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Heartbreak Hotel

Liebe und anderer Scheiß!
von

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Kapitel 5

„Leg dich ruhig hin wenn du möchtest, Chris kommt gegen acht oder neun, bei ihm weiß man nie. Man muss immer eine Stunde später mit ihm rechnen. Bei mir sind es meistens sogar zwei.“ Ich lächelte und versuchte eine einfache Konversation zu führen aber ich fühlte mich dabei wie eine Marionette die von jemand anderem bewegt wurde.

Lukas‘ Tasche stellte ich im Wohnzimmer ab. „Möchtest du was essen?“ fragte ich.

Im Auto hatten wir einigermaßen normal reden können… wir sprachen über viele belanglose Dinge… nur nicht über uns beide.

„Lieber etwas trinken… etwas kaltes.“ sagte er schüchtern und ließ sich auf die Couch sinken.

Mir war irgendwie mulmig zumute und ich konnte es mir nicht richtig erklären. Vielleicht war es meine Angst davor ihm richtig Rede und Antwort stehen zu müssen jedoch verschloss ich mich, was das Thema anging, völlig vor ihm.

Ich kam zurück und hielt eine große Flasche Eistee in den Händen, zusammen mit einem Glas.

Lukas war eingenickt, das Haar fiel ihm ins Gesicht, das er in eines der weichen Kissen gelehnt hatte. Er war eingeschlafen…

Mit einem kleinen Seufzen ließ ich mich ebenfalls in das weiche Polster sinken, nachdem ich eine Decke über ihn gelegt hatte.

In mir rotierten sämtliche Emotionen das kannte ich gar nicht von mir, denn für gewöhnlich wusste ich immer ganz genau was ich wollte und hatte auch dementsprechend mein Leben gelebt.

Ich hatte noch nie die Verantwortung für einen Menschen übernommen und hatte auch nie damit anfangen wollen. Doch je länger ich in dieses süße schlafende Gesicht sah, umso größer wurden die Fragezeichen in meinem Kopf.

Empfand ich etwas für ihn?

Wie hatte mich dieser kleine Pimpf nur so aus der Fassung bringen können?! Ich erkannte mich selbst nicht mehr, warum kümmerte es mich was mit geschah, ob es ihm gut ging oder nicht, warum war ich ins Krankenhaus gestürmt..? Warum hatte ich mir Sorgen um ihn gemacht, warum war ich jeden Tag an seiner Seite? War das immer noch Mitleid? Und warum zum Teufel konnte ich das Maul nicht aufmachen und wirklich das sagen, was ich dachte?

In diesem Moment wünschte ich mir wirklich den Rat meiner Mutter… denn ich wusste nicht wohin mit mir.

Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern ob ich in letzter Zeit mal auf den Kopf gefallen war, aber es war vergeblich. Ich spürte Veränderungen auf mich zukommen und ob sie positiv oder negativ waren konnte ich zwar nicht genau sagen, aber sie hatten mit einem Jungen, den ich an einer Raststätte getroffen hatte, ihren Lauf genommen.
 

Erschrocken fuhr ich hoch als die Türklingel schrillte, wieder und wieder.

Sofort sprang ich auf die Beine und lief zur Tür. Das musste Chris sein!

Ich öffnete ihm und rieb mir die Augen. Wie spät war es? Es war stockfinster, ein Wunder dass ich nicht auf die Fresse gefallen war.

Chris kam die Treppen rauf, er grinste wiedermal. „Hab ich dich geweckt?“ fragte er. „Sorry ich bin etwas spät dran.“

„Etwas ist gut… wie spät ist es?“ Langsam schloss ich die Tür hinter ihm, nachdem er eingetreten war.

„Kurz vor halb eins.“ erwiderte er und hob eine Plastiktüte hoch. „Es tut mir wirklich leid, aber ich hab auch was zu essen mitgebracht.“

Es roch nach gebratenen Nudeln.

„Wolltest du ihn nicht schon um sieben abholen?“ knurrte ich und schaltete das Licht im Flur an.

Wir gingen in die Küche, da Lukas noch schlief.

„Naja meine Süße wollte mich nicht gehen lassen.“ Er grinste schief, jedoch entschuldigend.

Wir setzten uns und packten die Leckereien aus.

„Willst du nichts essen?“ fragte ich. Er verneinte.

„Hab schon gegessen, bedien dich ruhig.“ Er schwieg kurz dann sah er mir direkt in die Augen. „Wie geht’s ihm, alles klar?“ fragte er.

Ich nickte. „Soweit alles in Ordnung…“

„Du, Juan… da ist doch was, das du mir sagen willst, oder? Im Bezug auf dich und dem Lämmchen.“

Eine Bambussprosse flutschte mir in den Hals und ließ mich husten. Chris schlug mir auf den Rücken und sah mich ernst an.

„Ich bin kein Idiot weißt du und wir beide kennen uns mittlerweile lange genug. Oder zumindest so lange, dass ich etwas bei dir sehe, was mich stutzig macht.

Anfangs fand ich es ja noch süß, weil es ungewohnt war eine kleine verwirrte Seite an dir neu zu entdecken, aber ich frage mich wirklich was in dir vorgeht.“

Seltsam… ich wusste gar nicht, dass Chris so sensibel sein konnte..?

„Magst du ihn?“

Die Frage traf mich wie ein Backstein von oben.

Hustend schlug ich mir auf die Brust. „Mögen? Ich kenne ihn doch gar nicht…“ keuchte ich.

Chris verdrehte die Augen. „Man braucht vielleicht ein Leben lang um einen Menschen richtig zu kennen, aber um sich auf den ersten Blick zu vergucken braucht es nur ein paar Sekunden oder Minuten.“ Erwiderte er kühl.

Vergucken? Meinte er etwa ich hätte mich verliebt?

„Das ist doch Blödsinn ich hatte bisher noch nie eine richtige Beziehung und ich hab auch nicht vor jetzt damit anzufangen. Ich bin ganz zufrieden so wie es jetzt läuft.“ Brummte ich.

Chris nahm sich einen Glückskeks und brach ihn entzwei.

„Dann verrat mir doch mal warum du ständig auf dein Telefon gestarrt hast, seit der Kleine weg war? Warum hast du dich auf der Straße umgesehen, bevor du das Haus betreten hast und warum zum Teufel du immer auf dem Weg zur Uni Umwege über den Domplatz gemacht hast?“

Da fielen mir fast die Augen aus dem Kopf. Woher wusste der Spinner das alles?!

Chris begann zu grinsen. „Ich hab einen Spürhund weißt du, der hat einen Satelliten auf dem Kopf der dich überall und zu jeder Zeit aufspüren kann.“

Verwirrt starrte ich ihn an, dann riss ich die Augen auf. „Doch nicht Frederic?? Verfolgt mich der Idiot etwa?!“

Chris lachte und hielt mir den Zettel aus seinem Glückskeks hin.

Etwas Unerwartetes wird geschehen.

Ja wunderbar!

Da knackte er einen weiteren Keks.

„Hör auf damit und erklär mir was die Scheiße soll! Warum zum Henker nochmal beschattet ihr mich das geht euch alles gar nichts an!!“ fauchte ich und wurde richtig wütend. Oder vielleicht war es einfach nur mein gekränkter Stolz?

Er reichte mir einen weiteren Zettel und grinste einfach weiter.

Eine neue Welt wird sich dir öffnen.

„Chris!“ fuhr ich ihn an.

„Was?“ erwiderte er.

„Ich will eine Antwort!“

Er grunzte belustigt. „Ich ja auch. Und wohlangemerkt habe ich dich zuerst etwas gefragt.“ Der dritte und letzte Keks knackte und er legte die drei Zettel ordentlich in eine Reihe und deutete mit dem Finger auf das dritte Papierchen.

Genervt seufzte ich und rieb mir die Schläfen.

Sei ehrlich zu dir selbst.

„Ich kenne dich Juan. Du empfindest was für ihn, doch du weißt nur noch nicht was es ist. Und das ist es was dich verwirrt und verunsichert.“ Damit erhob er sich und schob den Stuhl zurück.

„Wo willst du hin?!“ fragte ich überrascht und hielt ihn fest.

„Nachhause!“ antwortete er und entzog mir seinen Arm, dann beugte er sich zu mir hinunter, so dass ich seinen heißen Atem in meinem Gesicht spürte. „Er schläft, also lass ihn schlafen! Und du, hör auf zu Grübeln! Wenn du etwas tun willst um einen klaren Kopf zu kriegen dann mach dein Maul auf, klar?“ knurrte er und gab mir einen Kuss auf die Wange, ehe er sich mit einem kleinen fiesen Lächeln davon stahl und mich verwirrter denn je in der Küche zurück ließ.

Warum konnten die alle wie ein offenes Buch aus mir lesen und ich war der einzige der nicht schlau aus mir selbst wurde?!

Grummelnd starrte ich auf die Zettel und aß weiter.
 

Der Sonntagmorgen verlief relativ ruhig. Ich war früh wach geworden, gegen kurz vor sieben.

Lukas hatte auf der Couch geschlafen, ich hatte es ihm mit ein paar Kissen etwas gemütlicher gemacht und hatte mich auf die andere Seite zu ihm gelegt und die halbe Nacht gegrübelt, bis ich irgendwann eingeschlafen war.

Und ich hatte einen Entschluss gefasst der eigentlich ziemlich simpel war.

Ich musste aufhören nachzudenken.

Ich schloss die Tür auf und hielt die heiße Tüte in der Hand, die durch den Dampf der warmen Brötchen eingeweicht war.

Da hörte ich das Rauschen des Wassers im Bad, er schien sich zu waschen.

In der Küche begann ich ein kleines Frühstück herzurichten, als ich einen Rumms hörte. Erschrocken fuhr ich hoch und lief zum Bad.

„Lukas?“

Keine Antwort.

„Lukas??“ rief ich nochmal, diesmal etwas lauter.

„Alles okay…“ hörte ich ihn leise grummeln.

Ein Stein fiel mir von Herzen. Grundgütiger bei diesem Kerl war es kaum möglich keinen Herzinfarkt zu erleiden, besonders seit ich wusste, dass er sich umbringen wollte…

„Frühstück ist fertig, komm!“

Ein zustimmendes Brummen ertönte.

Ich saß am Tisch und trank meinen Kaffee, als er rein gehumpelt kam.

Lukas verzog grummelnd und beschämt das Gesicht, seine Wangen waren mindestens so rot wie die Beule kurz oberhalb seiner Stirn.

Zunächst starrte ich ihn an, dann fing ich an zu prusten und warf den Kopf in den Nacken. Ich lachte so laut und heiter, dass mir die Tränen in die Augen traten.

„Lach nicht!“ fauchte er mich an, aber ich konnte nicht mehr aufhören. „Ich hab eben keinen Spiegelschrank im Bad!“ knurrte er und ließ sich in den Stuhl plumpsen.

Mein ausgewachsener Lachanfall wurde zu einem herzhaften Gekicher. „Du hast ja noch Platz im Gesicht für weitere Flecken!“ sagte ich und zwinkerte ihm zu, strich mir eine kleine Träne aus den Augen.

Ach so ja, mein Entschluss? So zu tun als wäre nie etwas gewesen und mich wieder völlig natürlich zu verhalten. Zu sein wie immer und nicht mehr über Lukas nachzudenken. Denn ich merkte, dass ich mich veränderte, je näher ich ihn an mich ranließ.

Und das gefiel mir gar nicht.

„Arschloch!“ knurrte er aber mit einem kleinen heiteren Lächeln.

Wir aßen gemeinsam, ich riss ein paar Witze und brachte ihn zum Lachen. Denn ich wusste, er fühlte sich genauso unwohl wie ich. Das sah doch jeder Trottel.

„Wollen wir ein bisschen raus?“ fragte ich schließlich. In der Wohnung hier war noch die erdrückende, zerquetschende Luft, so wie sie entstanden war, als ich und Lukas übereinander hergefallen waren.

„Gerne.“ Sagte er und seine Augen strahlten.

Nun laufen durfte er nicht allzu sehr, aber er hatte ja die Krücken und ich würde schon aufpassen dass er seinen Fuß nicht überstrapazierte.

Wir fuhren runter zur Rheinpromenade und genossen die ersten Sonnenstrahlen, so wie auch viele andere Menschen hier. Es war noch früh, viel war noch nicht los, aber im Laufe des Nachmittags würde es sicher voll werden.

Lukas war ständig in Gedanken und ich beobachtete sein Gesicht, wenn er rüber zum Rhein blickte.

„Meine Oma fuhr öfter mit mir zum Rhein, als ich noch klein war.“ Begann er plötzlich. Es war das erste Mal, dass er von sich aus erzählte und um ehrlich zu sein hatte ich ihn nie gefragt denn ich wollte ihn nicht bedrängen. „Wir haben eine Zeitlang in der Nähe von Düsseldorf gelebt.“ Sagte er und sein Gesichtsausdruck wurde weich. „An Sonntagen sind wir dann immer mit dem Rad runter zum Rhein gefahren.“ Aber er verstummte und sah mich an. „Was ist mit dir? Wo sind deine Eltern? Wie sind sie so?“ fragte er mich, als sei es ihm gerade erst in den Sinn gekommen.

Die Frage kam überraschend.

„Mein Vater ist Deutscher und meine Mutter ist Spanierin…“ Da floppten ihm seine Augen fast raus. Ich grinste. „Was dachtest du denn? Mein Aussehen und mein Name sprechen ja wohl für sich.“

Lukas lachte. „Naja das kann man nie wissen oder mittlerweile haben selbst Deutsche die merkwürdigsten Namen.“

„Besonders deutsch seh ich aber nicht aus oder?“ fragte ich und er lächelte verlegen.

„Nein… du siehst aus wie ein Vollblutaraber.“

Nun war es an mir zu stutzen und aufzulachen.

„Wo leben deine Eltern?“ bohrte er weiter und nippte an seinem Milchkaffee.

„In der Nähe von Dortmund. Meine Mutter lebt mittlerweile allein. Mein Vater ist mit einer anderen abgehauen.“

Lukas sah mich erschrocken an. „Das ist ja furchtbar!!“

„Ist es nicht, er ist ein Vollidiot.“ Ich legte den Amarettini auf die Milchschaumkrone und sah zu wie er zitternd darauf liegen blieb.

„Warum redest du so von ihm…?“ fragte Lukas und sah mir ins Gesicht. Ich hob den Kopf und begegnete seinem Blick.

„Weil er einer ist, ganz einfach. Alles einfach hinzuschmeißen und sich ohne ein Wort bei Nacht und Nebel aus dem Staub zu machen, nach all den Jahren, ist das etwa das was dein gesunder Menschenverstand dir sagt??“

„Vielleicht war er ja verzweifelt und konnte sich euch nicht stellen…?“ sagte Lukas leise.

Also wirklich… dieser Knirps…

„Seine Beweggründe sind mir egal, ich würde so etwas nicht tun!“

Lukas‘ Augen wurden schmal, aber er sah mich irgendwie enttäuscht an. „Mit jemandem zu schlafen und ihn dann fortzuschicken ist besser…? Oder so zu tun als sei nie etwas gewesen?“

Dieser Schlag traf mich schon unterhalb meines Bauchnabels.

Meine Augenbrauen hoben sich. „Ich habe dich nicht fortgeschickt! Du wolltest gehen!“

„Du hast nicht dagegen gesprochen…“ Er biss sich auf die Unterlippe.

Das wurde langsam lächerlich… ich wollte doch nicht mehr darüber nachdenken…

„Und jetzt sitzen wir hier… trinken zusammen Kaffee und reden über irgendwelches Zeugs und lachen als sei nichts gewesen, aber ich… ich kann nicht so sein wie du! Das ist jetzt vermutlich das erste Mal dass ich ehrlich bin… und zwar direkt… aber… ich mag dich verdammt nochmal!!!“

Mein Amarettini sank tiefer und tiefer in den Milchschaum, so wie mir das Herz tiefer und tiefer rutschte.

„Wie soll ich dich nicht mögen?! Du lächelst mich an… du tauchst immer dann auf, wenn ich Hilfe am nötigsten brauche und streckst mir die Hand aus… du hast mich wieder bei dir aufgenommen, wieder ohne Fragen zu stellen… du verhältst dich mir gegenüber heute plötzlich als wären wir jahrelange Freunde… du quälst mich verflucht und doch bin ich wieder hierhergekommen!

Ich wollte nicht mehr an dich denken… deswegen hab ich dich nicht angerufen, denn hätte ich deine Stimme gehört hätte ich den nächsten Zug hierher genommen!“

So viel Ehrlichkeit und so viel Offenbarung auf einmal war zu viel…

Ohne dass ich es merkte, spürte ich wie die Hitze über meinen Hals kroch, aufwärts steigen, wenn auch für gewöhnlich mein Blut in die unteren Bereiche pumpte.

Oh mein Gott was war denn das?! Ich wurde rot!!! Ich!!!

„Lukas…“ begann ich aber was wollte ich sagen…?

„Zuerst, als du mich das erste Mal im Krankenhaus besucht hast… da hab ich gedacht du tust es weil du dich dazu verpflichtet fühlst… aber… aber Chris hat mir mehr und mehr von dir erzählt, wenn wir alleine waren und ich weiß jetzt, dass es nicht so ist! Warum sitzt du mit mir hier, Juan?“ fragte er leise und sah mich verzweifelt an.

Und ich sah genauso verzweifelt zurück.

„Ich schätze weil ich dich nicht allein lassen konnte…“ antwortete ich.

„Aber warum…?“

„Keine Ahnung warum, ist das ein Verhör?!“ erwiderte ich bissig und bereute es. Er kaute auf seiner Unterlippe herum.

„Sag mir einfach ob du es aus Mitleid tust!“ forderte er schließlich.

War es das..? Mitleid…?

Selbst noch während ich überlegte kannte ich die Antwort.

„Nein.“ Erwiderte ich zögerlich.

Lukas sah mich lange an, ehe er losprustete. „Immerhin etwas…“ er lächelte schwach und es verschwand genauso langsam wie es gekommen war.

„Hey!“ rief eine Stimme laut hinter mir und ich verdrehte schon die Augen ohne hinzusehen.

„Warum findet der mich überall?“ knurrte ich leise und Lukas grinste schief.

Frederic schlang seine Arme um meinen Hals und drückte mir einen feuchten Kuss auf die Wange.

„Was für ein Zufall euch hier zu treffen!“ flötete er.

„Meine Glückskekse verbieten mir den Glauben an Zufälle!“ knurrte ich und zog seine Arme weg.

Frederic lachte schrill und ließ sich neben mir auf den Stuhl fallen, rutschte unverschämter Weise sogar näher an mich heran.

Er trug eine Sonnenbrille auf dem Kopf, ein knallenges Shirt und eine noch engere Hose, die sich um seine schmalen Bohnenstangenhüften quetschte.

Wusste der Geier was der sich da in die Haare geschmiert hatte, die so seltsam von seinem Kopf abstanden. Er sah aus wie ein schwules Stachelschwein.

„Lukas! Hab gehört was passiert ist, das tut mir so schrecklich leid für dich!“ rief er melodramatisch.

„Ich steck’s schon weg, danke.“ antwortete er und ich lächelte ihn kurz an, er erwiderte es.

Und Frederic entging es nicht.

Er klammerte sich an meinen Arm. „Muss ja furchtbar sein, erst verlierst du deine Großmutter und dann noch die Sache mit deinem Opa! Sag mal, schon krass dass du versucht hast dich umzubringen, wie hast du dich da nur überwunden auf die Gleise zu springen?

Und jetzt wohnst du bei Chris, oder? Sonst wärst du ja Obdachlos? Ah er verdient ja eh mehr Geld als Juan und seine Wohnung ist größer, dem wird es sicher leichter fallen dich zu versorgen bis du auf eigenen Beinen stehst, nicht wahr?“ sagte er lauter als nötig und erregte die Aufmerksamkeit unserer Tischnachbarn.

Lukas war wie vom Donner gerührt.

„Kannst du jetzt mal die Klappe halten?!“ fuhr ich ihn an und drückte ihn wieder weg. „Das geht dich alles einen feuchten Kehricht an!“

„Ich sag doch nur wie es ist!“ rief er aus. „Ich habe dich doch nicht beleidigt, nicht wahr??“ Er sah Lukas entsetzt an.

Dieser aber… so Fromm wie eh und je, schüttelte den Kopf.

„Nein… schon in Ordnung.“

Frederic lachte. „Siehst du! Entschuldigung! Einen Café Mélange bitte!“ sagte er, als eine Kellnerin an unserem Tisch vorbei kam.

Wie besoffen war ich eigentlich gewesen, dass ich diesen Spinner ertragen hatte?

„Hast du nichts zu tun?“ fragte ich und funkelte ihn an.

Er lachte aber gekünstelt und legte seine Hand auf meine. „Ach Darling, für dich nehm ich mir immer frei, das weißt du doch! Du, nächstes Wochenende steigt eine Party bei einer Freundin von mir. Du kommst doch auch oder?“

Wie kam er auf eine solch verdrehte Idee, ich würde ihn begleiten?

„Da hab ich schon was vor! Verzeihung! Ich möchte zahlen!“

Die Kellnerin nickte und huschte zwischen den Tischen davon, um die Rechnung zu holen.

„Lass doch… ist doch nicht schlimm.“ Sagte Lukas und zuckte mit den Schultern aber ich funkelte ihn an. Ich hatte keine Lust mit diesem Spinner hier rumzuhängen!

„Ah, wohin gehen wir denn?“ fragte Frederic breit lächelnd.

„Lukas und ich haben noch etwas zu erledigen, bleib du ruhig hier sitzen.“ Ich erhob mich, doch ich sah wie Frederic bettelnd zu Lukas sah.

Lukas sah zu mir und ich schüttelte wild den Kopf.

„Erm… ja tut mir leid, es ist etwas Wichtiges. Nächstes Mal vielleicht…“ Auch er erhob sich langsam.

Ich zahlte unsere beiden Getränke und nahm Lukas sanft am Arm.

„Viel Spaß noch!“ rief ich Frederic zu und ging langsam mit Lukas die Promenade rauf.

„Er hätte doch mitkommen können…“ sagte Lukas leise, wir steckten die Köpfe zusammen und hinter mir spürte ich die bohrenden Blicke.

„Hör bloß auf! Ich kann diese Klette nicht ertragen oder macht es dir etwa Spaß dauernd gestichelt zu werden??“

Lukas lächelte. „Er macht es sicher nicht mit Absicht…“

Ich starrte ihn an. „Ist nicht dein ernst, oder??“

Und als er rot anlief und zur Seite sah, musste auch ich lächeln. Oh Mann… wie sollte ich mich dazu zwingen mir keine Gedanken über ihn zu machen…?
 

Zuhause ließ ich ihn einen Film aussuchen, während ich das Popcorn machte.

Schließlich setzte ich mich zu ihm.

Wir hatten es gerade so durch die Tür geschafft, als es wie aus Kübeln zu gießen begann. Der Regen trommelte hart gegen das Fenster.

„Kann ich dich was fragen?“ kam es unerwartet von dem Kleinen, nachdem ich die DVD schon eingelegt hatte und es mir ebenfalls auf der Couch bequem machte.

„Klar.“ Ich grinste ihn an.

„Hast du mit Frederic Sex gehabt?“

Meine Mundwinkel sackten wieder runter. „Ja…“ sagte ich wahrheitsgetreu.

„Und…“ kam es weiterhin von ihm. „…hast du… oft mit Leuten Sex…? Also… einfach nur Sex? One… night stands…?“

„Ja…“ sagte ich wieder und mir wurde irgendwie komisch zumute. Eigentlich war es doch für mich die natürlichste Sache dieser Welt… die Freiheit bei der Wahl meiner Partner… Sex!

Aber während er mich Stück für Stück ausfragte begann ich mich irgendwie eklig zu fühlen, fast als wäre ich ein unnormales und ekelhaftes Monster.

„Okay…“ antwortete er schließlich und sah zu dem Fernseher.

Danach hatte er mich nichts mehr gefragt und wir hatten den Film gesehen. Und doch sah ich dass er genauso wenig von dem Film mitbekam wie ich… denn wir beide waren in Gedanken woanders.

Was war nur los mit mir…? Warum fühlte ich mich dauernd schlecht, wenn ich die Wahrheit sagte?!

Mein Handy klingelte in der Mitte des Films.

Eine fremde Nummer.

„Ja?“

Eine tiefe männliche Stimme ertönte, die mir irgendwie bekannt vorkam.

„Hi, ich bin’s. Hast du Zeit?“

Ich runzelte die Stirn. „Wer ist ich?“ fragte ich und die Stimme lachte melodiös.

„Wir haben vor nicht allzu langer Zeit im Park gevögelt.“ Knurrte die Stimme. „Du weißt schon, der Typ mit dem Augenbrauenpiercing.“

Da strömten plötzlich wieder die Bilder von besagter Nacht auf mich zu und ich erinnerte mich. Woher hatte der meine Nummer?

„Sorry bin grade beschäftigt.“

Lukas sah mich an und fragte sich vermutlich wer das sein mochte… Ich grinste ihn aber beschwichtigend an. „Bis dann.“ Und legte auf.

Wenn Lukas nicht hier gewesen wäre, wäre ich gegangen.

„…wenn du irgendwohin willst, geh ruhig… ich hab keine Angst wenn ich alleine bin.“ Sagte er und lächelte.

Aber ich schüttelte den Kopf. „Nein war auch nicht so wichtig.“

Chris kam heute etwas pünktlicher und begrüßte Lukas herzlicher als mich.

„…ich wollte dich gestern nicht wecken, du hast so süß geschlafen.“ Er lachte und nahm seine Tasche. „Bereit zum Abflug?“ fragte er und Lukas erhob sich.

„Ich muss nur meine Jacke holen…“ Ohne mich anzusehen ging er an mir vorbei in den Flur.

Chris sah mich an, ich sah zurück.

„Bist du sicher, dass ich ihn mitnehmen soll?“ fragte er.

Ich nickte. „Tut ihm vielleicht ganz gut… in meiner Nähe fühlt er sich eh nicht wohl.“ Murmelte ich und hatte mich ebenfalls erhoben.

„Wenn was ist ruf einfach an und Chris wohnt ja nicht weit weg von mir.“ Ich lächelte Lukas an, als der seinen Schuh angezogen hatte.

Der Kleine nickte und lächelte mich an. „Bis dann.“ Sagte er und bis sich unten die Eingangstür des Hauses schloss blieb ich unter der Tür stehen und fühlte mich plötzlich zurück gelassen und einsam.

Ich griff erneut nach dem Handy.

„Hey… hab‘s mir anders überlegt, treffen wir uns?“
 

Irgendwie war ich doch erleichtert, dass ich plötzlich alleine war… ich wich Chris ständig aus und blieb so selten wie möglich zuhause.

Jede Nacht war ich mit jemand anderem zusammen und ich versuchte zwanghaft mein Leben wieder in seine alte gewohnte Bahn zu werfen.

Und irgendwie gelang es mir auch, glaubte ich zumindest.

Wenn Chris mich in der Uni auf Lukas ansprach, wich ich ihm teilweise aus, aber wir hatten ihn schnell umgemeldet und ab und an kamen die beiden vorbei oder ich ging zu Chris, was noch seltener vorkam.

Nach gut zwei Wochen sagte ich Chris gerade ab, als die beiden ins Kino gehen wollten. Ich hatte ein Date mit einem superhübschen Mädel, die ich an dem Wochenende in einem Club kennengelernt hatte.

Wir schlenderten gerade die Einkaufsstraße runter, ich hatte den Arm um ihre Taille geschlungen und sie lachte über einen meiner Witze, als ich innerlich erstarrte.

Chris und Lukas kamen mir entgegen… Lukas hatte keine Krücken mehr, er lief langsam neben Chris und die beiden sahen mich.

Cool bleiben.

Ich lächelte die beiden breit an.

„Na ihr zwei Täubchen, wolltet ihr nicht ins Kino?“ fragte ich grinsend und blieb vor ihnen stehen. Meine Bekannte schmiegte sich an mich und lächelte die beiden aus ihren vollen rosa Lippen an.

„Hi!“

Chris hob nur eine Augenbraue und Lukas sah mich emotionslos an.

„Wir gehen vorher noch was essen.“ Sagte Chris. „Und ich dachte du wolltest heute in die Bibliothek?“

„Da durften wir leider nicht zu laut sein.“ Konterte ich grinsend und winkte ihnen zu, als wir weiter gingen.

Und noch während ich lief, verschwand mein Grinsen.

Was tat ich hier…?

Wer war dieses lachende Mädchen an meiner Seite und warum drückte ich sie so an mich…?
 

Und ab da meldete Chris sich kaum noch. Selbst in der Uni setzte er sich im Hörsaal von mir weg. Ich wusste er war sauer auf mich…

„Was soll die Kinderkacke?“ stellte ich ihn zur Rede und packte ihn draußen am Eingang am Arm.

Er riss sich von mir los und starrte mich wuterfüllt an. „Das sollte ich eigentlich dich fragen, meinst du nicht?!“ brüllte er mich an. „Was ist los mit dir Mann!?“ er ließ seine Tasche fallen und schubste mich mit beiden Händen zurück.

„Was soll mit mir sein?!“ fuhr ich zurück.

Wenn es jemand anderes gewesen wäre, hätte ich ihm längst eine gegeben.

„Du dummer Wichser rennst mit aufgerichtetem Schwanz durch die Welt und denkst du könntest tun und lassen was du willst! Ohne Rücksicht auf Verluste! Warum hast du ihn hierher geholt und ihm Hoffnungen gemacht?? Damit du ihn nochmal ficken konntest?! Du bist ein penetrantes kleines Arschloch!“

Das war zu viel!!

„Und wer bist du, der heilige Samariter?!“ brüllte ich zurück. „Das klingt ja als hätte ich jemanden vergewaltigt und ihr zwingt ihn mir jetzt auf!! Ich hab keinen Bock auf so eine Scheiße, kapiert!?“

Chris ballte die Hände zu Fäusten, es war mir egal ob wir gehört wurden und ihn interessierte es ebenso nicht.

„Du hast einem Menschen Hoffnung gemacht! Und hast sie mit denselben Händen zerstört, mit denen du ihn auf die Beine gezogen hast!“

Genervt verdrehte ich die Augen. „Weißt du was, das ist mir zu blöd! Da war nichts, okay?? Nur Sex! Ich habe nie jemandem irgendwas versprochen klar?? Und dass ich freundlich war ist mein Vergehen oder was?! Er war eben griffbereit!! Und ich hab ihm nie ewige Liebe geschworen also lasst mich mit eurer Scheiße in Ruhe!!! Nur weil er sich umbringen wollte und alles verloren hat, soll ich jetzt aus Mitleid eine Beziehung anfangen oder was??“

Und als ich das sagte, sah ich das schmale rundliche Gesicht mit den großen Rehaugen, das dort stand und mich verloren ansah.

„Komm Chris…“ sagte er leise und nahm ihn am Arm, hob dessen Tasche vom Boden auf.

Chris aber wollte sich losreißen und auf mich zustürmen, doch Lukas hielt ihn zurück.

„…gehen wir…“ murmelte er und zog ihn weg.

In diesem Moment hasste ich ihn dafür. Ich hasste Chris dafür, dass er mich diese Dinge sagen ließ… ich hasste Lukas dafür, dass er in mein Leben gedrungen war und es zerstörte… ich hasste die Welt, das Schicksal, Gott… alle die Schuld daran hatten, dafür was aus mir geworden war, dafür dass mein Leben aus seinen Fugen geriet…

Nur mich selbst beschuldigte ich am wenigsten.

Ohne mich noch einmal umzusehen verließ ich mit schnellen Schritten die Uni und kam auch vorerst nicht mehr zurück.

Ein paar Tage lang blieb ich zuhause, weil ich glaubte bald völlig den Verstand zu verlieren… was geschah hier… warum geschah es…

Es klingelte an der Tür aber ich konnte mich kaum hochschleppen… ich lag auf dem Bett und vegetierte vor mich hin.

Doch es schrillte lauter und lauter, bis es meine Nerven ankratzte.

„Verpiss dich!!!“ brüllte ich laut.

Für ein paar Sekunden verstummte es, dann schellte es noch heftiger.

Ich sprang wutentbrannt und schnaubend aus dem Bett und stürmte in den Flur. Wer auch immer da vor der Tür stand, ich würde ihm mit der Faust eine rein hauen.

Mit erhobener Faust riss ich die Tür auf und erstarrte.

„Mom?!“ fragte ich entgeistert.

Da kam eine Ohrfeige angeflogen und traf mich hart. „Wolltest du mich schlagen oder was?!“ fuhr sie mich an.

Ich stolperte und presste die Hand auf meine Wange.

„Was zum Geier tust du hier?!“ keifte ich zurück.

„Was wohl, ich wohne jetzt bei dir! Ich hab das Haus verkauft und ziehe nach Köln!“ rief sie glücklich.

Konnte es noch schlimmer kommen?



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von:  Hamsta-chan
2011-11-17T19:26:38+00:00 17.11.2011 20:26
mannnnn dummes Kind eh......

ich hoffe seine Mutter liest ihm mal ordentlich die Leviten!!!!

aber sonst eine super geschichte... freue mich schon aufs nächste kapi

LG Hamsta-chan
Von:  JamieLinder
2011-11-15T18:49:19+00:00 15.11.2011 19:49
Ich könnte Juan grade meine Faus ins Geschicht schlagen...
*aufreg* >_______<

WARUM kann er nicht einfach zu Lukas gehen & sagen: "Lukas, ich glaube ich habe mich in dich verliebt." ?! WARUM GEHT DAS NICHT?! >____<
Das mit seiner Mutter geschieht ihm eindeutig recht.! Hmpf.!
Genau wie das mit Chris!!!>___<
SO behandelt man KEINE Menschen & schon gaaaarnicht Freunde.!!!Argh.
Ich dreh grade völlig am Rad, ich bin grade so sauer auf den Kerl.>___<
*noch mehr aufreg*

*hust* *beruhig* *luft zuwedel*
OKAY. Es war ein toll geschriebenes Kapitel(wie die vorigen auch) & es hat definitv gezeigt, dass Juan dumm, zu stolz und einfach nur bescheuert ist.>__<
Verzeih mir bitte, ich will ihn ja eigentlich nicht schlecht machen, ABER... WARUM?!T_____________T

*gespannt auf Dienstag binz*
:3
♥♥♥

Von:  SummerRiver
2011-11-15T16:47:31+00:00 15.11.2011 17:47
was macht juan denn daaaaaa~ >.<


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