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War is now

von

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Ein Friedhof am Ende der Welt

Hallöchen zusammen^^

Zwei Sachen, bevor ihr mit dem Lesen anfangt:

1. Das hier ist meine erste Hetalia-Fanfiction, seid also nicht zu streng mit mir

2. Ich hab die FF unter demselben Titel bei Fanfiction.de hochgeladen, vielleicht kennt sie der ein oder andere schon

So, das wars, viel Spaß beim Lesen :3

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Der Friedhof erstreckte sich, soweit das Auge reichte. In jeder Richtung endlose Reihen gleichförmiger weißer Grabsteine, von denen einige vereinzelte durch farbige Blumen auffielen. Auf dieser letzen Ruhestädte schliefen alle die, die den letzen Krieg nicht überlebt hatte, die gefallen waren. Er wurde errichtet, nachdem das Friedensabkommen unterzeichnet worden war. Alle Beteiligten Länder forderten einen Platz, an dem sie ihren Toten die letzte Ehre erweisen konnten, und so wurde dieses neutrale Fleckchen Erde abgesteckt und zum internationalen Friedhof erklärt, auf das kein Land der Welt einen gesonderten Anspruch hatte.

Mir gingen eine Menge Gedanken durch den Kopf, einige rational und berechnend, aber die meisten hingen mit dem Weltkrieg und seinen Folgen zusammen und den Spuren, die er hinterlassen hatte.

Vor einem der Grabsteine blieb ich stehen. Er sah genauso aus wie alle anderen, aber trotzdem erkannte ich ihn schon von weitem, als würde er leuchtend rot zwischen all den anderen hervorleuchten, denn hier lag der Mensch, der mir mehr bedeutet hatte als irgendjemand sonst.

Selbst jetzt, ein halbes Jahr nach Kriegsende und der Beerdigung, erfüllte mich der Anblick noch mit Trauer und löste in mir eine Flutwelle der Erinnerungen aus.

Ich legte den Strauß, einen Bund Kornblumen vorsichtig auf die weiße Steinplatte und hockte mich davor. „Hallo“, flüsterte ich leise und wischte beiläufig ein wenig Dreck von der Grabplatte.
 

Zu meiner Überraschung waren heute außer mir nur sehr wenig andere Menschen auf dem Friedhof. Natürlich waren es mit der Zeit weniger geworden, aber selten war es so leer wie heute. Von den wenigen Leuten, die im Moment um ihre Toten trauerten, kannte ich, bis auf einen, niemanden persönlich. Der eine hieß Alfred F. Jones, war Amerikaner und hatte in dem Krieg an meiner Seite gekämpft.

Bis auf ein einziges Mal war er immer da gewesen, wenn ich gekommen war und hatte weinend oder einfach nur schweigend vor einem anderen Grabstein gestanden. Auch heute stand er wieder da und schwieg vor sich hin. Er hatte sich verändert, von dem lauten, aufgedrehten und vor Selbstbewusstsein strotzendem Alfred war nicht mehr viel übrig. Er ging zusammengesunken und die braunen Haare hingen ihm strähnig und fettig ins Gesicht, außerdem war sein Gesicht eingefallen und die Augen lagen in tiefen dunklen Höhlen, was ihn um Jahre altern ließ.

Plötzlich, ohne jeden ersichtlichen Grund, trat Alfred mit einer erstaunlichen Kraft gegen den Gedenkstein, sodass ich fürchtete, dass er zerbrechen würde.

„Du verdammter Idiot!“, schrie Alfred in einer Art hoffnungsloser Wut, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte, weder bei ihm, noch bei irgendjemandem sonst. „Wie konntest du es wagen, einfach zu sterben?! Das war doch auch nur ein Scheißkrieg wie jeder andere davor, das hättest du ja wohl mit Leichtigkeit überstehen müssen! Du und dein ach so tolles Königshaus, was ist denn jetzt aus dem großartigen britischen Empire geworden? Scheiße!“ Dann sank er vor dem Grab auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen. „Du hattest doch geschworen, dass du auf mich aufpassen würdest, dass du mich nie allein lassen würdest! Was ist aus diesem Versprechen geworden? Was ist daraus geworden?“ Bei den letzten Worten war seine tränenerstickte Stimme immer leiser geworden und zum Schluss war Alfreds verzweifeltes Schluchzen das letzte Geräusch, das die traurige Stille zerriss.

Ein schwarzer Tag

Neun Monate zuvor
 

An dem Morgen, mit dem alles angefangen hat, überkam mich sofort nach dem Aufstehen ein merkwürdiges Gefühl, dass etwas nicht stimmte … obwohl es auch von dem Wettsaufen mit meinem Bruder herrühren konnte und wenn man genauer darüber nachdenkt, erschien es einem sogar wahrscheinlicher.

Nach einer Tasse Kaffee und einer kalten Dusche ging es mir jedenfalls schon viel besser und einem wirklich guten Tag stand nichts mehr im Wege, jedenfalls solange, bis sich mein Bruder Gilbert zu mir gesellte und damit anfing, mir alle Details meiner Niederlage gestern Abend zu beschreiben. Nicht, dass ich mich nicht mehr daran erinnern könnte, aber er genoss es sichtlich, mir den Sieg seiner Awesomeness vor Augen zu führen und so ließ ich ihn reden.
 

Als nach einer guten halben Stunde aber immer noch keine Ende in Sicht war, unterbrach ich ihn doch: „Gilbert, ist gut jetzt. Du hast gewonnen (wie jedes Mal) und deinen Sieg zur Genüge ausgekostet (auch wie jedes Mal). Jetzt sei so gut und verschone meine Nerven mit deinem Gelaber.“

Verdutzt sah er mich an. „West, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?“ Aber wenigstens hörte er auf zu reden.

„Gar keine“, antwortete ich, vielleicht etwas zu gereizt, „außer dass ich mich heute Nachmittag noch mit Veneziano treffe und mir sein pausen- und meistens auch recht sinnloses Gerede anhören darf, also bitte hör auf, mich zu zu texten.“

Er grinste breit, setzte sich mir gegenüber und goss sich statt eines Kaffees schon sein erstes Bier ein.

Ich schüttelte den Kopf. „Mein Gott, Gilbert, du bist wirklich der einzige Mensch, den ich kenne, der am Morgen nach einem Wettsaufen schon wieder Alkohol trinken kann.“ „Du weißt doch, ich bin awesome“, war seine Antwort und eigentlich war damit auch schon alles gesagt.
 

Der Vormittag verlief ohne besondere Ereignisse, ich machte mit meinen geliebten Hunden einen ausschweifenden Spaziergang durch die Felder, wo die Getreideähren darauf warteten, geerntet zu werden und sich leise singend im Wind wogen. Die warme Herbstsonne erleuchtete alles mit ihrem goldenen Licht und gab den bunten Blättern an den Bäumen einen zusätzlichen Glanz.

Wieder zuhause räumte ich das Chaos auf, das Gilbert hinterlassen hatte und unter Garantie am nächsten Tag schon wieder hergestellt haben würde, und machte mich schließlich auf den Weg, um Veneziano einzusammeln, er wollte auf mich vorm Brandenburger Tor warten.
 

Die Straßen waren außergewöhnlich voll und so kam ich etwas zu spät und schon wieder recht angefasst am Treffpunkt an. Dass Veneziano nirgendwo zu entdecken war, steigerte meine Laune auch nicht grade ins Unermessliche, denn das hieß entweder, dass er nach italienischer Art ordentlich zu spät kommen würde und ich hier noch mindestens eine Stunde warten müsste, oder dass er schon wieder irgendwo eine hübsche Frau gesehen und sich ihr sofort an den Hals geworfen hatte, was auch immer seine Zeit dauerte.

Ich hockte mich also schlecht gelaunt unter einen der Bögen des Tors, wo ich einen guten Blick auf beide Seiten der Straße „unter den Linden“ hatte, die durchs Brandenburger Tor führt, und wartete. Aber Veneziano kam nicht.
 

Nachdem ich etwas mehr als zwei Stunden rumgestanden hatte, wurde mir klar, dass er nicht mehr kommen würde, denn sonst hatte er mich noch nie länger als eine Stunde warten lassen, ohne sich zu melden. Ich seufzte resigniert und fuhr wieder nach Hause, um ihn anzurufen und ihm gehörig die Meinung zu sagen. Wenn ihm schon was dazwischen kommt, kann er wenigstens absagen, dachte ich, während ich mich durch die Rushhour zurück quälte.
 

Gilbert war ziemlich überrascht, dass ich schon wiederkam, dachte sich aber vermutlich seinen Teil und blieb still. Manchmal kann er eben doch ein guter Bruder sein, der bemerkt, dass ich keine Lust auf sinnlose Gespräche habe. Dieser Gedanke kam mir, aber ich verwarf ihn sofort wieder, denn es war Awesome Me, der keine Lust zum Quatschen hatte. Er verschwand gleich in seinem Zimmer und fütterte Gilbird, sein kleines gelbes Küken (oder Combat Chicken, wie er es nennt). Aber so konnte ich wenigstens in Ruhe telefonieren.
 

Nachdem ich es mir mit einer Flasche Bier auf dem Sofa bequem gemacht hatte, versuchte ich mehrmals, Veneziano zu erreichen. Vergeblich, denn es meldete sich immer nur sein extrem nerviger Anrufbeantworter:

„Buongiorno“, tönte es mir schon zum dritten Mal entgegen, „leider kann nicht ans Telefono gehen, denn ich koche grade deliziosa Pasta oder Pizza. Wenn es wichtig ist oder du eine Bella Donna bist, hinterlasse mir eine Messaggio nach dem Piep. Ciao!“

„Veneziano, wo bist du heute gewesen? Du wirst ja wohl kaum den ganzen Tag Pasta gekocht haben, oder? Ich hab gewartet, melde dich gefälligst!“ Ich knallte den Hörer auf und fragte mich, wo er sich wohl rumtreiben könnte, denn wenn ich ihm sagte, er solle zurückrufen, hatte ich ihn sonst immer zwei Sekunden später an der Strippe.

Eine halbe Stunde später hatte ich aber immer noch keine Meldung von ihm und begann doch, mir Sorgen zu machen.
 

Ich stand auf, um mir ein neues Bier zu holen und zu überlegen, was ich machen sollte. Als ich mich wieder aufs Sofa setzten wollte, hatte sich Gilbert, natürlich mir einem großen Glas Weizen, dorthin gefläzt und sagte:“ Hey, West, lass uns Fußball gucken. Es spielt-“ „Ist mir egal, wer heute spielt“, unterbrach ich ihn, „ich hab keine Lust.“

Er sah mich an, als hätte ich ihm gesagt, ich würde ab heute nur noch Wasser trinken, setzte sich aufrecht hin und deutete auf den Platz neben sich. „Hinsetzen.“

Gehorsam nahm ich Platz, denn sein Gesichtsausdruck war erstaunlich ernst. „Also, West“, meinte er, „jetzt erzähl mal, was passiert ist. Hast du dich mal wieder mir Veni gestritten?“

Veni. Irgendwann hatte mein Bruder angefangen, Italiens Namen so abzukürzen, weil ihm „Veneziano“ zu lang war.
 

„Nein, wir haben uns nicht gestritten, es ist alles in Ordnung.“ Gilbert sah mich belustigt an. „Hör Mal, West, du kannst mir nichts vormachen, ich kenn dich zu gut. Du kamst mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter wieder und außerdem viel zu früh. Vor meiner Awesomeness kannst du nichts verbergen, also sag schon.“

Ich gab meinen Widerstand auf. „Er ist nicht gekommen.“

Gilbert brach in schallendes Gelächter aus: „West ist versetzt worden und kommt deshalb total deprimiert nach Hause!“

War ja klar, dass das wieder so endet, aber ich war nicht in der Stimmung, um mit ihm zu streiten oder ihm eine reinzuhauen, also wandte ich mich ab und wollte gehen.

„West, wenn du wissen willst, wo er war, warum telefonierst du dann nicht ein bisschen rum? Ruf Francis oder Romano an, vielleicht können die dir helfen … West wurde versetzt!“ Er bekam einen erneuten Lachanfall und ich verzog mich in die Küche, nahm aber das Telefon mit, denn was er zwischen den Lachattacken gesagt hatte, erschien mir gar nicht so abwegig.
 

Im Telefonbuch fand ich die Adresse von Francis recht schnell und rief ihn an. Natürlich war er zuhause „Oui?“, meldete er sich und schon hätte ich am liebsten wieder aufgelegt. „Äh, hallo, Francis, hier ist Ludwig, ich muss dich mal was fragen.“ Mein Gott, das klang ja schon mal super. „Oui, natürlisch kannst du vorbeikommen und bei mir übernachten.“ Was sollte das denn?!

„Nein, das wollte ich eigentlich nicht wissen, es geht um-“ „Ah, um das eine Thema. Isch erkläre dir gerne, wie Amour zwischen Hommes funktioniert. Veneziano oder Gilbert?“ Bitte was?! Spinnt der jetzt völlig???

„Ich will eigentlich nur wissen, ob du Veneziano heute gesehen hast.“ „non, excusez-moi. Aber-“ ich unterbrach ihn, indem ich auflegte. Gott, dachte ich, wenn das bei jedem Anruf so läuft, halten das meine Nerven nicht aus.
 

Okay, Romano als Nächstes. Ich hatte mich innerlich schon auf einige Beleidigungen und Beschimpfungen als Begrüßung eingestellt, doch auch bei Romano ging niemand ans Telefon und der Anrufbeantworter war ausgeschaltet. Wahrscheinlich hätte der mich auch nur beleidigt.

Als aber weder Kiku noch Roderich hatten ihn gesehen und in der Schweiz rief ich gar nicht erst an, denn, wenn er dort gewesen wäre, hätte ich das anhand seiner Hilfeschreie schon mitgekriegt.

Inzwischen machte ich mir schon ziemliche Sorgen, denn es schien, als sei Veneziano einfach vom Boden verschwunden. Meine letzte Adresse war Antonio, denn da beide Vargas-Brüder nicht erreichbar waren, konnte er mir vielleicht wenigstens sagen, wo ich Romano finden konnte.
 

Es dauerte eine Weile, bis in Spanien jemand abhob und von der Stimme her war es zwar ein Spanier, aber definitiv nicht Antonio. „Si?“ „Hallo, hier ist Ludwig, ich rufe von Deutschland aus an. Kann ich bitte mit Señor Carriedo sprechen?“ „No, Señor, tut mir Leid, das ist momentan nicht möglich.“ „Warum? Ist etwa nicht da?“ „Doch Señor, er ist da, aber noch nicht ansprechbar, noch inconsciente.“

In meinem Kopf schrillten die Alarmglocken los. „Was ist passiert?“ „Sie haben noch nichts davon gehört? Die russischen Truppen sind in Italia einmaschiert und haben es besetzt. Spanien hat versucht, den Vargas-Brüdern zur Seite zu stehen, aber ohne Erfolg. Wir wurden geschlagen, doch glücklicherweise verzichtete die russische Regierung darauf, auch España einzunehmen.“

„WAS?!“ Für einen Moment war ich wie vor den Kopf gestoßen. Italien in russischer Hand und ich wusste nichts davon?! Veneziano und Romano unter Ivans Kontrolle und niemand hatte mich informiert?!

„Si, Señor, sie haben schon richtig verstanden.“ „Ja, danke.“ Verwirrt legte ich auf und nahm nur unbewusst wahr, dass es an der Haustür läutete. Wie konnte es sein, dass ich als Italiens Verbündeter und Venezianos bester Freund nichts davon bemerkt hatte? Und warum hatten auch Roderich und die anderen Nachbarn Italiens nichts mitgekriegt? Was war da passiert?
 

„Hey, West“, riss mich Gilberts Stimme aus meinen Gedanken, „das solltest du dir besser mal ansehen.“ Als ich zu ihm kam, hielt er mir einen geöffneten Brief hin. „Tut mir Leid, dass ich ihn aufgemacht habe, aber er ist von Ivan und ich dachte, er wäre für mich.“ Er sah mein blasses Gesicht und fragte besorgt: „West, alles klar? Du siehst aus wie der Tod persönlich.“ Wortlos nahm ich den Brief entgegen. Er enthielt eine schriftliche Kriegserklärung, unterzeichnet von Russland, China, Weißrussland und alles anderen Staaten, die schon unter Ivans Befehl standen, mit Ausnahme Italiens.
 

„Scheiße!“ Das war das erste, was ich einfiel, nachdem ich mich wieder im Griff hatte. Für einen Moment hatte ich einfach nur dagestanden und ungläubig auf den Brief gestarrt. „Verdammte Scheiße!“ Gilbert, der den Brief ja schon vor mir gelesen hatte, fragte leise: „Es gibt Krieg, oder, West?“ Ich nickte und als ich ihn ansah, sah ich Kampfeslust und Vorfreude in seinen Augen. So war Preußen nun mal, eine Kriegsnation. „Ja, Gilbert, es gibt Krieg. Und den kann man nicht ohne Verbündete schlagen.“
 

Ich stand auf, ging zurück in die Küche, wo das Telefon lag, und rief Athur an, der den Vorsitz in der Europäischen Union innehatte. Nachdem ich ihm alles berichtet hatte, versprach er, sofort eine Sitzung für den nächsten Vormittag einzuberufen. Dazu eingeladen wären alle europäischen Staaten, die westlich von Polen liegen, dazu Amerika, Kanada und Japan.

Das West-Bündnis

Am nächsten Morgen brachen wir, Gilbert, Gilbird und ich, zeitig nach London auf, wo das Meeting stattfinden würde. Eigentlich war es ja mein fester Vorsatz gewesen, Gilbert dieses Mal zuhause zu lassen, denn beim letzten Treffen hatte er durch sein Verhalten beinahe die Konferenz gesprengt, aber schließlich hatte er mich doch überredet, ihn und sein Combat Chicken mitzunehmen.
 

Am Abend hatte ich noch eine lange Diskussion mit meiner Chefin gehabt. Sie war strikt dagegen, gegen Russland in den Krieg zu ziehen, egal, ob Italien gegenüber internationale Verpflichtungen bestanden. Deutschland sollte nie wieder in einen Weltkrieg verwickelt werden.

Erst, nachdem ich ihr die Kriegserklärung gezeigt und ihr versichert hatte, dass ich nur reagieren, also nicht angreifen würde, gab sie nach und erlaubte mir, im Namen Deutschlands an der Konferenz teilzunehmen.
 

Also fuhren wir zu dritt in aller Frühe los und, obwohl die Reise etwas länger dauerte als geplant, gehörten wir dennoch zu den Ersten, die ankamen. Außer uns waren nur Roderich, Arthur und Francis da, außerdem noch Vertreter aus Tschechien und der Slowakei, mit denen ich aber noch nichts zu tun gehabt hatte und daher auch nicht näher kannte.
 

Etwas später kamen auch Vash und Elizaveta, von der Gilbert lieber gehörig Abstand hielt, hinzu und mir fiel auf, dass Liechtenstein gar nicht, wie sonst immer, an Vashs Rockzipfel hing. Als ich ihn darauf ansprach, erklärte er mir, dass sie sich momentan vor Arbeit kaum retten könne und er sie deshalb vertreten würde.
 

Eine halbe Stunde später traf mit Antonio, der es sich trotz seiner Verletzungen nicht hatte nehmen lassen zu kommen, der letzte Teilnehmer ein und eigentlich hätte die Konferenz starten können. Eigentlich, aber natürlich waren alle mit irgendetwas Anderem beschäftigt: Arthur und Francis stritten sich wie üblich (diesmal ging es um den Hundertjährigen Krieg), Elizaveta jagte Gilbert durch den Saal und wurde wiederum von Gilbird verfolgt, Alfred hörte sowieso nur sich selbst zu und sowohl Herakles als auch Antonio hielten ihre Siesta.
 

Da ich um die Versammlung gebeten hatte, war ich automatisch auch der erste Redner und deshalb lag es, wie eigentlich immer, an mir, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen und mir die Aufmerksamkeit der Anwesenden zu sichern.

Normalerweise reichten dazu ein paar scharfe Worte, aber heute war die Stimmung angespannter und die Gemüter erregter, sodass den Meisten meine Aufforderung, sich zu beruhigen, eigentlich ziemlich egal war.
 

Der Besprechungssaal war nicht sonderlich prunkvoll, sondern eher zweckdienlich eingerichtet. Die Front wurde größtenteils von einer Art überdimensionalen Schultafel eingenommen, daneben hing eine Leinwand als Projektionsfläche. Auf dem Rednerpult, das mittig vor den Teilnehmern stand, lag ein Stück Kreide, bei dessen Anblick mir eine Idee kam.

Ich zerbrach es in zwei Teile und zog eines davon mit Schwung über die Tafel. Das Ergebnis war ein lautes Kreischen, dass Jedem in den Ohren hallte und alle Aufmerksamkeit, selbst die von Elizaveta und Gilbert, zu mir nach vorn lenkte.
 

„Guten Morgen“, begrüßte ich die anderen, „mir ist schon klar, dass ihr euch alle lieber weiterhin mit euren Privatstreitigkeiten beschäftigen würdet, aber vielleicht hättet ihr trotzdem die Freundlichkeit, mir für ein paar Minuten euer Gehör zu schenken.“ Sie waren tatsächlich still.

„Ich denke, die meisten von euch werden inzwischen mitbekommen haben, warum ich diese Versammlung einberufen habe. Für alle diejenigen, die es noch nicht wissen, erkläre ich es kurz.“ Meine Güte, selbst Herakles erwachte aus seinem Tiefschlaf und spitzte die Ohren. Nicht zu glauben.
 

„Gestern fielen die russischen Truppen ohne vorherige Warnung in Italien ein und konnten es ohne großen Widerstand einnehmen, denn außer Spanien hatte kein Land, auch Deutschland nicht, etwas von dem Angriff erfahren.“

Ein unruhiges Gemurmel erhob sich unter den Anwesenden, denn es versetzte alle in Unruhe, dass Ivan soweit im Westen agiert hatte.

Als ich weitersprach, wurde es sofort wieder totenstill, denn jeder erwartete einen Lösungsvorschlag oder zumindest einen Rat, was jetzt zu tun sei. Leider hatte ich nur eine weitere Hiobsbotschaft für sie. „Außerdem erreichte mich gestern Abend eine Kriegserklärung aus Russland, wenn niemand etwas dagegen hat, werde ich sie vorlesen.“ Natürlich hatte niemand etwas dagegen. Also las ich:
 

„Lieber Ludwig,
 

Wie du vielleicht schon bemerkt hast, steht Italien von heute an unter russischer Kontrolle. Damit Veneziano und Romano sich nicht so einsam fühlen, werden als nächstes zuerst Deutschland und dann nach und nach die Nachbarländer unserem Bündnis – vermutlich leider unfreiwillig – beitreten.

Dieser Krieg ist notwendig, da das Ansehen und der Einfluss Russlands und anderer Länder des ehemaligen Ostblocks in den Westeuropäischen Ländern zu sehr gesunken sind. Außerdem wurde der andauernde Frieden zu langweilig.
 

Unterzeichnet haben Russland, Weißrussland und China, dazu alle Staaten, die unter russischer Hand stehen.“
 

Es folgte eine angespannte Stille, keiner traute sich, die entstandene Spannung zu durchbrechen. Schließlich wagte es Francis doch: „Ludwig, mon ami, dass sind wirklich schlechte Nachrichten, die du uns überbringst. Als dein Freund würde ich dir gerne sagen, dass ich dir beistehe. Aber in meiner Verantwortung als Vertreter Frankreichs … muss ich wohl oder übel sagen, dass es sich hierbei nur um Deutschlands Problem handelt.“ Viele der Anderen nickten zustimmend, aber keiner von ihnen traute sich, mir in die Augen zu sehen.
 

Ich schluckte und warf Gilbert einen hilfesuchenden Blick zu, aber er grinste nur auf seine extrem selbstbewusste Art zurück und schien mir sagen zu wollen: „Komm schon, West, wir schaffen das auch zu zweit.“

Aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Deutschland konnte eine derartige Übermacht nicht allein schlagen.
 

„Ich weiß, dass die Erklärung an uns Deutsche gerichtet ist“, sagte ich und sofort gehörte mir wieder die gesamte Aufmerksamkeit, „aber Ivan gibt uns allen auch mit ziemlicher Sicherheit zu verstehen, dass Deutschland nicht sein letztes Ziel ist. Und keiner von uns kann es allein mit einer Allianz zwischen Russland, Belarus und auch noch China aufnehmen. Nicht mal Amerika.“ Nach einer kurzen Pause fügte ich hinzu: „Und deshalb sollten wir ebenfalls ein Bündnis schließen.“
 

Eine weitere lange Unterbrechung entstand, in der alle über meine Worte nachdachten. Ich ging zu meinem Platz und ließ mich in den Sitz fallen.
 

Nach einer Weile erhob sich plötzlich Antonio und humpelte nach vorne. Der Arme sah ziemlich mitgenommen aus, besonders auffällig war der weiße Verband, der unter seinem dunklen Haar hervorleuchtete. Er begann zu sprechen und seine Stimme klang müde, aber er sah entschlossen in die Runde: „Spanien mag vielleicht kein allzu starkes Land mehr sein, speziell im Gegensatz zu Russland, aber trotzdem waren wir der Stärke der östlichen Allianz

vollkommen unterlegen und konnten ihre Macht am eigenen Leib erfahren. Deshalb kann ich Ludwig nur zustimmen, wenn er sagt, dass niemand allein eine Chance hat. Wir müssen einen Pakt schließen oder das westliche Europa, wie wir es kennen, wird aufhören zu existieren. Spanien wird sich einer Allianz auf der Stelle anschließen.“

Damit verließ er das Rednerpult und ließ sich erschöpft und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf seinen Stuhl sinken.
 

Mit einem Blick auf die große Uhr verkündete Arthur, dass es an der Zeit für eine Pause wäre, jeder müsse die neuen Informationen verarbeiten und wahrscheinlich mit seinem Boss telefonieren. Außerdem würde draußen eine Stärkung auf sie warten. Bis auf Gilbert rührte die aber niemand an.
 

Nach einer guten halben Stunde, in der viel geredet und noch viel mehr telefoniert worden war, nahmen alle wieder Platz und dann erklärten sich einer nach dem anderen sowohl England, Frankreich und die USA, als auch Österreich, Ungarn und Griechenland bereit, einer Allianz beizutreten. Wenig später folgten noch Dänemark, Rumänien und Bulgarien. Der letzte, der zusagte, war Matthew, aber er schien sich dabei ganz und gar nicht wohlzufühlen, ganz im Gegensatz zu Alfred, der, ähnlich wie Gilbert, vor Vorfreude schon ganz hibbelig wurde.
 

Kiku schloss sich dem Bündnis nicht an. Er trat nach vorne, verbeugte sich höflich und sagte dann leise: „Verzeihen Sie uns, Ludwig-san, aber Japan wird an diesem Krieg nicht teilnehmen. Der letzte Weltkrieg hat uns gezeigt, dass aus Kämpfen nur Leid für unser Volk hervor wächst. Nihon ist lange genug eine Kriegsnation gewesen, wir mussten lernen, dass es sich im Frieden besser leben lässt. Es tut mir Leid“

Er verbeugte sich erneut und nahm wieder Platz.

Vash wollte sich ebenfalls nicht beteiligen. „Die Schweiz vertritt seit langer Zeit eine neutrale Position und wird diese auch beibehalten. Dasselbe gilt für Liechtenstein. Wir-“
 

Weiter kam er nicht, denn mit einem lauten Knall flog die Tür auf. Alle fuhren herum, als ein Mann in der Uniform der Schweizer Garde herein stürmte. Vash sprang auf: „Was ist passiert?“ Der Mann schnappte nach Luft und antwortete dann: „Es tut mir Leid, wir konnten nichts tun, sie haben uns völlig überrascht.“ „Wer hat euch mit was überrascht?“ Vash klang ungeduldig, aber auch leicht besorgt. „Die Russen! Sie haben … Liechtenstein ist jetzt in russischer Hand.“ „WAS?!“ Vash starrte ihn so entsetzt an, als hätte der Soldat soeben den heutigen Weltuntergang verkündet. Vermutlich war es für den Schweizer auch nichts anderes als genau das.
 

Der Mann senkte den Kopf. „Wir konnten Liechtenstein nicht verteidigen. Und man lässt mich ausrichten, dass die östliche Allianz in drei Monaten den Krieg beginnt. Bis dahin sollen wir gut vorbereitet sein.“ Was ist mit den anderen Soldaten, die in Liechtenstein stationiert waren?“, fragte ich, denn ich hatte ein ungutes Gefühl im Magen. „Sie wurden alle getötet. Sie ließen nur mich am Leben, damit ich die Nachricht überbringen kann.“

„Danke.“ Vash wies ihn an, draußen zu warten, und drehte sich dann zu mir. Ich hatte ihn noch nie so wütend gesehen. „Die Schweiz tritt ebenfalls dem Westbündnis bei. Die Zeit der Neutralität und des Versteckens ist zu Ende.“
 

In den folgenden Stunden berieten wir über die West-Allianz, bereiteten ein Papier vor und unterzeichneten es. Zum Abschluss trat ich noch einmal nach vorn. „Wir haben drei Monate, um uns auf einen neuen Weltkrieg vorzubereiten, denn nichts anderes wird es werden. Das ist nicht viel, aber besser als nichts. In zehn Wochen treffen wir uns wieder und besprechen unsere Strategie. Viel Glück bis dahin.“

Einer nach dem anderen verließ den Raum, jeder hing seinen Gedanken über eine düstere Zukunft nach. Zum Schluss waren nur noch Arthur, Gilbert und ich übrig. Ich verabschiedete mich von dem Engländer und zog Gilbert hinter mir her. „Komm, Bruder, es gibt eine Menge zu tun.“

Kriegsbeginn

Drei Monate später
 

Es gibt nicht Vieles, dass aufzehrender ist, als auf etwas zu warten, dass unweigerlich auf einen zukommen wird, aber auf sich warten lässt. Die Lektion habe ich lernen müssen, als wir, meine Männer und ich, an der polnisch-russischen Grenze auf den Angriff von Ivan warteten. Die Stunden zogen sich in die Länge wie Alfreds nerviger Kaugummi, den er in letzter Zeit immer im Mund hatte, und der Schnee, den der viel zu frühe Winter aus Sibirien herübergebracht hatte, trug auch nicht zur allgemeinen guten Stimmung bei. Es war so kalt, dass selbst mehrere Jacken übereinander den Frost nicht fernhalten konnten und so saßen wir zitternd auf unseren Posten und warteten.
 

Genau zehn Wochen nach der Gründung der „West-Allianz“, wie sie jetzt offiziell hieß, hatten wir uns zur Besprechung unserer Taktik erneut zusammengefunden. Aber bevor wir überhaupt mit irgendwas anfangen konnten, mussten wir erst mal die beiden neusten Mitglieder willkommen heißen: Feliks und Berwald.

Berwald hatte nach dem Treffen noch eine lange Besprechung mit seinem Boss gehabt und ihn schließlich von der Wichtigkeit seines Beitritts überzeigt(sehr zur Freude (?) seines dänischen Nachbars); im Gegensatz dazu hatte Feliks die letzte Versammlung einfach geschwänzt, weil er Besseres zu tun hatte, als nach London zu irgendeiner langweiligen Konferenz zu fahren. Aus irgendeinem Grund hatte er mich dann doch angesprochen und wollte beitreten (ich vermute, Toris steckt dahinter).
 

Nachdem Feliks höchst dramatischen Auftritts beendet war und das übliche Chaos zu Beginn einer Sitzung sich gelegt hatte, konnten wir dann auch SCHON anfangen. Ich entrollte die Europakarte, die ich mitgebracht hatte (eigentlich wollte sich Alfred ja darum kümmern, aber natürlich hatte er eine Karte der Vereinigten Staaten mitgebracht, die für uns völlig nutzlos war).

Gilbert und ich hatten die letzten Wochen damit verbracht, eine Strategie auszuarbeiten und dabei möglichst viel Gewicht auf eine rein passive Haltung zu legen, denn darauf hatten viele Staaten bestanden. Außerdem hatten wir, wie alle anderen Länder auch, unsere Wehrmacht verstärkt und die Zahl der Soldaten verdoppelt. Das Problem war nur, dass allein Russland schon mehr Soldaten hatte, als Amerika und Kanada zusammen und die Armee Chinas war auch nicht grade klein.
 

Ich zog einen dicken schwarzen Edding aus meiner Tasche und zog eine breite Linie durch die Europakarte. Sie zerschnitt Finnland in der Mitte, zog sich durchs Baltische Meer und folgte dann der polnisch-russischen Grenze Richtung Süden, vorbei an der Slowakei und Ungarn bis runter nach Rumänien, wo sie im Schwarzen Meer endete.

„Das“, sagte ich zu den Anwesenden, „ist die Linie, die wir halten müssen. Alles, was östlich dieser Grenze liegt, ist uns feindlich gesinnt und darf nicht weiter in den Westen vordringen.“ „Das ist klar“, stimmte mir Vash ungeduldig zu. Er wollte endlich kämpfen, und bei der langen Zeit ohne einen richtigen Krieg und in Anbetracht des Tiefschlags, den er mit der Besetzung Liechtensteins einstecken hatten müssen, war das nur verständlich. „Aber was ist mir Italien und Liechtenstein? Ivan könnte ebenso gut von dort aus angreifen.“
 

„Ich bin ja auch noch nicht fertig mit erklären“, gab ich genervt zurück, ich hasse es, unterbrochen zu werden, und fuhr fort: „Wie Vash eben ganz richtig eingeworfen hat, haben wir an mehr als einer Front zu kämpfen, genauer gesagt, an Dreien. Da wären als Erstes die polnisch-russische Grenze und ihr weiterer Verlauf nach Süden bis zum schwarzen Meer. Dort werden die amerikanischen, die englischen und die deutschen Truppen postiert, denn für uns besteht keine Gefahr an unseren eigenen Grenzübergängen. Die Soldaten aus Bulgarien, Rumänien und Griechenland bleiben in ihren eigenen Ländern, denn die sind allesamt Grenzgebiet, obwohl es dort wahrscheinlich ruhig bleiben wird.“
 

Ich blickte auf und sah mit Genugtuung, dass alle an meinen Lippen hingen und jeder, wirklich jeder, aufmerksam zuhörte. Warum konnte es nicht bei jeder Konferenz so ruhig und konzentriert zugehen?

„Der zweite mögliche Kampfplatz liegt in Finnland, denn die baltischen Staaten sind ebenfalls auf der Seite Russlands und können vom baltischen Meer aus eine Attacke starten. Sie sind zwar nicht besonders stark, aber dennoch nicht zu unterschätzen, außerdem könnte Ivan ihnen weitere Truppen zur Verfügung stellen. Dänemark und Schweden bilden eine natürliche Barrikade zum westlichen Teil Europas, deshalb ist es auch Aufgabe der beiden Staaten, die Linie zu halten.“
 

„Und die dritte Front ist die italienische Grenze, oder?“, warf Vash ungeduldig dazwischen. „Ja, Italien“, stimmte ich ihm zu und spürte sofort, wie die Schuldgefühle in mir hochkamen. Warum hatte ich Veneziano nicht helfen können?

„Ich halte es für das Beste, wenn ihr, Roderich, Vash, Elizaveta und Francis, euch an der italienischen Grenze aufstellt. Ich denke, Russland wird auch von dort verstärkt angreifen, um uns in die Zange zu nehmen.“

„Was ist mit mir?“, fragte Antonio nach einer kurzen Pause. Er sah inzwischen fast wieder aus wie immer, nur ein Pflaster an der Stirn erinnerte noch an den Angriff.

Bevor ich zu einer Antwort ansetzten konnte, meldete sich mein Awesome Bruder zu Wort: „Toni, dein Land ist erstens zu weit weg und außerdem hast du eh zu wenig Leute, um wirklich helfen zu können. Bleib einfach zu Hause und stör uns nicht.“ So ähnlich hatte ich das auch ausdrücken wollen, aber ich hätte eine etwas andere Wortwahl gewählt…

Antonio sah beleidigt aus, erwiderte aber nichts.

Ich blickte mich um. „Hat irgendjemand Einwände gegen diese Strategie?“ Niemand (außer Antonio vielleicht, der aber nichts sagte) hatte etwas an dem Plan auszusetzten und so gingen wir wieder auseinander, um die letzten Vorbereitungen zu treffen.
 

An der Grenze riss mich ganz plötzlich ein aufgeregter Schrei aus den Gedanken. Es waren drei kleine Worte, die in Deutschland schon vor Jahrzehnten Angst und Schrecken verbreitet haben und bei deren Klang es jedem Soldaten kalt den Rücken runter läuft: „DIE RUSSEN KOMMEN!“

Nur wenige Stunden später waren wir schon mitten in einem Krieg. Kugeln peitschten durch die Luft und die Schreie der sterbenden Soldaten hallten in meinen Ohren. Ich warf mich hinter eine Deckung, um dem totbringenden Feuer zu entgehen und schoss zurück, sobald sich die Gelegenheit bot. Von jetzt an hieß es nur noch Überleben, denn jede Unachtsamkeit wurde mit dem Tod bestraft.
 

Die Tage verschmolzen zu einer zähen Masse voll Blut und Tod, voller Angst und der Gewissheit, dass die eigene Überlebenschance mit jedem Tag, den die Kämpfe andauerten, weiter sank. Sie wurden nur von gelegentlichen Nacht- und Waffenruhen unterbrochen, die wir, immer vorbereitet auf einen neuen Angriff, meist schlaflos verbrachten.

Ich hatte irgendwann aufgehört, die Menschen, die durch meine Hand gestorben sind, zu zählen, denn ich musste mich mehr daraus konzentrieren, am Leben zu bleiben. Die russischen Truppen waren uns zahlmäßig noch viel weiter überlegen, als ich es mir vorgestellt hatte und um mich herum starben meine Leute wie die Fliegen. Es grenzte wirklich an ein Wunder, dass ich bisher fast unverletzt davongekommen war.
 

Ab und zu sah ich Gilbert vorbeiwirbeln und jedes Mal hinterließ er eine Spur aus toten gegnerischen Soldaten. Vielleicht liegt es an der Tatsache, dass er mit Ivan noch eine Rechnung offen hatte, vielleicht an dem preußischen Blut in seinen Adern, jedenfalls waren seine Kampfkraft und sein Wille unvergleichlich und gaben mir und jedem anderen von uns neuen Mut. Es fiel uns zwar schwer, aber wir konnten die Linie halten.
 

Ich hörte nicht viel von den anderen, doch die Nachrichten, die bei mir ankamen, waren nur selten positiv. England und Amerika schienen ebenfalls einige Schwierigkeiten zu haben und Matthew, der mit einem kanadischen Ärzteteam für die Versorgung der Verwundeten zuständig war, ließ ausrichten, dass er schon jetzt völlig überlastet sei. Von Dänemark und Schweden hörte man gar nichts.

Einzig an der italienischen Grenze schien es nicht schlecht zu laufen. Dort unten hatten sie anscheinend alles im Griff und auch nur geringe Verluste zu beklagen. Wenigstens etwas.
 

Ich hockte hinter einer der Palisaden und zählte langsam bis zehn, dann würde ich lossprinten, um ein weites Stück freies Feld hinter mich zu bringen. Mir gefiel es gar nicht, wie Freiwild ohne Feuerschutz zu laufen, aber drüben wurde meine Hilfe, jede Hilfe, dringend gebraucht.

Eins, zwei, drei … wo wohl Gilbert grade war? … vier, fünf … Ich hatte ihn schon eine Weile nicht gesehen, hoffentlich war ihm nichts passiert … sechs, sieben … Nein, dazu war er zu Awesome. Hoffte ich jedenfalls … acht, neun, ze-
 

Ich wollte grade aufspringen, als ich plötzlich etwas Eiskaltes direkt an meine Kehle spürte. Vor Schreck blieb ich reglos hocken. „Wer…?“ „Hallo, Ludwig“, sagte eine Stimme direkt neben meinem Ohr. Sie klang sanft, aber ich hatte sie schon zu oft gehört und bekam sofort eine Gänsehaut. „Ivan!“ Wie hatte er sich anschleichen können? War ich wirklich so unaufmerksam gewesen? Verdammt!
 

Der Russe packte meine Arme und bog sie mir auf den Rücken, sodass ich wehrlos vor ihm knien musste. „Ludwig, Ludwig, du bist aber unaufmerksam. Wo bist du nur mit deinen Gedanken? Wer sich im Krieg ablenken lässt, kann leicht getötet werden, da.“ Es klang bedauernd. „Ivan, was soll das? Warum um alles in der Welt hast du einen Krieg angefangen?“

Er verstärkte den Druck seinen dummen und vor allem scheißkalten Rohrs an meinem Hals und drückte mir so die Luft ab. Dann lächelte er. Ich konnte das zwar nicht sehen, da er hinter mir stand, aber ich kannte Ivan gut genug, um es zu wissen und auch vor mir zu sehen. „Mir war eben langweilig, da, außerdem wird es Zeit, dass ihr alle eins mit Russland werdet. Aber du hast momentan ein ganz anderes Problem, weißt du? Du wirst mich begleiten müssen.“
 

Ich schüttelte energisch den Kopf. Eigentlich wollte ich ihm gehörig die Meinung geigen, aber dazu hatte ich nicht mehr genug Atemluft. Er seufzte mitleidig. „Doch, wirst du. Ob du willst, oder nicht.“

Zu meiner Überraschung nahm er das Eisending von meiner Kehle und ich schnappte gierig nach Luft. Dann spürte ich, wie mir etwas Metallenes auf den Hinterkopf knallte. Ein rasender Schmerz jagte durch meinen Schädel und ich wurde von der Wucht des Aufpralls nach vorn geworfen. Benommen sah ich, wie sich der Schnee um mich rot zu färben begann, doch vom Rande meines Blickfeldes kroch eine undurchdringliche Schwärze heran, die den Schmerz fortwischte und mich in ihre finstere Tiefe zog.
 

*
 

Am selben Abend ließ sich Gilbert Beilschmidt erschöpft auf sein Bett fallen. Er war gegen morgen an die italienische Grenze gereist, weil die da unten ohne ihn und seine Awesomeness sowieso nichts auf die Reihe bekommen hätten. Aus irgendeinem völlig unverständlichen Grund war Elizaveta nicht allzu begeistert gewesen, dass er sie gerettet hatte.

Nicht zu glauben, aber sie schien der Illusion erlegen zu sein, sie könne es auch ohne ihn schaffen. Aber Undank ist der Welten Lohn.

Gilbird kam von irgendwo her angeflogen (weiß der Geier, wo der sich nun wieder rumgetrieben hatte), ließ sich auf Gilberts Schulter nieder und schmiegte sich in dessen Halsbeuge. Anscheinend hatte er auch einen harten Tag gehabt.

Vor dem Zelt räusperte sich jemand und sagte dann: „General (ja, während der Kriegszeit hatte er den Rang eines Generals inne, auch wenn der eigentlich immer noch zu niedrig war), eben wurde dieser Brief für Sie abgegeben.“ Ein Brief? Vielleicht von einem Fan?

„Danke“, sagte Gilbert und nahm den Brief entgegen. Der Soldat salutierte und nach einem genervten „Abtreten“ entfernte er sich dann auch endlich.
 

Der Preuße hockte sich auf sein Bett, um die vermeidliche Fanpost in aller Ruhe lesen zu können, doch zu seiner Enttäuschung befand sich in dem grauen Umschlag kein Brief voller bewundernder und schmeichelnder Worte, sondern lediglich eine DVD.

Er nahm seinen Laptop vom Tisch, wo er ihn vor einiger Zeit abgestellt hatte und legte die Scheibe ein. Dann legte er ihn vor sich aufs Bett und drückte auf „Play“.
 

Schon nach den ersten Sekunden des Videos hatte Gilberts Stimmung den absoluten Nullpunkt erreicht, vielleicht auch schon unterschritten. Der Grund dafür war Ivan, der ihn vom Bildschirm aus angrinste und „Hallo, Gilbert“, schnurrte. Er schien in einer Art Raum zu stehen, doch man konnte nicht viel erkennen, denn die Bildqualität war nicht besonders gut und bisher war nur der Vordergrund erleuchtet, ob sich etwas hinter ihm befand und wenn ja, was es war, konnte man nicht sehen.

Am liebsten hätte der Preuße das Gerät sofort abgeschaltet und die CD an die Wand geworfen oder so, aber irgendwie war er doch neugierig, warum der Russe ihn grade jetzt kontaktierte.
 

Nach einigen Sekunden fuhr der Video-Ivan fort: „Anscheinend interessiert es dich ja, was ich zu sagen habe, da. Das finde ich sehr löblich.“ „Man, hör auf zu labern, ich hab Besseres zu tun, als mir deine Visage auf meinem Bildschirm anzusehen“, meckerte er den Bildschirm-Ivan an, der ihm aber aus irgendeinem Grund nicht antworten wollte.

„Dann hör mal zu“, sagte Digi-Ivan ruhig und grinste wieder, bevor er fortfuhr, „Du wirst jetzt sofort zu deiner Chefin Kontakt aufnehmen und sie überreden, dass Deutschland kapitulieren muss.“ Was?! Awesome Me schüttelte nur den Kopf über soviel dumme Naivität. Wie konnte Ivan denn auch ansatzweise glauben, dass er auf diese total bescheuerte Forderung eingehen würde?

Er beugte sich vor, um das Gerät auszuschalten, das war ihm echt zu blöd. Kurz bevor seine Finger den „CD auswerfen“-Knopf berührten, sprach der Russe weiter und auf einmal klang es gar nicht mehr so freundlich: „Das würde ich lassen, Gilbert. Ich kenne dich, du willst grade den Datenträger wegwerfen. Aber sei so gut und sieh noch einen Moment zu, denn ich glaube, ich habe zufälligerweise jemanden zu Gast, der dich überzeugen kann.“
 

Bei diesen Worten flammten in dem Raum, in dem Ivan sich befand, alle Lampen auf und beleuchteten ein unheimliches Bild: Das Zimmer, oder eher, der Kerker, in dem das Video gedreht wurde, war vielleicht 3x3m groß. Die Wände waren kalkweiß und es gab keine Fenster, nur eine vergitterte Stahltür.

Aber Gilberts Interesse galt nur dem Mann, die in aufrechter Position an die gegenüberliegende Wand gekettet war. Er schien bewusstlos zu sein, denn er hing mehr, als dass er stand und sein Kinn war ihm auf die Brust gesackt, sodass sein Gesicht nicht zu erkennen war. „Wir sollten ihn wecken, damit er dich begrüßen kann, da.“

Der Russe lachte, griff nach einem Eimer irgendwas (vermutlich Eiswasser), den er außerhalb des Sichtfeldes der Kamera positioniert hatte, und spritze dem Gefangenen dessen Inhalt mit einer ausladenden Bewegung ins Gesicht.
 

Fast sofort kam Leben in den Mann und er richtete sich auf. Gilbert rückte näher an den Bildschirm, um endlich das Gesicht des Gefangenen erkennen zu können, denn vielleicht war es ja ein Bekannter – und erstarrte.

Kurze blonde Haare, die vom eigenen Blut teilweise rot gefärbt waren. Ein paar leuchtend blaue Augen, die stolz und unbeugsam in die Kamera blickten. Und ein geknurrtes „Ivan, du Arsch“.

„WEST?!“

Er war unwillkürlich aufgesprungen. West war in Russland? Als Gefangener von Ivan? Fuck!
 

Das Geräusch, das beim Entsichern einer Waffe entsteht, ließ Gilbert zusammen zucken und lenkte seine Aufmerksamkeit zurück zum Bildschirm. Breit grinsend presste der Russe eine Pistole an Wests Schläfe. Die Bildqualität war zu schlecht, als dass man eine Marke hätte erkennen können, aber was spielte das überhaupt für eine Rolle? Ein Schuss aus dieser Nähe würde ihn auf jeden Fall töten, egal, welcher verdammte Waffentyp es nun war.

„Willst du nicht versuchen, ihn zu überreden, mein lieber Ludwig?“, wandte sich Ivan jetzt an West. Der nickte, blickte direkt in die Kamera und knurrte: „Gilbert, wag es ja nicht, auf seine bescheuerten Forderungen einzugehen.“ „Das war jetzt keine gute Idee“, sagte Ivan mitleidig – und vergrub seine Faust tief in Ludwigs Magen. Der keuchte laut auf und krümmte sich vor Schmerz zusammen, soweit es seine Fesseln zuließen.
 

Sein Peiniger wandte sich wieder zu der Kamera um. „Du solltest lieber schnell was unternehmen, Gilbert, ich glaube nämlich nicht, dass meine Geduld noch sehr strapazierbar ist. Und hier habe ich noch eine kleine Motivation für dich, da.“

Bei diesen Worten drehte er sich wieder um, zielte auf Ludwig und drückte ab. Das Geschoss bohrte sich in dessen Schulter und riss den Deutschen nach hinten. Er prallte hart gegen die Wand und schrie vor Schmerzen auf. Auf dem grünen Stoff der Uniform breitete sich ein dunkler und schnell größer werdender Blutfleck aus.

Als letztes zoomte die Kamera auf Ludwigs schmerzverzerrtes Gesicht, dann wurde der Bildschirm schwarz und die CD automatisch ausgeworfen.

Erste Verluste

So ... ich melde mich zurück aus dem Reich der Toten! Tut mir wirklich Leid, dass ihr so lange warten musstet... ^^'

Naja, jetzt viel Spaß beim Lesen jedenfalls xD

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Arthur hechtete geduckt von einer Palisade zur nächsten. Das Feuergefecht, das in den frühen Morgenstunden völlig unerwartet ausgebrochen war, dauerte immer noch an. Die Briten hatten zwar durchaus mit einem Angriff gerechnet, schließlich befanden sie sich im Krieg, aber trotzdem waren sie auf einen dermaßen massiven Ansturm nicht gefasst gewesen.

Sie waren komplett überrannt worden und hatten, bevor ihre Verteidigung endlich stand, schon schwere Verluste erlitten.

Arthurs Blick schweifte über den mit Blut getränkten Boden. Überall lagen Tote und Schwerverletzte, denen er nicht helfen konnte, weil er dabei selbst in die Reichweite der feindlichen Waffen geraten würde. Viele der Gefallenen hatte er zwar nicht persönlich gekannt, doch es tat ihm Leid um jeden einzelnen von ihnen, denn es waren seine Leute gewesen und er hatte die Verantwortung für sie getragen. Schuldgefühle wallten in ihm auf und drohten ihn in Verzweiflung zu stürzen, doch er kämpfte sie nieder. Für ein schlechtes Gewissen hatte er noch genug Zeit, wenn er aus diesem Höllenfeuer entkommen war.

Eine laute Explosion hinter ihn riss ihn von dem Anblick los. Der Feind hatte schwereres Geschütz aufgefahren, um die letzten Reste der britischen Defensive zu zerschlagen. Arthur wusste, dass er handeln musste, sofort, sonst wäre alles verloren. Sie brauchten Verstärkung, hier und jetzt.

Hinter einer der Palisaden kauernd kramte er ein Handy (alle Truppenführer hatten eine bekommen, in dem alle wichtigen Nummern gespeichert waren, um im Notfall Verstärkung anfordern zu können) aus der Brusttasche seiner Uniform und wählte mit zitternden Fingern die erste Nummer, die ihm einfiel.

Der Anruf wurde entgegen genommen: „Hero hier, was ist?“ Arthur atmete auf. „Ich bins. Hör zu, ich-.“ Er wurde unterbrochen: „Hey, Artie! Was geht?“ Genervt verdrehte der Engländer die Augen, dann antwortete er: „Hör mir zu, Bloody Git! Wir haben ein verdammtes Problem hier und könnten-.“

Wieder wurde er unterbrochen, diesmal allerdings nicht von seinem Gesprächspartner, sondern von einem Geschoss, das direkt in den Schutzwall einschlug, hinter dem er Schutz gesucht hatte. Die Detonation zerriss die Palisade und Arthur wurde von den Füßen gerissen, wobei ihm das Handy aus der Hand flog und ein Stück über den Boden rutschte. Ohne Deckung war der Engländer dem erbarmungslosen Feuer seiner Feinde, das immer noch auf die Briten niederging, schutzlos ausgeliefert. Aus dem Handy war immer noch Alfreds Stimme zu hören, doch Arthur konnte nicht antworten.
 

*
 

Wie ein eingesperrtes Tier tigerte Gilbert in seinem Zelt hin und her. Immer wieder ging er im Kopf die gegenwärtige Situation und mögliche Auswege durch und immer wieder kam er auf dasselbe Ergebnis. Er wusste nicht, was er tun sollte. Und das gefiel Awesome Me ganz und gar nicht. Es erinnerte ihn viel zu sehr an seine Zeit in Russland, den bisher schlimmsten Teil seines Lebens.

Der Preuße wollte unter gar keinen Umständen zulassen, dass West in die gleiche Situation geriet wie er damals, das wünschte er eigentlich niemandem. Nicht mal seinem schlimmsten Feind … Okay, dem vielleicht schon. Aber andererseits konnte er sich aber auch nicht gegen ihre alliierten Länder stellen. Zudem würde ihre Chefin das sowieso nicht zulassen. Gilbert hatte vor einigen Stunden mit ihr telefoniert und sie hatte ihm klar gemacht, dass es ihr um Ludwig zwar wirklich Leid täte, es aber vollkommen unmöglich sei, irgendetwas zu unternehmen oder sich zurück zu ziehen. Das aber wiederum würde Wests Tod bedeuten und das konnte er, als sein Bruder, doch nicht zulassen…

Er blieb stehen und ließ sich aufs Bett fallen. Auf dem offiziellen Weg kam er jedenfalls nicht weiter, er musste sich also selbst etwas ausdenken. Das würde ihm jedoch nicht allzu schwer fallen, schließlich war er The Awesome Prussia!

Doch kaum hatte er angefangen, den perfekten und ultimativen Plan für die Rettung seines Bruders zu entwerfen, klingelte das Telefon und unterbrach seinen genialen Gedankengang.

Gilbert sprang auf und schnappte sich den Hörer in der Hoffnung, dass seine Chefin es sich anders überlegt hatte: „Ja, Awesome Me?“ Anstatt der Stimme seiner Kanzlerin tönte ihm allerdings eine weitaus männlichere und viel fröhlichere Stimme entgegen: „Hola, Amigo, hier ist Antonio! Erzähl, wie siehts aus bei euch?“

Man konnte ihn geradezu durch Telefon strahlen hören. Wo nahm der bloß diese permanente gute Laune her?

„Hey, Toni! Lange nichts von dir gehört! Bei uns?“ Der Preuße zögerte kurz, bevor er weitersprach, Antonio sollte nicht merken, wie besorgt er im Moment wirklich war. „Hier sieht es momentan ganz okay aus, wir kommen ganz gut klar“, führ er dann fort und hoffte, dass sich der Spanier damit zufrieden geben würde. Am anderen Ende der Leitung herrschte ein kurzes Schweigen, dann fragte der andere: „Què pasa? Was ist passiert? Du hast mehrere Sätze gesprochen, ohne dich selbst anzupreisen, es kann dir nicht gut gehen.“ Bei den Worten musste Gilbert unwillkürlich grinsen. Antonio kannte ihn einfach schon zu lange und zu gut, dass er nichts bemerken konnte.

„Ja, stimmt wohl. Hier läuft grade alles schief“, antwortete er. Danach erzählte er Antonio ausschweifend und in allen Einzelheiten von ihrer momentanen Situation, von Wests Gefangennahme und Ivans Forderung. Der Spanier hörte sich alles in Ruhe an und als Gilbert fertig erzählt hatte, sagte er: „Ich komm rüber und helf dir. Gemeinsam denken wir uns was aus, Amigo.“ Dann legte er auf, ohne dass Awesome Me die Möglichkeit hatte, etwas zu erwiedern. Aber das hatte er eigentlich auch nicht vor gehabt. Er gestand es sich extrem ungern ein, denn schließlich war er awesome und konnte alles allein schaffen, aber diesmal konnte er jede Hilfe gebrauchen. Und außerdem würde ihn Tonis gute Laune vielleicht wieder ein wenig aufheitern.

Nicht allzu lange Zeit später war Antonio auch schon da, er hatte sich sofort auf den Weg gemacht und die schnellstmögliche Verbindung an die italienische Grenze genommen. Trotzdem hatte er es irgendwie hinbekommen, Tomaten und Tapas aufzutreiben, die er im Zelt auf den Tisch stellte. Nachdem er Gilbert begrüßt hatte, erklärte er: „So, zuerst wird was gegessen und dann überlegen wir uns, wie wir dein Problem lösen.“

Sie saßen lange daran, bis sie einen guten Plan entwickelt hatte, aber am Ende schafften sie tatsächlich, eine Strategie zu entwickeln. Hauptprobleme waren Gilberts extrem ausgeprägte Selbstüberschätzung und Antonios übertriebener Optimismus gewesen, aber schließlich war es ihnen trotzdem gelungen.

Einige Stunden später standen sie an der russischen Grenze, bis hierher war es aber auch nicht allzu schwierig gewesen. Ivan rechnete nicht mit einem Gegenangriff, er kannte die Weststaaten und ihre extreme Vorsicht ja nur zu gut. Deshalb hatte er die Grenzen, an denen grade kein Kampf tobte, unbewacht gelassen. Sehr zum Vorteil von Gilbert und Antonio, die mit deutlich mehr Schwierigkeiten gerechnet hatten.

Ihr Plan bestand ihm Großen und Ganzen darin, sich in Ivans Basis einzuschleichen, Ludwig zu befreien und dann zu verschwinden. Und das ganze so unauffällig wie möglich. Damit sie nicht sofort verhaftet wurden, hatte Gilbert die Uniformen von zwei toten Russen besorgen lassen, daran gab es ja momentan keinen Mangel. So verkleidet überschritten sie die feindliche Linie.
 

*
 

Alfred F. Jones war nach Arthurs Anruf sofort aufgebrochen. Er selbst war zwar an derselben Linie positioniert gewesen, allerding einige Kilometer weiter südlich, sodass sie von dem Angriff ohne die Meldung des Briten gar nichts mitbekommen hätten. Seine Leute wurden zwar auch ab und zu in Gefechte verwickelt, aber bisher hatten sie in jedem die Oberhand behalten können. Deshalb hielt er es auf für vertretbar, sie für eine gewisse Zeit allein zu lassen, er musste einfach wissen, was dem Engländer passiert war. Das etwas passiert war, war unbestreitbar, denn schließlich hatte er Explosionen und Geschützfeuer gehört.

Der Anblick, dass sich ihm bot, als er endlich ankam, war ein Bild der Zerstörung und Verwüstung. Überall, wo die großkalibrigen Geschütze eingeschlagen waren, hatten sich tiefe schwarze Krater gebildet. Auf dem ganzen Gelände lagen die Leichen von unzähligen gefallenen Soldaten verstreut und der Boden war von Blut getränkt.

Alfred musste eine Welle von Übelkeit niederkämpfen, als er sich die Toten etwas genauer ansah. Die Kugeln und Explosionen hatten sie teilweise so übel zugerichtet, dass man sie kaum noch als Menschen identifizieren konnte.

Immer schneller und unruhiger durchsuchte der Amerikaner das Schlachtfeld, er musste unbedingt wissen, was mit Arthur passiert war. War er verletzt? Und war er überhaupt noch am Leben? Die vielen Toten drückten seine Hoffnung immer weiter gegen Null, aber er wollte sie nicht aufgeben. Nicht, solange er ihn nicht gefunden hatte.

Nach einer Weile entdeckte er am Rand des Kampfplatzes eine am Boden liegende Gestalt, die vom Aussehen her der Engländer sein könnte. Er konnte es nicht genau erkennen, da sie mit dem Gesicht zum Boden lag.

Alfred lief schnell zu ihr hinüber, ließ sich daneben auf die Knie fallen und drehte die Gestalt auf den Rücken. Das blasse Gesicht, in der er nun blickte, kannte er nur allzu gut. „Arthie…“, flüsterte er leise.

Hätte er nicht genauer hingesehen, hätte er den Briten für tot halten können. Die Jacke seiner Uniform und das Hemd darunter waren blutgetränkt und er rührte sich nicht. Alfred spürte unbändige Verzweiflung und Trauer in sich aufsteigen, doch dann fiel ihm auf, dass sich Arthurs Brustkorb kaum merklich hob und senkte. Ungläubig prüfte der Amerikaner seinen Atem – und tatsächlich, schwach, aber doch deutlich spürbar.

Eine unglaubliche Erleichterung breitete sich in Alfreds Brust aus. Vorsichtig hob er den Engländer hoch, ständig darauf bedacht, ihm bloß keine weiteren Schmerzen zuzufügen. Er würde ihn ins amerikanische Lager bringen und danach mit ein paar Leuten zurück kommen und nach weiteren Überlebenden suchen. Und danach würde er diese verdammte Welt retten, schließlich war er ein Held!



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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Niekas
2012-05-07T21:59:34+00:00 07.05.2012 23:59
Vorsicht, es folgt ein etwas längerer Kommentar. :3
Also, ich hatte viel Zeit und ich dachte mir, liest du die komplette Geschichte und schreibst währenddessen auf, was dir so einfällt... vielleicht kommt ein anständiges Review dabei raus. Und was soll ich sagen, ich hab's gemacht. Hoffentlich kannst du etwas damit anfangen.

Der Prolog ist... angemessen deprimierend? Oh du meine Güte, ich fürchte das Ende jetzt schon. Ich bin hin und her gerissen zwischen „du willst es nicht wissen“ und „jetzt willst du es eben doch wissen“. Äh... wenn du verstehst, was ich damit sagen will.

1. Ich finde deinen Stil schön locker zu lesen im ersten Kapitel, und die Umgebung ist ziemlich stimmungsvoll (beim Spaziergang mit den Hunden. Ich weiß, das waren nur zwei Sätze oder so, aber es bei mir hängen geblieben).
Oh mein... Francis. Ja, natürlich, was hattest du denn erwartet, Lutz? Kann ja nichts Anständiges bei rumkommen, wenn du den anrufst.
Hmm... du kommst nach der großen Unsicherheit, was denn nun mit Feliciano ist, ziemlich schnell zur Sache. (Was nichts Schlechtes ist, besser, als wenn die Story zu lange tatenlos rumgedümpelt wäre.) Ich frage mich, wieso Ivan ausgerechnet in Italien... vor allem, wie er da hinkommt, ohne dass zum Beispiel Roderich es gemerkt hat, den Ludwig ja angerufen hat... naja, ist eben wegen dem Drama, nicht wahr? :D
Oh, aber Gilberts Begeisterung ist... furchtbar. Vor allem nach dem Foreshadowing im Prolog (wer kriegt denn da Kornblumen?). Aaaah.

2. Gilbert, Gilbird und ich. Sicher hat Gilbert darauf bestanden, dass sein gefiederter Freund extra erwähnt wird, was?
„Außerdem wurde uns der Frieden zu langweilig.“ Weißt du was? Das klingt fast, als habe jemand einen gefälschten Brief in Ivans Namen schreiben wollen. „Wir Russen werden bei euch einfallen und alle zwingen, lustige Pelzmützen zu tragen und Kasatschok zu tanzen!“ Äh, nein. Abgesehen davon... doch, Ivan würde ich es auch zutrauen, so etwas zu schreiben.
Halt mich nicht für unverschämt, aber du hast doch hoffentlich schon jetzt geplant, wer die Staaten sind, die „unter russischer Hand stehen“? Weil dieser Brief eine Stelle gewesen wäre, an der man das mal klar hätte abstecken können. Ich tippe mal auf die Ex-Sowjets, obwohl Ivan in dem Brief vom Ansehen des gesamten Ostblocks spricht, aber zum Beispiel Elizaveta ist ja offensichtlich nicht bei ihm. Also, kurz gesagt – ich hoffe, bald zu erfahren, wer hier alles zu den „Bösen“ gehört.
Awww... ich habe gerade einen kleinen Fangirl-Moment bei Antonios Auftritt. Seit wann bin ich überhaupt sein Fangirl? Hoppla. Also, der Auftritt hatte definitiv was. Olé, Don España!
Okay. Okay. Ich meine, rein militärisch und alles ist es total an den Haaren herbeigezogen, dass Russland ausgerechnet Liechtenstein überfallen sollte, denn erstens ist da nicht viel zu holen, nicht mal ein Meereszugang, und zweitens liegt es strategisch so was von schlecht... aber ich verstehe, es ist wegen dem Drama und weil Hetalia. (Weißt du was? Ich habe jetzt irgendwie im Kopf, dass sich da hinter den Kulissen ein LettlandxLiechtenstein anbahnt. Wieso muss ich eigentlich an sowas denken?)

3. Hmmm... auf wessen Seite steht Toris denn nun eigentlich? Denn wenn es Ivans Seite ist (wovon ich ausgehe, Ivan kann Toris' Meereszugang zu gut gebrauchen), war das ziemlich heldenhaft von ihm, Feliks zu der Allianz zu raten. Okay, Frage nach Toris hat sich eine Seite später beantwortet.
Soweit ich weiß, heißt es Ostsee, nicht Baltisches Meer. Deswegen kann man sich aus dem Deutschen nicht erklären, warum das Land daran Baltikum heißt.
Armer Antonio. Hoffe mal, er lässt sich nicht zu etwas Dummem hinreißen.
Ich hätte an der „Die Russen kommen!“-Stelle nicht so lachen sollen, wie ich es getan habe, oder? Aber das kam irgendwie gut.
Nicht Ludwig! Oh, verdammt. Wie hat Ivan es geschafft... hinter ihn zu kommen? Okay, Durcheinander auf dem Schlachtfeld, geht in Ordnung. Verzeih meine blöde Fragerei, ich frage einfach alles, was mir beim Lesen so durch den Kopf geht.
Ah, Gilberts völlige Selbstüberschätzung ist doch immer wieder erfrischend. Das war wohl eine Art „comic relief“ nach der Szene mit Ludwig. Und Fanpost kriegt er auch, soso.
Das Wort „löblich“ in diesem Zusammenhang ist genial. Ohne Scheiß.
Zu dem Rest des Kapitels würde mir nur noch ein unqualifiziertes „Autsch“ einfallen, also lese ich lieber schnell weiter...
Oh, eins noch: Ich liebe es, dass du, nachdem Ludwig ausgeknockt wurde, nicht sowas wie „Ludwigs POV Ende“ oder so geschrieben hast. Man hat nämlich auch so problemlos gemerkt, dass sein Part hier erst einmal zu Ende ist. Weiter so.

4. Arty... Himmel hilf. War's das schon mit ihm? Das ging irgendwie schnell.
Oh mein Gott, Gilbert preist sich nicht mehr selbst. Ich find's toll, wie du die Komik in dieser eigentlich so düsteren Geschichte hochhältst. Der Plan von Antonio und Gilbert hat auch fast schon wieder was Komisches. Hoffentlich haben sie mehr Details ausgearbeitet, als es den Anschein hat.
Oh ja, Alfred, erst rettest du Arthur und dann die Welt... aaah, aber am Ende stirbt Arthur doch sowieso, nicht wahr? Wegen dem Prolog und alles... ah, ich werd verrückt. Puuh.

Also... so viel dazu. Zusammenfassend, am Stil habe ich nichts zu bemängeln (nimm das als Kompliment, ich bin ziemlich kritisch, was Stile angeht), die Story hakt an ein paar Stellen ein bisschen, aber was soll ich sagen? Sie ist spannend und gefällt mir trotzdem.
So... in der Hoffnung, dass du mit meinen teilweise wirren Gedankengängen trotzdem etwas anfangen konntest, und mit den besten Grüßen,
E-vieh


P.S., weils mir gerade einfällt: Wenn Ludwig jetzt also in Ivans Gewalt ist und Feliciano auch, heißt das, wir haben die Chance auf ein wenig GerIta hier? Nur so ein Gedanke.
Von:  LittleRobin
2012-02-07T22:30:12+00:00 07.02.2012 23:30
Auch wenn das wieder totaler käse wird, ich werde versuchen einen halbwegs guten Kommentar abzuliefern...

Die Story ist echt packend und ich will einfach nur weiterlesen. Das schaffen nicht viele Fanfictions bei mir so ein Gefühl auszulösen.
Auf jeden Fall besser als das was ich je schreiben könnte...

Du bist jetzt mein offizielles Vorbild, weißt du das? xD
Das hast du echt gut gemacht, Ludwig >w< <3

Ti amo,
Feliciano

P.S. Ich will mehr... <3
Von:  berenike
2011-09-07T16:27:04+00:00 07.09.2011 18:27
Man muss zuerst verarbeiten, was man gerade gelesen hat.
Ich bin gnadenlos gefesselt in der Geschichte, beim ersten Kapitel konnte ich mir die Tränen nicht verkneifen und obwohl man das grobe Ende von Allem kennt möchte man weiterlesen.
Das hast du in dem Falle grandios gemacht.

Dein Schreibstil ist gut, für mich etwas gewöhnungsbedürftig, aber er ist wirklich überzeugend und beschreibend. Ich liebe es, wie du hier so kleine Dinge, die viele vergessen würden, darstellst.

Die Handlung kann man gut mitverfolgen, jedoch würde ich etwas mehr Pufferzone zwischen den großen Handlungsträngen packen, da man etwas überfordert wird. Ebenso muss man schauen, ob es logisch und zusammenhängend ist. Als Beispiel nehme ich jetzt mal die Szene, wo Ivan auf Ludwig stößt, es ist möglich, dass er nicht mitbekommt, dass Ivan sich nähert, vorallem beim Lärm, der wärend eines Angriffes herrscht, jedoch finde ich die Gedanken, die Ludwig davor macht, etwas unpassend, sie kommen mir da falsch vor.

Ich würde mich freuen, wenn ich vielleicht hier wieder etwas zum Lesen sehe, da diese FanFiction auf jeden Fall Potenzial hat!

lg, Isis
Von:  Wurzel
2011-08-21T13:55:06+00:00 21.08.2011 15:55
Gut lesbarer Schreibstil, interessante, ernste Handlung. Sehr gut. Ich werde die FF gerne weiterverfolgen.

Von:  Sensenweiblein
2011-08-20T13:55:05+00:00 20.08.2011 15:55
Die Fanfic hört sich sehr interessant an. Ich mag es, wenn mal erstere Themen vorkommen. Bin gespannt wie es weitergeht~

Freu mich schon auf die nächsten Kapis!
lg, Sensi~


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