihr freundlicher Gruß blieb ihr allerdings im Hals stecken, als sie erblickte, wer da ihre Bar betreten hatte: In der Tür stand ein junges Mädchen mit roten Haaren und einem Sturzhelm unter dem Arm, das sich suchend umblickte. Missbilligend verzog Tifa das Gesicht und stellte die Flasche beiseite, anschließend trat sie hinter der Theke hervor und baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor dem Mädchen auf.
 

"Guten Abend, junge Dame, kannst du mir sagen was du hier willst? Ich seh dir auf den ersten Blick an, dass du noch nicht alt genug bist, um hier zu sein."
 

Das Mädchen hatte Tifa scheinbar zuerst gar nicht bemerkt, den es zuckte erschrocken zusammen, als es angesprochen wurde.
 

"Ganz Recht, mit dir rede ich", fuhr die Barkeeperin fort.
 

"Ich will gar nichts zu trinken", verteidigte sich das Mädchen und blickte Tifa mit trotzigen, aber müden Augen an. Die schwarzen Ringe unter ihren Augen, deuteten an, dass das junge Ding dringend Schlaf benötigte.
 

"Dann bist du erst Recht falsch hier", meinte Tifa. "Du solltest zusehen, dass du ins Bett kommst."
 

"Später", antwortete die Rothaarige desinteressiert und begann wieder sich in der Bar umzusehen. "Ich suche jemanden."
 

Tifa verschränkte ungläubig die Arme. "Soso, und wen?"
 

"Meine... Tante. Sie..." Das Mädchen stockte, und für einen Augenblick weiteten sich seine Augen, dann blickte es schnell wieder in eine andere Richtung. "Sie hat... rote Haare, so wie ich und ist etwas größer. Anfang Dreißig."
 

Tifa trat einen Schritt beiseite und sah sich um. Sie erblickte aber weder eine Person, auf die die Beschreibung zu traf, noch etwas ungewöhnliches, das den kurzen, überraschten Blick des Mädchens erklärt hätte.
 

"Keine Ahnung von wem du reden könntest. Siehst du sie hier irgendwo?"

Das Mädchen blickte sich noch für einen Augenblick um, dann schüttelte es schließlich den Kopf.
 

"Nein. Sie ist wohl nicht hier."
 

"Dachte ich mir beinahe", meinte Tifa mit einem zynischen Unterton. "Wir wär's, wenn du dich dann jetzt verziehst? Sieh zu, dass du ins Bett kommst."
 

"Bist du meine Mutter?", keifte die Kleine zurück, setzte sich dann aber ihren Helm auf. "Keine Sorge, ich bin schon weg."
 

Kurz darauf war sie verschwunden. Tifa schloss die Tür hinter ihr und schnaubte verärgert. Sie kannte das Leben in Midgar mittlerweile gut genug, aber trotzdem hasste sie es, wenn sich die Straßenmädchen in ihrer Bar nach Freiern umsahen - noch dazu wenn es sich um so junge Dinger handelte. Aber sehr viel mehr, als sie von hier fernzuhalten konnte sie nicht machen.
 

Die Welt zu retten war eine Sache, die Welt zu verbessern eine andere.
 

Verstimmt begab sich Tifa wieder hinter die Theke und widmete sich ihrer Arbeit.
 

* * *
 

Nachdenklich hatte Elena Tifa und das rothaarige Mädchen, das eben die Bar betreten hatte, beobachtet. Sie hätte schwören könne, die Kleine hatte sie für einen Moment angestarrt. Aber warum sollte sie? Wahrscheinlich war es nur Einbildung gewesen. Das Mädchen war ohnehin schon wieder verschwunden, aber ganz anscheinend hatte sie Tifa verärgert. Die braunhaarige Frau wirkte nicht mehr so entspannt wie noch vor ein paar Minuten.
 

"Elena, du bist dran."
 

Die Turk zuckte kurz zusammen, dann besann sie sich wieder auf das Geschehen an ihrem Tisch.
 

"Sorry, ich war kurz abgelenkt." Elena warf einen kurzen Blick auf die fünf Karten in ihrer Hand und verzog unzufrieden ihr Gesicht. So viel Glück wie am Vorabend hatte sie heute einfach nicht. "Ich bin raus."
 

"Ich halte und erhöhe um fünf", sagte Garren, der Mann neben ihr. Er war einer von Tifas Stammgästen. Obwohl Elena ursprünglich vorgehabt hatte, Tifa etwas zur Hand zu gehen, war sie wieder bei ihnen am Tisch gelandet. Aber die Arbeit hielt sich auch am heutigen Abend wirklich in Grenzen, also war das wohl in Ordnung. Außerdem hatte Tifa ohnehin nicht auf ihre Hilfe bestanden.

Elena genoss es irgendwie so unter Leuten zu sein. In Costa del Sol hatte sie nichts Vergleichbares gehabt. Diese Kartenspielerrunde aus lauter offenen und redseligen Kerlen war irgendwie genau das Richtige um sich für ein paar Stunden abzulenken. Tifa hatte es gut getroffen mit ihrer Nachbarschaft.
 

"Was hat dich denn abgelenkt?", fragte Garren mit einem Grinsen. "Tifa?"

Elena zog darauf nur fragend die Augenbrauen hoch.
 

"Hey, wenn du ein Kerl wärst, wäre das eine glaubwürdige Ausrede", lachte Garren.
 

"Sehr witzig", meinte Elena mit einem bitteren Grinsen. "Nein, ich..."
 

"Woher kennst du unsere Tifa eigentlich?", fragte ein anderer und ersparte Elena dadurch wenigstens die Suche nach einer Ausrede. Eigentlich hatte sie Tifa ja wirklich angestarrt.
 

"Woher ich sie kenne?"
 

Was sollte sie auf so eine Frage antworten? Wir waren früher Feinde und haben uns aufs Blut bekämpft, aber jetzt hat sie mich aus der Gosse gezogen und zusammen geflickt, etwa?
 

"Wir sind Freunde von früher", sagte sie schließlich.
 

"Eine alte Freundin von Tifa? Wunderbar!", meinte Garren. "Dann kannst du uns doch sicher ein bisschen was über sie erzählen, oder?"
 

"Über sie erzählen?"
 

"Ja", meinte wieder ein anderer. "Tifa ist zwar die gute Seele in unserem Viertel, aber sie erzählt nicht gerade viel über sich."
 

Elena war von der Idee wenig begeistert. "Ich weiß nicht, was ich groß über sie erzählen könnte..."
 

"Es heißt ja, sie sei bei Avalanche gewesen. Du weißt schon, diese Terrorgruppe, die den Anfang von ShinRas Ende eingeleitet hat. Ist da was dran?"
 

Elena blickte kurz zu Tifa, die gerade an einem anderen Tisch servierte, und seufzte. "Das stimmt schon, aber wenn sie es nicht von sich aus erzählt, dann hat sie wohl ihre Gründe dafür, und ich sollte es auch nicht ausplaudern."
 

Garren pfiff anerkennend. "Sie war also wirklich dabei. Ich wusste ja schon immer, dass Tifa nicht so zerbrechlich ist, wie sie aussieht. Aber das... Sie muss ja eine richtig zähe Kämpferin sein."
 

"Können wir nicht einfach weiter spielen?", bat Elena fast schon etwas verzweifelt. Sie hatte wieder einmal zuviel geredet, ohne darüber nachzudenken. Sie fühlte sich irgendwie schlecht, Tifa so in den Rücken zu fallen.
 

"Na schön, spielen wir weiter", meinte Garren schließlich. "Aber ich weiß wirklich nicht, warum sie meint, sie müsse das vor uns verstecken. Sie hat doch Gutes vollbracht."
 

"Wahrscheinlich wegen den Anschlägen auf die Reaktoren. Das hat ja nicht nur den ShinRa Schaden zugefügt."
 

"Pah! Wo gehobelt wird da fallen Späne. Ich sage wer sich wirklich schämen sollte, sind alle die jemals für ShinRa gearbeitet haben. Was die angestellt haben. War wirklich nicht mehr feierlich."
 

Während die Männer sich nach und nach immer mehr in Diskussion darüber verstrickten, wie schlimm ShinRa doch gewesen war, wurde Elena auf ihrem Stuhl immer kleiner. Sie konnte Tifa eigentlich nur zu gut verstehen, warum es manchmal einfach besser war die Vergangenheit zu verschweigen.
 

* * *
 

"Und, habt ihr etwas aus ihnen herausbekommen?", fragte Mishima ungeduldig als Jinua sein Zimmer betrat. Nebenbei winkte er die beiden Männer, die sich noch im Zimmer befanden, beiseite, worauf diese sich an den Rand des Raums zurückzogen.
 

Die Weißhaarige schüttelte missmutig den Kopf. "Nichts genaues. Ein paar von ihnen haben Devon gestern um Mittag rum am Bahnhof getroffen und irgendwie einen Streit angefangen. Jedenfalls haben sie sie dann überwältigt und mitgeschleppt um sie zu 'bestrafen'."
 

"Und dann?"
 

Jinua runzelte verärgert die Stirn. "In einem Hinterhof ist sie dann zu sich gekommen und hat wieder angefangen sich zu wehren. Kaum hatten die Kerle sie dann wieder ruhig gestellt, sind sie von einer anderen Frau angegriffen und der Reihe nach fertig gemacht worden?"
 

"Eine Frau?", fragte Mishima etwas überrascht.
 

"Ja", meinte Jinua. "Zuerst wollten sie mir ja weiß machen, es seien drei Kerle gewesen, aber Ajig hat die Wahrheit aus ihnen heraus gebracht. Jedenfalls, als die Bande wieder zu sich gekommen ist, hatte einer von ihnen ein Loch im Hals und Devon und die andere Frau waren verschwunden."
 

Mishima brummte unzufrieden und trat zum Fenster hinüber. "Sie ist also tatsächlich in Midgar, aber mehr wissen wir auch nicht. Wie sah diese andere Frau aus?"
 

"Dunkle Haare und viel Oberweite", schnaubte Jinua. "Mehr haben sich diese Schwachköpfe nicht eingeprägt. Zu dumm, dass das wahrscheinlich schon allein auf ein Viertel aller Nutten in dieser Dreckstadt zutrifft. Da können wir genauso gut planlos weitersuchen wie zuvor."
 

"Du vergisst, dass diese Frau es mit einer ganzen Gruppe von Straßenschlägern aufgenommen hat. Das dürfte unsere Suche wieder etwas einschränken. Trotzdem stehen wir immer noch mit relativ wenig da."
 

"Ich werde Ajig sagen, er soll die Kerle noch etwas bearbeiten. Vielleicht bekommt er noch etwas aus ihnen raus."
 

"Einen Versuch ist es wohl wert", meinte Mishima unzufrieden.
 

"Haben die anderen noch etwas gefunden, was uns weiterhelfen könnte?"
 

Der Kommandant schüttelte kurz den Kopf. "Nichts. Zumindest was unsere Leute angeht, Shishima hielt es bisher nicht für nötig Bericht zu erstatten."
 

Jinua schnaubte verächtlich. "Ich dachte mir so etwas schon. Ich weiß einfach nicht, woran ich bei diesem Kerl bin. Er kommt und geht wie er will, er macht was er will. Ich traue ihm kein bisschen."
 

"Ich auch nicht", meinte Mishima. "Aber ich kann nicht viel machen. Er untersteht weder unserer Befehlskette, noch war ich derjenige der ihn angeheuert hat. Vielleicht sollten wir..."
 

"Kommandant!" ertönte plötzlich ein lauter Schrei auf dem Gang, der das Gespräch der Beiden unterbrach. "Kommandant! Kommandant! Kommandant! Kommandant!"
 

Sekunden später stürmte eine furchtbar aufgeregte Raika in das Zimmer. "Kommandant!"
 

Jinua trat verärgert einen Schritt auf Raika zu. "Was brüllst du hier so rum, dummes Gör? Sieh zu, dass du raus kommst und warte, bis wir fertig sind!"
 

"Ichhabsiegefunden!"
 

"Was war das?", wollte Mishima wissen. Raika hatte mit einem Mal seine gesamte Aufmerksamkeit.
 

Raika atmete erst einmal kurz durch und versuchte sich etwas zu beruhigen. "Elena Devon. Ich hab sie gefunden!"
 

"Wie bitte?!", kreischte Jinua aufgeregt, Mishima ignorierte die Weißhaarige jedoch, drängte sie beiseite und baute sich vor Raika auf.
 

"Wo?"
 

Ein stolzes Lächeln huschte über ihr Gesicht. "In einer Bar namens 'Siebter Himmel' in Sektor 3. Sie spielt da Karten, oder so."
 

"Wie lange ist das her?"
 

"Zwanzig Minuten vielleicht", meinte Raika. "Eher weniger..."
 

"Moment mal!", fuhr Jinua dazwischen. "Sektor 3?!" Die weißhaarige Frau schoss vorwärts und packte Raika am Kragen ihrer Jacke. "Was hast du kleines Dreckstück in Sektor 3 verloren?! Das war mein Sektor, du warst ganz woanders..."
 

"JINUA!!!", brüllte Mishima seine Untergebene an, worauf diese erschrocken herumfuhr und unter dem strengen Blick des Kommandanten Raika wieder los ließ. "Du kannst wegtreten."
 

"Aber Kommandant..."
 

"Wegtreten, hab ich gesagt!"
 

Jinua presste verärgert die Lippen zusammen. Für einen kurzen Augenblick schien sie noch etwas erwidern zu wollen, doch dann richtete sie sich zu voller Größe auf und streifte ihre Roben glatt.
 

"Ja, Sir!", sagte sie bitter und marschierte mit erhobenem Haupt aus dem Raum.
 

Noch bevor sie draußen war, wandte sich Mishima an die beiden Männer die sich noch immer im Raum befanden. "Benachrichtigt sofort alle, die sich noch in der Stadt befinden! Ich will, dass dieser Laden ab sofort unter ständiger Beobachtung steht. Findet raus wem er gehört und so weiter. Und sobald Miss Devon dort rauskommt, heften sich zwei Mann unauffällig an ihre Fersen! Ich will wissen, wo ihr Unterschlupf ist. Beeilt euch!"
 

"Zu Befehl, Sir", riefen die beiden Männer im Chor und eilten aus dem Raum.

Mishima schloss die Tür hinter ihnen und schritt dann zu Raika, vor der er sich zu voller Größe aufrichtete und sie mit einem strengen Blick musterte. Das Mädchen hatte alle Aufregung verloren und schluckte besorgt.
 

"Nun zu dir, Raika."
 

"Kommandant, ich..."
 

"Jinua hat Recht. Du hattest doch den Befehl Sektor 6 zu durchsuchen, nicht wahr?
 

Raika blickte schuldig zu Boden. "Ja."
 

"Dann würde ich gerne wissen, warum du in Sektor 3 warst."
 

"Ich..." Raika ballte ihre Fäuste, dann hob sie ihren Kopf und blickten Mishima mit festem Blick an. "Ich hab gehört, wie Jinua gesagt hat, dass Devon in Sektor 3 gesehen wurde. Da bin los, um sie zu suchen."
 

"Und warum?"
 

"Ich wollte sie unbedingt finden. Ich wollte endlich auch einmal etwas Nützliches fertig bringen. Ich wollte beweisen, dass ich ein richtiges Mitglied unserer Truppe bin!" Sie blickte wieder beiseite. "Und nicht nur Ballast."
 

Mishima verschränkte die Arme und seufzte leicht. "Und warum dachtest du, du müsstest das beweisen?"
 

Raika hob überrascht den Kopf und blickte den Kommandanten verwirrt an.

"Glaubst du wirklich, wir hätten dich die ganze Zeit bei uns behalten, wenn du nur Ballast wärst? Du bist ein vollwertiges Mitglied meiner Truppe, du musst weder deine Position, noch deinen Wert unter Beweis stellen."
 

"Aber ich bin die einzige ohne Mako-Behandlung, und Jinua..."
 

"Jinua ist Jinua", meinte Mishima mit einem Schulterzucken. "So ist sie nun mal. Die anderen behandeln dich aber doch nicht genauso, oder?"
 

Raika schüttelte den Kopf. "Nein, aber trotzdem bin ich für sie nur ein..."
 

"Ein Kind? Könnte es daran liegen, dass alle mindestens zehn Jahre älter sind als du? Lass dich davon nicht stören. Wir allen wissen, dass du unsere beste Pyrotechnikerin bist." Mishima legte dem Mädchen eine Hand auf den Kopf und wuschelte kurz durch ihr Haar. "Und das mit dem missachteten Befehl will ich für heute auch mal ignorieren."
 

"Danke, Kommandant."
 

Der grauhaarige SOLDAT winkte ab. "Jetzt sieh zu, dass du ins Bett kommst. Du schläfst doch fast schon im Stehen ein. Wegtreten!""
 

"Zu Befehl, Kommandant!", salutierte Raika glücklich und wandte sich zum Gehen.
 

"Und, Raika?"
 

"Ja, Kommandant?"
 

"Gut gemacht."
 

* * *
 

Müde schlenderte Raika durch die Gänge des Hotels - müde, aber äußerst zufrieden. Sie hatte es geschafft! Sie ganz alleine hatte es geschafft und Devon gefunden. Sie hatte endlich bewiesen, dass sie ihren Platz bei SOLDAT verdient hatte. Der Kommandant hatte ihr zwar gesagt, dies sei gar nicht nötig gewesen, aber trotzdem war sie froh, dass es ihr geglückt war und nicht etwa Jinua.
 

Sie war gespannt, was die anderen wohl sagen würden. Jinua kochte vor Wut, da war sie sich sicher. Lorgan würde ihr anerkennend auf die Schulter klopfen - und dann ebenfalls kochen, da er ihr jetzt zweihundert Gil schuldete. Trax würde nichts sagen, wie immer, oder wenn dann nur irgendeinen kurzen Kommentar. Er zeigte nie sonderlich viel Interesse an so etwas.
 

Okita würde wahrscheinlich auch nicht viel sagen, sondern zum Kommandanten rennen und fragen wie die nächsten Schritte aussähen. Okita war ein echtes Arbeitstier - zumindest wenn es darum ging den Kommandanten zu beeindrucken.
 

Etwas angewidert verzog sie das Gesicht, als sie daran denken musste, wie Ajig ihr wohl gratulieren würde: Der Vize-Kommandant der SOLDAT-Truppe würde wieder einmal versuchen sie zu einer 'privaten Triumphfeier' überreden. Zum Glück hatte er ihre Absagen bisher immer hingenommen. Ajig war sonst kein Mann, der nachfragte, wenn er etwas wollte, sondern es sich einfach nahm. Dummerweise war er der Vize-Kommandant, und mit Ausnahme des Kommandanten konnte ihm eigentlich keiner Vorschriften machen.
 

Aber der Kommandant war zum Glück ein ganz anderer Mensch. Auf ihn zu treffen war das Beste was jemals in Raikas Leben passiert war. Seit jenem Tag war es ihr eigentlich immer gut gegangen. Er hatte sie zwar oft streng, aber nie schlecht behandelt. Und das Lob, das sie heute von ihm bekommen hatte, war eine der größten Auszeichnungen überhaupt für sie. Dem Kommandanten war normal ein Lob nicht gerade leicht zu entlocken, aber sie hatte es geschafft. Es war einfach ein perfekter Tag.
 

Perfekt zumindest bis zu diesem Moment, denn dann schoss plötzlich eine Gestalt hinter einem Eck hervor, die die überraschte Raika am Hals packte und gegen die nächste Wand schleuderte. Das Mädchen zuckte vor Schmerzen zusammen. Als es die Augen wieder öffnete, blickte es in Jinuas wutverzerrtes Gesicht.
 

"Für wen hältst du Dreckstück dich eigentlich?!", zischte die zornige Frau Raika an und verstärkte ihren Griff um deren Hals.
 

Raika wollte etwas sagen, aber aus ihrer Kehle drang nur ein schmerzhaftes Röcheln, als Jinuas Griff im wahrsten Sinne eisig wurde und sich langsam eine kalte Eisschicht auf dem Hals des Mädchens bildete.
 

"Soll ich dich einfach erfrieren oder nur deine Stimmbänder absterben lassen, damit ich dein nerviges Geschrei nie wieder hören muss?", knurrte Jinua und hob ihre andere Hand vor Raikas Gesicht. Kalter Nebel wabberte um die Hand, dann wuchsen plötzlich fünf Eiszapfen aus Jinuas knöchrigen Fingern, deren Spitzen kurz vor dem erschrockenen Gesicht des Mädchens Halt machten.
 

"Nein, ich weiß etwas Besseres", fuhr die Weißhaarige fort. "Ich werde dich verstümmeln und verbrennen, bis selbst Ajig dich nicht mehr will. Das sollte dir Biest eine Lehre sein. Hast du wirklich gedacht, du könntest mich ungestraft so vorführen? Kleines, unnützes..."
 

Weiter kam Jinua nicht, denn plötzlich wurde sie von Raika weggerissen und gegen die gegenüberliegen Wand geschleudert. Raika sank hustend und mit beiden Händen ihren Hals umklammernd zu Boden, während Lorgan sich vor Jinua aufbaute und ihr einen Arm gegen die Kehle presste.
 

"Hast du Hexe den Verstand verloren?!", brüllte er sie an.
 

"Keineswegs", antwortete Jinua unbeeindruckt. "Die kleine Göre bekommt nur was sie verdient. Sie sollte wissen, wo ihr Platz ist." Sie schnaubte kurz verächtlich. "Aber ich hätte mir denken können, dass du hier auftauchst. Wie oft muss sie eigentlich in dein Bett kriechen, damit du ihren Beschützer spielst?"
 

Lorgan knurrte wütend und presste seinen Arm stärker gegen Jinuas Hals. "Halt die Klappe! Wenn du ihr noch einmal ein Haar krümmst, breche ich dir das Genick, egal was der Kommandant anschließend mit mir macht. Verstanden?!"
 

Immer noch unbeeindruckt hob Jinua eine Hand und presste sie dem kräftigen SOLDAT auf die Brust. "Was hältst du davon, wenn du mich jetzt sofort loslässt, sonst jage ich dir einen Eiszapfen durch das Herz, bevor du nur mit einer Wimper zuckst. Verstanden?"
 

"Das wirst du nicht machen", ertönte plötzlich Raikas todernste Stimme. Kurz darauf erschien das Mädchen neben den beiden und hielt ihnen zwei Granaten vor die Gesichter, während gleichzeitig ihre Zeigefinger durch die Ringe an den Sicherungsstiften rutschten. "Du lässt Lorgan in Ruhe, oder ich sprenge uns alle zusammen in die Luft."
 

"Raika...", murmelte Lorgan überrascht.
 

"Stopfst du dich mit den Dingern aus, oder wo hast die auf einmal her?", fragte Jinua mehr verärgert als überrascht.
 

"Ich meine es ernst, Jinua!", drohte das rothaarige Mädchen und lockerte die Stifte ein wenig.
 

"Heh", lachte die Weißhaarige beinahe anerkennend, "du würdest dich sogar in die Luft jagen, um mich dranzukriegen?"
 

Raika antwortete nicht darauf, sondern fixierte Jinua nur mit ihrem trotzigen Blick. Die andere Frau erwiderte den Blick, während Lorgans Augen zwischen den beiden langsam hin und her wanderten, ohne das er seinen Arm von Jinuas Hals nahm. Über eine Minute sprach keiner der Drei ein Wort.
 

"Also gut", meinte Jinua schließlich verärgert und ließ ihren Blick von Raika zu Lorgan wandern. "Pfeif deinen Bodyguard zurück, dann lass ich ihn auch in Ruhe."
 

Lorgan und Jinua starrten sich noch für einen Augenblick lang an, dann zog die Weißhaarige ihre Hand zurück und er löste gleichzeitig seinen Griff. Jinua massierte kurz ihren Hals und lockerte ihren Nacken mit ein paar Kopfbewegungen, dann streifte sie ihre Roben glatt und stolzierte an den beiden vorbei.
 

"Du bist mutiger, als ich dachte, Kleine", sagte sie schließlich, bevor sie um eine Ecke bog. "Aber glaub nur nicht, dass du für mich deshalb schon zum Team gehörst."
 

"Alles okay?", fragte der Glatzkopf als er Jinua schließlich außer Hörweite wähnte.
 

Raika zog ihre Finger wieder aus den Ringen und verstaute die beiden Granaten in den Taschen ihrer Jacke, anschließend nickte sie nur kurz. "Ja, danke. Diesmal war sie wirklich sauer."
 

"Schon", meinte Lorgan und blickte dann in die Richtung, in die Jinua verschwunden war. "Du musst aufpassen, so etwas vergisst sie nicht so schnell - und rachsüchtig, wie sie ist..."
 

"Mhh... Ich weiß", sagte Raika nachdenklich und folgte seinem Blick. Der Abend war eigentlich so gut gelaufen und Jinua war es wieder einmal gelungen, ihr die Stimmung zu verderben.
 

* * *
 

"So, das waren die letzten", verkündete Elena erleichtert, als sie das Tablett mit leeren Gläsern auf den Tresen stellte. Tifa schnappte sich die Gläser der Reihe nach, spülte eines nach dem anderen mit geübter Hand kurz ab und stellte sie dann neben die Spüle zum Trocknen. Richtig aufräumen würde sie erst im Verlauf des noch jungen Tages - nach ein paar Stunden Schlaf.
 

"Feierabend?"
 

"Fast", meinte Tifa und holte eine Flasche Whiskey aus dem Regal hinter der Bar. "Auch einen Drink?"
 

Auf Elenas Nicken hin nahm sie zwei Gläser und ließ sich an einem der Tische nieder. Während die Turk sich gegenüber von ihr hinsetzte, schenkte Tifa etwas von der bräunlichen Flüssigkeit ein, und schob eines der Gläser zu Elena hinüber. Bevor jedoch die Turk nur nach ihrem Glas greifen konnte, hatte Tifa das ihre schon geleert und knallte es zurück auf den Tisch.
 

"Das habe ich gebraucht." Die junge Frau schüttelte sich kurz und schenkte sich dann nach.
 

Etwas erstaunt nippte Elena kurz an ihrem Drink und stellte das Glas dann wieder ab. "Du bist schon fast den ganzen Abend so schlecht gelaunt. Ist es, weil ich dir anfangs doch wieder nicht geholfen habe. Das tut mir Leid, aber..."
 

"Das ist es nicht", winkte Tifa ab und nahm einen weiteren Schluck. "Es liegt an dieser Stadt - wieder einmal."
 

Elena konnte darauf nur mit einem fragenden Blick antworten. Sie wusste nicht worauf Tifa hinaus wollte.
 

"Hast du das Mädchen gesehen, das kurz hier reingekommen?"
 

Die Turk nickte nur stumm. Sie glaubte zu wissen, wen Tifa meinte.
 

"Dreimal darfst du raten, was sie wahrscheinlich hier wollte." Die dunkelhaarige Frau leerte den Rest ihres Glases und füllte ein weiteres Mal nach. "Sie werden immer jünger."
 

Elena nahm einen weiteren Schluck, bevor sie antwortete. "Nimmt es dich so mit, dass dieses Mädchen, das du nicht mal kennst, vielleicht anschaffen gehen könnte. Das sollte dir doch so was von egal sein."
 

"Sollte es wohl", seufzte Tifa und starrte in ihr Glas. "Ist es aber irgendwie nicht."
 

"Willst du jetzt losziehen und jedes einzelne Mädchen aus den Fängen ihrer Zuhälter befreien? Viel Spaß dabei..."
 

"Nein..."
 

Elena schüttete den Rest ihres Drinks hinunter, verzichtete jedoch darauf sich etwas nachzuschenken. "Wenn du Midgar so hasst, warum bist du dann hier?"
 

"Woanders wäre es auch nicht besser." Tifa nahm einen kleinen Schluck und seufzte ein weiteres Mal. "Manchmal frage ich mich, wofür wir eigentlich gekämpft haben. Klar, für den Erhalt des Planeten. Aber ein besserer Ort ist die Welt trotzdem nicht geworden, oder?"
 

Die Turk verzog ihr Gesicht. "Ich glaube, du fragst die falsche Person, wenn du dir darauf eine positive Antwort erhoffst." Daraufhin schob Elena ihr Glas in die Mitte des Tisches und begann sich zu strecken. "Ich glaube, ich geh besser ins Bett. Du wirst mir zu philosophisch."
 

"Sorry", kicherte Tifa auf Elenas Kommentar hin. "Manchmal hab ich einfach solche Phasen. Bleibst du noch, wenn ich dir verspreche das Thema zu wechseln?"
 

"Hmm", brummte Elena misstrauisch, begann dann aber zu grinsen. "Na schön."
 

"Gut", meinte Tifa. Sie füllte Elenas Glas nach und schob es der Turk hinüber, die es gleich darauf an ihre Lippen führte. "Und jetzt, Gestehe! Was hast du den Männern über mich erzählt."
 

Elena starrte sie einen Moment entsetzt an und setzte dann das Glas ab. "Du hast es mitbekommen?"
 

"Nicht direkt, aber sie versuchen eigentlich jeden, den sie in die Finger bekommen, über mich auszufragen. Also?"
 

Elena ließ schuldbewusst ihren Kopf hängen. "Ich muss mich entschuldigen."
 

"Wofür denn jetzt schon wieder?"
 

"Mir ist rausgerutscht, dass du bei Avalanche warst", gestand die Turk immer noch auf den Tisch starrend. "Ich nehme an, du wolltest das wahrscheinlich für dich behalten."
 

"Die wussten das gar nicht?", fragte Tifa überrascht, woraufhin Elena erleichtert aufsah.
 

"Du bist mir deswegen nicht böse?"
 

"Nein, natürlich nicht", winkte Tifa ab. "Ich binde es zwar nicht jedem auf die Nase, aber eigentlich ist es mir egal ob die Leute von Avalanche wissen, oder nicht." Sie begann zu grinsen und hob ihr Glas an, um einen weiteren Schluck zu trinken. "Ich erzähl ihnen morgen einfach, dass du bei den Turks warst und wir sind quitt."
 

Mit einer Schnelligkeit, die nicht nur Tifa, sondern auch Elena selbst überraschte, schossen die Hände der blonden Frau über den Tisch und packten Tifas Handgelenke, wobei sich etwas vom Inhalt des Glases über die Hände der beiden verteilte.
 

"Nein!", kreischte Elena beinahe, dann jedoch wurde ihre Stimme zu einem Flehen. "Tu das bitte, bitte, bitte nicht!"
 

"Elena!", antwortete Tifa geschockt und versuchte ihre Handgelenke zu befreien, was ihr allerdings nur bei einem gelang. Elena hatte sie mit ihrer rechten Hand in einem eisernen Griff. "Das war nur ein Scherz." Sie zerrte etwas mehr an ihrem Arm. "Verdammt, Elena! Du tust mir weh!"
 

Die Turk riss erschrocken die Augen auf, ließ die andere Frau los und rutschte mit ihrem Stuhl zurück. Ihren rechten Arm presste sie gegen ihren Körper, als wäre er verletzt worden. "Entschuldige, das..."
 

"TÖtE sIe!"
 

"Alles in Ordnung, Elena?
 

"Ja, ich... Mir geht's gut." Tifas misstrauischer Blick traf die Turk. "Ich glaube, ich gehe doch besser ins Bett."
 

Elena erhob sich, den Arm immer noch an ihre Körper gedrückt und eilte an der anderen Frau vorbei in Richtung Hintertür, wo sich die Treppe zu Tifas Wohnung befand.
 

"Wir müssen uns endlich etwas einfallen lassen, Elena", meinte Tifa besorgt woraufhin die Turk kurz vor der Treppe anhielt. "Du bist alles andere als gesund."
 

"Und was? Dir fällt doch genauso wenig ein wie mir."
 

Nun stand auch Tifa auf und ging auf Elena zu. "Dann müssen wir halt zusehen, dass uns endlich etwas einfällt! Oder willst du lieber rumsitzen und abwarten, bis du abkratzt?!"
 

Die Turk drehte sich kurz um und blickte Tifa ernst an. "Warum nicht? Mir hat mal jemand gesagt, wenn der Ausgang einer Sache unklar ist, ist es manchmal besser, einfach abzuwarten und sehen was passiert. Vielleicht geht es ganz von allein vorbei."
 

"Das ist doch absoluter Schwachsinn! Mit dieser Einstellung..."
 

"Können wir das morgen weiter diskutieren?", fragte die blonde Frau sichtbar genervt. "Ich bin müde."
 

Ohne eine Antwort abzuwarten, machte Elena wieder kehrt und marschierte die Treppe hoch.
 

"Verdammt, Elena!", knurrte die Barkeeperin sichtlich erzürnt, drehte sich aber anschließend mit einem verächtlichen Schnauben um und ging zurück zu dem Tisch, an dem sie beide gesessen hatten. "Fein! Es dein Leben, das du wegwirfst."
 

Als sie hörte, wie die Tür oberhalb der Treppe geöffnet und anschließend wieder zugeschlagen wurde, schnappte sich ihr Glas und leerte den restlichen Inhalt in einem Zug hinunter.
 

"Aber so einfach werde ich dich nicht sterben lassen."
 

* * *
 

"Prächtig! Einfach nur prächtig", meinte Sarcone bewundernd, während er ein weiteres Mal um Chaos herumschritt.
 

Die dunkelhäutige Kreatur stand regungslos in der Mitte des Labors, die gewaltigen Schwingen auf dem Rücken zusammengefaltet, die Arme schlaff am Körper herabhängend, und die Augen mit trübem Blick ins Nichts starrend. Das einzige Anzeichen, dass es sich bei Chaos um ein lebendes Wesen, und nicht um eine Statue handelte, war der sich langsam, ununterbrochen hebende und senkende Brustkorb der Kreatur, sowie die Lippen und Mundwinkel, die unregelmäßig zuckten und dabei den Blick auf die messerscharfen Zähne freigaben.
 

Keine Fesseln oder sonstige Sicherungen hielten Chaos zurück, die Kreatur war vollkommen frei, das einzige fremde Objekt an seinem Körper war ein kaum sichtbarer Metallreif um seine Stirn.
 

"Wie konnte er dich nur vergessen?", fragte der Wissenschaftler Chaos, obwohl er sich keine Antwort davon erhoffen konnte. "Er hatte dich doch so gut wie vollendet, und dann hat er dich vergessen." Sarcone stieß ein verständnisloses Schnauben aus. "Wegen einem Projekt, das selbst für einen Mann von seiner Genialität zu groß war."
 

Sarcone ließ eine Hand über die steinharten Muskeln von Chaos' Oberarm gleiten. "Ein wahre Schande, dich, eine perfekte Waffe, einfach zu vergessen."
 

Der braunhaarige Wissenschaftler trat einen Schritt zurück und verschränkte die Arme, während er mit einem zufriedenen Lächeln Chaos weiterhin anstarrte.
 

"Aber die junge Generation muss schließlich aus den Fehlern der alten lernen, nicht wahr? Jetzt bist du immerhin mein. Ich habe dich vollendet, und ich werde dich nicht vergessen."
 

Er trat abermals an Chaos heran und legte seine flache Hand auf den Brustkorb der Kreatur. "Deine Brüder und Schwestern werden in den Armeen dieser Welt dienen, aber du wirst Mein bleiben. Auf immer Mein. Mein Beschützer."
 

Sarcone wandte sich wieder von Chaos ab und ging zu einem der Tische des Labors. Er nahm ein kleines Reagenzfläschchen, das mit einer blassroten Flüssigkeit gefüllt war, aus einer Zentrifuge und betrachtete es zufrieden.
 

"Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für einen unermesslichen Reichtum du mir bescheren wirst. Ich werde für den Rest meines Lebens ausgesorgt haben. Das einzige was mir noch fehlt, ist ein Mittel zur Unsterblichkeit. Dann hätte ich alles erreicht, was sich ein Mann nur wünschen kann. Hörst du, mein Freund? Alles!"
 

Sarcone steckte das Reagenzglas zurück und warf einen kritischen Blick auf seine Armbanduhr. Zum ersten Mal seit langer Zeit wich der zufriedene Ausdruck aus seinem Gesicht, und etwas genervt marschierte er zu einer Sprechanlage neben der Tür, die er mit einem Knopfdruck betätigte.
 

"Habe ich nicht vor zwanzig Minuten aufgetragen, dass ihr Doktor Beruga ins Labor schicken sollt?", fragte er die Person am anderen Ende der Leitung.
 

"Ich weiß, Sir, aber er war nicht in seinem Quartier."
 

"Dann seht in der Küche nach. Oder in der Sauna. Oder auf dem Klo! Irgendwo muss er ja sein."
 

"Zu Befehl, Sir!"
 

Mit einem etwas unzufriedenem Brummen beendete Sarcone die Verbindung und wandte sich abermals zu Chaos um. Ein weiteres Mal breitete sich Lächeln auf seinem Gesicht aus. "Ich glaube, der gute Beruga hat Angst vor dir, mein Bester."
 

---------- Ende Kapitel 7 ----------



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