Zum Inhalt der Seite

Hopeful Skies

Wenn der Himmel verschwindet
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eine neue Hoffnung

Lange habt ihr gewartet, ihr Lieben!
 

Hier kommt Kapitel 4, ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen :)

GLG
 

Eure Cait
 


 

Irgendwann erreichte er einen Punkt, an dem er fast den Verstand verlor. Immer wieder entdeckte man ihn, wie er sich in der hintersten Ecke seines Zimmers verkroch. Meistens lag er zusammengekrümmt in der Embryostellung auf dem Boden, erlebte nicht nur wilde Schweißausbrüche sondern begann zu halluzinieren. Und jedes Mal waren es irgendwelche Männer, die ihn verfolgten.
 

Oft waren es Franky oder sogar Días. Aber oft stand auch Jeremy dicht vor ihm, reichte ihm seine Hand und jedes verdammte Mal, wenn er nach ihr greifen wollte, verschwand der elende Bastard wieder und lachte ihn dabei höhnisch aus.
 

Er brüllte manchmal so laut, dass er tagelang heiser war.

Zugegeben, war das die schrecklichste Zeit seines Lebens. Er durchlebte seine ganze verdammte Vergangenheit in einer Endlosschleife.
 

Seine Gedanken rotierten, oft wünschte er sich sogar, er hätte irgendwelche spitzen Gegenstände, die er sich in die Pulsadern rammen konnte.

Zitternd kauerte er auf dem Boden, seine Wangen fühlten sich nass an, war das sein Schweiß oder hatte er sich wieder übergeben? Vorsichtig hob er die Hand und stellte ein wenig überrascht fest, dass es Tränen waren.
 

Sein Körper fühlte sich antriebslos und völlig ausgelaugt an, er wollte sich nicht bewegen aber er wollte auch nicht weiter von diesen schrecklichen Bildern beherrscht werden, die seine Gedanken völlig einnahmen und sich wie ein richtiger Film vor seinem inneren Auge abspielten. Eine Frau, von der er glaubte, dass sie seine Mutter war, schrie und tobte, sie schlug nach ihm und auch dieser Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, schlug immer und immer wieder hart mit scharfen Gegenständen auf ihn ein. Aber irgendwann veränderte sich das Bild dieser Frau Stück für Stück. Ihre hässliche Fratze wurde sanft, das was er anfänglich für Schläge gehalten hatte, war nur der verzweifelte Versuch ihn festzuhalten.
 

Gelegentlich hörte er ihre Stimme, wie sie ihm etwas vorsang, glaubte eine mütterliche Sanftmut darin zu spüren. So wie auch jetzt.

Schwach rappelte er sich auf, auch wenn er lieber liegen geblieben wäre. Es fiel ihm jedoch so schwer, als wäre es das erste Mal.
 

Seine Knochen taten ihm weh, seine Arme wollten ihn nicht halten und zitterten, seine Beine ebenso. Irgendwann schaffte er es dann doch in die Hocke, auch wenn er sich wirklich nur mit Mühe und Not aufraffen konnte. Kaum hatte er sich leicht aufgerichtet, explodierte wieder ein Schmerz in seinem Kopf. Er hielt zischend die Luft an, ihm wurde schon wieder schwindelig. Aber wie lange lag er denn schon dort am Boden?
 

Seine Arme fühlten sich eiskalt an. Aber kaum hatte er seinen Arm berührt, blickte er darauf hinunter. War er schon immer so dünn gewesen?
 

Er brauchte eine Weile, hielt sich am Bett fest und konnte sich nur sehr langsam erheben. Schließlich stand er, wenn auch stark zitternd, auf den Beinen. Schweiß lief ihm über die Stirn und auch wenn es für andere eine Kleinigkeit sein mochte, im Augenblick war das hier Schwerstarbeit für ihn. Besonders die vier Schritte zum Waschbecken. Er wollte sich das Gesicht waschen …
 

Mit einer Hand hielt er sich noch unsicher am Bett fest, streckte die andere Hand schon mal aus und tastete sich näher heran. Fast gaben ihm die Beine wieder nach, doch er schaffte es noch sich am Waschbeckenrand festzuhalten. Als dies geschafft war, rang er schwer nach Atem, doch er hatte es geschafft!
 

Ein kleines Lächeln zierte seine Lippen, das jedoch bald wieder verschwand. Selbst um den Hahn aufzudrehen brauchte es eine ordentliche Portion Kraft. Warum war er denn auf einmal so schwach?
 

Statt eines Spiegels hing über dem Becken eine runde Spiegelfolie, es diente wohl zu seiner eigenen Sicherheit, besonders nachdem er einen Spiegel schon am Anfang zertrümmert hatte. Am Anfang? Am Anfang wovon?
 

Ach so … ja, er war ja in einer Drogenentzugsklinik. Stimmt, dieser Bastard Jeremy hatte ihn so weit getrieben! Verdammte Scheiße, wenn er diesen Hurensohn jemals wiedersehen würde, würde er ihm die Eier abreißen!
 

Vorsichtig streckte er die Hände aus, das kalte Wasser ließ ihn aufkeuchen, aber er fühlte sich gleich viel besser. Mit zitternden Fingern spritzte er sich das Wasser ins Gesicht, es war eine Wohltat!
 

Fast wie in Zeitlupe hob er den Kopf und blickte in sein Spiegelbild. Und sprang mit einem erschrockenen Aufschrei zurück, konnte sich gerade noch aufrecht halten und hätte fast das Gleichgewicht verloren.

„Himmel, Arsch und Zwirn!“, brüllte er, aber seine Stimme war nicht mehr als ein entsetztes Quietschen.
 

Das musste er noch einmal sehen! Wieder näherte er sich dem Spiegelbild, wieder blickte er in dieses fremde Gesicht. Unter seinen Augen zeigten sich dunkle, harte Ringe, sein Gesicht war völlig eingefallen und der Bart sprießte wie ein kleiner Urwald! Von seinem Haar ganz zu schweigen. Verdammt, er war ja richtig ausgemergelt! Und so furchtbar dünn! Ungläubig tastete er seine Wangen ab, da klopfte es an der Tür.
 

„Leander?“, fragte die Stimme eines jungen Mannes. Der Bursche war kaum älter als er selbst.
 

Sie tauschten einen langen, verblüfften Blick aus. Bis der junge Mann zu grinsen begann. „Wie geht es dir?“, wollte er wissen.

Und Leander überlegte, wer das wohl sein mochte. Dann dämmerte es ihm ein wenig, er glaubte die Stimme zu erkennen. Das war der Typ, der sich immer um ihn kümmerte!
 

„Beschissen!“, knurrte Leander zurück.
 

Der andere lachte. „Das ist doch schon mal was!“
 

Leander hob eine Augenbraue.
 

„Die letzten Wochen wolltest du mir weismachen, wie prächtig es dir ginge, während du mit deinem Club der toten Dichter philosophiert hast.“ Es schwang sogar ein wenig stolz in den hellen Augen des Mannes mit. „Möchtest du etwas essen? Ich hab hier Brot, etwas Zwieback und Tee …“

Leander verzog angewidert das Gesicht, ignorierte gekonnt die erste Aussage. „Gibt’s auch richtiges Essen?“
 

Silas! So hieß der Knabe!
 

Aber Silas schüttelte nur den Kopf und trug das Tablett hinein. „Tut mir leid, dein Magen wird noch ziemlich mitgenommen sein. Versuch erst mal das hier, ich verspreche dir, dass ich dir nach und nach noch andere Sachen bringen werde.“ Er lächelte.
 

Der Kleine war ganz hübsch. Schöne, dunkle Augen, dunkelblondes Haar und eine wundervolle, nicht allzu dürre Figur. Im Gegensatz zu Leander im Moment. Er wirkte alles andere als ansehnlich.
 

Vorsichtig ließ er sich auf das Bett nieder, sah Silas zu, wie er den kleinen Tisch an das Bett heran schob.

Obwohl er mehr als nur wackelig auf den Beinen war, konnte er nicht anders. Seine Augen verfolgten jede Gestik, glitten über den Rücken hinunter über den Po, der da so verführerisch wirkte, in seiner weißen, sterilen Verpackung.
 

„Ich werde gleich mal Bescheid geben und jemanden runter schicken. Ich glaube du hast das schlimmste überstanden, herzlichen Glückwunsch!“ Silas grinste breit. Es schien schon eine Art Angewohnheit zu sein, so wie er ihm das Wasser in den Pappbecher einschenkte. Das Lächeln dabei wirkte aber nicht aufgesetzt, sondern unheimlich sympathisch.
 

Immer wieder begegneten sich ihre Blicke und langsam wurde Silas dann wohl doch ein wenig nervös, unter den bohrenden Blicken. Aber Leander konnte nichts dafür, es fühlte sich an, als hätte er ewig keinen Sex mehr gehabt. Und irgendwie war der Kleine hier genau sein Typ. Zumindest im Augenblick wirkte sein rundes Hinterteil recht sinnlich, ebenso die Lippen, einfach alles! Aber sendete Silas irgendwelche Signale?
 

Hart presste sich auch schon etwas da unten gegen die leichte Pyjamahose.

Scheiß auf den verdammten Radar!
 

Seine Hand fuhr hoch, Silas schreckte zurück und war schon in Alarmbereitschaft. Doch Leanders Druck war nicht fest, selbst wenn er es gewollt hätte. Er war zu schwach.
 

Aber dann sah der Jüngling ihm in die Augen. Und verstand sofort.
 

„Hier sind Kameras, nur zu deiner Info!“, gab Silas zurück und versuchte sich sanft der Hand zu entziehen. Er wirkte sogar etwas erleichtert, aber Leander wollte nicht im Traum daran denken, ihn jetzt gehen zu lassen.
 

„Das kann mich den Kopf kosten!“ Aber Leander hörte nicht mehr hin, er zerrte den anderen unter die Bettdecke und grinste. Die Gegenwehr war auch nicht besonders groß, so sehr hatte Silas diesen Job dann wohl doch nicht nötig.
 


 

Ein frischer Wind wehte ihm kräftig um die Ohren.

Es war Anfang Mai und das Wetter war spürbar wärmer geworden. Leander schlenderte durch Athen.
 

Eigentlich hätte er noch ein, zwei Tage in der Klinik bleiben müssen, weil er noch unter Beobachtung stand, doch als die Sache mit Silas ans Tageslicht gekommen war, hatte man ihn zum Teufel gejagt.
 

Leander grinste, der Gedanke war höchst amüsant und die Erinnerung an das Gesicht der Arzthelferin erst, die herein geplatzt war, als Leander es sich mal wieder mit Silas in der Dusche bequem gemacht hatte.
 

Während er ganz locker reagiert hatte, war Silas ziemlich erschrocken und ein wenig in Panik geraten, aber seine Arbeit konnte der gute Knabe jetzt wohl wirklich vergessen. Naja, zwischen Junkies die Nanny zu spielen wäre auch nicht gerade als Traumberuf zu bezeichnen.
 

Schade, dabei hatte er einen so tollen Arsch gehabt.
 

Seine lässigen Schritte trugen ihn langsam weiter, er hatte kein konkretes Ziel und bewegte sich auch nicht in eine bestimmte Richtung. Er war nicht auf der Suche, denn er wusste, dass er gefunden werden würde. Vielleicht von Jeremy, vielleicht von jemand anderem. Vielleicht aber auch vom Schicksal, das ihm bald in der Form von Días.
 

Allerdings verlief sein erster Tag auf freiem Fuß relativ unspektakulär und so entschied er sich für einen direkten Kurs auf die Innenstadt Athens. Ein wenig Kleingeld hatte er noch, einen Drink würde er sich sicher noch leisten können.
 

Ansonsten würde er einfach nur ein wenig flirten und sich etwas ausgeben lassen. Ein nettes Abendessen, oder vielleicht sogar eine Nacht in einem schönen warmen Bett? Denn immerhin hatte er jetzt keine Bleibe mehr. Und zu Franky würde er nicht mehr gehen, das hatte er sich geschworen. Sein altes Handy hatte er erst vor kurzem zurück bekommen. Und um ehrlich zu sein, war die Enttäuschung nicht gerade klein.
 

Kein einziger Anruf, keine einzige Nachricht, innerhalb eines Jahres. Naja, oder eher innerhalb von neun Monaten. Doch das spielte ja wohl keine Rolle. Wenigstens von Jeremy hätte er einen Anruf erwartet. Ob der alte Hund überhaupt noch in Athen war?
 

Und sein Versprechen halten würde?
 

Leander ließ sich in einer der hiesigen Gay Bars nieder, natürlich am Tresen, wo er auch gut gesehen werden konnte.
 

Zurzeit war es recht angenehm belebt. Vielleicht nicht so voll, wie im Sommer, aber gut besucht allemal.

Er nippte an seiner Coke und starrte einfach nur sehr lange auf eine Nummer, die auf dem Display seines Telefons hell erleuchtet wurde. Es war Jeremys Nummer. Vielleicht war der Scheißkerl auch schon auf und davon? Und die Nummer gar nicht mehr aktuell?
 

Aber er wählte, hielt sich das Handy ans Ohr und wartete. Erst tat sich ein paar Sekunden lang nichts, so als würde die Mailbox anspringen. Doch das tat sie nicht.

Und dann klingelte es.
 

Ein Freizeichen!
 

„Wo bist du?“, ertönte nur die Stimme, als abgehoben wurde.
 

Erst starrte Leander das Handy mit angehobener Augenbraue an, hielt es sich aber wieder ans Ohr, um sicher zu gehen, dass er nicht falsch verbunden war.

„Meinst du mich?“

Jeremy lachte. „Nein, natürlich nicht. Ich habe mit dem netten dunklen Typen neben dir gesprochen.“
 

Leander begann zu grinsen, schielte automatisch aus den Augenwinkeln zur Seite, wohlwissend, dass dort ein blonder, ziemlich maskuliner Kerl stand, der ihn ebenso zwischendurch beobachtete.

„Soll ich euch einander bekannt machen?“
 

Jeremys Stimme klang so fremd, ebenso sein Lachen. Und dennoch so unheimlich vertraut zugleich.

„Sag mir lieber wo du steckst, dann stelle ich mich ihm selbst vor. Ich bin gerade vor fünf Minuten in Athen gelandet.“
 

Das war ja mal ein verrückter Zufall! Jeremy war fort gewesen?

„Und Eddy?“
 

„Hat er dir gefehlt?“ Er lachte. „Er ist noch in Boston. Der Arme war der Meinung, dass deine Schulden einfach zu groß waren und je mehr Geld wir am Ende über hätten umso besser. Er arbeitet noch bis zum Ende der nächsten Woche.“ Jeremys Stimme klang weich, als spräche er zu einem verwundeten Tier.
 

Es war doch ein angenehmes Gefühl, zu wissen, dass er doch nicht allein sein würde.
 

„Ich würde dich ja abholen kommen, aber mir fehlen ein paar Euros.“

Jeremy schnaubte amüsiert. „Glaub ich gern. Bist du im ‚Brownies‘?“, wollte er wissen. „Gut, ich bin gleich da. Beweg dich nicht vom Fleck.“
 

Allerdings war das doch recht schwierig. Denn der blonde Bursche kam näher, bis er sich ganz mit dem Rücken ganz lässig an die Theke lehnte, einen Fuß dabei anhob und Leander direkt ins Gesicht blickte. Gut gebaut war er, das musste man ihm lassen. Und auf blonde Männer flog Leander allemal. Besonders auf die mit den blauen Augen. Und dieser hier hatte eines der verführerischsten Augenpaare dieser Sorte, die er je gesehen hatte.
 

„Hey“, kam es von dem gutaussehenden Typen mit den schönen Augen.
 

„Hey“, gab Leander zurück und blickte wieder nach vorne, nahm einen weiteren Schluck.
 

„Du bist genau mein Typ.“
 

Leander prustete in seine Coke und kam nicht mehr aus dem Grinsen raus. Direkt war er, das war doch mal ganz nett.
 

„Ich dachte jetzt käme vielleicht ein toller Spruch.“ Leander versuchte sich ein wenig geknickt zu geben. Der Kerl lächelte und nippte an seinem eigenen Drink, ehe er sich umdrehte und ein paar Schritte zurück ging, ehe er eine kleine Pause einlegte.
 

Leander war zugegeben etwas irritiert und hob den Blick, da kam der Typ aber auch schon zurück und lächelte breit.
 

„Du bist so heiß, ich befürchte, dass ich mich verbrenne, wenn ich dich berühre.“

Das Grinsen des jungen Mannes mit den stechend grauen Augen wurde noch breiter.
 

„Okay, der war nicht schlecht …“
 

Diesmal lehnte sich der Kerl dicht zu Leander rüber, beugte sich halb hinunter und flüsterte ihm zu. „Ich würde gerne in deiner Haut stecken, auch wenn es nur achtzehneinhalb Zentimeter sind.“
 

Leanders Lächeln wich schlagartig aus seinem Gesicht. Er starrte hoch, in dieses hübsche Gesicht und blickte an dem Adoniskörper hinunter. Seine Hand streckte sich aus, griff dem Typen an die Jeans und zog ihn dicht an sich heran, um einen Blick hinein zu werfen.
 

„Nie im Leben! Wenn der größer ist als meiner, lieg ich unten!“
 

„Hey, hinten ist der Darkroom!“, beschwerte sich ein junger Kellner, aber Leander beachtete ihn nicht, öffnete einen Knopf und starrte hinein.
 

„Okay, ich hab verloren“, seufzte er, grinste breit und leckte sich über die Unterlippe, berührte dabei auf eine verführerische Weise das Piercing. „Hör mal, hier kommt gleich ein Amerikaner rein. Vermutlich hat er noch Taschen oder einen Koffer dabei.

Braune Augen, braunes Haar. Sag ihm, dass er hier auf mich warten soll.“ Seine Worte waren an den Barkeeper gerichtet. Dieser lächelte nur und nickte. Solche Situationen kannte er schon zu genüge.
 


 

„Weißt du, wie lange ich hier schon sitze?“, wollte Jeremy wissen.

Leander strich sich mit beiden Händen das zerwühlte Haar zurück, versuchte es ein wenig zu bändigen.
 

„Weißt du, wie lange ich keinen richtigen Sex mehr hatte?“, gab Leander zurück.

Jeremy hatte sich nicht verändert. Er war noch immer derselbe. Das gleiche kurze Haar, dieselben frechen Augen blitzten verspielt zu ihm auf.
 

Leander ließ sich auf dem Hocker an der Bar nieder, hatte keinerlei Probleme mit dem sitzen. Er war nicht besonders schmerzempfindlich. Die Drogen hatten ihn damals schon abgestumpft.
 

Jeremy begann zu lächeln, betrachtete Leander, wie der sich eine neue Coke bestellte.
 

„Und den hast du heute nachgeholt, ja?“
 

Leander wandte den Kopf leicht zur Seite. Er sah Jeremy einfach nur lange an. „Ich bin zumindest gut dabei, finde ich.“
 

Jeremys Blick wurde sanft, als Leander das ganze Glas hinunter kippte. „Hast du schon etwas gegessen?“, wollte er wissen.

Der andere schüttelte schwach den Kopf. „Ich kann noch keine schwere Kost vertragen.“
 

Ihre Augen begegneten sich. Jeremy rutschte ein Stück nach vorne, streckte die Arme nach ihm aus und zog Leander fest in seine Arme, drückte den zerbrechlichen Körper fest an sich.
 

„Ich hoffe, du kannst mir irgendwann verzeihen … aber ich bin so stolz auf dich, du hast es geschafft. Ab jetzt kann es einfach nur noch besser werden. Vertrau mir, ich lasse dich nicht hängen.“ Der Druck wurde fester, er vergrub das Gesicht an
 

Leanders Schulter, die einmal viel breiter gewesen war.
 

Leander zögerte kurz, bevor er die Umarmung erwiderte. Sein rechter Mundwinkel zog sich hoch, ein Grinsen zeigte sich auf den vollen Lippen. „Das hoffe ich doch, immerhin hab ich deinetwegen alles hingeschmissen, du verdammter Amerikaner!“ Auch er drückte Jeremy an sich, klopfte ihm sanft auf die Schulter.
 

Egal wie oft er gefallen war, er war immer von allein aufgestanden. In all den vierundzwanzig Jahren seines Lebens hatte er sich noch nie auf jemand anderen verlassen können. Sein größtes Ass, war schon immer seine Gleichgültigkeit gewesen. Er hatte nie etwas erwartet, hatte sich nie etwas erhofft, um enttäuscht zu werden. Was waren schon Freunde, er hatte nie Menschen gehabt, die ihm wirklich nahe gestanden hatten. Soweit hätte es auch noch kommen sollen. Leider hatte aber dieser Spinner hier seine Welt auf den Kopf gestellt. Noch konnte er niemanden als richtigen Freund bezeichnen, doch er rechnete es Jeremy hoch an. Er hatte ohne zu zögern die Schulden übernommen, hatte Leander nicht hängen gelassen und war zurück gekommen.
 

Er hielt sein Versprechen.
 

Viel war es nicht, doch immerhin konnten sie eine Zeitlang bei einem Bekannten von Jeremy unterkommen. Es war die Wohnung eines Junggesellen, der gerade seinen Abschied gefeiert hatte. Dementsprechend sah es aber auch aus. Es gab zwei Matratzen, eine Kochnische und etwas, das an ein Bad erinnerte.

Leander und Jeremy lehnten an der Tür, starrten auf das Klo hinunter. „Der hat wohl nie gelernt, dass man da rein scheißt und nicht um das Klo herum.“
 

Jeremy lachte humorlos und stieß ihn mit dem Ellbogen an. „Er hat doch gesagt, dass er Katzen hatte. Das ist Streu!“
 

Leander verzog das Gesicht. „Das ist ganz große Kacke!“
 

Jeremy schritt durch das enge Bad, das Katzenstreu knirschte unter seinen Sohlen. Es lag überall verstreut herum, muffelten vor sich hin. Mit einem lauten Quietschen ließ sich das kleine Fenster öffnen und die frische Luft strömte beruhigend herein.
 

„Kein Wunder, dass er es so eilig hatte“, brummte Leander und zog die Tür zu, nachdem Jeremy hinausgetreten war.
 

„Hey, immerhin haben wir jetzt drei Monate Zeit. Der Vermieter ist nicht da, wir können hier solange wohnen, bis wir unsere Pension gefunden haben.“ Jeremy grinste ihn,
 

Leander hob nur eine Augenbraue und schnaubte belustigt.

„Du glaubst bestimmt auch daran, dass dich Feenstaub fliegen lässt, oder?“
 

Jeremy zog an einer kurzen Haarsträhne, die er zu fassen bekam. „Nennst du mich naiv oder was?“
 

Leander konnte sich ihm gerade noch so entziehen, lachte. „Ich finde du bist überoptimistisch. Sonst nichts! Aua!“ Er rieb sich den Hinterkopf.

„Und du bist zu wählerisch! Geh dir zudem mal die Haare schneiden, wie siehst du aus?“
 

Leander zuckte mit den Achseln. „Das mach ich erst, wenn du die Pension gekauft hast. Noch kann ich rumlaufen wie ich will, du hast mich noch gar nicht richtig eingestellt“, redete er sich heraus und tigerte durch die Wohnung, um diese genauestens unter die Lupe zu nehmen.
 

„Und wenn ich dir erzählen würde, wo ich bisher überall gehaust hab, kommt dir die Galle hoch!“
 

„Das will ich gar nicht wissen.“ Jeremy grinste, schüttelte leicht den Kopf und krempelte die Ärmel hoch.
 


 

Die Woche ohne Edy war nicht besonders erfolgreich verlaufen, aber doch etwas ruhiger. Kaum platzte der Italiener rein, wurde es schon viel lauter in der kleinen Wohnung.
 

Besonders als er und Leander sich gegenüberstanden.
 

„Du lebst ja noch, dachte du liegst irgendwo hinter einer Tonne und leckst die Reste deines Kokain vom Boden.“ Edy zeigte sofort seine Zähne. Aber Jeremy hatte Leander schon vorgewarnt, denn wie bereits erwähnt war ja sein Schuldenberg nicht gerade klein und irgendwie mussten die beiden Männer ja auch das Geld heran treiben.
 

„So tief bin ich zum Glück nicht gesunken, ihr habt mich ja davor bewahrt.“ Leander lächelte gezwungen, auch wenn er Edy jetzt am liebsten etwas völlig anderes entgegen geschmettert hätte. Gemeinsam saßen sie im Schein einer alten Öllampe in der Küche. Ihre einzige Sitzgelegenheit waren ein paar unbequeme Kissen, die der Vormieter dagelassen hatte, um vermutlich unnötige Last zu vermeiden.
 

Als Tisch diente ein großes Tablett, das sie auf einem Eimer abgestellt hatten.

Eigentlich hatte Leander vorgehabt Edy ordentlich zu sticheln, doch der Arme sah ziemlich mitgenommen aus. Die zwei Jungs waren den ganzen Tag über unterwegs gewesen und hatten sich ein paar Immobilien angesehen.
 

Dass Edy nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war, war ja mittlerweile mehr als offensichtlich. Und im Grunde war Leander ja in ihr Vorhaben einer Existenzgründung hinein geplatzt. Auch wenn es ja eigentlich Jeremy gewesen war, der ihn mit hineingezogen hatte ohne sich nach seiner Meinung zu erkundigen. Dennoch wollte er nicht undankbar erscheinen.
 

„Keine Sorge alter Mann, ich arbeite die ganze Kohle ab. Versprochen!“ Leander schenkte ihm einen besorgten Blick. „Ich kann mir vorstellen, dass du es auch nicht leicht hast. Immerhin tun dir auf deine alten Tage sicher die ganzen Knochen weh.

Hast du schon Rheuma?“ Sanft tätschelte er Edy dabei den Rücken.
 

Jeremy hatte gerade die Hand gehoben um Leander Einhalt zu gebieten, aber da platzte Edy auch schon. Er schlug Leanders Hand weg. „Ich bin erst dreißig!“, blaffte er Leander an. „Und natürlich wirst du alles abarbeiten! Und ich werde neben dir auf einer Liege hocken, meine Cocktails trinken und dich auspeitschen, sobald du die Arbeit ruhen lässt!“ Er lachte schadenfroh, der Gedanke an einen Sklaven schien ihm ja besonders gut zu gefallen.
 

Leander nahm sich eine Gabel und spießte eine Olive und ein Stück Schafskäse daran auf „Ich hab ja gehört, dass kleine Männer Komplexe haben, aber Fetische sind mir neu.“
 

Edy fiel das Brot aus der Hand, er starrte Leander an und begann, einer Explosion gleich, drauflos zu fluchen.
 

Auf Italienisch, versteht sich.
 

Leander nickte immerzu, verstand eigentlich kein einziges Wort, doch Edy verführte ihn jedes verdammte Mal. Er hatte die Klappe halten wollen, na ja aber um ehrlich zu sein genoss er diese kleinen Wutanfälle viel zu sehr.
 

„Du hast mir noch versprochen ihn nicht aufzuregen“, grummelte Jem vorwurfsvoll zwischen ein paar Bissen. Jedes Mal, wenn Edys Flüche ein besonderes Ausmaß annahmen und er sich in seinem kleinen Anfall über Leanders Ahnen ausließ, kniff Jeremy leicht ein Auge zu. Edy konnte fluchen wie ein Weltmeister und jeder einzelne Fluch hätte selbst Jeremys alte Oma erröten lassen, wenn die gute Frau nicht schon längst ins Gras gebissen hätte.
 

Und zu Leanders eigenem Glück verstand er kein einziges Wort. Leander lachte nur und deutete mit einer galanten Handbewegung auf Edy. „Ich weiß, ich bin schrecklich. Aber ich finde es wundervoll, wenn er so knallrot anläuft und anfängt auf Italienisch zu fluchen. Er erinnert mich jedes Mal an diesen braunen Kerl aus einer Zeichentrickserie, der immer nur tobt, rumspuckt und sich als kleiner Tornado fortbewegt.“
 

Jetzt musste auch Jeremy loslachen, die beiden konnten sich allerdings nicht schnell genug in Sicherheit bringen, denn der Tornado fegte über sie hinweg.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Hamsta-chan
2012-06-12T05:39:56+00:00 12.06.2012 07:39
armer edy.... die verarschen den voll XDDDD

und supi das leander den Entzug geschafft hat *daumen hoch*

supi kapi wie immer ^^

LG Hamsta-chan


Zurück