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Das Spiel des Glücks

von

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Just a Dream

„Guten Morgen Leo, es ist Zeit aufzustehen.“ Wisperte eine liebliche Stimme.

Oder auch nicht, denn bekanntlich konnten Wecker nicht reden und selbst wenn sie es könnten, würden sie es wahrscheinlich nicht so freundlich machen. Im Gegenteil, sie hätten Spaß daran und würden einen aus dem Bett schreien. Da konnte man froh sein, dass ein Wecker doch nur nervtötend piepte.

Die Traumwelt entschwand und die bittere Realität, in die einen der Wecker geholt hatte, kehrte zurück.

Mit der Hand tastete Leo, in der Hoffnung den Wecker finden und ausschalten zu können, auf dem Nachttisch herum. Fehlanzeige, denn er war nicht dort, wo er sein sollte. Wecker stehen erfahrungsgemäß immer in Griffnähe, damit mit man die Hand nur danach auszustrecken braucht und danach genüsslich weiterschlafen kann.

Genau aus eben jenem Grund stand das piepende Gerät wahrscheinlich nicht auf dem Nachttisch. Also musste Leo gezwungener Weise seine Augen öffnen und sich noch dazu erheben. Weckersuchen, die Sportart am Morgen, war nun angesagt.

Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht, streckte sich einmal, um dann wieder schlaff zusammenzusacken.

Ein Lichtstrahl viel durch einen, von den Gardinen nicht geschlossenen, Spalt.

Für einen Moment starrte er einfach nur in die Leere, bis der Lichtstrahl dann seinen Blick auf sich zog. Der Lichtstrahl zog eine helle Linie quer durch den Raum über das Laminat. Alles was rechts und links des Lichtscheins lag, war dunkel.

Leos Blick glitt von der Bettkante, entlang der schimmernden Linie, bis zum Ende des Raumes. Ob es Zufall ist, oder am Abend davor genau so durchdacht worden war, ist fraglich, aber der noch immer piepende Wecker stand genau dort, wo der Lichtschein entlang lief.

Darauf vorbereitet, dass sich jemand gleich auf ihn stürzen wird, oxidierte er dort vor sich hin. Doch anstatt sich auf ihn zu stürzen, ihn abzuschalten und sich danach wieder ins Bett zu legen, starrte Leo den Übeltäter einfach nur an. Vielleicht weil er hoffte, dass er etwas wacher wird, umso länger der Wecker piepte und sich danach nicht wieder ins Bett legt und weiterschläft.

Schwermütig erhob er sich aus seinem Bett und bewegte sich auf das noch immer piepende Etwas zu.

„Zufrieden?“ murmelte Leo dem Wecker verschlafen entgegen. Er hockte sich vor dem Wecker nieder und warf ihm böse Blicke zu. Ja, diese Geräte waren schon ziemlich verhasst bei allen, die gerne schliefen.

Da Leo das nervende Ungetüm zum Schweigen gebracht hatte, konnte es auch wieder an seinen eigentlichen Platz - den Nachtschrank - zurück. Nun stand er vor der großen Entscheidung, sich wieder ins Bett zu legen, oder einmal das Richtige zu tun und zwar aufzustehen und den weiteren schönen Momenten im Bett fernzubleiben.

Anscheinend war Leo allerdings dazu in der Lage, Prioritäten zu setzen. Er sah das Bett ein wenig traurig an, ging dann mit langsamen Schritten auf die Gardinen zu, legte beide Hände an jeweils ein Ende dieser und zog sie ruckartig auseinander. Als das Licht in den Raum viel, kniff Leo die Augen schnell zusammen, da sie noch zu sehr an die Dunkelheit gewöhnt waren. Er wollte die Augen nur ein Stückweit öffnen, kniff sie aber unmittelbar wieder zu.

Nachdem Leo eine Weile so da stand und ab und zu versucht hatte die Augen zu öffnen, kehrte er den Gardinen den Rücken zu, blieb jedoch schon bald wieder stehen, da er unentschlossen war, ob er erst frühstücken oder erst duschen sollte.

Doch schließlich fing der Magen an zu knurren und somit wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Es war schön, wieder einmal in der eigenen Küche zu frühstücken, wie auch eine Nacht im eigenen Bett verbracht zu haben. Das ständige Rumreisen von einem Ort zum anderen war ziemlich anstrengend und wird es auch immer bleiben. Da konnte man froh sein, wenn man ein wenig in seinem eigenen Appartement leben konnte, denn Zeit dazu hatte Leo selten, zu selten.

Aber als gefragtes Model ist es selten anders. Außerdem war es seine eigene Entscheidung, er hätte ja auch Medizin oder Wirtschaft studieren, oder sonst was machen können.

Man sollte aber am besten das machen, was einem am meisten Spaß macht und das war für Leo nun mal das Modeln, nur das ständige Umhergereise senkte den Spaßfaktor an der ganzen Sache, auch wenn es interessant ist, ständig an anderen Orten zu sein und neue Menschen kennenzulernen.

Mit einer heißen Tasse Kaffee, ein Schüsselchen mit Obstsalat und der Zeitung setzte er sich an den Tisch.

Er stellte die dampfende Tasse vor sich ab und nahm sich die Zeitung zur Hand. Den Text überfliegen, mal einen Schluck vom Kaffee oder einen Löffel vom Obstsalat, die Artikel für unwichtig oder langweilig erklären und weiter blättern.

Das Knistern der Zeitungsblätter war alle paar Minuten zu vernehmen. Nach zehn Minuten des Lesens war der Kaffee schon soweit abgekühlte, dass man sich nicht bei jedem Schluck die Zunge verbrannte.

Gerade als er einen Schluck vom lauwarmen Getränk nahm, zog ein kleiner Artikel, der ganz unten auf der Seite stand, seine Aufmerksamkeit auf sich.

„Bei Autounfall tödlich verunglückt“

Er überflog die schwarzgedruckten Buchstaben und kurz darauf lockerte sich sein Griff um den Tassenhenkel. Die Tasse viel samt Inhalt zu Boden, wo sie in tausende von Teilen zerbrach und sich die schwarze Flüssigkeit überall verteilte.

Sein Blick war auf das gräuliche Papier gerichtet, starrte jedoch nur vor sich hin, las den Text jedoch nicht noch einmal. Sein Gehirn versuchte die Nachricht zu verarbeiten. Erfolgslos. Die Wörter irrten hilflos durch seinen Kopf.

Seine Augen waren glasig und ausdruckslos, suchten jetzt hilflos auf dem Papier nach der Wahrheit, nach etwas anderem als das, was dort stand. Jedoch erfolglos.

„Es musste jemand anders sein.“ Versuchte er sich einzureden. Immer und immer wieder.

Den Gedanken daran halb beiseitegeschoben, legte er die Zeitung auf den Tisch und wand sich an die weißen, winzigen Porzellanteile und den bereits kalten Kaffee, der über die ganzen Fließen verteilt war.

Er kniete sich mit einem Handfeger und einem Lappen vor das kleine Chaos und begann damit es zu beseitigen, doch das dauerte länger als gedacht, denn der Gedanke an das Gelesene lenkte ihn so sehr davon ab, dass er versuchte, den Kaffee mit dem Handfeger „wegzufegen“.
 

Leo sprang von der Couch auf und sprintete zum Tresen in der Küche, auf dem sein Handy lag und klingelte.

„Caviness.“ Meldete er sich ein wenig außer Atem.

Eine freundliche Frauenstimme war am anderen Ende zu vernehmen, nicht die Stimme die er gehofft hatte, zu hören.

Die Frau begann zu erklären, was ihr Anliegen war.

Just in diesem Moment wich all die Farbe aus seinem Gesicht.

Er lehnte sich gegen die weiße Wand und rutschte an dieser schlaff hinunter.

Sie hinterließ ihm eine Telefonnummer, damit er zurückrufen konnte, denn er hatte gerade so ein schwaches „Auf Wiedersehen“ zum Abschied rausbekommen, während des Telefonats hatte er nicht ein einziges Wort herausbekommen.

Nur noch das Tuten war zu hören, als er dann langsam auf den roten Hörer drückte.

Kraftlos ließ er den Arm zu Boden sinken.

Er biss sich auf die Unterlippe. Schließlich war es doch zu viel, zu viel um es einfach zu unterdrücken.

Machtlos gegen die aufkommenden Tränen ließ er es letzten Endes einfach zu. Schwach ließ er seinen Kopf gegen die Wand fallen und winkelte die Beine an.

„Verdammte Scheiße, verdammte Scheiße, verdammte Scheiße…“ hallte es durch seinen Kopf. Es konnte nicht wahr sein, das musste alles fiktiv sein. Vielleicht schlief er auch einfach nur noch und das alles war gar nicht passiert.

Sein Kopf traf immer wieder mit der Wand zusammen und die warmen Tränen rannen über die blassen Wangen bis zum Kinn, wo sie dann auf das Laminat tropften.

Seine Gefühlswelt spielte verrückt, von blanker Wut über Trauer bis zu Hilflosigkeit.

Stundenlang saß er einfach nur da. Die Sonne ging schon langsam unter und noch immer saß er in unveränderter Position da. Das Wohnzimmer wurde in ein rot – orange getaucht, doch erfreuen konnte sich Leo an dem Anblick des Sonnenunterganges nicht.
 

Das orange war in ein schwarz übergegangen und alles war in völlige Dunkelheit getaucht. Die Tränen hörten auf zu fließen, fast so als wären sie aufgebraucht, denn eigentlich war ihm trotzdem nur noch nach Weinen zu mute.

Männer weinen nicht.

Doch, tun sie auch.

Warum auch nicht, denn schließlich sind auch die stärksten Männer der Welt nur Menschen.
 

Die Stille und Dunkelheit wurde plötzlich unterbrochen, als das Handydisplay aufleuchtete und es anfing zu klingeln.

„Sophie Lonel“ jetzt kam der Anruf, den er schon am Nachmittag erhofft hatte.

Doch er war nicht in der Verfassung zu telefonieren, geschweige denn ganze Sätze bilden zu können oder klar zu denken. Er drückte sie weg.

Sie würde wieder anrufen und wieder, bis er rangehen würde, dessen war er sich klar und wenn er nicht rangehen würde, würde sie vorbeikommen, schließlich hatte sie für Notfälle einen Ersatzschlüssel für das Appartement. Ob das ein Notfall war? Vielleicht. Für Leo, war das Geschehene kein Notfall, sondern eher ein Weltuntergang. Untergang seiner Welt, seines Lebens. Zumindest ein Stück von dem, was er sein Leben und Familie nannte.



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