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Eine zweite Chance

Valon/Mai
von

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Illusions from the past

Nach der Begegnung mit Dartz hatte ich mich dazu entschlossen, es mit dem Duellieren weiter zu versuchen. Mit meinem Motorrad preschte ich durch die Gegend, genoss den kühlen Wind auf meiner Haut. Das war das Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, das ich mir immer gewünscht hatte. Zumindest glaubte ich das. Mit dem gewonnenen Geld von verschiedenen Duel Monsters Turnieren umreiste ich die Welt, doch ich merkte schnell, dass ich auf meiner Reise einsam war. Auf der chinesischen Mauer duellierte ich mich mit Vivian Wong. Wir hatten uns ein paar Tage vorher kennengelernt. Eigentlich mochte ich Frauen wie sie noch nie, aber ihre Anwesenheit beruhigte mich auf angenehme Art und Weise. Trotz ihrer ungewöhnlichen Einstellung, auf jeden Fall einen reichen Prominenten zu heiraten, war sie sehr nett und zuvorkommend.
 

Aus einer kleinen Begegnung wuchs eine Freundschaft und sie entschloss, mir die wichtigsten Orte in China zu zeigen. Natürlich war die chinesische Mauer ebenfalls einer unserer Reisepunkte. Ich lernte viel von dieser östlichen Welt und konnte nicht anders als zu staunen. Unerwarteterweise trafen wir auf der Mauer auf die Brüder Meikyū (auch genannt Para und Dox), die uns so lange provozierten, bis wir zu einem Duell zustimmten. Es war ein faires Doppel, welches Vivian und ich gewannen. Lachend fielen wir uns in die Arme. Wir wurden richtige Freundinnen und teilten eine Leidenschaft. Diese Leidenschaft für Duel Monsters verband uns.
 

Doch das war früher. Diese Zeiten waren vorbei. Ich war älter geworden und musste akzeptieren, dass ich nicht für immer nur durch die Welt reisen konnte.
 

Seufzend hob ich meinen Kopf und begrüßte einen Kunden. Schnell war ein Lächeln auf meinen Lippen geformt, routinemäßig sprach ich den berühmten Satz: „Was kann ich für Sie tun?“, und zeigte, dass nur der Kunde für mich in diesem Moment wichtig war. Ich arbeitete nun in einem Parfümladen.
 

Parfüm mochte ich schon immer und es fiel mir leicht verschiedene Düfte zu unterscheiden. Damals hatte ich meine Gegner ausgetrickst, indem ich meine Duel Monsters Karten eingesprayt hatte und sie auf diese Weise voneinander unterscheiden konnte, ohne das Bild sehen zu müssen. Meine Gegner waren verängstigt, denn meine übersinnlichen Kräfte schienen nicht von dieser Welt zu sein. Ich genoss es, meinen Gegnern überlegen zu sein und fuhr einen Sieg nach dem nächsten ein. Siege, auf die ich nicht stolz war, aber dennoch ihren Zweck erfüllten. Nur einer hatte diesen Trick durchschaut. Sein Name war Jounouchi Katsuya.
 

Er war auch der Erste, der mir offen seine Freundschaft anbot und ich hatte mich in ihn verliebt. Sein warmes Lächeln und diese unendliche Güte, die er Menschen wie mir, so unwichtig und nicht einmal wert angesehen zu werden, schenkte, war das größte Geschenk, das ich in meinem Leben erhalten hatte. Wir hatten uns jahrelang nicht mehr gesehen. Ich konnte nicht sagen, ob ich immer noch Gefühle für ihn hatte und wenn ja, ob sie immer noch so ausgeprägt waren wie früher. Ich dachte mit einem Lächeln an ihn zurück. Es fühlte sich aber weitaus distanzierter an als vor einigen Jahren. Vermutlich hatten wir uns einfach auseinander gelebt.
 

Es war einfach viel zu viel geschehen und ich hatte erkannt, dass wir niemals zueinander finden würden. Uns trennten nicht nur acht Jahre und somit viele Erfahrungen, sondern auch ein riesiger Ozean. Ich hätte wissen müssen, dass meine Gefühle einseitig waren. Aber ich war naiv und wollte die Wahrheit nicht sehen. Heute war ich 30, hatte einen festen Arbeitsplatz und eine eigene kleine aber sehr gemütliche Apartmentwohnung. Das wollte ich immer verhindern, aber ich hatte irgendwann verstanden, dass meine Einstellung zur Freiheit dumm und kindisch war. Außerdem, dass es schwer oder besser gesagt nahezu unmöglich war ohne Geld zu leben. Vieles war komplett anders gekommen, als ich es geplant hatte.
 

Mein früherer Reichtum hatte mich geblendet. Als Kind war alles so einfach. Ich kam aus guten Haus und war wohl erzogen. Teezeremonien und langweilige Feierlichkeiten mit Fremden, die einen nett anlächelten, gehörten zu meinem Alltag und ich hatte geglaubt, dass dieser Luxus, in dem ich lebte, für immer ein Teil von mir sein würde. Doch dann starben meine Eltern. Wir hatten schon vorher nicht so viel Kontakt gehabt. Sie waren viel unterwegs, so dass ich auch keine richtigen Freunde fand. Sobald ich mich eingelebt hatte, mussten wir auch wieder weiter. Vielleicht rührte daher mein Drang die Welt zu sehen? Als meine Tante mir mitteilte, dass Vater und Mutter bei einem Unfall umgekommen waren, hatte ich das unter Tränen akzeptiert. Da wusste ich noch nicht, dass dies das Ende meines vorherigen Lebens sein würde.
 

Noch bevor die Beerdigung beendet war, meldeten sich die Schuldeneintreiber. Ich war zu jung, um zu verstehen, was es bedeutete verschuldet zu sein – die Wahrheit war, dass ich nichts davon mitbekommen wollte. Der einst hoch angesehene Name Kujaku verschwand vom Erdboden, doch meine Sehnsucht nach meinem alten Leben gab mir Kraft. Ich brauchte Geld. Viel Geld. Ich wollte zurück in diese strahlende Welt. Alles in meinem Leben drehte sich um Geld und all die schönen Dinge, die man damit kaufen konnte. Ich träumte von diversen Luxusgütern und je älter ich wurde, desto größer wurde meine Sehnsucht. War es wirklich das Geld, nach dem ich mich gesehnt hatte oder versuchte ich einfach nur verzweifelt das unendlich große Loch in meinem Herzen zu füllen?
 

Ich hatte nie Freunde gehabt. Ich vertraute niemanden. Der Kontakt zu meinen übrigen Verwandten brach ab und ich war vollkommen auf mich allein gestellt. Ich kämpfte mich wacker durch und ließ mich nicht beirren. Ich heuerte an einem Schiff als Croupier an und arbeitete dort einige Jahre. Das Spiel Duel Monsters und insbesondere die Harpyie Karten wurden meine besten Freunde und jeder Sieg gab mir das Gefühl unbesiegbar zu sein. Ich brauchte niemanden in meinem Leben. Immerhin hatte ich meine Karten und meinen Reichtum. Nicht nur mein Kontostand wurde immer größer, sondern auch meine Sehnsucht nach Abwechslung. Also kündigte ich und nahm mir vor eine professionelle Duel Monsters Spielerin zu werden. Das Spiel gab mir Mut. Diese Karten waren meine Waffe.
 

Es war viel geschehen. Zu viel. Ich wusste, dass ich viele Fehler gemacht hatte.
 

Der Kampf gegen Yami no Malik, der mich in die Finsternis sperrte, hatte mich nachhaltig verändert. Zum ersten Mal in meinem Leben begann ich ernsthaft über mich selbst nachzudenken. Die Ängste, die ich all die Jahre zu ignorieren versuchte, kamen auf einmal hoch. Die Duelle, die mich einst so sehr erfüllten und mir Mut für die Zukunft gaben, fühlten sich leer an. Nichts konnte meine Lebensgeister wecken. Ich war gefangen von meinen negativen Gedanken und schon bald wurde aus meiner Unsicherheit Hass. Ich hasste mich selbst, weil ich diese Gedanken hatte. Und ich hasste Jounouchi, den ich als Wurzel dieser Gedanken ansah. Es war seine Schuld, dass ich mein Herz geöffnet hatte. Nur wegen ihm hatten die Schwächen in meinem Herzen mich übermannen können. Es war alles seine Schuld. Diese Gedanken wurden eine mächtige Fessel und ihm die Schuld für meine Probleme zu geben, war so viel einfacher, als mich mit mir selbst zu befassen.
 

Wieso bist du jetzt nicht hier? Hast du nicht gesagt, ich sei deine Freundin? Du verdammter Lügner! Du Nichtsnutz! Wieso ist denn niemand für mich da, wenn ich ihn brauche? Ich will doch einfach nur mit jemanden reden... Bitte. Bitte! Hilf mir doch einer! Diese Finsternis... sie hüllt mich ein.
 

In meiner Verzweiflung hatte ich aufgegeben. Die Ängste in mir gewannen die Oberhand. Es hätte so einfach sein können. Ich hätte einfach nur nach Japan reisen und Jounouchi und die anderen besuchen müssen, doch mein Stolz war zu groß. Auf keinen Fall sollte es so aussehen, dass ich von ihnen abhängig war. Nein, niemand sollte mein verletztes Herz sehen. Doch die Wut in mir, dass keiner von ihnen nach mir fragte, wurde größer. Sie lebten ihr Leben einfach weiter – ohne mich. Ich war kein Teil seines Lebens. Jounouchi brauchte mich nicht. Und dieser Gedanke schmerzte. Ich entfernte mich von meinen neugewonnenen Freunden und gab mich der Finsternis hin.
 

Es regnete. Die Kälte machte mir nichts mehr aus. Es war Valon, der mir seine Hand reichte. In diesem Moment war es mir egal, wer da war. Hauptsache irgendjemand war für mich da und gab mir Kraft. Alles andere war mir vollkommen egal geworden. Alles war sinnlos.
 

Valon hörte mir zu. Meine Sorgen interessierten ihn. Ich hatte nie hinterfragt, warum er mich an diesem Abend gerettet hatte oder warum er nach mir gesucht hatte. Doch er war meine Rettung. Bis heute fragte ich mich, was geschehen wäre, wenn er mir nicht seine Hand gereicht hätte. Sicher hätte ich viele Dummheiten nicht begannen, doch ohne ihn hätte ich auch nicht die Kraft gehabt, wieder aufzustehen. Obwohl ich ihn von mir stieß und ihm klar verständlich zeigte, dass ich ihn nicht brauchte, kamen er immer wieder und nannte mich weiterhin seine Freundin. Valon nannte mich einen Gefährten. Seine Familie.
 

„Du gehörst doch jetzt zu uns! Wir sind eine Familie. Ich bin für dich da und wenn du mit irgendjemanden reden willst, kannst du immer zu mir kommen. Du bist so stark, doch wer immer nur Stärke zeigt, zerbricht von innen“, sagte er mit einem Lächeln und hielt mir die Hand hin.
 

Wütend schlug ich seine Hand weg. Ich brauchte ihn nicht! Niemanden! Bereits einmal hatte ich jemanden mein Herz geöffnet und dieser hatte mich fallen lassen. Noch einmal wollte ich diesen Schmerz nicht erleben.
 

„Vergiss es, Valon. Das ist eine reine Zweckgemeinschaft“, knurrte ich. Er zuckte mit den Schultern.
 

„Mein Angebot bleibt weiterhin bestehen. Komm zu mir, wenn du es dir anders überlegst“, sagte er und ließ mich im Flur des Firmengebäudes stehen. Dartz hatte mir neue Kräfte geschenkt. Mit der Orichalcoskarte war ich im Vorteil und ich hatte mich dazu entschieden, Jounouchi zu zeigen, dass ich ihn nicht mehr brauchte. Ich würde ihn überlegen in einem Duell besiegen und somit auch meine dunkle Vergangenheit, die mich in meinen Träumen verfolgte. Ich wollte zurück zu der Zeit, wo ich unbekümmert war und die neuesten Klamotten mein Herz höherschlagen ließen. Außerdem stand seit dem Königreich der Duellanten eine Revanche aus.
 

Obwohl ich mir sagte, dass ich Valon hassen müsste, freute ich mich über sein Angebot. „Du blöder Mistkerl... was will der eigentlich von mir?“, murmelte ich vor mich her, als er gegangen war und schüttelte den Kopf.
 

Ganz egal wie gut ich schauspielerte, Valon entlarvte stets meine Lügen. Die Zeit in der Doma Organisation hatte viele schlimme Erfahrungen mit sich gebracht, doch es war nicht alles schlecht. Valon lauerte mir ständig auf. Immer sprach er mich an. Und komischerweise war er immer dann da, wenn ich dabei war, mich in meinen negativen Gedanken zu verlieren. Aber ich wollte seine Hilfe nicht annehmen. Selbst wenn ich ihn auf das Übelste beschimpfte oder ihn einfach nur ignorierte, störte ihn das nicht und er kam immer wieder zu mir zurück. Ich wollte es mir selbst nicht eingestehen, doch ich war unglaublich glücklich darüber, dass er sich nicht von meinen Worten abschrecken ließ. Stattdessen wuchs sein Interesse an mir.
 

Doch ich hatte erkannt, dass ich weder Valon noch Jounouchi verdiente. Sie waren beide zu gutherzig. Zu liebevoll. Die Freundschaft zu den beiden hatte mich verweichlicht. Ich hatte verloren, worauf ich einst so stolz war. Meine Unabhängigkeit. Meinen Mut. Meine Stärke. Denn sie hatten mir beide etwas gegeben, das ich in meinem Leben immer vermisst hatte: Geborgenheit und das Gefühl gebraucht zu werden. Freundschaft. Etwas, wonach mein Herz seit meiner Kindhei sich gesehnt hatte. Doch ich konnte dies nicht akzeptieren. Weil ich mich selbst nicht lieben konnte. Ich hasste mich für meine dummen Entscheidungen. Also hatte ich den Entschluss gefasst, mich erst wieder mit ihnen zu treffen, wenn wir auf derselben Augenhöhe waren. Ich wollte ihnen ebenbürtig sein. Ich sehnte mich nach wahrer Stärke. Diese Stärke, die ich wollte, sollte aus meinem Herzen kommen und nicht geliehen sein.
 

Nicht nur hatte ich Jounouchi, der mich als seine Freundin bezeichnete und sich jeder Gefahr entgegenstellte, vor den Kopf gestoßen, auch Valon, der sein Leben für mich riskiert hatte und mir seine Liebe gestanden hatte, hatte ich ohne Anhaltspunkte verlassen. Das einzige, das uns verband, war die Harpyie. Ich hatte sie ihm überlassen, denn ich hatte nicht den Mut ihn direkt zu konfrontieren und mich zu entschuldigen. Wie sollte ich mit ihm reden? Oder gar seine Gefühle erwidern? Ich wollte jemand werden, auf den sich selbst stolz sein konnte. Ich wollte stark werden und in der Lage sein, mich meinen eigenen Ängsten und Problemen zu stellen. Ich war immer stark gewesen. Unabhängig. Mutig.
 

Die Begegnung mit Jounouchi und seinen Freunden hatte mein Leben geprägt. Diese Kinder hatten mich verändert. Ich wurde weich und begann, mich auf andere zu verlassen. Die Sehnsucht danach geliebt und gebraucht zu werden, fesselte mich und wurde meine größte Schwäche. Doch ich wollte stark sein. Und den Mut finden, mich aufrichtig zu entschuldigen. Das war jetzt schon fast sechs Jahre her. Seitdem hatte ich weder mit Valon noch mit Jounouchi Kontakt. Das ist gut so, redete ich mir ein, denn du hast es nicht anders verdient. Du hast ihre Freundschaft ausgenutzt und du hast kein Recht, ihnen unter die Augen zu treten. Besser, es bleibt wie es jetzt ist, bevor du es wieder vermasselst und du sie noch mehr verletzt.
 

Vielleicht hatten sie mich auch schon vergessen. Als ich mich aus der aktiven Duellantenszene verabschiedete und begann, mein Leben neu aufzubauen, sah ich auch viele Gesichter nicht mehr. Ich war 27 als ich mich dazu entschied, dass ich etwas Neues ausprobieren wollte und dass es keinen Sinn machte, immer nur der Vergangenheit hinterherzutrauern. Nichts änderte, was ich getan hatte. Ich musste die Konsequenzen meiner Entscheidungen akzeptieren.
 

Mit Vivian hatte ich immer noch Kontakt, immer wieder schrieb sie mir eine SMS, dass sie nun mit Prominenten XY zusammen war. Doch es hielt nie lange an und wenn es zu Ende ging, brauchte sie meinen Trost. Mein Leben war langweilig und banal. Es gab nichts mehr, über das ich lächelnd erzählen konnte. Mittlerweile glich jeder Tag dem anderen und manchmal, da erwischte ich mich selbst, wie ich der wilden Vergangenheit hinterher trauerte und mich ermahnte, den Blick nach vorne zu richten. Oft fühlte ich mich einsam und fragte mich, wie es meinen Freunden in Japan ging. Wie war es ihnen ergangen? Sie mussten nun über 20 sein.
 

Yuugi hatte sich als Duellant einen Namen gemacht. Sowohl Kaiba als auch Yuugi zierten regelmäßig das Cover der Duel Monsters Fachzeitschrift Duelist Today. Auch wenn ich nicht mehr aktiv an Turnieren teilnahm, liebte ich Duel Monsters immer noch und kaufte mir die Zeitschrift regelmäßig. Yuugi hatte sich kaum verändert. Er war etwas gewachsen und seine Gesichtszüge wirkten maskuliner als zuvor, doch seine schüchterne Art hatte er nicht abgelegt. Immer wieder waren Paparazzi Fotos von ihm abgedruckt, wo es eindeutig zu erkennen war, dass er sich unwohl fühlte und nicht abgelichtet werden wollte. Jounouchi war stets an seiner Seite. Die beiden waren auch immer zusammen!
 

Jounouchi war auch kein unbeschriebenes Blatt, trotz seiner sehr eigensinnigen und einzigartigen Strategie, die hauptsächlich auf Glück basierte, war er in der Weltrangliste einen Platz nach dem nächsten nach oben geklettert. Ich war glücklich darüber, zu sehen, wie sehr er sich verbesserte und wünschte ihm aus tiefstem Herzen alles Glück der Welt.
 

Über die anderen wusste ich fast gar nichts. Anzu und ich hatten nie unsere Handynummern ausgetauscht. Ob es der kleinen Shizuka gut ging? Nun, vermutlich war sie nicht mehr ganz so klein. Doch ich traute mich nicht, den Kontakt zu ihnen aufzubauen. Die Scham darüber, wortlos aus ihrem Leben verschwunden zu sein, war einfach zu groß. Da war diese Barrikade in meinem Kopf, die ich von selbst nicht zu erklimmen mochte. Sechs Jahre später glaubte ich, dass ich immer noch nicht das Recht hatte, sie wiederzusehen. Weder Jounouchi. Noch Valon. Und auch Yuugi und die anderen nicht. Ich schämte mich zu sehr, doch tief in meinem Herzen, ja, da wollte ich gerne mit ihnen lachen.
 

Feierabend. Freundlich verabschiedete ich mich von meinen Kollegen und machte mich auf den Heimweg. Den Motorradhelm setzte ich auf, machte es mir auf meiner Maschine bequem und fuhr los. Wenn der Wind mir auf die Haut schlug und die Umgebung an mir vorbei rauschte, hatte ich wieder das Gefühl von Freiheit erlangt, welches ich mir immer so sehr ersehnt hatte. Plötzlich überholte mich jemand.
 

„Du Vollidiot! Pass doch besser auf!“, schrie ich ihm hinterher.
 

Daraufhin fuhr er etwas langsamer. Es schien so, als wollte er einen Blick in mein Gesicht erhaschen.
 

Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, mich an etwas oder besser gesagt jemanden zu erinnern. Er fuhr genauso fahrlässig und äußerst gewagt. Ungewollt holten mich Erinnerungen ein, leuchtende kobaltblaue Augen und ein Mund, frech zu einem Grinsen geformt, kamen mir in den Sinn. Durch den fließenden Verkehr und die Straßenlichter, die sich auf seinem Helm widerspiegelten, war es mir unmöglich, das Gesicht des Unbekannten zu erkennen. Ich bog in eine andere Straße ab. Vor meiner Wohnung überlegte ich weiter.
 

Dieser riskante Fahrstil... konnte das Valon sein? Nein, viel zu unwahrscheinlich.
 

Ich hatte mein altes Leben hinter mir gelassen und einen neuen Lebensabschnitt angetreten. Die Kujaku Mai von damals war nur noch eine blasse Erinnerung. Als ich den Schlüssel im Schloss umdrehte, öffnete sich meine Wohnungstür und ich trat ein. Ein Geruch kam mir entgegen. Nein, es waren mehrere. All die Düfte im Laden hafteten an mir. Nicht, dass es unangenehm gewesen wäre, aber ich entschloss dennoch duschen zu gehen und mich von den Fesseln meiner Arbeit zu befreien. Langsam entledigte ich meiner Kleidung, öffnete meinen Zopf und ließ mein langes blondes Haar über meine schmalen Schultern fallen. Das Geräusch des heißen Wassers, das auf den Boden plätscherte, gab mir ein Gefühl von inneren Frieden.
 

Vorsichtig, damit ich nicht ausrutschte, trat ich unter die Dusche. Mein langes Haar klebte nun an mir. War dieser Fremde wirklich Valon? Ich hatte nicht damit gerechnet, ihn noch einmal wieder zu sehen. Meine Harpyien Karte befand sich in seinem Besitz. Ich hatte sie ihm geschenkt, um wenigstens auf diese Weise mit ihm verbunden zu sein. Mein Herz schlug schneller. Ich durfte ihm nicht nachtrauern. Ich schloss meine Augen und lauschte meinem Herzen.
 

Warum freue ich mich so sehr darüber, ihn wiederzusehen? Ich weiß doch nicht mal, ob dieser rücksichtslose Fahrer überhaupt er war. Das ist doch nur eine dumme Vermutung! Hör auf, dir Hoffnungen zu machen. Er kommt nicht zu dir zurück, versuchte ich mich gedanklich zu beruhigen. Warum auch sollte er nach mir suchen? Wahrscheinlich hatte er die Harpyie schon längst entsorgt! Ich wäre sehr wütend darüber, würde man mich so unverschämt versetzen und er hatte auch gar keinen Anlass, nach mir zu suchen oder mir zu folgen. Es war eine reine Zweckgemeinschaft. Dartz war tot und somit auch unser Bündnis. Wir waren eine Familie, weil wir gemeinsame Ziele hatten, doch darüber hinaus, gab es keinerlei Anlass für ihn, sich mit mir abzugeben.
 

Genau. Valon lebt jetzt sein eigenes Leben. Ihm geht es jetzt besser. Sicher hatte er Mitleid mit mir und ist mir deshalb immer hinterhergelaufen. Ich darf diese Güte nicht mit Liebe verwechseln, auch wenn er gesagt hat, dass er mich liebt. Es sind zu viele Jahre vergangen. Gefühle verändern sich und er wollte mir nur helfen, wollte ich mich überzeugen und dennoch keimte in mir dieser kindische Gedanke auf, dass er vielleicht doch nach mir suchte und wir unsere Differenzen beiseite legen könnten und wieder Freunde sein könnten. Das einzige, was dem im Weg stand, war ich selbst. Meine Sturheit. Meine Angst, mich zu offenbaren und verletzt zu werden. Und trotzdem... wollte ich ihn wiedersehen.
 

Verdammt... wieso muss ich jetzt daran denken? Dieser Idiot... er bedeutet mich nichts. Ich darf mich nicht so sehr an Erinnerungen klammern. Mann, Mai! Komm wieder auf den Boden der Tatsachen und hör auf dir alles schön zu reden!, grummelte ich gedanklich und verteilte das duftende Shampoo mit noch mehr Nachdruck, sodass der Schaum mich vollends einhüllte.
 

Es war ein Abschied und ein Neubeginn. Als unsere Seelen von der Gefangenschaft Leviathans in die Freiheit gelangten, hatte er meine Hand genommen. Uns war die Möglichkeit gegeben unseren Rettern – also auch Jounouchi – von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten. Wir entschieden uns dagegen. Nach allem, was wir getan hatten, war es für uns viel zu unangenehm sie zu sehen. Besonders für mich. Was hätte ich sagen sollen? Dass es mir leidtäte, was er und seine Freunde wegen mir durchmachen mussten?
 

Worte allein waren nicht genug. Es gab nichts, was ich ihnen sagen konnte. Ich fürchtete mich vor ihrer Ablehnung und in meinem Kopf spielten sich tausend Szenarien ab. Der Gedanke, dass Jounouchi mich nun hassen könnte und er mir sagte, dass er mich nie wiedersehen wollte, weil ich ihm nur Ärger bereitete, machte mir unendlich Angst, also entschied ich mich dazu, ihn nicht wiederzusehen. Ich hatte Jounouchi Ärger gemacht. Nur wegen mir hatte er seine Seele verloren.Wäre ich von Anfang an ehrlich mir selbst gegenüber gewesen und hätte den Mut aufgebracht, sie zu kontaktieren, wären die Dinge nie derart ausgeufert. Ich trug die Schuld auf meinen Schultern. Das hatte ich mir gesagt.
 

In einem Strandhaus lagen unsere Körper sanft in Betten gelegt. Valon schlief tief und fest. Ich starrte auf den Ozean, überlegte und musste mir eingestehen, dass ich zu viele Fehler begangen hatte. Viel zu überstürzt handelte ich, ließ Valon meine liebste Karte da und setzte mich auf meine Maschine. Das war das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte. Ich hatte ihn und Jounouchi einfach aus meinem Leben gestrichen. Ich wollte mich nicht mit meinen eigenen Fehlern auseinandersetzen und meinen Stolz als Duellanten wiederfinden, damit ich das Recht erlangte, sie wiederzusehen. Nur meinetwegen hatten beide leiden müssen.
 

Müde stieg ich aus der Dusche, trocknete meinen nassen Leib und zog mir frische Kleidung an.
 

Der bekannte Klingelton meines Handys riss mich aus meinen Gedanken, die von Erinnerungen an die Vergangenheit erfüllt waren. Das Leuchten des Displays und ein kleiner Blick auf diesen, verriet mir, dass ich eine SMS bekommen hatte. Ich öffnete sie und sah, dass Vivian mir geschrieben hatte.
 

>Hey Mai! ♥ Kennst du Jean-Claude Magnum? Er redet so viel von dir! Wie geht es dir denn?<, lautete ihre Nachricht.
 

Urplötzlich erschauderte ich, bemerkte ein unangenehmes Zucken in meinem linken Auge und schüttelte mich, um die aufkommenden Szenen zu unterdrücken, die vor meinem geistigen Auge auftauchten. Mir lief es eiskalt den Rücken herunter. Kurz verdrehte ich die Augen, als ich den Namen von diesem aufdringlichen Kerl las, antwortete ihr dann aber in knappen Sätzen. Von diesem Magnum hatte ich eindeutig genug! Ich war nur heilfroh, wenn ich diesen Idioten nie wieder sehen musste. Immer noch grummelnd setzte ich mir Kaffee auf, machte mir Toast und griff nach einem Pfirsich. Die süße Frucht roch verführerisch.
 

Mit meinem Abendessen begab ich mich in mein kleines Wohnzimmer. Nur ein Knopfdruck war nötig, um den Fernseher anzuschalten. Kaibas ernster Gesichtsausdruck strahlte mir entgegen. Genüsslich biss ich von meinem Brot ab. Hatte ganz vergessen, dass dieser Kerl ebenfalls geschäftlich in Amerika war, dabei wurde dies auf beinahe allen Nachrichtensendern gesendet und in diversen großen Tageszeitungen gedruckt.
 

In dem weißen Anzug sieht er ja richtig erwachsen aus. Sieht auf jeden Fall besser aus als dieser schäbige Flattermantel aus den Achtzigern, schoss es mir durch den Sinn und ich grinste leicht amüsiert. Kaibas Kleidungsstil war mindestens genauso ungewöhnlich wie er selbst!
 

Großes Interesse an ihm hatte ich nie gehabt, da ich nie viel Kontakt zu ihm hatte und ihn lediglich als Duellanten in Turnieren kennengelernt hatte, trotzdem sah ich mir seine Ansprache und die darauf folgende Reportage an. Er hatte Pläne für einen neuen Kaiba Park in Amerika, seine Augen strahlten voller Lebensfreude und immer wieder stahl sich ein begeistertes Lächeln auf seine Lippen. Es kam äußerst selten vor, dass man diesen jungen Firmenleiter überhaupt lächeln sah, doch wenn er über sein Unternehmen sprach oder seine zukünftigen Pläne, schien er ein anderer Mensch zu sein. Auch während seiner Duelle gegen seinen ärgsten Rivalen Mutou Yuugi ließ er eine andere Seite durchscheinen.
 

Mokuba, sein kleiner Bruder, kam zu Wort. Sein Name und sein Alter wurden eingeblendet. 17? Der jüngere Kaiba wurde auch langsam erwachsen. Seine Haare waren nun kurz und der weiße Anzug ließ ihn äußerst stattlich aussehen. Aus dem Kind wurde ein Mann. Unglaublich, wie schnell die Zeit verging. Staunend griff ich nach meinem Kaffee und nippte vorsichtig an der heißen Flüssigkeit.
 

Ich hatte Kaiba ganz anders in Erinnerung, stets hatte er einen unglaublich klugen Spruch auf Lager, scheute nicht davor seine Intelligenz zur Schau zu zeigen und Mokuba hing immer an seinem Rockzipfel – obwohl es sich hierbei eher um einen Mantel handelte. Kaiba war nun auch kein Knabe mehr, sondern ein erwachsener Mann. Seine Gesichtszüge wirkten reifer, sogar etwas kantiger und er strahlte eine gewisse männliche Würde aus, die vermutlich den meisten Frauen ein entzücktes Seufzen entlockte. Vielleicht war er auch endlich lockerer geworden? Früher war er immer so ernst und ein richtiger Perfektionist, außerdem ließ er niemanden an sein Inneres, versuchte dieses vor anderen geheim zu halten.
 

Ich erinnerte mich noch gut daran, wie sehr er darum bemüht war, eine gewisse Distanz zwischen sich und Yuugi aufzubauen, doch es war für jeden ersichtlich, dass sein Interesse nur seinem Rivalen galt. Er hatte sich zu einem stattlichen Mann entwickelt. Sicher gab es viele junge Frauen, die Interesse an ihm hatten.
 

„Die Kaiba Corporation wird in den nächsten Jahren viele Pläne umsetzen. So verkünde ich heute mit Freude, dass ich an einem geheimen Projekt arbeite. Ein neues Spiel, das die Gamingszene komplett erschüttern und sicher dem ein oder anderen den Atem verschlagen wird! Dieses Spiel wird einzig und allein in den Kaiba Parks spielbar sein“, hörte ich seine Stimme tönen. Er schien mit Stolz erfüllt. Ein neues Spiel? Nun, es war ja nicht ungewöhnlich für die Kaiba Corporation Spiele herauszubringen, immerhin handelte es sich ja auch um eine Spielefirma.
 

Als ich meinen Teller geleert hatte, erhob ich mich und wanderte in Richtung Küche, stellte dort meinen Teller in die Spüle und bequemte mich zurück. Entnervt stöhnte ich auf, als die Werbung mich begrüßte. Jedoch wurde meine Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher gelenkt, als Kaibas Gesicht erneut schien und er ein neues Turnier bekannt gab. In nur wenigen Tagen würde es stattfinden und der König der Spiele würde sehr wahrscheinlich dabei sein. In Gedanken ermahnte ich mich. Ich sollte nicht daran denken. Unentschlossen biss ich mir auf die Unterlippe, kaute auf dieser. Wie in Trance bewegte ich mich in mein Schlafzimmer und öffnete eine Schublade.
 

Mein Deck blickte mir entgegen und ich entnahm es vorsichtig, betrachtete die einzelnen Karten, die im Licht der Lampe leicht aufzublitzen schienen. In Erinnerungen schwelgend, begab ich mich zurück ins Wohnzimmer. Tatsächlich wollte ich mir die Karten nur ansehen, konnte aber nicht verhindern mein Deck aufzustellen und mir verschiedene Strategien auszudenken. An dem Turnier teilnehmen wollte ich nicht, denn ich hatte lange Zeit nur noch privat gespielt und war mir nicht sicher, ob ich es momentan mit großen Gegnern aufnehmen konnte. Was lediglich als Zeitvertreib anfing, wurde immer ernster und obwohl ich mich immer wieder ermahnte und mir sagte, dass ich nicht teilnehmen würde, konnte ich die aufkeimende Lust nach einem Spiel nur schwer unterdrücken.
 

Glücklicherweise fand das Turnier an einem Samstag statt, sodass die Teilnahme rein theoretisch möglich war, da ich genau an diesem Tag frei hatte. Wenn ich teilnahm, würde ich garantiert einige vertraute Gesichter wieder sehen und unter Leute kommen.
 

Wieder dudelte mein Handy, skeptisch betrachtete ich es. Vivian hatte geantwortet und ich freute mich. Anstatt ihr eine SMS zu schreiben, wählte ich ihre Nummer und erzählte ihr von dem Turnier und meinen Zweifeln wegen der Teilnahme.

Eyes of loyalty

Eine Woche war vergangen. Unschlüssig stand ich vor dem großen Eingangstor des Kaiba Parks, indem das Turnier stattfinden würde. Mein Deck war gut, aber reichte es auch aus, um den Sieg zu erlangen? Leichte Zweifel machten sich in mir breit, dann trat ich ohne großartig weiter nachzudenken ein. Wie vermutet sah ich einige bekannte Gesichter. Ich wusste, dass der Gedanke dumm war, aber ich konnte nicht verhindern nach Yuugi, Jounouchi und ihren Freunden Ausschau zu halten. Das Gelände war groß und einige Teilnehmer duellierten sich bereits. Hatte das Turnier etwa schon begonnen? Hatte ich die Teilnahme Registrierung verschlafen? Oder spielten sie einfach nur aus Spaß? Gerade unsichere Duellanten und Anfänger nutzten häufig die Zeit, um noch ihre Karten untereinander zu tauschen oder um sich warm zu spielen.
 

„Mai!“, hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Fragend drehte ich mich um. Für einen winzigen Moment glaubte ich die Person, die vor mir stehen geblieben war, wiederzuerkennen. Aber sicher war ich mir nicht. Braune, schulterlange Haare und ein violetter Pony. Das erinnerte mich an jemanden.
 

„Bist du das... Ryuzaki?“, ungewollt hob ich eine Augenbraue, musterte den jungen Mann, der mit mir auf gleicher Augenhöhe stand und sichtbar älter und erwachsener geworden war. Seine Lippen umspielten ein Lächeln.
 

„Nimmst du etwa teil?“, fragte er und ließ seinen Blick über meinen Körper wandern.
 

„Warum interessiert dich das?“, gab ich frech als Antwort zurück und grinste kurz.
 

„Weil ich eine Revanche möchte!“ Er hatte sich kein Stück verändert.
 

„Eine... Revanche?“ Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, dann fiel es mir wieder ein.
 

„Seit damals möchte ich noch mal die Chance haben mich gegen dich zu duellieren“, erläuterte er sein Vorhaben und wirkte keineswegs schüchtern.
 

„Und das ist alles? Ich habe etwas Besseres zu tun, aber na schön... von mir aus.“ Ich zuckte mit den Schultern.
 

„Super! Die letzten Jahre hat man nichts mehr von dir gehört, endlich sehe ich dich wieder.“
 

„Was wird das jetzt?“, fragte ich skeptisch, legte den Kopf leicht schief und hob eine Augenbraue in die Höhe. Er verschränkte die Arme. Versuchte er sich gerade im Smalltalk? In Anbetracht dessen, wie wir auseinander gegangen waren, wunderte es mich sehr, dass er versuchte, mich in ein Gespräch zu verwickeln. Oder hatte er die Vergangenheit vollständig hinter sich gelassen?
 

„Du bist genauso zickig wie früher“, entgegnete er und ließ den Kopf hängen.
 

„Ich bin nicht zickig, sondern vorsichtig. Bei dir weiß man nie, was in deinem Kopf herumspukt.“
 

„Charmant wie eh und je, wie ich feststelle...“, sagte er und schmollte gespielt.
 

Es dauerte nicht lang, ehe auch Haga vor mich trat. Ryuzaki und er tauchten immer im Doppelpack auf, doch ich sprach das versprochene Duell nicht noch einmal an, drehte mich um und winkte ihnen zum Abschied. Ich setzte meinen Weg fort. Irgendwo gab es hier eine Halle, wo man sich zuerst anmelden musste, um am Turnier öffentlich teilnehmen zu dürfen.
 

Als ich dort ankam, bekam ich weitere Informationen, dankend nickte ich dem Mann an der Rezeption zu und entfernte mich wieder. Die Vorrunden wurden traditionell, also im Klartext ohne Duel Disk oder ähnlicher hoher Technik, abgehalten. Die besten acht Duellanten würden sich am Ende gegeneinander duellieren und der Gegner des Gewinners würde Seto Kaiba höchstpersönlich sein. Was für eine Ehre. Ich bezweifelte, dass ich überhaupt so weit kommen würde, dennoch begab ich mich in die nächste Halle, in der viele Tische aufgestellt waren, wo sich die Kontrahenten messen würden. Eine Durchsage erläuterte, dass die Anmeldungen für das Turnier nun beendet seien und dass keine weiteren Teilnehmer zugelassen würden.
 

Somit hatte ich Glück im Unglück. Wie erwartet spielten hier zum größten Teil Laien, die sich gegen bekannte Gesichter wie Haga oder Ryuzaki nicht behaupten konnten und vermutlich nicht einmal so etwas wie eine Strategie hatten. Auch meine Gegner waren nicht der Rede wert, ich besiegte sie im Handumdrehen und ich freute mich wie ein kleines Kind über diese Siege, die eigentlich mehr geschenkt als verdient waren. Es war wie in alten Zeiten. Der Tag fühlte sich lang an und ich merkte, dass es bereits früher Nachmittag war. Hatte ich mich so sehr ins Spiel vertieft, dass ich gar nicht mehr mitbekam, wie schnell die Zeit verflog?
 

Ich begab mich zu einer Kantine und bestellte mir etwas zu essen. Doch ich aß nicht im Gebäude, da es mir hier viel zu voll und laut war. Daher verließ ich dieses und suchte draußen nach einem ruhigen Plätzchen, den ich unter einem Baum fand. Die warme Sonne ließ mich wohlig aufseufzen. Ich schloss meine Augen und genoss diesen ruhigen Moment.
 

„M-mai?!“, weckte mich eine bekannte Stimme aus meinen Tagträumen. Sofort riss ich meine Augen auf und betrachtete die Person vor mir, die sich zu mir beugte und mich mit großen Augen anstarrte. Es dauerte einige Sekunden, bis ich realisiert hatte, dass dieser Mensch vor mir, ein guter Bekannter war, den ich lange nicht mehr gesehen hatte. Diese Kobaltblauen Augen zogen mich immer wieder aufs Neue in den Bann.
 

„Valon?“, keuchte ich etwas verwundert und musterte ihn.
 

Er schien noch größer und muskulöser geworden zu sein, aber vielleicht kam es mir nur so vor, weil er von oben auf mich herabblickte. Auch die typische Bikerjacke und die Lederhandschuhe weckten Erinnerungen in mir, ließen mein Herz ungefragt höher schlagen. Er sah immer noch so wild aus wie früher. Seine Haare waren modern gestylt und dieses warme Lächeln auf seinen Lippen ließen mich nicht los. Seine ganze Ausstrahlung war einfach überwältigend, so auch die Erinnerungen, die in mir aufkeimten und die Angst, mich tatsächlich meiner Vergangenheit und meinen Fehlern stellen zu müssen. Ich will nicht mehr weglaufen, redete ich mir selbst Mut zu. Valon hat mich immer gut behandelt. Auch jetzt liegt in seinem Blick keine Abscheu, sondern nur Fürsorge. Er hat sich nicht verändert. Deshalb muss ich ehrlich zu ihm sein, alles andere wäre respektlos!
 

Dann setzte er sich, selbstverständlich ohne zu fragen, wie es nun einmal seine Art war, neben mich, lehnte sich grinsend an den Baum an. Immer wieder öffnete er den Mund und machte Anstalten etwas sagen zu wollen, doch jedes Mal schloss er ihn wieder und hibbelte leicht vor sich hin. Freute er sich etwa mich hier zu sehen? Ich lächelte leicht und beschloss diese Ruhe zu brechen. Ich konnte ohnehin nicht weglaufen. Ich musste mich nun ihm stellen. In mir tobte ein heilloses Durcheinander und die Aufregung wollte sich einfach nicht legen. Trotzdem wollte ich ihn meine Stimme hören lassen, damit ich endlich in der Lage war, die Vergangenheit zu vergessen und wirklich nach vorne zu sehen.
 

„Machst du auch beim Turnier mit?“
 

Ich legte den Kopf leicht schief, mein Haar fiel über meine Schulter. Das war schon mal ein guter Anfang!
 

„Ja, aber ich bin bereits raus!“, antwortete er und ich staunte, denn trotz seiner Niederlage, lachte er zufrieden.
 

„Das tut mir Leid für dich...“, entgegnete ich ihm mit einem aufheiterndem Lächeln.
 

„Muss es nicht. Gegen Yuugi zu gewinnen ist ja auch fast unmöglich“, er pausierte, sprach dann weiter.
 

„Ich freue mich so, dich hier zu treffen, Mai!“
 

„Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dich hier zu treffen“, antwortete ich ihm keck und versuchte ihn etwas sticheln, so wie in alten Zeiten. Die Unsicherheit verflog. Es tat gut, ihn wiederzusehen.
 

„Du wirkst nicht sehr glücklich darüber, dass wir uns getroffen haben...“, murrte er.
 

„Doch, doch! Ich bin sehr froh dich gesund und munter zu sehen.“ Ich knuffte ihm in die Seite und bemühte mich darum, mir bloß nichts anmerken zu lassen. Ich wollte die alten Zeiten hinter mir lassen und mich nicht mehr mit negativen Gedanken quälen.
 

„Als du damals einfach gegangen bist und nur deine Karte noch auf dem Bett lag, habe ich echt gedacht, dass wir uns nie wieder sehen würden. Das ist jetzt kein Vorwurf oder so... ich bin einfach nur so unglaublich glücklich, dass ich dich noch einmal sehen durfte und dass es dir gut geht! Ich habe so lange nach dir gesucht und jetzt habe ich dich endlich gefunden“, während er das sagte, nahmen seine Wangen einen leichten Rotschimmer an.
 

Verlegen kratzte er sich mit seinem Zeigefinger seine Wange und vermied es mich anzusehen, was mir ein schlechtes Gewissen verschaffte. Er hatte sich Sorgen um mich gemacht und im Nachhinein tat es mir leid, dass ich ihn einfach zurückgelassen hatte, ohne mir auch nur ansatzweise über seine Gefühle Gedanken zu machen. Hatte er wirklich nach mir gesucht? Ich hatte ihn ohne Anhaltspunkte stehen lassen. Er konnte gar nicht wissen, wo ich mich aufhielt, demnach war seine Suche von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Und obwohl die Chancen gegen Null gingen, hatte er nicht aufgegeben.
 

Ich schämte mich für meinen Egoismus. Immer hatte ich nur an mich gedacht. An meine Gefühle. Meine Sorgen. Meine Ängste. Dass ich mit meinem Verhalten andere verletzten konnte, hatte ich nie in Betracht gezogen. Besonders, wo er mir bereits vorher gesagt hatte, wie er für mich empfand. Es war mir unangenehm darüber zu reden und ich wünschte, es gäbe ein schnelles Entkommen, damit ich mich ihm nicht stellen musste, doch auch wollte ich das, was zwischen uns lag, endlich aus der Welt schaffen. Diese Aussprache war wichtig. Und genau das, was ich mir seit Jahren tief in meinem Herzen gewünscht hatte.
 

„Hör zu...“, flüsterte er, setzte dann fort: „Ich habe sehr gut auf deine Karte aufgepasst.“
 

„Was?“ Fragend sah ich ihn an, schreckte zurück, dann zog er diese Karte hervor. Sie befand sich sogar in einer Schutzfolie und ich musste hart schlucken, als ich erkannte, dass sie genauso wie in meiner Erinnerung aussah. Sogar ein leichter Duft kam mir entgegen, als er sie mir vor die Nase hielt und dabei lächelte. Diese Karte und ich hatten soviel gemeinsam erlebt. Sie jetzt noch einmal zu sehen, gab mir ein gutes Gefühl und ich erschauderte leicht vor Glück. Die einzige Frage, die mich nun beschäftigte, war, warum er sie mir ausgerechnet jetzt zeigte? Wollte er mir etwas Bestimmtes mitteilen? Immer mehr Fragen breiteten sich in meinem Kopf aus, auf die ich keine Antwort zu finden vermochte.
 

Eine unangenehme Hitze entfaltete sich auf meinen Wangen, als er mir auf einmal näher kam. Was war das für ein Gefühl? Es unterschied sich deutlich von dem, was ich damals für ihn empfand, das spürte ich, aber ich vermochte nicht zu sagen, was genau es war. Mir fehlten die richtigen Worte es zu beschreiben und ich wandte nervös den Blick von ihm ab, versuchte aber dennoch so gefasst wie immer zu wirken.
 

„Brauchst du sie nicht?“, fragte er mit liebevoller Stimme und sein charmantes Lächeln fing mich für wenige Sekunden ein.
 

Den Kopf schüttelnd, legte ich meine Hand auf seine und drückte sie von mir weg. Er sollte sie behalten, ich hatte sie ihm gegeben, damit ein Teil von mir immer bei ihm war. Dankend erhob ich mich und er tat es mir gleich. Beinahe bekam ich das Gefühl, dass er mich nicht gehen lassen wollte. Als ich gehen wollte, griff er nach meinem Handgelenk, hinderte mich am Voranschreiten. Unsere Blicke trafen sich. Dieses wunderschöne Kobaltblau drang tief bis in meine Seele ein. Früher war mir nie klar gewesen wie strahlend und schön seine Augen waren, vielleicht hatte ich einfach nie genug darauf geachtet. Aber heute hatte sich vieles geändert. Blau war die Farbe der Treue, der Loyalität, der Offenheit und der Freiheit. Erst jetzt begriff ich, dass seine Augen tatsächlich ein Spiegel seiner Seele waren. Dieses Sprichwort stimmte vollkommen mit seiner Persönlichkeit ein und ich musste leicht schmunzeln, als ich so darüber nachdachte.
 

„Wir sehen uns wieder... richtig?“, kam es über seine Lippen. Er schien erfüllt von Hoffnung zu sein.
 

Fürchtete er, dass ich ohne ein Wort des Abschiedes wieder aus seinem Leben verschwinden würde? Hatte er mich wirklich so sehr vermisst? Natürlich wusste ich, dass er damals in mich verliebt war, aber es fiel mir schwer zu glauben, dass er diese Gefühle all die Jahre immer noch in sich trug. Und sogar noch bedeutender war es, dass ich mir nicht klar war, ob wir beide das gleiche wollten oder besser gesagt: ob ich in der Lage war seine Gefühle zu erwidern. Er war mir wichtig, ich mochte ihn, aber wir hatten uns jahrelang nicht mehr gesehen und momentan war ich mir gar nicht sicher, was ich wirklich fühlte. Liebte ich ihn so, wie er mich liebte? Oder aber bildete ich mir zu viel darauf ein, dass seine Hand mich vom Gehen abhielt? Egal was es war, es bereitete mir ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.
 

„Das werden wir. Aber nun muss ich mich beeilen, einige Duelle warten auf mich.“ Ich lächelte erneut.
 

„Das ist kein Abschied...?“ Sein Gesicht erhellte sich und er ließ mich los.
 

„Nein...“, ich schloss kurz die Augen, sah ihn an, dann hoch hinauf in den Himmel. „Es ist ein Anfang“, hauchte ich und verabschiedete mich mit diesen Worten fürs Erste von ihm und ging.
 

Während ich ging, spürte ich seinen Blick auf mir ruhen.

The feeling of guilt

Tatsächlich kam es zum Duell zwischen Ryuzaki und mir, schnell wurde mir klar, dass er sich verbessert hatte und seine Strategien generalüberholt waren. Neue Monster, Fallen und Zauberkarten erwarteten mich in dieser Zusammenstellung. Erstaunt sah ich ihn an, er war besser geworden, aber nicht besser als ich. Nach wie vor machte er gewisse Fehler, die er sich bereits in der Vergangenheit angewöhnt haben musste und somit zu einer Marotte seinerseits wurden. Auch seine Mimik verriet sehr viel über ihn, was ihm selbst wahrscheinlich gar nicht bewusst war. Jedes Mal wenn er eine Karte gezogen hatte, die ihm zum Sieg verholfen konnte, grinste er und zuckte ungewöhnlich mit dem linken Mundwinkel. Obwohl ich ihn auf diese Weise zu durchschauen vermochte, dauerte dieses Duell länger als erwartet. Irgendwann jedoch hatte ich es geschafft ihn in seine Schranken zu weisen.
 

Ich war die Ruhe selbst, als ich meinen Trumpf spielte und ihn bezwang. Wie früher erwartete ich, dass er wütend tobte und sich die Niederlage nicht eingestehen könnte. Doch er handelte ganz anders, stattdessen stapfte er einmal sauer mit dem Fuß auf, seufzte und lächelte dann wieder. Dann hielt er mir seine Hand hin, kratzte sich mit der anderen am Hinterkopf – so dass seine Mütze wenige Zentimeter verrutschte – und bedankte sich für das faire Duell. Seine Handlung war unerwartet, aber erfreulich. Er war auch kein Kind mehr. Es fiel ihm offenbar viel leichter, mit seinen Niederlagen umzugehen und aus ihnen zu lernen.
 

Etwas zögerlich erwiderte ich den Händedruck und machte mich daraufhin wieder auf den Weg. Die Vorrunden waren nun so gut wie beendet, dieser Umstand veranlasste mich dazu mir die Teilnehmerlisten anzusehen. Seto Kaiba war der ultimative Endgegner, ein Beweis dafür, wie arrogant er war und dass er große Stücke auf sich selbst hielt. Dabei wollte der Großteil der Spieler hier die Chance ergattern sich gegen den Duel Monsters Champion, in gewissen Kreisen sogar König der Spiele genannt, zu duellieren. Yuugi nahm vermutlich nur auf Kaibas Geheiß am Turnier teil. Er war noch nie sonderlich scharf auf Turniere gewesen, weil er ungern im Mittelpunkt stand, was mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an seiner Schüchternheit mit verschuldet war.
 

Kurz grübelte ich, mein Blick flog über die ganzen Namen. Hinter vielen Namen war ein Kreuz zu erkennen, was zeigte, dass dieser Spieler bereits ausgeschieden war. Valon hatte erwähnt, dass er gegen Yuugi verloren hatte, also bestand die Möglichkeit, dass Jounouchi ebenfalls hier war. Die beiden waren unzertrennlich. Auf jedem Foto mit Yuugi war Jounouchi meist irgendwo im Hintergrund zu sehen, der entweder nichts mitbekommen hatte oder kindische Fratzen machte. Nervös wanderte mein Blick schneller über die Anzeigetafel und unbewusst biss ich mir dabei auf die Unterlippe.
 

Sein Name war dabei! Es waren nur noch 16 Teilnehmer, was bedeuten musste, dass die letzten Spiele in diesem Moment ausgefochten wurden. Da mir kein weiterer Gegner zugeteilt wurde, ging ich davon aus, dass ich bereits zu den glücklichen Acht gehörte. Ob er es auch schaffen würde? Ungern erinnerte ich mich an unser letztes Duell. Ich war besessen und hatte ihm die Schuld an all meinen Problemen gegeben, weil ich zu schwach war, selbst die Verantwortung zu übernehmen. Ich hatte so viele Fehler gemacht, war dann davon gelaufen und floh vor meinen Taten.
 

Ich hatte ihm nicht einmal „Auf Wiedersehen“ gesagt und wir hatten uns jahrelang nicht mehr gesehen, es wäre nicht verwunderlich, wenn er mich nicht mehr sehen wollen würde. Zumindest konnte ich mir selbst nicht verzeihen, also konnte ich unmöglich von ihm erwarten, dass er es konnte. Aber ich wollte das, was zwischen uns lag und unsere Freundschaft belastete, aus der Welt schaffen, damit ich nachts nicht mehr grübeln musste und wirklich mit meiner Vergangenheit abschließen konnte. Ich hatte genug davon, mir Vorwürfe zu machen, nur weil ich zu feige war, mich mit meinen Problemen zu befassen.
 

Ob er sich verändert hat?, schmunzelte ich. In den Duelist Today Zeitschriften erschien er immer fröhlich und für jeden Spaß zu haben. In der letzten Ausgabe hatte er hinter Yuugi gestanden und hatte mit seiner Siegerpose und seinen eigenartig verzogenen Gesichtszügen die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Dabei ging es in dem Artikel gar nicht um ihn, sondern um Yuugis zukünftige Pläne – und doch sprach kaum einer über den Inhalt des Texts sondern über den immer zu Späßen aufgelegten Clown, der mit seiner Ausstrahlung und seinem Charakter nun auch eine nicht zu verachtende Fangemeinde hatte.
 

Was sage ich ihm, wenn ich ihn wirklich sehe? Und Yuugi? Ach, ich weiß absolut nicht, wie ich ihnen gegenübertreten soll, überlegte ich und seufzte.
 

Es war mir etwas unangenehm ihn wiederzutreffen und nicht einmal zu wissen, was ich sagen sollte. Falls er weiter und unter die acht Duellanten kam, wäre ein Aufeinandertreffen unvermeidbar. Bereits jetzt dachte ich darüber nach, wie ich die Gedanken, die mich seit so langer Zeit quälten, in Worte fassen sollte. Ein Gefühl von Scham machte sich in mir breit und ich spürte, wie mein Herz schwer wurde. Um nicht verletzt zu werden, hatte ich ihn abgewiesen, hatte ihm schreckliche Dinge angetan. Es war so idiotisch, dass ich ihm die Schuld gegeben hatte. Heute dachte ich ganz anders und ich warf mir vor, dass ich anders hätte handeln müssen. Meine Schuldgefühle verfolgten mich. Ich setzte mich auf einen Stuhl, grübelte weiter und kam zum Entschluss, dass ich mich wenigstens bei ihm entschuldigen musste. Auch damit ich wieder ruhig schlafen konnte.
 

Die letzten Teilnehmer wurden aufgerufen, sowohl Yuugis als auch Jounouchis Namen konnte ich vernehmen und mein Herz machte einen gewaltigen Hüpfer, als ich auch meinen eigenen hörte. Obwohl das Turnier nur eine kleine Ausnahme war, so fühlte ich mich in die Vergangenheit katapultiert, ein unheimliches Kribbeln breitete sich in meinem Körper aus und es fiel mir schwer dieses Gefühl von Glück passend zu umschreiben. Doch dann wurden weitere Hinweise erläutert, die mich ernüchterten.
 

Aufgrund von technischen Problemen sollten die Finalkämpfe erst am nächsten Tag stattfinden. Ärgerlich! Weitere Informationen folgten: die acht Teilnehmer würden Unterkunft und Verpflegung bekommen. Als kleine Entschädigung. Die Zeit verging und die Uhr schlug 18 Uhr, die Teilnehmer sollten sich binnen einer halben Stunde in einem Raum versammeln. Wer zu spät kam oder gar nicht erschien, würde disqualifiziert werden. Mit schnellen Schritten machte ich mich auf den Weg.
 

„Wohin des Wegs?“ Valon tauchte auf einmal neben mir auf und ich zuckte erschrocken zusammen.
 

„Erschreck mich doch nicht so! Idiot!“, zischte ich, beruhigte mich aber wieder.
 

„Du bist also weiter gekommen? Glückwunsch“, sagte mit einem Lächeln und ging nun neben mir hier. Seine Präsenz gab mir Sicherheit. Ich wusste nicht, warum, aber es fühlte sich gut an, ihn hier an meiner Seite zu haben.
 

„Ja, aber ich mache mich keine großen Hoffnungen gegen Yuugi zu gewinnen“, lachte ich. Ein kleiner Hoffnungsschimmer war da schon – aber ich wollte nicht eingebildet klingen. Yuugi war nicht grundlos als König der Spiele bekannt geworden, also wäre es äußerst dumm oder eher ignorant, ihn zu unterschätzen. Er mochte zwar lieb und nett aussehen, aber hinter diesem lieben Lächeln verbarg sich ein Tiger, der nur dann hervorkam, wenn es wirklich notwendig wurde.
 

„Dann lass das Turnier doch sausen! Ich würde gerne mit dir essen gehen.“
 

„Und du glaubst ernsthaft, dass ich zu dieser Einladung zustimmen würde? Ich bin doch nicht so weit gekommen, um kampflos aufzugeben!“
 

„Schon gut, schon gut... musst ja nicht gleich so laut werden“, lachte er und winkte ab. Er rieb sich verschämt den Hinterkopf.
 

„Aber du kannst gerne kommen und mich anfeuern“, sagte ich und drehte den Kopf weg.
 

„Das werde ich so oder so tun. Deshalb bin ich hier.“
 

Ich errötete, als er das so selbst überzeugt sagte, so als wäre es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt.
 

„Aber müsstest du nicht jetzt gehen? Du bist kein Teilnehmer... bestimmt werfen sie dich raus.“
 

„Ich sage, dass ich deine Begleitung bin.“ Wieder dieses freche, selbstgefällige Grinsen!
 

„Und wer sagt, dass ich dem zustimmen werde?“ Er blieb stehen und wir sahen uns wenige Augenblicke an. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er am Boden zerstört war, doch dann lachte ich. Natürlich hatte ich das nicht ernst gemeint!
 

„Keine Sorge, das war ein Scherz! Ein Scherz, hörst du? Also guck nicht so jämmerlich!“
 

Ich winkte ab und wollte weitergehen. Erst reagierte er nicht, dann legte er ohne Vorwarnung seine Arme um mich und drückte mich an seine Brust, immer wieder bedankte er sich. Als er mich so festhielt, schlug mein Herz sehr viel schneller, aber ich musste mir eingestehen, dass sich seine Wärme unglaublich gut anfühlte und dass ich gerne weiter so in seinen Armen geblieben wäre. Aber stur wie ich war, befreite ich mich und ließ ihn zurück. Etwas enttäuscht folgte er mir.
 

Als wir den Raum erreichten, hatte ich eher das Gefühl, dass es sich um einen Saal handelte. Mehrere gedeckte Tische zogen meine Aufmerksamkeit auf sich, allerdings nur so lange bis die eigentlichen Veranstalter, Seto und Mokuba Kaiba, eintrafen und uns mit einer Rede begrüßten. Seto lobte die Duellanten und erklärte von sich aus, dass er sich darüber freuen würde, gegen den Gewinner anzutreten, dabei wussten wir doch alle, dass er es nur auf Yuugi abgesehen hatte.
 

Die beiden waren Rivalen und für den Firmenleiter war es eines seiner größten Ziele Yuugi endlich zu bezwingen und wieder der Weltmeister zu sein. Obwohl er ein erwachsener Mann war, verhielt er sich manchmal doch eher wie ein kleines Kind. Er mochte es überhaupt nicht, wenn er nur Zweitbester war. Das war schon immer so gewesen, so hatte ich ihn auch kennengelernt und es wäre irgendwie ein eigenartiges Gefühl gewesen, wenn er sich verändert hätte.
 

Mein Blick wanderte im Raum umher, ich war leicht erstaunt Haga hier zu sehen, da ich mir eigentlich ziemlich sicher war, dass der kleine Trampel in den Vorrunden rausfliegen würde. Wie sehr man sich irren konnte... dann erkannte ich, dass auch Jounouchi und Yuugi hier waren. Es war unhöflich von mir, aber ich konnte meinen Blick nur schwer von dem Blonden abwenden und ich schluckte hart. Ein Knoten bildete sich in meiner Kehle und ich wurde leicht panisch. Die Ansprache von Kaiba blendete ich für einen Moment aus. Erst als Valon mich etwas sauer anstieß, senkte ich errötet den Blick und hörte weiter zu. Als die Kaiba Brüder geendet hatten, wurde ein Buffet hereingebracht und jeder durfte sich nach Herzenslust bedienen. Aber zuerst wollte ich mit den Jungen mit den bernsteinfarbenen Augen sprechen. Als ich mich in Bewegung setzte, stapfte Valon mir hinterher. Ich hatte das Gefühl, als wollte er nicht von meiner Seite weichen. Direkt vor ihnen blieben wir stehen.
 

„Was denn? Du bist so weit gekommen?“ Valon lachte und der Blonde stimmte mit ein.
 

„Natürlich! Was hast du denn gedacht?“ Jetzt kniff er die Augen zu und versuchte so zu tun, als würde er schmollen.
 

Dann trafen sich unsere Blicke. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an und ich glaubte, dass ich versteinert worden war. Mein ganzer Körper fühlte sich taub an und ich haderte darum, etwas zu sagen. Ich brachte lediglich ein leises, beinahe gekrächztes „Hallo“ heraus. War es mein Gewissen, das mich so sehr quälte? Hatte ich Angst davor, dass er mich ablehnen würde und wir nicht einmal mehr Freunde sein konnten? Immer noch sah ich ihn an, dann wandte er den Blick ab, als Yuugi sich dazwischen drängte und den Blonden wegschob.
 

„Hallo, Mai“, sagte er mit gewohnt sanften Ton und zwang sich zu einem Lächeln.
 

Erst jetzt wandte ich den Blick ab und spürte, dass sich eine unangenehme Hitze auf meinem Gesicht ausbreitete. Bei Jounouchi war ich mir nicht sicher, aber bei Yuugi hatte ich das Gefühl, dass er mir die Sache von damals nicht verziehen hatte. Was dachte er über mich? Wie fühlte er nach all den Jahren? Ich hob wieder den Blick und versuchte möglichst unbefangen zu wirken.
 

„Hallo, ihr Zwei. Wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“ Valon machte dieses Wiedertreffen wohl überhaupt nichts aus. Wie konnte er so gelassen bleiben, nach allem, was wir getan hatten?!

New insights

Gemeinsam saßen wir an einem Tisch und aßen zu Abend. Es fühlte sich eigenartig an, viel eher hatte ich das Gefühl in einem Traum gefangen zu sein. Aber mit der Zeit fühlte ich mich immer wohler und lachte vergnügt, wenn die Jungs Witze rissen. Es war kaum zu glauben, aber die beiden waren komplett ohne Cheerleader hier. Ein Yuugi, der sich duellierte, ohne, dass seine Freunde ihn bewundernd von der Seite zusahen? Komischer Gedanke. Jounouchi und Valon schienen sich unglaublich gut zu verstehen. Sie hatten denselben Humor und es war eindeutig, dass sie sich sehr ähnlich waren. Ihre Art zu sprechen und wie sich gestikulierten. Als Jounouchi Grimassen zog, tat Valon es ihm gleich. Wir wurden lockerer und erzählten uns viel, so erfuhr ich auch, dass Anzu Mazaki in Amerika lebte und ihr Tanzstudium erfolgreich fortsetzte.
 

Stimmt, sie hatte mehrmals angedeutet, dass das Tanzen ihr großer Traum war und dass sie alles dafür tun würde, um auf einer Bühne zu stehen. Obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, musste ich doch zugeben, dass es merkwürdig war, zu erfahren, dass sie im selben Land lebte wie ich und dass wir uns kein einziges Mal gesehen hatten.
 

Hiroto Honda, Shizuka Kawai und Ryou Bakura waren in Japan geblieben. Shizuka besuchte nun die Oberschule und weiter erfuhr ich, dass sie für die niedlichen Uniformen ihrer Schule schwärmte. Im selben Atemzug motzte Jounouchi wie grässlich und abstoßend er seine alte Schuluniform an der Domino High empfunden hatte und sehr froh darüber war, nicht mehr zur Schule gehen zu müssen. Als er das sagte, lachten wir alle auf. Auch wenn er sich äußerlich geändert hatte, so war er doch irgendwo immer noch ein kleiner Junge und war oftmals unfreiwillig komisch. Aber das mochte ich an ihm, er war so offenherzig und für jeden Spaß zu haben, während ich vielleicht ein wenig zu vernünftig und ruhig war. Honda und Bakura waren ebenfalls Freunde von den beiden, aber wenn ich ehrlich war, wusste ich so gut wie gar nichts über sie und auch in der Vergangenheit hatten wir kaum ein Wort miteinander gesprochen.
 

Als Yuugi von Rebecca Hopkins, einem Mädchen mit dem ich bisher nicht viel zu tun hatte, erzählte, staunte ich nicht schlecht, als er erwähnte, dass sie zu einer der wichtigsten IT-Spezialisten in ganz Amerika gehörte. Sie musste wirklich intelligent sein, noch sprachloser wurde ich, als er sagte, dass sie erst 18 und von Natur aus so begabt war Jounouchi schlug ihm lachend auf die Schulter, so dass er sich beinahe an seinem Getränk verschluckte und ihn anschließend wütend ansah. Erst jetzt sah ich, dass er etwas gewachsen war und weniger kindlich wirkte als früher. Seine Augen hatten eine andere Ausstrahlung, sie waren auch etwas schmaler und erinnerten mich an den Anderen Yuugi. Was aus diesem wohl geworden war? Ich hatte die Geschichte um den „Pharao“ und Yuugi nie wirklich glauben wollen, doch die Magie des Orichalcos lehrte mich eines Besseren. Wenn es eine mystische Steine gab, die nach Seelen dürsteten, waren Geister aus der Vergangenheit gar nicht mehr so abwegig!
 

Der Andere Yuugi war wohl nicht mehr hier. Ich wagte nicht, nachzufragen, aus Furcht, ich könnte unangenehme Erinnerungen hervorrufen und beinahe verheilte Wunden aufreißen.
 

„An Otogi erinnerst du dich sicher auch noch, oder?“, kam es dann von dem Blonden, der nach seinem Glas griff und es mit einem Schluck leerte, was mich doch etwas verwunderte, da es sich um Wein handelte. Mein Nicken stellte ihn zufrieden und er berichtete weiter von dem erfolgreichen Unternehmer, der sich in Amerika einen Namen gemacht hatte und weitere Projekte anstrebte, einige davon sogar mit Zusammenarbeit der Kaiba Corporation. Dungeon Dice Monsters – kurz einfach nur DDM – war ebenfalls ein Kassenschlager, vor allem seit Otogi die Unterstützung der KC hatte. Alles, was Kaiba anfasste, wurde ein Erfolg – das musste man ihm wirklich neidlos zugestehen.
 

„Das ist wirklich unglaublich und es fällt mir schwer zu glauben, dass so viel Zeit vergangen ist“, sagte ich und lächelte. So viel Zeit. Zeit, in der ich mich selbst distanziert hatte. Zeit, in der wir uns voneinander entfernt hatten. Dabei war es so offensichtlich, dass weder Jounouchi noch Valon schlecht über mich dachten. Für sie hatte sich nichts geändert. Die einzige, die über ihren Schatten nicht springen konnte, war ich! Vielleicht war es auch diese Zeit und dieser Abstand, der dazu führte, dass ich nun in der Lage war, mich ihnen zu stellen. Ich war reifer geworden. Hatte die Welt gesehen und neue Leute kennengelernt. Ich hatte etwas in meinem Leben erlangt, das ich damals nicht hatte: Sicherheit und Vertrauen in meine Fähigkeiten. Erst jetzt wurde mir so richtig bewusst, wie dumm es von mir war, mir Vorwürfe zu machen. Ich hätte einfach nur einen Schritt auf sie zumachen müssen!
 

Aber das ist typisch für mich. Warum auch einfach, wenn es auch kompliziert geht?, dachte ich und zwang mich zu einem Lächeln.
 

„Ja, aber so ist das nun mal. Kaum macht man die Augen zu, sind schon wieder Jahre vorbei gezogen“, erwiderte Jounouchi und goss sich wieder etwas in sein Glas.
 

„Dann sollten wir die Feste wohl feiern wie sie kommen, oder?“, lachte Yuugi und wir stimmten ein. Noch immer staunte ich über die Trinkfestigkeit des Blonden.
 

„Es fühlt sich so anders an als früher...“, murmelte ich und neigte den Kopf.
 

„Wir sind eben erwachsen geworden, irgendwann werden wir das alle, nicht wahr?“, fügte Valon hinzu und sah mich an.
 

„Was ist denn eigentlich mit dir... du hast bisher kaum was gesagt!“, kam es vom Blonden, der beim sprechen unangenehm spuckte, was Valon verärgerte.
 

„Igitt! Spucke mich nicht an, du sabbernder Köter!“
 

„Tue ich doch überhaupt nicht!“, schimpfte er beleidigt zurück und verschränkte die Arme.
 

„Schon wieder!“ Valon rückte näher an mich heran, als wollte er Schutz bei mir suchen.
 

„Sag ihm, dass das eklig ist!“, bat er mich und ich grinste nur, während Yuugi leicht kicherte und Jounouchi beschämt errötete. Letztendlich sah er ein, dass Valon recht gehabt hatte.
 

Nachdem dieses kleine Problem gelöst war, erzählte der Brünette und ich musste leicht schmunzeln, als ich erkannte, wie sehr seine Augen funkelten und er sich freute. Seit geraumer Zeit arbeitete er in einem Restaurant als Kellner und ich musste mir den gutgebauten Valon im Anzug und weißen Hemd vorstellen, was mich amüsiert schmunzeln ließ. Er sah bestimmt gut aus, wenn er einen dunklen Anzug trug, aber ich war etwas überrascht, als mir klar wurde, dass er von einem Restaurant sprach, das nicht weit von meiner Geschäftsstelle entfernt lag.
 

Bedeutete dies, dass wir all die Zeit einander so nahe waren, ohne es überhaupt bemerkt zu haben? Das enttäuschte mich etwas, hätte ich das vorher gewusst, hätte ich schon viel früher ausgelassen bei einem Glas Wein mit ihm reden können. Trotzdem war es gut, dass mein Leben auf einmal eine solche Wendung nahm. Unbeabsichtigt räumte ich die Möglichkeit ein, dass wenn er in meiner Nähe arbeitete, er auch in meiner Nähe wohnen musste. Und der Kerl auf dem Motorrad, der mich so riskant auf der Straße überholt hatte, war er auch gewesen.
 

„Wo hast du die ganze Zeit gesteckt?“, fragte mich Yuugi und legte den Kopf leicht schief. Seine Geste wirkte so unschuldig, dass ich ungewollt lächelte.
 

„Ich hab mich von den Turnieren zurückgezogen...“, begann ich und überlegte, suchte nach den richtigen Worten.
 

„Ich wollte einfach von vorne anfangen und mich neu kennen lernen. Das klingt bescheuert!“ Ich versuchte meine Verlegenheit zu verbergen und lachte krampfhaft.
 

„Überhaupt nicht“, flüsterte der bunthaarige Junge, nippte an seinem Glas. Er hatte bisher nicht viel getrunken, dennoch schimmerten seine Wangen leicht rosa. Dann hob er seinen Blick und fügte noch etwas hinzu.
 

„Ich verstehe, was du meinst. Duel Monsters macht mir Spaß, aber langsam wird es Zeit der jüngeren Generation die Bühne zu überlassen und andere Wege einzuschlagen.“
 

„Oh, es klingt so unglaubwürdig, wenn du das sagst“, stellte ich fest und erwartete eine Antwort, die ausblieb. Yuugi schien tatsächlich Pläne für die Zukunft zu haben, die er hier nicht teilen wollte.
 

„Für uns alle wird es langsam Zeit, dass wir einen festen Platz finden und uns niederlassen“, mischte sich nun Jounouchi ein.
 

„Ja, das stimmt...“, nuschelte ich und starrte gedankenversunken auf die weiße Tischdecke.
 

Niederlassen? Innerlich resignierte ich. Genau das war es, was ich immer vermeiden wollte, was mir Angst machte. Mich binden zu müssen, bereitete mir Qualen, eine Art Schmerz, die ich nicht zu beschreiben wusste. Eine innere Zerrissenheit machte sich in mir breit, doch ich versuchte mir dieses aufkommende Gefühl, von meinen Begleitern nicht ansehen zu lassen und zwang mich dazu, weiterhin nach außen fröhlich zu wirken. Valon bemerkte dennoch, dass ich mir über etwas den Kopf zerbrach, stupste mich an und versuchte mich mit einem ermutigen Lächeln wieder aufzuheitern, was ihm nach außen hin auch gelang.
 

Yuugi machte deutlich, dass er mit Jounouchi gemeinsam den Spieleladen seines Großvaters übernehmen würde und einige Pläne für die Zukunft hatte. Er sagte, dass dieses Projekt, an dem er gerade arbeitete, immer noch streng geheim war und dass es sich hierbei um eine Zusammenarbeit mit einer großen Firma handelte, da er seit Jahren davon träumte, seine eigenen Spiele zu entwickeln.
 

Sein blonder Freund erzählte von seinem Job in einer Möbelfabrik, welchen er jedoch plante, zu kündigen, um auf Vollzeit im Kame Game Shop zu arbeiten. Während er davon erzählte, wurde mir bewusst, wie wenig ich ihn bisher gekannt hatte und dass ich den wahren Katsuya Jounouchi nie kennengelernt und nur einen winzigen Teil von diesem gesehen hatte. Er mochte Modellbauten? (siehe Manga) Das hätte ich ihm nicht zugetraut. War es wirklich möglich, dass ich so wenig von ihm wusste? Selbst über Valon wusste ich mehr und das ließ mich vor ihm zurückschrecken und ganz klein werden. Sie alle waren nun bereit einen neuen Lebensabschnitt zu bestreiten. Irgendwann hatte jeden von uns unbemerkt das wahre Leben eingeholt.
 

„Natürlich gebe ich meine Karriere als Pro Duelist nicht auf. Aber ich will Jii-chan nicht hängen lassen. Wenn Yuugi erst mal als Spieleentwickler anfängt zu arbeiten, verkümmert der Laden noch. Das will ich nicht zulassen“, meinte er selbstbewusst und nickte sich selbst zustimmend zu.
 

„Katsuya, ich habe nie gesagt, dass ich den Laden vernachlässigen werde. Sofern es mir möglich ist, werde ich weiterhin aushelfen“, erklärte Yuugi und warf ihn einen mahnenden Blick zu.
 

„Du weißt doch ganz genau wie dieser Kerl tickt. Glaubst du ernsthaft, der nimmt Rücksicht auf deine persönlichen Belange? Als ob es den jucken würde!“, grummelte Jounouchi erbost.
 

„Du weißt genau, dass du übertreibst. So schlimm ist er nun wirklich nicht. Du kennst ihn nur nicht so gut wie ich, also bitte mach dir keine Sorgen“, kam es beschwichtigend von dem Bunthaarigen.
 

Mein Blick schweifte zwischen den beiden hin und her und ich fragte mich, über wen sie sprachen und ob ich diese Person auch kannte. Auf jeden Fall schienen die beiden ihr Leben im Griff zu haben und eine ganz genaue Vorstellung ihrer Zukunft. Zudem verwunderte mich, dass sie sich vertraut beim Vornamen nannten, doch schnell schüttelte ich diesen Gedanken ab und lauschte amüsiert ihrem Gespräch. Jounouchi hatte noch einiges über diesen Kerl zu meckern, während Yuugi immer wieder das genaue Gegenteil behauptete.
 

„Ich kann ihn halt nicht leiden, okay?!“, fauchte Jounouchi und schmollte dann.
 

„Glaub nicht, dass dein Dackelblick bei mir zieht! Ich verstehe überhaupt nicht, warum du immer so auf Krawall gebürstet sein musst. Ignoriere ihn doch einfach und geh gar nicht erst auf seine Provokationen ein. Nur weil ihr damals einen schlechten Start hattet, heißt das ja nicht, dass das für immer zwischen euch stehen muss. Du musst lernen, die Vergangenheit einfach Vergangenheit sein zu lassen!“
 

Mir stockte der Atem und ich wiederholte Yuugis Worte mehrmals in meinem Kopf.
 

„Was geschehen ist, kann man nicht ändern, aber man kann daraus lernen. Er ist nicht mehr so wie früher und du weißt ganz genau, dass ich in ihm einen Freund sehe. Ich habe ihn verziehen, weil ich keine Lust habe, in der Vergangenheit zu leben. Mir ist es wichtiger, mich auf das zu konzentrieren, was heute und morgen wichtig ist“, setzte er dann noch mit einem Seufzen an. Jounouchi antwortete darauf nicht und nickte nur still.
 

Ich hatte keinen Schimmer über wen sie da sprachen, aber die Kernaussage traf mich hart. Nicht der Vergangenheit hinterher trauen und weiter machen. Nicht stehen bleiben. Nicht zurückblicken. Sich auf das konzentrieren, was wirklich wichtig war. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich nie irgendjemanden an mich herangelassen, hatte stets versucht mich selbst zu schützen und hatte mich somit selbst in einen Käfig gesperrt und in die Einsamkeit gedrängt. War es ein Fehler gewesen, alle von mir zu weisen und zu erwarten, dass sie mir hartnäckig hinterherliefen, nur um herauszufinden, ob ich ihnen wirklich vertrauen konnte? Wie selbstsüchtig und dumm ich gewesen war.
 

An diesem verregneten, aussichtslosen Abend, an dem ich sämtliche Hoffnung auf Glück aufgegeben hatte, hatte Valon mir seine Hand in grenzenloser Güte entgegen gestreckt und mich nicht losgelassen, ehe ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Es kam mir so unwirklich und heuchlerisch vor, dass ein junger Mann wie er tatsächlich Gefühle für jemand so Verabscheuungswürdigen wie mich hatte und dabei auch noch so stur und eigensinnig blieb. Aber so war Valon nun einmal, hartnäckig bis zum bitteren Ende. Er lief mir immer hinterher und ich schämte mich dafür, dass ich ihm nie freundlich begegnet war.
 

Ich erinnerte mich noch gut an die Zeit in der DOMA, an mein erstes beängstigendes Treffen mit ihrem Anführer Dartz, der mir scheinheilig seine Hand auf die Wange legte und mir Verständnis und Fürsorge vorgaukelte, wo er doch in Wirklichkeit alles andere als ein Heiliger war. Wie verzweifelt ich damals gewesen sein musste. War das alles wirklich geschehen? Es fühlte sich so irreal an und es war wie ein Traum, dass wir so ausgelassen hier an einem Tisch saßen und miteinander sprachen, als wäre nie etwas gewesen. Aber wäre das alles nicht passiert, würde ich auch heute noch umherirren, nach der Suche nach einer Bestimmung und einem Sinn in meinem Leben.
 

Valon legte eine Hand auf meine Schulter, drängte mich dazu, aufzustehen. Außer uns hatten alle den Raum verlassen und waren auf ihre Zimmer gegangen. Es war bereits Elf Uhr nachts und ich fühlte mich auf einmal ganz schwerfällig. Lag das am Wein oder an der Reue, die ich verspürte? Dieser schöne Abend und unser ausgelassenes Lachen hätte ich so viel früher haben können, wäre ich doch nur über meinen eigenen Schatten gesprungen. Hätte ich doch nur eher den Mut gehabt, mich ihnen und meiner Vergangenheit zu stellen. Ich entschloss mich dazu, ab jetzt nur noch für die Zukunft zu leben.
 

Jounouchi und Yuugi teilten sich ein Zimmer, also blieb ein Zimmer übrig, so dass Valon, obwohl er kein offizieller Teilnehmer mehr war, ebenfalls ein eigenes Zimmer bekam. Gemeinsam gingen wir den Gang entlang, sein Zimmer war direkt neben meinem. Wir blieben stehen. Ich zögerte und starrte die hellblaue Tapete an, die mit kleinen Ornamenten verziert war. Kleine Weiße Drachen waren handgemalt in der Musterung, einmal mehr ein Zeichen für Kaibas bedingungslose Liebe für dieses Monster. Unsicher wanderte mein Blick hin und her. Was sollte ich ihm sagen? Etwas ungeschickt fing ich an mit einem: „Es war ein schöner Abend“an, kam mir aber unglaublich dumm vor, so etwas Klischeehaftes gesagt zu haben. Klang ja echt wie der Text in einer mittelmäßigen Telenovela. Absolut nicht mein Stil.
 

„Ja, das war er. Wir sollten das auf jeden Fall wiederholen.“ Er senkte den Kopf, hibbelte verlegen ein wenig herum.
 

„Auf jeden Fall“, murmelte ich und starrte unbeholfen eine der Pflanzen an, die einem verzierten Topf gepflanzt war – selbstverständlich im schicken Drachendesign, genau nach Kaibas Geschmack.
 

„Wie wäre es...? Ich könnte ja bei dir schlafen!“, lachte er und wirkte äußerst zufrieden mit sich selbst.
 

„Überspann den Bogen nicht, mein Lieber...“ Nun sah ich ihn doch an und hob eine Augenbraue.
 

„Schon klar, schon klar.“ Grinsend knuffte er mir in den Oberarm.
 

„Ich wünsche dir eine Gute Nacht, Mai“, flüsterte er mir entgegen und küsste mich leicht auf die Wange.
 

„G-gute Nacht“, entwich es krächzend meiner Kehle und ich verschwand aufgeregt in meinem Zimmer, ließ ihn zurück. Wieso gab er mir einen Kuss? Gut, es war zwar „nur“ ein Wangenkuss, aber trotzdem! Es störte mich nicht, nein, eher im Gegenteil und der Gedanke, dass ich mich so darüber freute, machte mich nervös. Das war naiv, ich war nicht in ihn verliebt. Zumindest wollte ich mir das einreden, sicher war ich mir nicht, da ich noch nie aufrichtig in jemanden verliebt war und daher nicht sagen konnte, ob dieses angenehme Kribbeln überall auf meiner Haut wirklich das bedeutete, was ich glaubte.
 

Das ist ein Fehler... am Ende wirst du nur wieder verletzt, ermahnte mich mein Verstand, doch mein Herz sagte etwas Anderes. Ergreife die Chance und fang endlich an, zu leben!, waren die Worte, die in meinem Herzschlag widerhallten.

An akward confession

Es war nur ein kleiner unbedeutender Wangenkuss, der meine Gefühlswelt total auf den Kopf warf und mich mit Verwirrung zurückließ. Welche Reaktion hatte er erwartet? Er kannte mich einfach zu gut, vermutlich war ihm von Anfang an klar gewesen, dass ich nicht in der Lage sein würde ihn direkt zu konfrontieren. Ich atmete tief ein und wieder aus, wandelte durch den Raum und setzte mich auf das große, luxuriöse Bett, um dann gedankenlos die Wand anzustarren. Heute war so viel geschehen, mit dem ich nicht gerechnet hatte, dass ich bezweifelte überhaupt einschlafen zu können. Noch einmal ging ich mein Deck durch, betrachtete jede Karte eingängig und überlegte, welche Strategie am besten wäre und ob es irgendwelche Kombinationen gab, die meine morgigen Gegner erstaunen würden.
 

Vivian schrieb ich eine SMS, berichtete ihr davon, dass ich unter die besten Acht gekommen war und vielleicht sogar die Chance hatte das Turnier zu gewinnen. Grinsend warf ich meinen Kopf in den Nacken. Einige Gegner waren echt harte Brocken! Hatte ich da überhaupt eine Chance? Oder war ich wieder viel zu pessimistisch? Besonders Yuugi machte mir Sorgen, denn die Zusammenstellung seiner Karten war ganz anders als in meiner Erinnerung und nicht mehr so leicht vorhersehbar.
 

Früher konnte ich ganz genau sagen, welche Karten sich in seinem Deck befanden, doch mittlerweile hatte er viel geändert und nicht gerade wenige Karten ausgetauscht. Tatsächlich waren nicht mehr Magier der Hauptbestandteil seines Decks, sondern auch Drachen und einige andere Monster. Je mehr ich grübelte, desto nervöser wurde ich. Ein guter Duellant wusste, wie wichtig es war, seine Strategie zu überdenken und sich weiter zu entwickeln. Als Gegner war Yuugi jemand, zu dem man hinauf sah. Seine Fähigkeit sich jeder Begebenheit in einem Duell anzupassen, war außerordentlich und nicht grundlos wurde er von den Massen der begeisterten Duel Monsters Fans weltweit gelobt.
 

Die Abwechslung tat mir unglaublich gut. Diese alten Gesichter wiederzusehen und neue Erinnerungen zu sammeln, die meine schlechten Gedanken überschatteten, gab mir die Kraft, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch eines störte mich. Immer noch hatte ich den Drang, mich aufrichtig bei Valon und bei Jounouchi zu entschuldigen. Für mein schlechtes Verhalten. Dafür, dass ich wortlos aus ihrem Leben verschwunden bin. Durch den Alkohol in meinem Blut wuchs mein Tatendrang. Von Müdigkeit war keine Spur. Nein, viel mehr wollte ich noch mehr mit ihnen reden. Valons Kuss auf meine Wange stellte meine Welt Kopf und ich wusste, dass ich ihn mochte, doch ich hatte immer noch die Sorge, dass ich Jounouchi mochte und ihn nur aus Ersatz nahm. Ich wollte Valons aufrichtige Gefühle nicht verletzen und erst recht nicht seine Güte, nur weil ich zu feige war, das zu sagen, was mir auf dem Herzen lag.
 

Hätte ich von Anfang an mit offenen Karten gespielt und nicht so krampfhaft versucht, unnahbar zu sein, hätten viele Missverständnisse vermeiden werden können. Hätte ich Jounouchi schon damals während des Battle City Turniers gesagt, dass ich ihn mochte, hätte ich diese Gefühle nicht die ganze Zeit mit mir rumschleppen müssen. Und weil ich zu feige war, ihm zu sagen, was ich empfand, habe ich ihn als Sündenbock genommen, um meine eigene Unfähigkeit auf ihn abzuwälzen. Ich wollte ihn hassen, dafür, dass er von selbst nicht gemerkt hat, dass ich mehr Zeit mit ihm verbringen wollte, doch eigentlich hätte ich doch nur den Mund aufmachen müssen, hielt ich meinen eigenen Monolog ab und ließ mich rücklings auf Bett fallen und seufzte.
 

Und ich hätte mich für die Umstände entschuldigen müssen, die ich ihm und seinen Freunden bereitet habe. Stattdessen habe ich den Schwanz eingekniffen und bin abgehauen, habe einfach so getan, als wäre nie etwas passiert. Scheiße, ich war echt ekelhaft..., knurrte ich und erhob mich wieder vom Bett. Verdammt! Das war zum Haare raufen!
 

All das Denken war viel zu anstrengend! Eines war klar, ich wollte ihre Freundin sein. Ich wollte mit ihnen lachen und wenn ich das wollte, musste ich endlich mit meiner Vergangenheit abschließen und mich entschuldigen, ansonsten würde dies für immer auf meiner Seele lasten und mich herunterziehen. Also entschloss ich mich dazu, meinen Raum zu verlassen. An schlafen war ohnehin nicht zu denken. Ein bisschen frische Luft würde mir sicher guttun.
 

Leise schloss ich die Tür und blieb wenige Sekunden vor dieser stehen, starrte die geschlossene Tür von Valon an. Vermutlich schlief dieser schon. Ratlos schlenderte ich durch den Flur, kam nicht drum herum, vor Jounouchis und Yuugis Raum stehen zu bleiben. Wo war die Zeit nur hin? Sie hatten sich beide zu jungen Männern entwickelt. Unter dem Türspalt war Licht zu sehen, also waren sie noch wach. Ich biss mir auf die Unterlippe.
 

Meine Beine hatten mich hierher getragen und ich haderte, ob ich klopfen sollte oder nicht. Mein Herz raste unaufhaltsam, der laute Herzschlag schallte in meinen Ohren wider. Es gab noch so viel, was ich Jounouchi sagen wollte, nein, was ich ihm sagen musste und ehe ich mich versah, klopfte ich an die hölzerne Tür.
 

Jounouchi öffnete die Tür und betrachtete mich mit fragenden Blick, hob verwundert eine Augenbraue.
 

„Uhm“, begann ich und hob dabei etwas unschlüssig meine rechte Hand, als wollte ich ihm winken, was nicht nur total albern, sondern auch peinlich war. Verwirrt sprach er meinen Namen aus und sah mich mit großen Augen an. Erst jetzt erkannte ich, dass er nur sein T-Shirt und eine Unterhose trug. Mit knallrotem Gesicht wandte ich verschämt den Blick ab, versuchte es zu vermeiden ihn anzusehen, kam aber nicht drum herum mir zu denken, dass dieses Blau ihm gut stand.
 

„Ich wollte gerne mit dir reden, Jounouchi. Geht das?“, fragte ich, versuchte mir nicht ansehen zu lassen, wie peinlich mir die ganze Situation war. Er schien zu überlegen.
 

„Gut, aber ich ziehe mir erst mal eine Hose an.“
 

Damit ließ er mich für einen Moment allein und als er wieder kam, linste ich beim Öffnen der Tür in den Raum. Yuugi sah uns hinterher, aber ich konnte nicht deuten, was gerade in ihm vor sich ging. War er genervt, dass ich zu so später Stunde ihre Ruhe gestört hatte und seinen besten Freund einfach entführte? Oder war es noch etwas Anderes? Hatte ich die beiden bei einem wichtigen Gespräch gestört? Die Antwort konnte ich mir nicht zusammenreimen.
 

Es war dunkel und der eiskalte Nachtwind streichelte angenehm mein Gesicht, meinen Kopf den Himmel entgegen reckend, erkannte ich einige Sterne und den leuchtenden Mond, der mit seinem Schein auch in einer Nacht wie dieser wenigstens etwas Licht spendete. Schon als Kind hatte ich stundenlang den Sternenhimmel betrachtet, vergaß alles um mich herum und blendete für einen Moment die Realität aus. Mitten in der Nacht in einem Freizeitpark hatte schon etwas Romantisches an sich und trotzdem war mein Herz schwer. Ich wollte einen Schlussstrich ziehen. Ich wollte einen Neuanfang. Mit Valon und mit Jounouchi.
 

Es war das erste Mal, dass wir nur unter uns waren. Damals hatte ich gehofft, dass wir eines Tages so zusammen gehen würden, doch jetzt konnte ich nicht sagen, ob es sich so anfühlte, wie ich es mir erträumt hatte. Es war anders. Ich war ruhig, wo war der wilde Herzschlag von damals? Der, der mich jedes Mal begleitete, wenn ich ihn sah? Stillschweigend gingen wir durch den Kaiba Park, genossen die Stille und die Frische, die uns umgab. Dennoch wurde ich das dumpfe Gefühl nicht los, dass wir beobachtet wurden. Ein paar Mal drehte ich mich noch um, konnte aber niemanden erkennen. Also redete ich mir ein, dass ich mir das eingebildet haben musste. Wie hätte es auch anders sein können? Vorsichtig blickte ich zu Jounouchi, dieser lief völlig ruhig mit seinen Händen in den Hosentaschen und den Kopf in den Wolken, wie man so schön sagte, vor mir her.
 

Vor einem großen Gebäude, zu dem eine weite Treppe führte, waren zwei Statuen des weißen Drachens positioniert, vor einer von ihnen blieben wir stehen. Synchron lehnten wir uns an den Sockel, ich lächelte etwas, doch er bemerkte es nicht. Plötzlich sah er mich erwartungsvoll an, so als würde er eine Antwort suchen und glauben, sie bei mir zu finden. Ein leichter Schauer überkam mich und ich fröstelte ein wenig.
 

„Warum wolltest du mit mir reden?“, erkundigte er sich, doch ich wusste keine passende Antwort.
 

„Nur so“, log ich und wollte am liebsten das Thema wechseln, er spürte, dass ich nicht die Wahrheit sagte. Natürlich glaubte er mir nicht. Jetzt, wo wir hier so standen, verspürte ich wieder Angst. Was, wenn er mir sagte, dass er nicht mal mehr mit mir befreundet sein wollte? Was, wenn er mir sagte, dass er mir nicht verzeihen konnte?
 

„Du lügst, Mai“, erwiderte er, verschränkte die Arme und machte einen leicht eingeschnappten Eindruck.
 

„Stimmt...“, hauchte ich, sprach weiter. „Ich wollte mir dir reden.“
 

„Worüber?“ Er drehte den Kopf weg, auf einmal wirkte er nicht mehr so gelassen.
 

„Es gibt so vieles, das ich dir sagen wollte. Aber jetzt? Nur eines gibt es, was ich dir sagen muss, weil ich ansonsten fürchte, dass ich dir nie wieder in die Augen sehen kann.“
 

„Und das wäre?“ Nun sah er mich wieder an, erwartungsvoll und in voller Unkenntnis.
 

„Es tut mir Leid. Verzeih mir.“
 

Meine Stimme war gefasst, obwohl es mir so unendlich schwer fiel, diese Worte auszusprechen. Er stieß sich vom Sockel der Statue ab und starrte mich ungläubig an. Seine Reaktion machte es mir noch schwerer. Hatte er echt keine Ahnung, wovon ich sprach? Er konnte doch allen Ernstes vergessen haben, was zwischen uns vorgefallen war? Wie schlecht ich ihn behandelt hatte?
 

„Gomen, ich komme gerade echt nicht drauf klar. Was tut dir leid?“, fragte er und sah mich verdutzt an.
 

Nachdem er das sagte, stieß auch ich mich von der Wand ab, drehte ihm den Rücken zu, da ich nicht den Mut hatte, ihm direkt ins Gesicht zu sagen, was mich seit Jahren so belastet hatte. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen.
 

„Ich war eine Idiotin. Es war so sagenhaft bescheuert, was ich dir... und auch den anderen angetan habe.“
 

„Ach, das meinst du...“, murmelte er, ging nicht weiter darauf ein, wartete, dass ich weiter sprach.
 

„Ich war so verzweifelt, wusste nicht, was ich tun sollte und irgendwann habe ich nur noch nach einem Schuldigen gesucht. Meine Gedanken waren erfüllt von dir, egal was ich tat, ich dachte immerzu an dich. So wichtig warst du mir. Und obwohl du mir so wichtig warst, habe ich dir die Schuld gegeben, um mich besser zu fühlen.“
 

Es tat gut mein Herz auszuschütten, endlich hatte ich die Kraft das auszusprechen, was ich bisher nie in Worte fassen konnte. Hätte ich mich umgedreht, hätte ich gesehen, wie rot er geworden war.
 

„Mai, du musst mir das nicht erzählen. Das gehört der Vergangenheit an.“
 

„Lass mich ausreden.“
 

„Ich hatte mich verzweifelt an Dartz geklammert und dich zum Sündenbock gemacht, habe dir Dinge an den Kopf geworfen, die dich sehr verletzt haben mussten. Dinge, von denen ich selbst wusste, dass sie nicht wahr waren, nur um mich selbst besser zu fühlen!“
 

„Warum sagst du mir das jetzt alles?“
 

Ja, warum hatte ich nicht schon eher den Mumm dies zu sagen?
 

„Weil ich nie die Gelegenheit dazu hatte, mich für meine Taten zu entschuldigen.“
 

„Mai... nichts kann ändern, was geschehen ist, das weißt du doch am besten.“
 

„Ich weiß. Deshalb möchte ich dir nur sagen, dass du ein toller Freund warst und ich sehr stolz bin, dich kennengelernt zu haben. Durch dich hat mein Leben erst wieder Sinn gemacht. Dafür danke ich dir. Ich will mir gar nicht vorstellen, was geschehen wäre, wenn ich dich nicht getroffen hätte. Und ich kann auch verstehen, dass du nicht mehr mit mir befreundet sein willst. Das ist voll okay für mich, ich habe es nicht besser verdient.“
 

Ich drehte mich zu ihm und sah ihn tapfer an. In meinen Augenwinkeln sammelten sich Tränen.
 

Ich wünschte, du würdest mich hassen! Sei wütend auf mich! Sag mir, wie sehr ich dich verletzt habe, damit ich endlich Antworten auf meine Fragen bekomme! Sei wütend, denn das macht es mir leichter..., dachte ich, aber sagen konnte ich diese Worte nicht, denn in meinem Hals befand sich ein gigantischer Kloß und zu meinen Füßen ein Abgrund, der mich hinabzureißen drohte.
 

„Sag doch so etwas nicht“, lachte er und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
 

Warum lächelst du? Macht es dir wirklich nichts aus?, kam es mir in den Sinn.
 

„Nein, es ist die Wahrheit. Und außerdem... habe ich dich geliebt. Mehr als jeden anderen Mann zuvor.“
 

„D-du h-hast mich g-geliebt?“, stotterte er und machte einen Ausfallschritt nach hinten, als wollte er damit zeigen, aus allen Wolken zu fallen.
 

„Nun ja...“ Ich errötete, wusste nicht, was ich ihm erwidern sollte und hob meine Hand vor die Brust, um mich instinktiv zu schützen. Für jeden war es ersichtlich. Nur für ihn nicht. Für ihn war ich nur eine Freundin, eine Duellantin. Jemand, der denselben Weg teilte. Nakama.
 

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, sagte er mit fester Stimme. Sofort war die Albernheit verschwunden und er wurde wieder ernst.
 

„Ich habe nie gemerkt, wie du fühlst... das muss dir sehr wehgetan haben. Tut mir sehr leid, dass ich nichts bemerkt habe. Ich bin nicht gerade der größte Romantiker da draußen“, fuhr er fort, kratzte sich verlegen am Hinterkopf und zwang sich zu einem leisen Lachen.
 

„Nein, schon gut.“ Ich warf mein Haar zurück und schloss mich seinem Lachen an.
 

„Ich fühle mich echt geehrt und so, aber ich kann nicht mit dir zusammen sein. Ich empfinde nicht dasselbe für dich. An einem Punkt war ich ein bisschen in dich verknallt, aber es ist echt viel passiert. Und dann warst du einfach weg. Ich wollte nicht warten. Ich war noch nie besonders geduldig. Verstehe das jetzt nicht falsch!“, sagte er und hob die Hände in die Höhe, versuchte abzuwinken und suchte nach den richtigen Worten. Wir standen einander gegenüber wie kleine Kinder, ängstlich und zurückhaltend.
 

„Du warst mir damals sehr wichtig. Und auch heute bist du mir wichtig! Ich habe zu dir hochgesehen, weil du stark und selbstbewusst warst. Ich dachte immer: So mutig und selbstbewusst will ich auch mal sein! Ich fand deine ganze Ausstrahlung einfach toll. Du warst so erwachsen und ich war nur ein ahnungsloses Kind“, fing er an und senkte den Blick.
 

„Im Königreich der Duellanten hast du echt den Boden mit mir gewischt... durch dich habe ich erst kapiert, dass Duel Monsters viel mehr ist als ein Kartenspiel. Das ist ein Kampf der Seelen. Du hast Duel Monsters nie auf die leichte Schulter genommen und ich als totaler Anfänger hatte mich total überschätzt. Habe echt geglaubt, ich sei voll der Macker und dass ich mit Leichtigkeit gewinnen würde. Du hast mich sehr beeindruckt und auch heute sehe ich nur eine starke Frau, die ihren Weg geht.“
 

„Jounouchi...?“, fragte ich unsicher nach und wurde knallrot im Gesicht. Wie konnte er so nette Dinge über mich sagen? Wie konnte er nach allem, was ich getan hatte, immer noch so liebe Worte für mich übrig haben?
 

„Aber ich habe halt nur das gesehen, was du nach außen hin gezeigt hast. Ich sagte ja, mit Gefühlen und so bin ich echt nicht so gut. Ich lerne langsam und brauch manchmal echt lange, bis ich was kapiere. Erst in Battle City wurde mir klar, dass du nur nach außen hin so stark tust, aber ich wollte dich nicht bevormunden. Ich wollte nicht, dass du denkst, dass du schwach bist, nur weil andere dir dieses Gefühl geben. Niemand will bemitleidet werden. Ich habe echt geglaubt, dass du da allein wieder rauskommst und dass du uns als deine Freunde ansiehst. Ich war ein Arsch“, sagte er und knurrte aus Wut über sich selbst. Wortlos stand ich da. Ich biss mir auf die Unterlippe.
 

Hör auf... du sagst das so, als wäre das alles deine Schuld! Aber das ist es nicht...
 

„Aber da lag ich falsch. Wir hätten da sein müssen. Ich hätte für dich da sein müssen, aber ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt und viel zu stolz. Sollte keiner merken, dass der coole Jounouchi auch eine weiche Seite hat. Ich war halt ein dummes Kind mit einem kindischen Ego. Deshalb habe ich dir deine Entscheidung nie vorgeworfen. Wenn überhaupt, ist es dein gutes Recht wütend auf mich zu sein. Ich bin der Erste, der für seine Freunde ins Feuer springt. Haha“, setzte er ein zwanghaftes Lachen an.
 

„Für Yuugi war ich bereit zu sterben, doch zu dir habe ich nicht mal den Kontakt gesucht. Hab groß getönt, dass ich dich retten will und so, aber letzten Endes war ich ein schlechter Freund und habe dich im Stich gelassen. Kein Wunder, dass du Angst hattest, dich mir zu stellen. Deshalb möchte ich dir sagen, dass ich mit dir befreundet sein will. Ich bin jetzt erwachsen genug, um die Gefühle meiner Mitmenschen zu verstehen. Auch wenn ich nicht mit dir zusammen sein kann und deine Gefühle nicht erwidere, will ich als Freund hinter dir stehen. Also denke bloß nie wieder da daran, dass du mir nicht wichtig wärst! Hörst du? Wir sind Freunde!“
 

„Danke, Jounouchi. Du bist ein guter Freund“, flüsterte ich und wischte die Tränen weg.
 

Er legte seine Hand auf meinen Kopf, strich mir sanft und fürsorglich über mein Haar. Jetzt war nicht er das Kind, sondern ich. Dabei war er doch so viel jünger als ich!
 

„Ich bin froh, dass wir da aus der Welt schaffen konnten. Lass uns dieses Mal im Kontakt bleiben. Wir können ja unsere Daten austauschen und solange ich hier in Amerika bin, können wir uns sicher auch noch mal treffen. Yuugi ist nicht nur wegen dem Turnier hier, sondern auch geschäftlich“, meinte er dann und zückte sein Smartphone aus der Tasche.
 

„Das muss ein sehr großes und enorm wichtiges Projekt sein. Ich frage mich, was da hinter steckt“, murmelte ich und war irgendwie unheimlich froh, dass wir vom Thema abgekommen waren.
 

„Jounouchi, hast du denn jemanden, den du gern hast?“
 

„Jup, bin seit drei Jahren vergeben und wir leben auch zusammen“, meinte er nur ganz nebenbei und ich zog verwundert die Augenbrauen hoch. Er ließ diese Bemerkung so ganz nebenbei fallen, als wäre sie unwichtig, nicht mal erwähnungswert.
 

„Mai, ich hoffe, du findest den Richtigen. Gib Valon eine Chance. Der ist seit sechs Jahren verzweifelt auf der Suche nach dir“, sagte er dann, während wir unsere Daten untereinander tauschten.
 

„Wie meinst du das...?“, wiederholte ich ungläubig.
 

„Genauso wie du hat er die Welt bereist. Aber er hat nicht nach neuen Kontrahenten gesucht, sondern nach dir. Er wollte dir unbedingt deine Karte zurückgeben. Er hat es sehr bereut, dass du vor drei Jahren deine Karriere als Duellantin vorzeitig beendet hast. Dass er hier ist, ist kein Zufall. Und auch ich möchte dich um etwas bitten.“
 

„Was möchtest du von mir?“
 

„Du bist eine begnadete Duellantin. Verschwende dein Talent nicht so und werde wieder aktiv! Die Qualität der Duelle nimmt jedes Jahr ab und die meisten Anfänger steigen nach nur wenigen Monaten aus der Liga aus. Nur die wenigsten lieben Duel Monsters so sehr wie du. Dürstet dein Herz denn nicht danach, wieder im Ring zu stehen und deine Karten in der Hand zu halten? Ich will dich nicht dazu zwingen, wieder aktiv zu spielen, aber vielleicht ändert das Turnier ja deine Meinung. Yuugi und auch ich würden gerne mal wieder gegen dich spielen.“
 

„Ich denke darüber nach“, meinte ich leise. Er musste das gar nicht sagen. Meine Seele schrie nach einem wahren Duell! Ich vermisste die Aufregung in einem Duell! Ich wollte mein Können beweisen und zeigen, dass niemand Kujaku Mai auf die leichte Schulter nehmen durfte. Mit ihm gesprochen zu haben, schenkte mir neuen Mut. Ich glaubte, dass ich endlich bereit war, mit der Vergangenheit abzuschließen.
 

Gemeinsam gingen wir zurück, wieder hatte ich das Gefühl, dass da jemand war, der uns beobachtete. Ich schüttelte den Kopf. Vermutlich war es einfach nur meine Müdigkeit oder der Alkohol, die mir Dinge vorgaukeln wollten, die nicht da waren. Als wir das Gebäude erreichten und wir zu den Gästezimmern kamen, merkten wir, dass Yuugi sich nicht zu Bett gelegt, sondern geduldig gewartet hatte. Die beiden wünschten mir eine „Gute Nacht“, das ich erwiderte. Es war bereits nach Eins, so langsam sollte auch ich ins Bett gehen. Kurz bevor ich mich in mein Bett legte, glaubte ich, ein Geräusch aus dem Flur zu hören, so, als hätte jemand vorsichtig eine Tür geöffnet und geschlossen. Aber ich machte mir keine weiteren Gedanken und schlief mit Genugtuung ein. Endlich war eine Last von meinen Schultern genommen worden.
 

Jetzt muss ich mich nur noch bei Valon entschuldigen... dieser Idiot. Immer läuft er mir hinterher... wie kann er nur sechs Jahre eine Frau hinterherlaufen, ohne überhaupt zu wissen, wo sie ist? Der hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank, fluchte ich gedanklich, doch in Wirklichkeit war ich glücklich.
 

So unendlich glücklich, dass er all dies auf sich genommen hatte, nur um mich zu sehen. Er kämpfte um mich. Er wollte so sehr an meiner Seite sein, dass er alles andere vergaß und dieses Gefühl, so bedingungslos geliebt zu werden, ließ mich all meine Sorgen vergessen und ich schlief mit einem wohligen Seufzer ein.

Delightful heartbeat

Durch die Vorhänge schien das Sonnenlicht, kitzelte mich ungefragt aus meinem Schlaf. Murrend drehte ich mich auf die andere Seite, schnappte mir das Kissen und verdeckte damit meinen Kopf, um auf diese Weise das nervtötende Sonnenlicht abzuschirmen. Im selben Moment wurde mir klar, wo ich mich befand. Das hier war nicht mein Kissen und noch viel weniger mein Schlafzimmer in meiner gemütlichen Wohnung. Ich seufzte, warf das Kissen zur Seite und setzte mich auf. Mit müden Blick sah ich mich um, es dauerte einige Sekunden ehe meine Augen sich an das Tageslicht gewohnt hatten. Gähnend stand ich auf, hörte ein Klopfen. Aufmerksam sah ich zur Tür. Wer störte so früh am Morgen?
 

„Kujaku-san“, hörte ich eine dumpfe, mir unbekannte Stimme, aus dem Flur und richtete mich nun völlig auf. Es musste einer der Angestellten sein.
 

„Ja, bitte?“, fragte ich, öffnete die Tür jedoch nicht. Da ich nur meine Unterwäsche trug, wollte ich mich zuerst duschen und dann anziehen.
 

„Guten Morgen, Kujaku-san. Ich hoffe, Sie hatten einen erholsamen Schlaf. In einer halben Stunde ist das Frühstück angerichtet, danach werden Sie weitere Informationen erhalten. Ich empfehle mich.“
 

Obwohl er meine Geste nicht sehen konnte, nickte ich ihm, oder viel eher mir selbst zu und begab mich in das Badezimmer. Jedoch kam ich nicht drumherum, mich zu wundern, dass dieser Angestellte mich auf Japanisch ansprach, aber vermutlich lag es daran, dass Kaiba selbst ein gebürtiger Japaner war und er er seine Belegschaft dazu angewiesen hatte, uns Japaner entsprechend anzusprechen. Es war etwas ungewohnt, auf Japanisch angesprochen zu werden, wo ich doch schon einige Jahre hier in Amerika verbracht und mich an die Landessprache gewöhnt hatte.
 

Staunend betrachtete ich die große Dusche und die schönen, beinahe strahlenden Fliesen, die hier ausgelegt waren. Das war purer Luxus. Typisch für Kaiba mit seinem Reichtum anzugeben und diesen überall zur Schau zu stellen, wo es ihm irgend möglich war! Nachdem ich meinen Körper unter dem heißen Wasser mit den wohlig duftenden Duschgel und dem blumigen Haarshampoo verwöhnt hatte, zog ich mich an, setzte Parfüm auf und verließ das Zimmer. Kurz schloss ich die Augen, streckte meine Glieder, ehe ich weiter ging. Auf einmal fühlte ich einen unangenehmen Zwang mich nicht zu bewegen und an die Wand neben mich zu starren. Das war wohl der berühmtberüchtigte siebte Sinn, der immer dann ausschlug, wenn unser Unterbewusstsein glaubte, dass irgendetwas nicht stimmte. Instinktiv hatte ich gespürt, dass hier etwas war, dass dort nicht sein sollte.
 

„Valon?!“, kreischte ich erschrocken, tapste unbeholfen einige Schritte zurück und verlor beinahe das Gleichgewicht.
 

Warum stand er hier? Und am allerwichtigsten; wieso hatte er nicht sofort auf sich aufmerksam gemacht? Ungewollt verengte ich meine Augen zu Schlitzen, wollte ihm irgendetwas entgegen schleudern, doch ehe ich das tun konnte, kam er mir näher und wünschte mir einen guten Morgen. Etwas perplex öffnete ich meinen Mund einen Spalt breit, signalisierte wohl damit, dass er mir die Sprache verschlagen hatte, so dass er zufrieden eine Hand auf meinen Rücken legte und mich den Gang entlang schob.
 

„Komm schon, alte Trantüte!“, witzelte er und bezog sich mit seinen Worten darauf, dass er hier auf mich gewartet hatte.
 

„Was hast du vor meiner Tür gemacht?“, fragte ich und schüttelte ihn ab. Resigniert zog er seinen Arm zurück.
 

„Na, was wohl! Ich hab auf dich gewartet. Ihr Frauen braucht immer so lange im Bad!“ Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und lachte.
 

„Das wäre nicht nötig gewesen“, erwiderte ich knurrend, errötete und ging stur den Gang entlang. Gemeinsam stiegen wir die Stufen hinab.
 

„Ach was, in Wirklichkeit freust du dich doch, dass ich hier bin. Stimmt's?“
 

„Überhaupt nicht. Wenn ich dich so früh sehen muss, wird mir schlecht!“
 

Mit diesen Worten machte ich meine Position deutlich. Wieso durchschaute er mich so gut? Valon gab nie auf und es war egal, wie oft ich ihn von mir stieß, immer kehrte er zu mir zurück. Und dieses Wissen, dass er mir verzieh und für mich da war, selbst wenn ich unglaubliche Dummheiten machte, gab mir Seelenfrieden. Ich fühlte mich sicher. Wie sehr er mich liebte, wurde mir gestern klar. Als ich Valon gestern unter diesem Baum getroffen hatte, hatte er gesagt, dass er nach mir gesucht hätte und Jounouchi hatte dies bestätigt. Sturer Idiot, schoss es mir durch den Kopf. Aber ich bin so dankbar, dass du für mich da bist.
 

„So stur wie immer, hm? Du änderst dich nie. Aber das mag ich so an dir.“
 

Auf einmal war er wieder ernst, ich wollte meine Verlegenheit verbergen und wurde wieder frech.
 

„Du bist ein Dummkopf, tu nicht so, als würdest du mich verstehen.“
 

Hoffentlich sah er nicht mein gerötetes Gesicht. Ich war verlegen.
 

„Sag ich doch, du hast dich kein bisschen verändert!“
 

Dann lachte er zufrieden, überholte mich wieder, beugte sich zu mir. Mein Herz machte einen Aussetzer, mein Körper gehorchte mir für einen Moment nicht und ich blieb stehen. Wieso kam er mir schon wieder so nah? Dabei wusste er ganz genau, dass ich so etwas nicht mochte und dass es mir unangenehm war, wenn man mir ungefragt so auf die Pelle rückte. Wir hatten viel Zeit miteinander verbracht, während wir beide als Handlager von Dartz arbeiteten. Damals war es nicht zu verhindern, dass wir uns näher kamen und einander von Seiten kennen lernten, die wir zu verbergen versuchten. Egal was er tat, immer hatte ich das Gefühl, dass er mich verstand und meine Gedanken lesen konnte. Auch jetzt wieder. Er spielte mit mir, wusste er doch ganz genau, wie es nun in mir aussah.
 

„Mai“, hauchte er mir entgegen und ich fühlte mich unsicher und geborgen zu gleich.
 

Ich hatte Angst und war dennoch voller Vorfreude. Seine Worte ließen meinen Körper erzittern, mein ganzer Körper kribbelte und mein Magen fühlte sich flau an. Das musste der Hunger sein. Seine Wärme war eine süße Pein, zart und grausam zur selben Zeit und er nutzte es aus, dass er mich kannte und genau abschätzen konnte, wie ich in gewissen Situationen reagierte. War ich wirklich so berechenbar? Hatte er mich tatsächlich so sehr durchschaut? Bevor ich mich ihm völlig ergab, hob ich meine Hand, schob ihn beiseite und stieg wortlos die Treppen hinab. Enttäuscht dackelte er mir hinterher, ließ seine breiten Schultern hängen und für einen Moment hatte ich das Gefühl, als hätte ich ihm ein Leid angetan.
 

Es klang schwachsinnig, aber obwohl ich 30 Jahre alt war, konnte ich diese Nervosität nicht aufhalten, die jedes Mal aufs Neue aufkeimte, wenn ein Mann wie er mir zu nahe kam. Dabei sehnte ich mich nach einer Schulter zum anlehnen, nach einem Menschen, der mich verstand und für mich da war, ohne dass er eine Gegenleistung verlangte. Arg! Ich klang wie ein pubertierendes Mädchen, das ihre Hormone nicht im Griff hatte! Und tief in meinem Herzen wusste ich, dass ich diesen Mann schon längst gefunden hatte, doch ich war zu eigensinnig und stolz, ihn zuzulassen.
 

Vollkommen versunken in meinen Gedanken, rempelte ich jemanden an. Entschuldigend verneigte ich mich ein paar Mal und faselte unverständliche Worte vor mich her. Langsam richtete ich meinen Blick auf, erkannte eine finstere, aber mir bekannte, Gestalt. Uninteressiert sah er mich an, nahm meine Worte zur Kenntnis, ohne weiter darauf einzugehen.
 

„Schon gut“, entwich es mehr beiläufig seiner Kehle, daraufhin wandte er sich zum Gehen und ließ mich zurück. Valon holte mich im selben Moment ein, blieb hinter mir stehen und starrte dem Mann mit seinem flatternden Mantel hinterher.
 

„Hat Kaiba dir etwas getan?“, wollte er von mir wissen. Ein einfaches Kopfschütteln war meine Antwort und wir begaben uns zum selben Raum, in dem wir am Vorabend gemeinsam zu Abend gegessen hatten.
 

„Guten Morgen, Mai“, drang Yuugis freundliche Stimme an mein Ohr, während er mir im selben Atemzug ein herzallerliebstes Lächeln schenkte. Freudig erwiderte ich seine Worte und wir setzten uns zu den beiden, die am selben Tisch saßen wie gestern. Die beklemmende Stimmung war gewichen und ich fühlte mich heute sehr viel wohler, wenn ich die beiden ansah. Nachdem wir unser Frühstück verschlungen hatten, kamen Seto und Mokuba Kaiba herein. Vermutlich würden wir nun endlich weitere Angaben über dieses Turnier erhalten.
 

„Ich wünsche euch einen guten Morgen, Duellanten!“, hallte Kaibas laute und kräftige Stimme durch den Raum, erreichte jeden der Insassen, er wirkte wie immer selbstsicher und von sich überzeugt. Niemand konnte diesen Mann ins Wanken bringen.
 

„Ihr seid die finalen acht Teilnehmer und ich gratuliere Euch allen. Ihr seid sehr weit gekommen, doch jetzt fängt das Turnier erst an! Wer Probleme hatte bis hierher zu kommen, sollte vielleicht besser im Vorfeld aufgeben, ehe er sich blamiert!“
 

Als er dies sagte, grinste er hämisch und warf Jounouchi einen sehr gut deutbaren Blick zu, sodass alle beherzt anfingen zu lachen. Der Blonde ließ sich diese Provokation nicht gefallen, stand wütend auf, doch Yuugi hielt ihn fest, hinderte ihn daran, zu dem Firmenleiter hinzugehen und ihn zusammenzuschlagen. Ein Schmunzeln konnte ich nicht verhindern. Jounouchi war immer sehr temperamentvoll und bis heute hatte er sich nicht geändert, obgleich er nach außen hin so viel reifer und erwachsener wirkte.
 

„Die Duelle werden in den nächsten Momenten ausgelost und die Paare werden sich gegeneinander messen. Der Gewinner kommt in die nächste Runde, wer auch immer dieses Turnier gewinnt, hat das Anrecht mich zum Duell herauszufordern.“
 

Er sah durch den Raum, aber ich spürte, dass seine Aufmerksamkeit einzig und allein Yuugi galt. Sie waren Rivalen. Der Schmerz der Niederlage saß tief in seiner Seele. Bis heute hatte Kaiba den Wunsch Yuugi in einem fairen Duell zu besiegen nicht aufgegeben, vielleicht gab ihm das Ansporn immer weiter zu machen und für seine Ideale zu kämpfen. Streng genommen waren viele der Teilnehmer nur hier, um das Duell zwischen Yuugi und Kaiba zu sehen. Ich konnte nicht verhindern, mich ein wenig fehl am Platze zu fühlen. Hatte ich überhaupt eine Chance gegen die beiden zu gewinnen?
 

Du bist eine begnadete Duellantin. Verschwende dein Talent nicht so und werde wieder aktiv! Die Qualität der Duelle nimmt jedes Jahr ab und die meisten Anfänger steigen nach nur wenigen Monaten aus der Liga aus. Nur die wenigsten lieben Duel Monsters so sehr wie du. Dürstet dein Herz denn nicht danach, wieder im Ring zu stehen und deine Karten in der Hand zu halten? Ich will dich nicht dazu zwingen, wieder aktiv zu spielen, aber vielleicht ändert das Turnier ja deine Meinung. Yuugi und auch ich würden gerne mal wieder gegen dich spielen.
 

Jounouchis Worte der letzten Nacht hallten in meinen Ohren wider. Ja, ich war eine grandiose Duellantin! Es gab keinerlei Anlass für mich, so unsicher zu sein. Es mochte drei Jahre her sein, dass ich aktiv gespielt und an Turnieren teilgenommen hatte, doch mein Herz schlug immer noch für dieses Spiel und kein Tag war vergangen, an dem ich nicht über neue Strategien nachdachte. Außerdem wäre es doch eine Genugtuung, Kaiba zu besiegen und ihm genauso arrogant ins Gesicht zu grinsen, wie er es immer bei anderen tat. Würde ich Yuugi schlagen, würde ich über Nacht berühmt werden. Es gab immer mehr als einen Weg. Man musste sich nur entscheiden und den Mut aufbringen, den gewählten Weg zu verfolgen. Ich würde kämpfen. Schließlich hatte ich das schon immer so gemacht.

Little Devil

„Mai Kujaku gegen Insector Haga!“ Als ich diese Konstellation hörte, fiel mir die Kinnlade in den Keller und ich starrte entgeistert den kleinen grünen Giftzwerg an, der genauso groß war wie Yuugi und sich immer noch wie ein frecher Mistkäfer anderen gegenüber verhielt. Das durfte doch nicht wahr sein, schoss es mir durch den Kopf und ich grummelte verärgert in meinen nicht vorhandenen Bart.
 

Warum ausgerechnet er? Jeder wäre okay gewesen, aber es wurmte mich, dass er als mein Kontrahent gelost wurde. Aber ich konnte erkennen, dass er sich ebenfalls ärgerte. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf und forderte eine Neuwahl, da er nur wegen Yuugi hier war und diesen in Grund und Boden treten wollte. Wie bereits erwähnt. Haga hatte sich kein bisschen verändert. Da war es mir fast schleierhaft, dass Ryuzaki sich wenigstens etwas verändert hatte, aber Haga würde immer die kleine Müllfliege sein, die ihm hinterher schwirrte. Obwohl? Eigentlich schienen die beiden sich ganz gut zu verstehen. Gleich und gleich gesellte sich nun einmal gern.
 

Haga hatte viel geschimpft, doch auch sein Flehen und Betteln ändert nichts, also duellierten wir uns gegeneinander. Gemeinsam verließen wir das Gebäude, ein großer Platz war extra für uns bereit gestellt worden. Etwas unsicher sah ich mich um, es hatten sich bereits einige Zuschauer um diese kleine Arena versammelt, die aufgeregt jubelten, als sie uns sahen. Dieses Mal benutzen wir Dueldisks. Aber sie sahen anders aus als damals, weniger kantig und viel angenehmer zu tragen. Kaiba scheute kein Geld, wenn es um Duel Monsters ging. Seine Leidenschaft für Spiele und insbesondere Duel Monsters war mindestens genauso besonders wie er selbst.
 

Haga grinste widerwärtig und starrte mich durch seine Brille an. Wir begangen das Duel. Es erstaunte mich, dass seine Taktik sich nur minimal verändert hatte. Beinahe hatte ich das Gefühl, dass der Insektenfreak kein bisschen dazu gelernt hatte. Er hatte bereits vor Jahren keine Chance gegen Yuugi mit seinem Deck gehabt und dann wagte er es tatsächlich sich wieder gegen ihn duellieren zu wollen?
 

Sogar ich hatte den Großteil meiner Karten ausgetauscht, ebenfalls Yuugi und Jounouchi. Ein Duellant entwickelte sich weiter und nahm die Erfahrung des Kampfes mit sich, lernte daraus und verbesserte sich. Aber er? Dass so jemand vor Jahren einmal Weltmeister gewesen war, fiel mir schwer zu glauben. Andererseits bedeutete dies, dass die damaligen Spieler allesamt nicht sonderlich gut waren. Es gab in jeder Generation Spieler, die besonders herausstachen. Nur die wenigstens brachten es jedoch so weit, dass sie weltweit gefeiert und wieder erkannt wurden. Mit meiner Amazonenkriegerin besiegte ich eines seiner Insekten, vernichtete seine letzten Lebenspunkte. Geschockt starrte er auf seinen Dueldisk. Dann auf mich. Sein Kopf wurde knallrot und er drehte sich um, deutete mit seinem Zeigefinder auf Yuugi, der ihn aufmerksam ansah.
 

„Yuugi! Eines Tages werde ich dich besiegen, auch wenn ich heute verloren habe!“, brüllte er und ließ uns zurück. Er ertrug die Niederlage nicht. Der Schiedsrichter ernannte mich zum Sieger, zufrieden stieg ich die kleine Treppe der Arena hinab.
 

Einige Duelle wurden ausgefochten, es dauerte daher ein paar Stunden, bis wir endlich nur noch vier waren. Jounouchi, Yuugi und ein Junge mit kurzem schwarzen Haar und Goldleuchtenden Augen waren noch übrig. Und natürlich meine Wenigkeit. Ich betrachtete den Jungen. Bisher hatte ich seine Anwesenheit gar nicht bemerkt. Ich schätzte ihn auf 14, fragte aber nicht nach. Valon kam mir näher, legte eine Hand auf meine Schulter.
 

Vorsichtig beugte er sich zu mir, flüsterte mir Worte ins Ohr. „Der Kleine ist gefährlich...“, er sagte dies mit einer solchen Ruhe, dass ich unbeabsichtigt das Kind wieder ansah. Dieses Mal hatte er es gemerkt. Er verengte seine Augen zu Schlitzen und grinste. Ein Schauder überkam mich. Wie konnte ein Kind so boshaft grinsen? Er war ja beinahe wie ein Teufel. Respektlos. Dem müsste man mal Manieren beibringen!
 

„Und, Tantchen?“, sprach er mich auf einmal an. Mein Auge zuckte gefährlich. Hatte er mich gerade 'Tantchen' genannt?!
 

„Macht es Spaß, mich anzustarren?“, fragte er, neigte den Kopf leicht zur Seite und täuschte ein Lächeln vor.
 

„Tut mir Leid“, entgegnete ich, sprach dann weiter.
 

„Ich hab mich nur gefragt, wie du heißen magst.“
 

„Mein Name geht dich nichts an, alte Schachtel.“
 

Arrogant wandte er mir den Rücken zu, im selben Moment bildete ich mit meinen Händen Fäuste. Ich konnte das unwillkürliche Zucken in meinem Auge nicht mehr ignorieren. Hätte Valon mich nicht aufgehalten, wäre ich losgelaufen und hätte ihm Manieren beigebracht und ihm eine ordentliche Tracht Prügel verpasst! Wie konnte diese Göre es auch nur wagen, mich anzusprechen, als wäre ich eine alte Schachtel? Ich war 30! In voller Blüte meines Lebens!
 

Mein Zorn verflüchtigte sich, als Jounouchi und Yuugi sich uns näherten. Yuugi blickte dem Jungen noch eine Weile hinterher. Auch er hatte bemerkt, dass irgendetwas nicht mit ihm stimmte. Nachdenklich hob er seine Hand vor seinen Mund, sein Blick wurde für einen Moment glasig. Es waren nur noch vier Teilnehmer und einer von uns würde gegen dieses Kind antreten. So sehr ich eigentlich gegen Jounouchi oder Yuugi antreten wollte, so wünschte ich mir jetzt, dass die Losgöttin mir die Möglichkeit gab mich mit diesem Lausbengel zu duellieren.
 

„Was wollte er von euch?“, fragte Jounouchi, verschränkte die Arme und sah mich und Valon fragend an.
 

„Hört zu... irgendetwas stimmt mit dem Jungen nicht. Ihr solltet vorsichtig sein.“ Warum ermahnte uns der Brünette wieder zur Vorsicht? Wusste er mehr?
 

„Ich kenne ihn. Er ist ein sehr guter Spieler. Man darf ihn keinesfalls unterschätzen“, murmelte Yuugi, alle Blicke waren nun auf ihn gerichtet.
 

„Akito Tomi. So viel ich weiß besitzt er ein Finsternisdeck, aber macht sich nichts aus Titeln oder Ruhm. Es ist das zweite Mal, dass er an einem öffentlichen Turnier teilnimmt. Ich habe einmal knapp gegen ihn gewonnen.“
 

„Knapp? Du? Das glaube ich nicht“, lachte der Blonde und packte Yuugi, verwuschelte sein Haar.
 

„Nein, er hat recht. Seine Seele ist pechschwarz, das spüre ich.“ Valon schloss die Augen.
 

„Ich verstehe nicht, was der Aufstand soll. Das ist doch nur ein Kind! Was soll er schon großartig tun?“ Etwas nervös winkte ich ab, versuchte die bedrückende Stimmung wieder zu heben. Doch es gelang mir nicht.
 

„Bisher ist jeder, der gegen ihn verloren hat, nicht mehr aufgetaucht. Sämtliche Duellanten haben sich nach einer Niederlage zurückgezogen und haben nicht mehr aktiv gespielt. Was genau aus ihnen geworden ist, weiß ich nicht mit Sicherheit, doch es kursieren allerhand Gerüchte. Einige von ihnen sollen ins Koma gefallen sein.“ Yuugis Stimme war nüchtern, er schien sich wirklich Sorgen zu machen, was das zu bedeuten hatte.
 

„Ins Koma gefallen?“ Jounouchi hob eine Augenbraue, schien sich Gedanken zu machen.
 

„Aber da muss es doch nicht unbedingt einen Zusammenhang geben“, warf ich ein.
 

„Oder?“ Meine Stimme wurde leiser.
 

„Trotzdem solltet ihr vorsichtig sein. Die nächsten Duelle werden jetzt ausgelost, lasst uns gehen.“
 

Akito wartete bereits auf uns, seine Gesicht lag im Halbschatten seines Ponys, so dass sein Gesichtsausdruck finster wirkte. Erst jetzt merkte ich, dass auch seine Kleidung sehr dunkel gehalten war und nur seine goldenen Augen herausstachen. Ich wollte es mir nicht anmerken lassen, aber eine Gänsehaut bildete sich auf meiner Haut, als ich an Yuugis Worte dachte. Jeder Duellant hatte sich zurückgezogen. Aber wie konnte ein Kind wie er es war, etwas damit zu tun haben? Irgendetwas stimmte hier nicht. Mein Instinkt sagte mir, dass ich vorsichtig sein sollte.
 

Ungewollt drängte ich mich näher an Valon, um zu vermeiden dem Jungen zu Nahe zu kommen. Valon legte einen Arm um mich, allerdings hätte er nicht damit gerechnet, dass er meine Faust dafür zu spüren bekommen würde. Frustriert setzte er sich auf den Boden, wimmerte und hielt sich seine Wange, die nun etwas rot geworden war. Es war ja nicht so, dass ich ihn nicht mochte, aber es war mir zuwider, meine Gefühle öffentlich zu zeigen. Aber das wusste er, also warum brachte er mich dann in eine solche Verlegenheit?
 

„Gut, die Losziehung ist beendet! Jounouchi Katsuya gegen Toma Akito! Mutou Yuugi gegen Kujaku Mai!“, drang die Stimme des Schiedsrichters zu uns, der entschlossen auf eine elektronische Tafel zeigte, wo unsere Fotos abgebildet waren. Unmöglich! Jonouchi würde gegen den Bengel antreten und ich gegen Yuugi? Mein Plan war es eigentlich erst am Ende gegen Yuugi anzutreten, da er von uns allen der wohl talentierteste Duellant war. Sein Name war bereits Programm.

The Warmth of your embrace

Mein Herz raste. Hatte ich Angst? Dieses Gefühl erschien mir in diesem Moment so fremd. Akito grinste mich hämisch an, nachdem die Losziehung beendet war. Valon legte eine Hand auf meine Schulter, sah mich durchdringend an. Er selbst hatte gegen Yuugi verloren und wir alle wussten, wie gut er war. Hatte ich überhaupt eine Chance gegen einen Champion wie ihn? Dieser alberte mit dem Blonden herum und es fiel mit etwas schwer zu glauben, dass diese beiden jungen Männer tatsächlich Spitzenduellanten waren. Sie waren so kindisch und ich glaubte fast, dass ihnen der Ernst dieser Situation nicht bewusst war. Akito schlich sich heimlich an den Blonden an, berührte seine Schulter. Mit einem lauten Aufschrei sprang der Blonde zurück und zeigte mahnend mit dem Zeigefinger auf den Jungen, knirschte dabei wütend mit den Zähnen.
 

„Was erschreckst du mich so? Hast du einen Schaden, oder was?!“, fauchte er, brachte den Jungen damit allerhöchstens zum Lachen. Immerhin hatte er sich absichtlich herangeschlichen, hatte die Unaufmerksamkeit seines Gegners schamlos ausgenutzt und sie zu seinem Vorteil gemacht.
 

Bereits sein Charakter war schwer zu durchschauen und in mir machte sich ein ungutes Gefühl breit. Irgendetwas stimmte mit diesem Kind nicht. Es wirkte, ja, unmenschlich. Nicht von dieser Welt. Gemeinsam begaben wir uns wieder zur Arena. Der tollpatschige Blonde stolperte über die Stufen, blamierte sich schon bevor das eigentliche Spiel begonnen hatte. Die Zuschauer lachten amüsiert und auch mir fiel es schwer ein Grinsen zu verbergen. Er hatte sich kaum geändert, obgleich seiner reifen und maskulinen Ausstrahlung.
 

Während die beiden sich in der kleinen Arena gegenüber standen und ihre Dueldisks einschalteten, wurde es unangenehm leise. Vorsichtig linste ich zu Yuugi, der die Hände gefaltet hatte und zu beten schien, damit sein Freund auf jeden Fall gewinnen würde. Er wirkte dabei leicht angespannt, was mir bestätigte, dass Akito ein ernstzunehmender Gegner war. Hart schluckend betrachtete ich wieder die beiden Kontrahenten. Normalerweise belustigte sich Jounouchi immer über seinen Gegner und ließ keine Sekunde zur Provokation ungenutzt verstreichen, doch nun wirkte er sehr ernst, so als wäre dies ein Kampf gegen den Tod persönlich. Als sie begannen, wurde es einmal laut im Publikum, dann wieder sehr leise.
 

„Du bist kein Gegner für mich, hihi“, kicherte Akito, strich sich sein Haar zur Seite und spielte einige verdeckte Karten.
 

„Wenn du das sagst“, konterte der Blonde unbeeindruckt, spielte den magischen Raum-Taifun und zerstörte eine seiner verdeckten Karten.
 

Als sein Rivale daraufhin nicht reagierte, sondern nur folgsam die Karte von der Dueldisk nahm und sie seinem Friedhof hinzufügte, schreckte er für einen Moment zurück. Seine Hand, mit der er seine Karten hielt, bebte leicht. Genauso schnell wie er die Fassung verloren hatte, gewann er sie zurück und spielte den Schwertkämpfer von Landstern im Verteidigungsmodus, dazu legte er zwei weitere Karten verdeckt ab, von denen ich ausging, dass es sich um Fallen handelte. Ich war mir sicher, dass Jounouchi eine Chance hatte, seine Taktik war immer schwer zu verstehen, was vermutlich daran lag, dass er nie eine hatte und nur nach Gefühl spielte. Er war eben ein richtiger Überraschungsgegner!
 

Ungefähr zwanzig Minuten später hatte sich das Blatt gewendet, Jounouchi besaß nur noch 100 Lebenspunkte und war drauf und dran zu verlieren. Das Finsternisdeck seines Gegners war einfach zu stark! Jounouchi hatte bisher immer auf sein Glück gesetzt, stets hatte er seine Duelle dadurch gewonnen, dass er etwas unglaublich Verrücktes getan hatte. Doch heute hatte ihn sein Glück verlassen. Selbst als er mit seinen kleinen Teufel würfelte, bekam er nicht das erhoffte Ergebnis. Valon drängte sich an mir vorbei, verwirrt sah ich ihm hinterher.
 

„Du Idiot, du kannst noch gewinnen! Reiß dich gefälligst zusammen!“, keifte er und zeigte ihm drohend die Faust. Yuugi und ich wandten den Blick ab, fixierten eine Stelle am Boden, so als wäre sie besonders interessant, nur um der aufkeimenden Verzweiflung keine Chance zum Blühen zu geben. Yuugi hob den Blick, zwang sich zu einem Lächeln.
 

„Mai...?“, fragte er mit gewohnt ruhigen Ton, sah mich aus großen Augen beinahe flehend an.
 

„Er kann nicht mehr gewinnen“, erklärte er mir, wir beide sahen nach vorne, wo Valon den Blonden zujubelte und versuchte ihn zu motivieren nicht aufzugeben, obwohl wir wussten, dass dieses Duel bereits entschieden war. Im selben Moment gingen seine Lebenspunkte auf Null, wortlos ließ sich der kleine Teufel zum Sieger erklären und verließ die Arena. Er würdigte seinem Gegner keinen Blick mehr, während er an uns vorbei ging, glaubte ich ihn etwas sagen zu hören.
 

„Du Abschaum...“
 

Yuugi begab sich sofort zum Blonden, dieser kniete am Boden, wirkte geschockt über die Niederlage und seltsam entkräftet.
 

„Wie geht es dir?“
 

Der Kleinere der beiden beugte sich zu ihm, legte fürsorglich seine Hände auf die Schultern des Älteren. Dieser winkte ab, versuchte cool und lässig zu wirken, was ihm auf Anhieb nicht ganz gelang. Ich wollte näher treten, doch dann ergriff Valon meine Hand, so, als wollte er mir sagen, dass ich warten sollte. Indes galt mein Blick den beiden. Schleppend erhob sich der Blonde wieder, ließ sich von seinem besten Freund aus der Arena führen.
 

„Das war echt beängstigend... mein Körper zittert und ich weiß gar nicht warum!“, lachte er, versuchte die Sorge zu verbergen, die sich eindeutig in seinen Gesichtszügen widerspiegelte.
 

„Mai, hör zu!“
 

Wir waren bereits zurück zum Gebäude gegangen und gönnten uns eine Pause. Yuugi blieb bei Jounouchi. Da die beiden sich so unglaublich nahe waren, hatte ich das Gefühl nur zu stören, wanderte daher ziellos umher. Mein brünetter Freund folgte mir, ließ mich keine Sekunde aus den Augen. Ihm brannte etwas auf der Seele. Obgleich er nichts gesagt hatte, spürte ich, dass ihn etwas sehr beschäftigte. Immer wieder versuchte er ich mir zu nähern, doch ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mir Gedanken über mein Duel gegen Yuugi zu machen. Wie sollte ich ihn schlagen? Auf einmal spürte ich seine starken Hände an meinen Armen, die mich sanft an die Wand drückten.
 

„Hör mir endlich zu!“, kam es aufgeregt von ihm und ich konnte sehen, dass es ihm wichtig war. Mein Gesicht wurde ganz heiß.
 

„Was willst du von denn von mir?“, fragte ich mehr verlegen, spürte seinen Atem auf meiner Haut.
 

„Du solltest Yuugi gewinnen lassen.“
 

Skeptisch sah ich ihn an, hob fragend eine Augenbraue.
 

„Warum sollte ich das tun?“, fragte ich ruhig, war erstaunt darüber, dass ich so zurückhaltend blieb.
 

„Dieser Akito... der ist nicht normal. Ich spüre, dass er von einer dunklen Kraft beseelt ist.“
 

„Du machst dir Sorgen um nichts“, flüsterte ich, freute mich aber dennoch, dass er sich Sorgen um mich machte.
 

„Ich will einfach nicht, dass dir etwas passiert“, hauchte er mit entgegen, kam mir wieder etwas näher. Mein Herz machte einen Aussetzer.
 

„Es wird nichts passieren. Also bitte“, murmelte ich. Ich fühlte mich ihm völlig ausgeliefert.
 

„Nein! Ich lasse dich nicht gehen. Nicht nochmal!“, wisperte er und legte ungefragt seine Lippen auf meine.
 

Erschrocken riss ich die Augen auf, mein Verstand setzte aus und mein Knie wurden weich, so als würde ich jeden Moment in mich einsacken. Mein Körper bebte, einige Tränen suchten den Weg in die Freiheit und rollten über meine Wangen, die er zärtlich mit seinen Händen auffing. Erst jetzt bemerkte ich, dass er mich nicht mehr festhielt, dass ich ihn hätte weg schubsen können, wenn ich es gewollt hätte. Eine Sturm tobte in mir, etwas Unbekanntes schien in mir erwacht und ich konnte den Wunsch nach mehr nicht verleugnen.
 

Mein erster richtiger Kuss. Noch immer kribbelten meine Lippen, so als würden tausende von Ameisen über ihnen laufen. Seine Lippen waren warm, gaben mir ein Gefühl von Stärke. Unsere Blicke trafen sich, ich wollte ihn ausschimpfen, ihm sagen, dass er mich loslassen sollte, aber ich konnte nicht. Stattdessen legte er seine Arme um mich. Seine Umarmung gab mir ein Gefühl von Geborgenheit und Zugehörigkeit, das ich mir immer gewünscht hatte.
 

„Mai... ich liebe dich...“, sagte er, ließ mir keinen Ausweg oder gar die Möglichkeit etwas zu erwidern.
 

Ein Schauer überkam mich. Wieso ließ ich mich so gehen? Warum fiel es mir so schwer ihn von mir zu weisen und was war dieses Begehren, das ich spürte? So, als wollte ich von der Realität flüchten, schloss ich meine Augen, atmete tief ein und bemerkte seinen unverkennbaren Duft. Ja, bereits damals hatte er Parfüm benutzt, dieser Duft wirkte so sonderbar vertraut, dass ich noch einmal einatmete, um ihn genauer wahrnehmen zu können. Trug er dasselbe Parfüm? Als er mir in dieser eisig kalten verregneten Nacht seine Hand reichte, war es genau dieser Duft, der an ihm haftete. Es war ein unwichtiges Detail und trotzdem konnte ich nicht anders, als darüber nachzudenken.
 

Dieser kleine Moment, in dem ich in seinen Armen gefangen war, fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Mein Verstand sagte mir, dass ich es bereuen würde, jemanden meine Schwäche zu zeigen, doch mein Herz sagte mir, dass es genau das war, das ich immer gewollt hatte. Einen Menschen, der für mich da war und mir zeigte, wie sehr er mich mochte, ohne dass er dafür eine Gegenleistung erwartete. Zurückhaltend drückte ich mich an ihn, glaubte seinen Herzschlag hören zu können. Nun wurde mir bewusst, wie aufgeregt er war und dass es ihn eine Menge Überwindung und Mut gekostet hatte, diesen Schritt zu gehen.
 

Zaghaft schob er mich wieder von sich. Ein Gefühl von Enttäuschung lebte in mir auf. Er sah mich an, so, als gäbe es in diesem Augenblick nur uns beide, so, als wäre alles andere von geringer Bedeutung. Nichtig, bedeutungslos und belanglos. Zögerlich kam er meinem Gesicht wieder näher, schien sich nach meinen Lippen zu sehnen. Ein unnatürliches Rot entzündete sich auf meinen Wangen, dann spürte ich wieder diese Wärme, die mein Herz zum Rasen brachte und meine Sinne benebelte.
 

„Mai...“, hörte ich seine Stimme, die mich aus unglaublicher Ferne zu erreichte, obwohl wir uns so nahe waren.
 

„Ich weiß nicht... was ich sagen soll...“, nuschelte ich, hob schützend eine Hand vor meine Brust, entfernte mich etwas von ihm.
 

„Du musst nichts dazu sagen... aber du sollst wissen, dass es mir ernst ist.“
 

„Idiot...“, war meine bescheidene Antwort. Es war ein eigenartiges Gefühl für mich jemanden meine schwache Seite zu zeigen.
 

„Ich liebe dich wirklich, deswegen kann ich nicht zulassen, dass dir etwas geschieht.“
 

„Wer sagt denn, dass ich nicht auf mich selbst aufpassen kann?“, meckerte ich, machte einen Schmollmund.
 

Es war genauso wie Jounouchi es gesagt hatte. Obwohl ich jemanden meine Schwächen offenbaren wollte, konnte ich nicht über meinen Schatten springen. Ich wollte nicht, dass er dachte, dass ich schwach wäre. Dass ich auf ihn angewiesen wäre. Ich wollte als ebenbürtig anerkannt werden und es verletzte meinen Stolz als Mensch und als Duellantin, dass er mir sagte, dass ich das bevorstehende Duell, ein Kampf zweier Seelen, einfach aufgeben sollte. Auch wenn die Möglichkeit bestand, dass diese Rotznase Akito mein nächster Gegner war, wollte ich auf meine Revanche gegen Yuugi nicht einfach aufgeben.
 

Das letzte Mal hatte ich mich gegen den Anderen Yuugi duelliert. Dieser war stark und bis heute glaubte ich, dass er zurecht von vielen Duellanten gefürchtet wurde, doch auch der echte Yuugi, der immer so lieb lächelte und kein Wässerchen trüben konnte, musste eine unglaubliche Stärke haben. Es reizte mich, mich mit ihm zu messen und der Gedanke daran, in der Arena ihm gegenüberzustehen und sein wahres Wesen zu erkennen, trieb mich umso mehr an. Glaubte Valon, dass ich chancenlos gegen Yuugi war? Ich war stark. Woher sollte ich wissen, dass ich ihn nicht besiegen konnte, wenn ich es nicht zumindest versuchte?
 

„Darum geht es gar nicht... ich traue dir zu, dass du Yuugi besiegst.“
 

„W-wirklich?“ Dass er das sagte, machte mich glücklich!
 

„Aber wenn du gewinnst, würdest du auf Akito treffen. Das will ich nicht!“
 

„Ich möchte mich trotzdem gegen Yuugi duellieren“, sagte ich und entfernte mich nun von ihm, ließ ihn zurück und bestritt den Weg eines wahren Duellanten. Es gab kein Zurück.

Unavoidable Truth

Es war so weit.
 

Unsicher schweifte mein Blick durch die Arena. Yuugi war noch nicht hier. Mutig ging ich die kleine Treppe hoch, nahm meinen Platz ein. Den Dueldisk fest um meinen Arm geschnürt und mein Blick voller Selbstbewusstsein. Das war die Kujaku Mai von früher. Es war mir gefolgt wie ein Schatten, ohne dass ich es hätte abschütteln können. Valon blieb keuchend neben der Arena stehen. Unsere Blicke trafen sich. Er schien sagen zu wollen, dass ich aufgeben sollte, aber dies war meine Chance auf Revanche und eine großartige Erfahrung. Noch zu genau erinnerte ich mich daran, wie ich im Duell gegen ihn verlor.
 

Immer mehr Zeit verstrich. Wo steckte er? Mein Selbstbewusstsein machte Platz für Ungeduld. Etwas genervt trat ich mit einem Fuß auf und ab, wollte die Arme verschränken, woran mich der Disk an meinem Arm jedoch hinderte. Das war ganz und gar nicht Yuugis Art zu spät zu einem Duell zu kommen. Gerade als ich Valon auffordern wollte, Yuugi zu holen, erschien dieser. Hektisch rannte er hoch, blieb keuchend stehen und rang nach Atem. Diese kurzen Beine waren nun einmal nicht dazu gedacht weite Strecken zu laufen. Ich grinste leicht, als ich daran dachte. Natürlich war das fies, umso mehr bemühte ich mich darum, nicht den Eindruck auf ihn zu machen, ihn auszulachen.
 

„Du bist spät... Yuugi“, entgegnete ich ihm, wartete auf eine Antwort, auf irgendeine Rechtfertigung. Doch eigentlich war es mir egal, was ihn aufgehalten hatte. Er war hier. Alles andere war unwichtig.
 

„Tut mir leid“, sprach er, während er weiter keuchte und versuchte sich zu beruhigen.
 

„Ich will gar nicht wissen, was der Grund für deine Verspätung ist. Also lass uns anfangen.“
 

Ich zeigte mit dem Finger auf ihn.
 

„Selbstverständlich.“
 

Endlich hatte er sich erholt, richtete sich auf und aktivierte seinen Dueldisk.
 

„Wie geht es Jounouchi?“, fragte ich eher beiläufig, versuchte zu verbergen, wie sehr ich eine Antwort ersehnte.
 

„Uhm“, murmelte Yuugi, wandte den Blick ab und schien nach den richtigen Worten zu suchen.
 

„Es geht ihm nicht so gut“, erklärte er dann, Valon und ich starrten ihn nun an.
 

„Geht es auch etwas genauer?!“, keifte Valon, erschreckte den jungen Mann, der kurz zusammenzuckte.
 

„Wie soll ich das denn erklären? Er war sehr müde und wirkte überanstrengt.“ Seine Stimme war zittrig. Ich konnte erkennen, dass diese Angelegenheit ihn sehr beschäftige. Auch ich machte mir nicht weniger Sorgen um meinen guten Freund Jounouchi. Dieser verrückte Junge Akito hatte etwas Unheimliches, ja, man konnte fast Unmenschliches an sich.
 

„Aber das Duell kannst du durchstehen?“ Ich verlagerte mein Gewicht auf ein Bein, sah ihn fragend an. Er nickte.
 

„Natürlich! Ich hab es ihm versprochen und außerdem... es ist unser erstes Duell.“
 

Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab.
 

„Da hast du recht. Lass uns anfangen, Yuugi.“
 

Meine Stimme war ruhig, das erstaunte mich. Sollte ich nicht aufgeregt und nervös sein?
 

Wir begannen unser Duell. Viele Züge kamen mir aus unserem ersten Duell bekannt vor. Dabei wusste ich, dass es sich bei meinem Kontrahenten nicht um dieselbe Person aus dem Königreich der Duellanten handelte. Yuugi sah ihm ähnlich und seine Züge waren genauso strategisch und gut durchdacht. Er verzog keine Miene, wirkte überaus ernst, was es mir schwer machte seine nächste Aktion zu lesen oder gar vorauszuahnen. Als meine Amazonenkriegerin durch seinen verstärkten schwarzen Magier auf dem Friedhof landete, kam mir unbewusst der Gedanke oder besser gesagt die Frage in den Sinn, ob ich ihn schlagen konnte. Valon jubelte, versuchte mich zu motivieren.
 

Ich warf einen Blick auf meine Karten. Kein einziges Monster! Zwei Zauberkarten und eine Aktivierungsfallenkarte befanden sich auf meiner Hand. Auf meinem Feld befand sich lediglich ein verdecktes Monster, welches ich im vorherigen Zug gelegt hatte. Die Chancen standen schlecht. Nun kroch die Nervosität doch meinen Rücken hinauf, ließ meinen Körper angenehm erschaudern. Dieses Gefühl und diese Aufregung während eines Duell war es, was mich zu dem gemacht hatte, was ich heute war. Frustriert legte ich meine Karten ab, versuchte ihm keinen Einblick in meine Gedanken zu geben. Doch er schien zu wissen, dass dieses Duell nun entschieden war. Man brauchte auch Glück und heute war es mir wohl nicht hold. Mit anderen Karten auf der hand hätte ich bessere Chancen gehabt.
 

Mit einer Zauberkarte vernichtete er mein verdecktes Monster, was meine Lebenspunkte nicht verringerte, aber was ihm eine freie Angriffsfläche erschuf. Nun hetzte er seinen schwarzen Magier direkt auf mich, doch ich sah diesem Ende stolz entgegen. Zumindest hatte ich einmal die Chance gegen ihn zu spielen und mich zu beweisen. Es war mein Wunsch und ich war froh, dass er mir erfüllt wurde. Meine Lebenspunkte gingen auf Null. Zufrieden hob ich meine Hand, schaltete den Dueldisk aus.
 

„Mai!“, kam es aufgebracht vom Brünetten, der neben der Arena stand und auf mich zulief.
 

„Schon okay!“, lachte ich, schloss für einen Moment die Augen und widmete dann meinem Gegner die volle Aufmerksamkeit.
 

„Danke, Yuugi. Ich habe zwar verloren, aber ich fühle mich wirklich super.“
 

„Wirklich? Ich war auch ganz aufgeregt. Ein paar Mal dachte ich echt, dass ich verlieren würde.“ Verlegen kratzte er sich am Hinterkopf.
 

Yuugi.“ Diese monotone Stimme, die sich in unser Gespräch einmischte, erhaschte unser aller Aufmerksamkeit.
 

„Akito...“, wisperte Angesprochener, kam diesem näher ohne zu straucheln oder zu zögern.
 

„Unser Duell wird spannend. Dieses Mal gewinne ich. Dass die alte Schachtel gegen dich verliert, habe ich gewusst.“
 

Er grinste, sah mich abwertend an. Wütend stapfte ich los, holte aus und wollte meinen ganzen Groll gegen diese Plage herauslassen, doch mein brünetter Freund ergriff mein Handgelenk, hinderte mich an meiner Tat. Es war mir egal, ob er ein Kind oder ein Teufel war! Akito hatte es nicht besser verdient und seine freche Art mit mir zu reden, machte mich rasend. Mit sanfter Gewalt zog Valon mich zurück. Unaussprechliche, ungehobelte Worte fanden ihren Weg auf meine Zunge, doch als ich sie aussprechen wollte, hielt er mir den Mund zu. Der Junge lachte nur amüsiert und verabschiedete sich.
 

„Er ist es nicht wert, Mai. Spare deine Energie.“ Endlich ließ er mich los.
 

Mein ganzer Frust hatte sich angestaut und ohne es wirklich zu wollen, traf meine flache Hand auf seine Wange. Ein schallendes Geräusch riss mich blitzschnell zurück in die Realität. Ihn zu verletzen, habe ich nicht gewollt! Doch er wurde nicht unruhig. Stattdessen lächelte er mich an, vergebend und vergessend. Pure Nächstenliebe, so wollte ich mir einreden. Wieder zeigte er mir, wie sehr er mich liebte. Ein stechender Schmerz durchbohrte mich. Zutiefst bestürzt über meinen Wutausbruch starrte ich ihn an, er erwiderte nichts und betrachtete mich nur mit seinen klaren, blauen Augen, die mir sofort verziehen hatten. Sie kannten keinen Groll. Wieso begegnete er mir mit einer solchen Güte? Verwirrt wanderte mein Blick umher. Beinahe Hilfesuchend blieb mein Blick bei Yuugi haften, der selbst schockiert über diese Wendung zu sein schien.
 

„Wir sollten sehen, wie es Jounouchi geht, meint ihr nicht auch?“ Valon wechselte geschickt das Thema.
 

„Ja... das sollten wir“, flüsterte ich, spürte eine innere Unruhe, wie ich sie lange nicht mehr erlebt hatte.
 

Er stellte meine Welt auf den Kopf, veränderte mein Wesen und zwang mich dazu, mir selbst einzugestehen, wie feige und erbärmlich ich war. Doch er hasste diese hässliche Seite nicht. Nein, er nahm sie mit offenen Armen an, umfasste sie und akzeptierte sie so, wie sie war. Das machte mir Angst. Das war ich nicht gewohnt. Verzweifelte redete ich mir ein, dass er nicht mein Innerstes verstehen konnte, jedoch überzeugten mich seine sanften und gutherzigen Blicke vom Gegenteil. Ich fühlte mich durchschaut, glaubte, dass ich nichts mehr verstecken konnte, was mir noch mehr zusetzte, als der Gedanke, dass Jounouchi geschwächt im Bett lag.
 

Friedlich lag er da. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Zuerst dachte ich, er würde schlafen. Doch vorsichtig richtete er seinen Blick zu uns. Sein Gesicht wirkte blass, seine Lippen schimmerten leicht lila und seine Augen wirkten unglaublich müde. Konnte ein einziges Duell so etwas anrichten? Yuugi lief ungehalten zu ihm, setzte sich auf die Bettkante und griff nach seiner Hand, drückte sie fest. In seinen Augen blitzen Tränen auf, die er mit aller Kraft unterdrückte. Als ich ihn so sah, spürte ich eine unaufhaltsame Hitze in meinem Gesicht und mir war zum Weinen zumute. Langsam näherte ich mich ihm, er grinste wie immer und wollte sich seinen Schmerz nicht ansehen lassen.
 

Ihn so zu sehen, schnürte mir die Luft zu. Der starke und mutige Jounouchi – ein Häufchen Elend.
 

„Hey, es war nicht geplant, dass ihr mich so sieht“, lachte er, kleine Grübchen bildeten sich auf seinen Wangen.
 

„Du hast wirklich alles gegeben, nicht wahr?“, fragte Yuugi, verlangte aber keine Antwort, da er diese bereits kannte.
 

„Ach, ich muss mir irgendetwas weggeholt haben. Macht euch mal keine Sorgen.“
 

Er wollte grinsen, doch es gelang ihm nicht, als Yuugi laut schluchzte.
 

„Jounouchi...“, begann ich, hob unsicher meine Hand und strich über sein blondes Haar.
 

„Geht es dir wirklich gut?“, wollte ich von ihm wissen.
 

Vollkommen egal, was er sagte, nichts konnte mich vom Gegenteil überzeugen. Irgendetwas stimmte mit ihm nicht. Es musste etwas mit diesem verrückten Akito zu tun haben, dem war ich mir sicher. Energisch wischte sich Yuugi die aufkommenden Tränen weg, fasste sich langsam wieder. Ihn so aufgelöst zu sehen, war für mich nicht das erste Mal. Im Königreich der Duellanten hatte er so geweint, als er seine Sternenchips gegen Kaiba verloren hatte. Doch auch wenn er viele Emotionen zeigte, die andere Männer wie Jounouchi zu verbergen versuchten, sah ich ihn nicht weniger als Mann.
 

„Diese Brosche, die Akito trägt“, setzte Yuugi an, pausierte kurz.
 

„Sie erinnert mich an die Milleniumsgegenstände.“
 

Valon lehnte lässig an der Wand, richtete nun den Blick auf uns Drei.
 

„Was für eine Brosche?“, grübelnd zog ich die Augenbrauen runter, versuchte mich an dieses Detail zu erinnern.
 

„Er trug ganz sicher eine Brosche!“
 

Yuugi drehte sich zu mir und Valon, ließ die Hand des Blonden nicht los und fuhr fort.
 

„Auch in unserem letzten Duell trug er sie. Sie beinhaltet einen grünen Stein. Sieht aus wie ein dunkelgrüner Smaragd. Er hat etwas Unnatürliches an sich und ich hatte das Gefühl, dass er im Duell gegen Jounouchi jedes Mal aufleuchtete, wenn seine Lebenspunkte sich verringerten.“
 

„Bist du dir da ganz sicher?“ Valon verschränkte die Arme. Von wahnwitzigen und verrückten Bösewichtern hatten wir alle genug, da wir alle in unserer Vergangenheit davon betroffen waren.
 

„Ein grüner Stein“, murmelte der Brünette, lief nachdenklich auf und ab, ehe er am Fenster stehen blieb.
 

„Könnte das nicht auch ein verbliebener Orichalcosstein sein?“ Meine Augen weitete sich vor Schock, ungläubig sah ich ihn an.
 

Was war, wenn er Recht hatte? So sehr ich verhindern wollte, daran zu denken, so kamen die Erinnerungen an Orichalcos hoch, nahmen jede freie Zelle meines Gehirns ein. Es stimmte, was der Volksmund behauptete. Versuchte man an etwas Bestimmtes nicht zu denken, so verfolgte einen der Gedanke umso mehr.

More trouble ahead!

Ich hatte verzweifelt versucht nicht an die Vergangenheit zu denken, an all den Schmerz, den sie mit sich brachte und die Angst, die sich tief in meinem Herzen verkrochen hatte, in der Hoffnung, niemals entdeckt zu werden. Orichalcos. Die stechenden Augen von Dartz ließen mich erzittern. Damals erschienen sie mir so warm und einladend, es war das erste Mal seit Langem, dass ich mich verstanden und geborgen fühlte. Doch dieses Gefühl war nicht echt. Eine schmerzhafte Illusion. Hervorgerufen durch diesen grünen, magischen Stein, welchen auch ich benutzt hatte, um Jounouchi und dessen Freunde zu verletzen. Wie konnte er mir mein unsagbar idiotisches Verhalten nur verzeihen? Es war Jahre her und dennoch verband ich allein mit diesem Namen eine gewisse Furcht. Im Juwelierladen schüttelte es mich, wenn ich eine Kette mit grünem Smaragd sah.
 

„Dartz hat den Stein hauptsächlich dazu benutzt, um Seelen zu fangen und diese Leviathan zu opfern, doch er kann auch anders genutzt werden.“
 

„Anders?“, musternd betrachtete ich Valon, verstand seine Worte, aber nicht den Inhalt.
 

„Es ist kompliziert. Man kann ihn auch als Gefäß oder Katalysator benutzen. Magische Gegenstände haben das Potential Seelen zu beherbergen. Ähnlich wie mit den Millenniumsgegenständen, von denen Yuugi gesprochen hat. Niemand weiß, woher Orichalcos kommt, es ist ein sagenhaftes Erz, das in vielen Legenden beschrieben wird.“
 

„Mensch, ich schnall' kein Wort!“, machte Jounouchi seinem Unmut laut Ausdruck, richtete sich auf, nur um im selben Moment wieder ins Bett zu fallen.
 

„Überanstrenge dich nicht!“, ermahnte ihn Yuugi, wirkte trotz verweisendem Ton fürsorglich. Valon fuhr mit seiner Erklärung fort.
 

„Rafael hat mir einmal davon erzählt. In besonderen Fällen erkennt der Stein auch die Gefühle der Verstorbenen. Die Seele eines verstorbenen Menschen ist an die Erde gebunden, von solchen Fällen hört man immer wieder. Gerade ihr als Japaner solltet von gebundenen Geistern Ahnung haben“, meinte er dann und zwinkerte Jounouchi zu, welcher erschrocken zusammenfuhr.
 

„Ist ein Orichalcosstein in der Nähe, kann er sich mit dieser verlorenen Seele verbinden, gibt ihr einen Körper und lässt sie im Glauben zu leben. Aber“, er stockte, richtete seinen Blick zu Boden, fürchtete weiter zu sprechen. Es wurde unangenehm ruhig.
 

„Sie bleibt tot. Nichts kann das ändern. Der Stein ist... wie ein Parasit, der ihn für seine Zwecke missbraucht. Orichalcos verzehrt sich nach Seelen.“
 

„Das ist schrecklich. Heißt das, dass Akito...?!“ Yuugis Stimme war fest, doch dann brach er ab, als er erkannte, was er da sagte.
 

„Möglich wäre es. Vielleicht ist er schon... tot. Das würde die unheimliche Aura erklären, die wir alle gespürt haben.“
 

„Aber das erklärt nicht, warum es Jounouchi so schlecht geht!“ Aufgebracht stand ich auf, musste aber einsehen, dass Valon genauso ahnungslos war wie ich.
 

Keiner von uns wusste die genaue Antwort und diese Unwissenheit ließ mich sogar noch schutzloser fühlen, als ich es ohnehin schon war. Valon stapfte aus dem Zimmer, ließ die Tür unsanft zufallen. Fragend sahen wir ihm hinterher. In diesem Moment war ich mir sehr sicher, dass er mehr wusste, als er zugab. Es gab keine andere Option, als ihn auszuquetschen und ihn dazu zu bringen, zu sagen, was er verschwieg. Vollkommen egal ob ich ihn mit Vernunft oder Gewalt überzeugte, für mich stand fest, dass ich ihn zum Reden bringen würde. Also folgte ich ihm.
 

„Valon, bleib stehen!“, rief ich ihm hinterher, doch er beachtete mich nicht und beschleunigte seinen Schritt.
 

Grimmig tat ich es ihm gleich, griff nach seiner Schulter, forderte ihn mit sanfter Gewalt dazu auf, stehen zu bleiben. In diesem Flur war niemand außer uns. Natürlich nicht. Es handelte sich hier immerhin um einen Kaiba Park, warum sollten sich die Leute auch in diesem Gebäude aufhalten? Das Gebäude war der Verwaltungssitz und die Gästezimmer waren sicher für sonst anreisende Geschäftspartner gedacht. Aber dieser Umstand war von Vorteil für mich. Niemand würde unseren Weg kreuzen, somit war ich in der Lage in Ruhe mit ihm zu sprechen. Als ich in seine Augen sah, konnte ich erkennen, dass sie leicht glasig waren und einen Teil ihres Glanzes und der Anmut, die sie sonst immer ausstrahlten, verloren hatten.
 

„Was verschweigst du uns?“, wollte ich von ihm wissen, ließ seine Schulter nun los und verschränkte die Arme.
 

„Warum sollte ich dir etwas verschweigen?“
 

„Und warum bist du einfach raus gelaufen? Das ist doch sonst nicht deine Art!“
 

„Warum wohl?!“, sagte er aufgebracht, hielt sich dann die Hand vor dem Mund und entschuldigte sich. Er hatte sich vor seinem eigenen Verhalten erschrocken.
 

„Sag mir, was dich bedrückt. Los, spucke es schon aus!“, forderte ich ihn auf und tippte mit meinem Zeigefinger gegen seine harte Brust.
 

„Es ist nicht so wichtig!“ Unerlaubt griff er nach meiner Hand, drückte sie sanft und küsste sie, ehe er sie wieder losließ. Aufgebracht und etwas durcheinander zog ich meine Hand zurück und errötete. Noch immer spürte ich seine warmen Lippen auf meiner Haut, dieses unbekannte aber wohltuende Kribbeln, entfachte einen Tornado in meinem Inneren. Nichts konnte dieses aufkommende Gefühl verhindern, also versuchte ich es erneut, um mich selbst von der Situation abzulenken.
 

„Es ist nicht wichtig? Du bist ein schlechter Lügner.“ Er drehte den Kopf zur Seite, kratzte sich am Hinterkopf.
 

„Du willst es wirklich wissen?“
 

„Ja, sag es mir einfach, ansonsten verpasse ich dir noch eine.“ Das war natürlich ein Scherz. Da er lachte, fühlte ich mich erleichtert.
 

„Du und Jounouchi... mir gefällt es nicht, dass ihr euch so gut versteht. Ich bin eifersüchtig“, gestand er, drehte sich von mir weg, um seine Unsicherheit zu verbergen.
 

„Ach, jetzt weiß ich wo der Hase langläuft.“ Grinsend kam ich ihm näher, beugte mich zu ihm und versuchte ihm ins Gesicht zu sehen, doch er flüchtete immer wieder.
 

„Jetzt weißt du es!“, rechtfertigte er sich wie ein kleines Kind, blies seine Wangen leicht auf und formte mit seinen Lippen einen Schmollmund. Dieser Anblick entlockte mir ein Kichern und ich erwischte mich selbst dabei, ihn gedanklich als süß zu bezeichnen, wobei er sich gerade verhielt wie ein kleines Kind. Aber gerade diese Art war es, die ich an ihm wertschätzte. Obgleich er sich stets sehr reif verhielt, gab er sich ab und zu sehr kindisch, was ihn umso sympathischer machte. Ein Lächeln seinerseits. Einige Sekunden vergingen, ehe ich dieses erwiderte.
 

„Genug herumgealbert... es gibt da noch etwas, das ich dir sagen muss.“
 

„Warum auf einmal so ernst?“ Ich neigte meinen Kopf leicht zur Seite, musterte er ihn und wartete ab.
 

„Orichalcos ist mächtig und ich habe das Gefühl, dass es immer noch Fragmente dieses Gesteins gibt. Das bedeutet nichts Gutes.“
 

„Ich dachte, dass alles zerstört wurde? Wie kann das sein?“
 

„Rafael und auch Amelda haben mir gesagt, dass Dartz nicht alle Steine in seinem Besitz hatte.“
 

Niemand wusste, wo Orichalcos herkam. Man vermutete, dass es als Meteorit auf die Erde stürzte und dass das Erz nicht bekannt war. Zumindest erklärte dies, warum die Bestandteile des Steins nicht von der Erde zu stammen schienen. Eine Macht, die nicht von dieser Welt war, passte also ganz gut. Außerdem hatte ich schon lange aufgegeben, Magie und ähnlichen Hokuspokus zu hinterfragen, somit viel es mir leichter, diese übersinnlichen Dinge zu akzeptieren.
 

„Demnach sind sie noch immer verstreut und richten Schaden an“, schlussfolgerte ich, knetete nachdenklich meine Hände.
 

„Das sollten wir auch Yuugi und Jounouchi sagen!“ Als ich dies sagte, wanderten seine Mundwinkel buchstäblich in den Keller und er schüttelte hastig seinen Kopf.
 

„Yuugi hat gleich ein Duell vor sich! Es wäre besser, wenn wir ihn nicht noch weiter belasten“, sagte er und verdeutlichte damit seinen Standpunkt.
 

„Ich... verstehe. Trotzdem müssen wir etwas gegen Akito tun, oder? Gibt es überhaupt etwas, das wir tun können?“ Unsicherheit überkam mich.
 

Wenn dieser Junge nur ein Geist war, der durch den Stein an diese Erde gebunden war, stellte sich mir die Frage, ob es überhaupt in Ordnung war, ihn zu erlösen. Vielleicht war es sein inniger Wunsch am Leben zu bleiben? Aber andererseits war es gemein gegenüber denen, die ihr Leben verloren hatten und keine zweite Chance bekamen. Daher musste ich mir einfach eingestehen, dass Tote nicht auf dieser Erde wandeln sollten. Sie mussten dahin, wo sie hingehörten. Sicher stimmten mir auch die anderen zu.
 

Aber nicht nur das. So langsam ergab alles Sinn, zumindest redete ich mir selbst ein, zu verstehen, was es mit dem plötzlichen Verschwinden der anderen Duellanten und Jounouchis Schwäche auf sich hatte. Für einen Moment überkam mich ein nostalgisches Gefühl, das in mir ein Beben auslöste, schnell schloss ich die Augen und zwang mich dazu, die aufkommenden Erinnerungen zu verdrängen.
 

Ich kannte den Wahnsinn, den dieser Stein in den Herzen der Menschen auslöste. Ich wusste es. Ich hatte am eigenen Leib erlebt, wie er die Lebensenergie in sich aufnahm und einem im Gegenzug eine andere Realität vortäuschte, negative Gefühle endlos verstärkte und einen dazu brachte, Dinge zu tun, die man im Nachhinein bitter bereute. Doch er erschuf keine neuen Erinnerungen, sondern ließ einen Erlösung in der Form von Hass erfahren. Valon und ich, wir waren beide Opfer dieses außerirdischen Steins.
 

Gemeinsam begaben wir uns zu Jounouchis und Yuugis Zimmer. Vorsichtig öffnete der Brünette die Tür, doch der kleinere Duellant war bereits nicht mehr hier. Missmutig sahen wir einander an. Hoffentlich hatten sie ihr Duell noch nicht angefangen! Es musste einen Weg geben, Akito freizusetzen und diesem barbarischen Stein Einhalt zu gebieten. Niemand sollte durch Orichalcos weiterhin leiden. In der Vergangenheit hatte es genügend Opfer gegeben und sowohl Valon als auch ich hatten uns dazu entschlossen, dass dies alles endlich ein richtiges Ende finden musste! Wir nickten einander zu. Es brauchte keine Worte, um zu verstehen.
 

Zusammen verließen wir das Gebäude und liefen zu der Arena, wo weder Yuugi noch Akito sich eingefunden hatten. Etwas stimmte nicht. Sogar die Kaibabrüder wirkten unruhig. Als nach einigen Minuten keiner der beiden Kontrahenten aufkreuzte, setzten wir uns in Bewegung und sprachen die Brüder an. Kaiba zeigte keinerlei Regung. Er machte sich keine Sorgen um Yuugi – wenn doch, dann zeigte er diese Sorge nicht – sondern schien viel mehr erbost zu sein, dass ein ehrenhafter und grandioser Duellant zu spät zu einem Duell kam. Kaiba war Perfektionist. Dass Yuugi bereits im letzten Duell zu spät kam, hatte ihn bereits verärgert. Kaiba respektierte Yuugi als Rivalen und als Duellanten und er erwartete eine professionelle Haltung von diesem.
 

Zumindest der jüngere Bruder zeigte sich besorgt und fragte nach, wo Yuugi denn steckte. Wir konnten ihm keine Antwort geben. Dass auch Akito nicht erschien, ließ uns Böses erahnen.
 

Kaibas Verhalten machte mich rasend, immerhin war er der Veranstalter dieses Turniers und es war seine Pflicht sich darum zu bemühen, dass die Regeln eingehalten wurden. Doch er wirkte keinen Deut interessiert, ließ sich auf keine Diskussion ein. Insbesondere als Valon unseren Verdacht wegen des Orichalcossteins erwähnte, blockte er noch mehr ab.
 

Wie konnte er nur so hartnäckig sein? Jounouchi war ernsthaft zu Schaden gekommen. Es verärgerte mich, dass er diesen Umstand einfach ignorierte, wobei er die Kraft von Orichalcos bereits am eigenen Leib erfahren hatte. Oder wollte er mir allen Ernstes sagen, dass er alles vergessen hatte? Grummelnd kam ich ihm näher, erhob vor Aufregung meine Stimme, was ihn durchaus endlich auf den Boden der Tatsachen zurückholte und ihn dazu brachte endlich unserem Flehen Beachtung zu schenken.
 

„Ich glaube an diesen Hokuspokus nicht! Also verschont mich mit euren Leuchtsteinchen!“
 

„Wie kannst du das sagen? Du hast doch selbst miterlebt, was geschehen ist!“, keifte ich, wurde von Valon zurückgehalten.
 

„Und wenn schon! Dieses Turnier findet wie geplant statt. Wir warten. Mehr habe ich nicht zu sagen.“
 

Obschon er es nicht offen zeigte, wie sehr ihn das alles mitgenommen hatte, wusste ich, dass sein dummes Betragen für ihn nur eine Art Schutz war. Für ihn war Orichalcos ein abgeschlossenes Kapitel in seiner Lebensgeschichte. Nicht einmal wichtig genug, um überhaupt in seiner Biographie erwähnt zu werden. Für einen Moment haderte ich mit mir selbst. Vielleicht waren Kaiba und ich uns gar nicht so unähnlich, denn auch ich war jahrelang vor meiner Vergangenheit davongelaufen und versuchte sie zu verleugnen. Aber mir war mittlerweile klar geworden, dass man Vergangenes akzeptieren musste, auch wenn die Erinnerung einen plagte. Wir konnten nicht ändern, was geschehen war und gerade weil wir wussten, was geschehen konnte, war es unsere Pflicht etwas gegen diesen Stein zu unternehmen.
 

„Mehr hast du nicht zu sagen? Denk mal darüber nach, was damals passiert ist!“, mischte sich nun Valon ein, ein Teil von mir war froh, dass er das aussprach, was mir auf der Zunge lag, aber einfach nicht den Weg nach draußen fand. Er verstand mich einfach, wir tickten ähnlich. Wieso war mir das nicht schon vorher aufgefallen?
 

„Ich denke, dass ihr beiden das alles hier überdramatisiert. Yuugi wird schon noch kommen.“
 

Für ihn war das Gespräch nun endgültig beendet. Bestimmend stapfte er weg, ließ uns zurück. Nur Mokuba blieb, wollte etwas sagen, schien aber nicht die richtigen Worte zu finden. Das Publikum hatte sich bereits erheblich verkleinert. Anscheinend hatte keiner Lust weiter zu warten, weshalb immer mehr Menschen gingen und die Zeit mit den vielen anderen Attraktionen des Parks totschlugen.
 

„Glaubt ihr wirklich, dass es sich bei dieser Brosche um einen Orichalcosstein handeln könnte?“, wollte Mokuba wissen. In seinen Augen war seine Sorge abzulesen. Er war anders als sein Bruder.
 

„Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber die Möglichkeit besteht durchaus“, antwortete ich, wurde dann von Valon ergänzt.
 

„Akito ist unberechenbar. Jounouchi geht es seit seinem Duell gegen ihn schlecht. Irgendetwas stimmt hier nicht und wir sind uns sicher, dass dieser Bengel etwas damit zu tun hat! Yuugi ist noch nie zu einem Duell zu spät gekommen und er würde sich niemals vor einer Herausforderung drücken. Kommt dir das Ganze hier nicht komisch vor?“
 

Er appellierte an Mokubas Vernunft, die Kaiba vermutlich schon längst verloren hatte.

Caught in the Dark

Plötzlich ein Beben, die Erde bewegte sich und man hörte von Weitem die Schreie einiger Besucher des Kaiba Parks. Unbeholfen stolperte ich hin und her, spürte wie Valons starke Arme mich zu ihm zogen und mir Halt gaben. Während er mich so in seinen Armen hielt, fühlte ich mich sicher, wusste, dass mir nichts geschehen konnte. Innerlich wurde mir heiß aufgrund dieser plötzlichen Nähe, doch dieses Mal ließ ich es zu, genoss seine Nähe und die Sicherheit, die er mir gab.
 

Er selbst bemühte sich darum, nicht zu straucheln und trotzte dem Beben, spielte den mutigen Helden, der seine Prinzessin vor einem Ungetüm gerettet hatte. Was für ein kindischer Gedanke, kam es mir selbst in den Sinn. Mein Herz raste unaufhaltsam vor Aufregung. Reflexartig krallte ich mich an ihm, suchte nach Schutz, aus Angst, dass dieses Beben das Ende der Welt sein könnte. In all der Zeit, in der ich nun in Amerika lebte, hatte ich noch nie ein solches Erdbeben erlebt. Eigentlich war es mein erstes Beben überhaupt, dementsprechend nervös verhielt ich mich auch.
 

Endlich beruhigte sich Mutter Erde und auch die panischen Schreie der Besucher nahmen langsam ab, wobei ich mir sehr sicher war, dass der Großteil sich nun endgültig verabschieden und Schutz in ihrem Zuhause aufsuchen würde. Wäre ich keine Teilnehmerin des Turniers gewesen, hätte ich vermutlich genauso gehandelt. Obwohl das Beben vorbei war, hielt Valon mich noch immer fest umklammert. Einige Sekunden genoss ich es, ihm so nahe zu sein, doch dann holte mich die Realität ein, mir wurde bewusst, wo wir uns und in welcher Situation wir uns befanden.
 

Ruckartig befreite ich mich von ihm, tapste unbeholfen einige Schritte von ihm weg, ehe ich mich umdrehte und leise „Danke“ flüsterte. Mein Gesicht war unangenehm heiß, ich wusste, dass ich rot angelaufen war. Auf diese Art und Weise gehalten zu werden, war so neu und ungewohnt für mich, jedoch konnte ich nicht verleugnen, dass ich gerne weiter seine Nähe genossen hätte. Mein ganzer Körper wurde von wohligen Schauern übermannt, ein angenehmes Kribbeln verblieb an der Stelle, wo seine starken Hände meine Haut berührt hatten und ich drängte mich selbst dazu, endlich wieder zu klaren Verstand zu kommen.
 

Erst nachdem ich mir sicher sein konnte, dass mein Gesicht wieder eine normale Farbe angenommen hatte, drehte ich mich zu ihm um, fixierte ihn, bewegte langsam meine Lippen, um ihm zu erklären, was nun zu tun war. Das plötzliche Beben war beängstigend, doch wir wussten, dass wir jetzt nicht zögern durften. Immerhin war dieser kleine Teufel noch immer frei unterwegs, gefährdete wissentlich Menschenleben, was wir verhindern mussten. Als frühere Mitglieder der DOMA Organisation fühlten wir uns dazu verpflichtet, diesem Spuk ein Ende zu bereiten, damit endlich Frieden einkehren konnte. Es war eine Verantwortung, die nur uns beiden zuteil wurde. Etwas, das uns verband.
 

Mokuba, der zu Boden gefallen war, rappelte sich nun wieder auf, klopfte den Staub von seiner Kleidung, atmete tief ein und wieder aus, ehe er seinen Arm in Richtung des größten Gebäudes hob und mit seinem Zeigefinger auf das Dach wies. Folgsam richteten wir unsere Blicke in diese Richtung. Purer Schock überkam mich, meine Augen weiteten sich vor Schreck, als ich den schwarzen Nebel über dem Gebäude sah, aus dem einige Blitze gefährlich schossen. Unsicher ging ich einen Schritt zurück. Dieser dunkle Nebel erinnerte mich an das Reich der Schatten, an all die Qualen und Pein, die ich dort erlebt hatte und wieder fühlte ich diese aufkommende Schwäche, die wie eine Welle über mich herein brach und drohte mich zu verschlucken. Wieder war ich vollkommen hilflos und diesem traumatischen Erinnerungen ausgesetzt, die mich seit Langem fesselten.
 

Auf einmal spürte ich Valons starke Hand, die er behutsam auf meine schmale Schulter legte. Dass er mir ein warmes Lächeln schenkte, konnte ich nicht sehen, da ich einige Sekunden brauchte, um zu realisieren, dass diese Illusion vor meinem geistigen Auge keine Realität war. Kurz zuckte ich zusammen, dann verschwand mein Zittern und ich sah ihn an. Zum ersten Mal seit Langem, hatte ich diese überwältigende Furcht abschütteln können und ich konzentrierte mich auf unsere Aufgabe. Hastig liefen wir zu dem riesigen Gebäude, eilten die Treppen hinauf, vorbei an den pompösen gar eindrucksvollen Statuen der weißen Drachen und betraten das Bauwerk durch die elektronische Eingangstür, die aufschnellte, als wir uns näherten. Mokuba folgte uns keuchend.
 

„Sollen wir den Aufzug nehmen?“, fragte Valon und sah uns beide an. Mokuba schüttelte den Kopf, versuchte wieder zu Atem zu kommen.
 

„Das ist zu gefährlich. Könnte sein, dass das Beben Auswirkungen auf den Aufzug hatte. Die Treppe ist sicherer“, erklärte er, während er immer wieder nach Luft schnappte. Durch seine rosigen Wangen sah er recht niedlich aus, beinahe wie ein kleines Kind, obgleich er auf dem Weg zum Mann war.
 

„Gut, beeilen wir uns! Bestimmt ist Yuugi da oben!“
 

In aller Eile liefen wir die Treppen hoch, immer mehr Stufen erwarteten uns und meine Beine wurden schwerer und schwerer. Wie viele Stockwerke hatte dieses Gebäude eigentlich? So langsam bekam ich das Gefühl, dass wir endlos hinauf liefen und unserem Ziel kein Stück näher kamen, so, als rannten wir im Kreis. Rasch schüttelte ich diesen Gedanken ab, setzte einen Fuß vor den anderen, während ich mich mit einer Hand am Gelände festkrallte, um mich so hoch zu schleppen. Schon bald war jeder Schritt eine Qual.
 

Valon ächzte, ihm lief der Schweiß die Stirn herunter und er blieb verzweifelt stehen, beugte sich vor und stützte sich an seinen Knien ab, gab alles dafür, um endlich wieder zu Luft zu kommen. Vorhin war er begeistert hoch gerannt und nun blieb ihm die Puste weg. Angestrengt ließ er sich fallen, setzte sich auf einer Stufe ab und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen.
 

„Wie viele Stockwerke sind es denn noch?“, wimmerte er und betrachtete nun Mokuba.
 

„Irgendwas ist komisch. Wir hätten längst oben sein müssen!“
 

„Das Treppenhaus ist eigenartig, nicht wahr?“, verlieh ich meiner Vermutung Ausdruck.
 

Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt, ich hatte das Gefühl, dass jeden Moment ein Monster aus einer Ecke springen und mich anfallen würde. Dann ein knallendes Geräusch und das Licht war weg. Wir alle schreckten auf, ängstlich sahen wir uns um. Es schüttelte mich, instinktiv legte ich meine Arme um mich, wandte den Blick nach oben, dann wieder nach unten, betrachtete das Treppenhaus eingehend, bis ich zum Schluss kam, dass es unmöglich war, nach ganz oben zu kommen. Glücklicherweise gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit und ich nahm meine Umgebung langsam wieder schemenhaft wahr. Es war nur eine Vermutung, doch ich glaubte zu wissen, dass Akito sich auf dem Dach gegen Yuugi duellierte und nicht von uns gestört werden wollte. Nachdenklich rieb sich Valon die Schläfen. Er sagte nichts, doch ich wusste, dass wir dasselbe dachten und fieberhaft nach einem Ausweg aus diesem scheinbar endlosen Labyrinth suchten.
 

Mein Blick wanderte umher, verzweifelt klammerte ich mich an die Hoffnung so etwas wie einen Ausweg zu finden, damit wir endlich Yuugi zu Hilfe eilen konnten. Natürlich war es fraglich, ob er unsere Hilfe brauchte, doch es bereitete mir große Sorge, dass sein Gegner ein Teufel war, ein bestialischer Dämon geleitet von einem animalischen Stein, der weder Reue noch Mitgefühl kannte, der in den Menschen nichts weiter als Nahrung sah. Wortlos machten wir uns wieder auf den Weg, als wir im nächsten Stockwerk ankamen, entschieden wir uns dazu, die Tür zu öffnen, obwohl wir nicht wussten, wohin sie uns führte.
 

Zögerlich legte Valon seine Hand auf dir Türklinke, es schien, als sammelte er noch einmal all seine Kräfte, ehe er endlich diese Pforte in die Hölle öffnete und sich ein neuer Weg vor uns eröffnete. Und das war sie tatsächlich! Die reinste Hölle! Doch wir wussten, dass es keinen anderen Weg gab, selbst, wenn wir es gewollt hätten, hätten wir nicht zurückgehen können, da die Tür hinter uns sich plötzlich auflöste und wir dazu gezwungen waren, voranzuschreiten.
 

Valon stellte sich schützend vor mich. Es machte mich einerseits rasend, dass er mich für so schwach und zerbrechlich hielt, doch andererseits fühlte ich so etwas wie eine tiefe innige Verbundenheit tief in meinem Herzen ihm gegenüber erblühen. Vorsichtig legte ich meine Hand auf Mokubas Schulter, der sich leicht panisch und neugierig zu gleich umsah. Die Dunkelheit machte es uns unmöglich, alles genau zu erkennen, allerdings wussten wir, dass es gar nicht nötig war, alles zu sehen, um uns sicher sein zu können, dass wir in großer Gefahr schwebten. Endlich fassten wir den Entschluss weiter zu gehen, als plötzlich Mauern aus dem Boden hoch in den Himmel wuchsen und uns den Weg versperrten. Erschrocken keuchte ich auf, machte einen großen Schritt rückwärts und betrachtete die steinerne Wand, die uns am Voranschreiten hinderte, unsere Hoffnung jäh vernichtete.
 

„Was ist das...?“, kam es Mokuba erschrocken über die Lippen.
 

Die Ungewissheit hinterließ ihre Spuren auf uns. Diese scheinbar lebensbedrohliche Situation, in der wir uns befanden, machte uns alle langsam wahnsinnig. Wir wussten nicht, wohin der Weg uns führte oder was wir tun mussten, um endlich dieses Labyrinth zu verlassen. Gereizt schlug der Brünette auf die Wand ein. Daraufhin machte er eine Pause, lehnte seine Stirn gegen die kalte Wand und schien nachzudenken. Ohne vorher Anstalten gemacht zu haben, schlug er erneut auf das feste Mauerwerk ein, wieder und wieder und wieder. Erfüllt von Verzweiflung kam ich ihm näher, packte seine Schulter und riss ihn gegen seinen Willen um, damit er mir ins Gesicht sehen konnte.
 

„Hör auf damit! Das bringt doch nichts!“, ermahnte ich ihn und erfasste seine Hand. Seine Handknöchel waren durch die enorme Wucht beim Aufprall gegen das harte Gestein gerissen. Blut tropfte auf den Boden. Vorsichtig nahm ich seine Hand in meine Hände, betrachtete seine Wunden eingehend, ehe ich dann den Kopf wieder hob und ihn flehend ansah.
 

Er wusste, was ich sagen wollte, ohne, dass ich es aussprechen musste. Mokuba, der bis eben die Wand abgetastet hatte, näherte sich uns. Sorge lag in seinem Blick und seine Lippen formten einen umgekehrten Amorbogen. Unsere Lage schien aussichtslos. Waren wir etwa dazu gezwungen, so lange zu warten, bis das Duell der beiden beendet war? Mein ganzes Sein weigerte sich diesen Umstand zu akzeptieren. Ich wollte fliehen, einfach nur weg von hier, doch es wäre egal, wohin ich lief, ich würde nirgendwo ankommen.
 

Mit einem Taschentuch tupfte ich seine Wunde ab. Sein Gesicht umspielte eine dezente Röte, es war ihm nicht unangenehm von mir auf diese Weise versorgt zu werden, viel eher genoss er die Aufmerksamkeit und die Berührungen, die ich ihm zuteil werden ließ. Normalerweise hätte ich ihn am liebsten ausgeschimpft, ihn ermahnt solche Dummheiten nicht zu tun, aber was hätte es gebracht? Nichts. Rein gar nichts. Er war nun mal ein Idiot.
 

„Hey, ihr Turteltauben...“, kam es von Mokuba, der schelmisch grinste. Sofort senkte ich den Kopf vor Scham, ließ Valons Hand los und drehte mich zu dem Frechdachs, der noch immer abwartend in unsere Richtung sah und sich sein neckisches Kichern nicht verkneifen konnte
 

„Wir sind keine Turteltauben!“, verteidigte ich mich und stapfte einmal erbost auf.
 

„Schon klar“, antwortete mir Mokuba, seine Stimme klang äußerst keck und herausfordernd. Doch bevor ich etwas erwidern konnte, sprach er weiter.
 

„Hier scheint so etwas wie ein Eingang zu sein. Schaut mal.“
 

Ein riesiges Tor, einige Meter weiter in dem gigantischen Mauerwerk eingelassen, erhaschte unsere Aufmerksamkeit. Prüfend betrachtete ich es, legte zögerlich eine Hand auf das eiskalte Metall und tastete es ab, als wollte ich einen Schalter finden, der diesen Eingang öffnete. Durch das fahle Licht, das uns umgab, fiel es mir schwer, zu erkennen, was für Muster sich auf dem Metall befanden und herauszufinden, ob sie ein Teil für des Rätsels Lösung waren. Valon trat nun auch an das große Tor, verschränkte seine Arme, kniff die Augen ein wenig zu und neigte seinen Kopf leicht zur Seite. Unser nächster Zug musste wohl überlegt sein, wenn wir uns nicht weiter im Netz des Feindes verheddern wollten. Blitzartig kam Valon dem eisernen Tor näher und trat mit voller Kraft dagegen. Mokuba und ich wollten ihn noch aufhalten, doch ein lautes Geräusch war zu vernehmen und ein Echo, das noch lange nachhallte.
 

„Spinnst du, oder was?!“, keifte ich ihn an und zog ihn von dem Tor weg, hätte ihm am liebsten eine verpasst.
 

„Mai hat recht, Valon! Mit Gewalt kommen wir nicht voran!“
 

Zu unser aller Überraschung ertönte ein lautes quietschendes Geräusch. Das riesige Tor öffnete sich schwerfällig und ein eisig kalter Luftzug erwischte uns. Schützend hob ich meine Arme vor mein Gesicht, als der Wind uns erfasste und mein Haar wild hin und her tanzte. Dann richteten wir alle unsere Blick in Richtung des Tores. Valon lachte erheitert.
 

„Ich weiß gar nicht, was ihr habt! Funktioniert doch prima!“ Stolz stemmte er seine Hände in die Hüften, lachte erneut auf.
 

Etwas genervt, dass seine rabiate Art tatsächlich ein Wunder gewirkt hatte, stieß ich ihm in die Seite, so dass er kurz zusammenzuckte und keuchte. Er sollte bloß nicht glauben, dass rohe Gewalt immer eine Lösung war. Es war purer Zufall, dass das alte Tor vor uns sich geöffnet hatte, zumindest wollte ich mir das einreden. Ich blickte durch das Tor, ein dichter Nebel lag vor uns und Geheimnisse, die nur darauf warteten, von uns entdeckt zu werden, stets wissend, dass das Böse uns im Nacken saß und jederzeit zubeißen konnte. Hart schluckend sahen wir einander an, dann nahmen wir die Herausforderung des Dämons widerwillig an.

The Path of Illusion

Dichter Nebel kam uns entgegen, als wir durch das Tor eintraten und uns, wenn auch widerwillig, auf dieses Spiel einließen. Wir waren zu Dritt und unsere Schritte warfen ein Echo, so dass wir uns nicht darum sorgen mussten, dass einer von uns verloren ging. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, was uns erwartete, dann wäre ich keinen Schritt weitergegangen, doch wir waren voller Tatendrang und naiv, glaubten wir doch tatsächlich, dass wir eine Chance gegen Orichalcos oder besser gesagt seinem Wirt hatten.
 

Wir blieben dicht beieinander, achteten darauf, dieselben Wege nicht mehrmals zu gehen und schritten voran. Ich hob den Blick, doch es war mir unmöglich über die Wände zu blicken, die aus dem Boden ragten und unsere Ehrerbietung verlangten. Wir folgten den Pfaden, versuchten so etwas wie ein Muster herauszufinden, bald schon wurde uns klar, dass Akito dieses Labyrinth steuerte. Um hier weiterzukommen, mussten wir ihn durchschauen, nicht sein Gefängnis.
 

Die verworrenen Wege führten zu einem weiteren kleinem Tor, auf dessen Pforten sich Rosen und mir unbekannte Zeichen, vermutlich Schriftzeichen, befanden. Meinen Kopf leicht zur Seite neigend, studierte ich das Bild, das sich vor meinen Augen befand, dachte angestrengt darüber nach, ob das Muster eine uns verborgene Bedeutung hatte. Erneut kam Valon dem Tor näher, doch ehe er wieder gegen das eiserne Hindernis treten konnte, zerrten Mokuba und ich ihn zurück. Grummelnd lehnte er sich gegen das Gemäuer. Bizarre Geräusche ertönten, so dass wir zusammen fuhren und uns umsahen. Es schien, als sprach Akito selbst mit uns, mir einer verzerrten gar düsteren Stimme, die uns Angst einjagen sollte.
 

»Das ist der falsche Weg. Falsch, falsch, falsch! So wirst du es nie zu etwas bringen!«
 

Noch immer hallte das Echo seiner Stimme nach, keiner von uns rührte sich. Abwartend starrten wir auf das Tor, wissend, dass es sich trotz dieser Durchsage nicht öffnen würde. Akitos Stimme verstummte. Mein Herz schlug rasend gegen meinen Brustkorb, mein ganzer Körper stand unter Strom und mich überkam ein Schütteln, welches ich aber mit meiner Willensstärke unterbrach. Keine Zeit für Schwäche. Die Lage war ernst, wir mussten weiterkommen und aus diesem Horror fliehen.
 

Besonders Mokuba machte mir Sorgen, der mit seinen großen unschuldigen Augen durch die Gegend blickte und selbst nach einem anderen Weg zu suchen schien. Zu gern hätte ich ihm dies hier erspart. Die nackte Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch der junge Mann versuchte weiterhin mutig auszusehen, grinste sogar wieder lässig, als wollte er damit signalisieren, dass wir keine Zeit zum Trödeln hatten. Er spielte den mutigen Helden, tief in seinem Inneren jedoch fürchtete er sich. Diese Reaktion war durchaus angebracht, immerhin kannten wir alle den Schrecken des Orichalcos.
 

„Der falsche Weg, hm?“, wiederholte Valon nachdenklich, dann stieß er sich von der Wand ab und kam uns näher.
 

„Ist nur so ein Gedanke, aber könnte es nicht sein, dass er uns auf eine falsche Fährte führen will?“, erklärte er dann und schenkte uns beiden einen ernsten Blick.
 

„Das ist eine Möglichkeit. Wir wissen ohnehin nicht, wo wir hin müssen, aber auf Akitos Worte zu hören, bringt sicher nichts Gutes“, sagte Mokuba, kam wieder dem Tor näher und legte seine Hand auf diese.
 

„Sollen wir versuchen, durch das Tor zu schreiten?“, wollte ich wissen und die beiden nickten mir zustimmend zu. Gemeinsam lehnten wir uns gegen das schwere Metall, drückten uns mit aller Macht dagegen, wollten den Weg gewaltsam öffnen und, zu unser aller Verwunderung, bewegten sich die Pforten langsam.
 

Wie am Anfang zuvor, erfasste uns ein eisig peitschender Wind, der mir durch Mark und Bein ging. Ich bekam eine Gänsehaut, nicht nur wegen der urplötzlichen Kälte, sondern vor Aufregung und der Ungewissheit, was uns als nächstes erwartete. Hart schluckend betraten wir den Raum, viel eher erschien das hier wie eine dunkle Kammer und ich kam nicht drumherum, mich zu fragen, ob Akito selbst sich dazu entschlossen hatte, die Umgebung abzuändern, um uns noch mehr zu verwirren und unsere Hoffnungslosigkeit zu schüren. Ich war eine gute Duel Monsters Spielerin, aber auch die schwersten Duelle, die ich in meinem ganzen Leben gespielt hatte, waren nichts im Vergleich zu dem, was uns nun erwartete.
 

Der verweste Gestank von Leichen kroch mir in die Nase, sofort schnellte meine Hand zu meinem Gesicht und ich versuchte den abscheulichen Geruch abzuschirmen. Es gab keinen schlimmeren Gestank und meine feine Nase, die an wundervolle verzückende Aromen gewöhnt war, nahm diesen Gestank nur allzu deutlich wahr. Angewidert trat ich einen Schritt zurück, Übelkeit kam in mir hoch und ich glaubte, mich jeden Moment übergeben zu müssen. Auch meine Gefährten schienen den Geruch nicht ignorieren zu können, sie waren genauso angewidert wie ich, nicht fähig etwas zu sagen. Zunächst mussten wir uns an diese Situation gewöhnen, sofern das überhaupt möglich war. Wir befanden uns in einem Kellergewölbe, kleine Fackeln an den Wänden erleuchteten uns spärlich den Weg. Langsam erkannte ich die Umgebung, wollte aber nicht wahrhaben, was sich vor meinen Augen erstreckte.
 

„Ein unterirdisches Gefängnis?“, fragte Mokuba, in seiner Stimme war ein deutliches Zittern zu hören.
 

Um uns herum befanden sich Zellen, wie man sie aus den mittelalterlichen Filmen kannte. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Boden an einigen Stellen blutrot verfärbt war und dass meine schönen Stiefel schrecklich an diesen beinahe eingetrockneten Flüssigkeiten klebten. Die verrosteten Gitterstäbe waren dicht an dicht aneinander gedrängt, mit bloßen Händen allein konnte sich niemand aus diesem Gefängnis befreien. Ich versuchte einen weiteren Blick zu erhaschen, doch ehe ich meinen Blick auf den Inhalt der Zelle direkt vor uns werfen konnte, packte mich Valon und presste mich an seine Brust, wollte mich vor schrecklichen Unheil bewahren.
 

„Seht nicht hin. Schaut bloß weg, das ist das Beste“, erklärte er und warf einen mahnenden Blick auf unseren jüngsten Begleiter, der nun sichtbar mit der Neugierde kämpfte, aber dann krampfhaft die Augen schloss und auf Valons gutgemeinten Ratschlag hörte. Das Surren von Fliegen und das Quieken von Ratten, die sich gierig auf ihre Beute stürzten, war nicht zu ignorieren und ich wusste, woher der schreckliche Gestank kam und warum Valon nicht wollte, dass ich meinen Blick in diese Zellen warf.
 

Wieder hatte er mich beschützt und ich fühlte tiefe Dankbarkeit ihm gegenüber, die ich doch nicht aussprach und in meinem Herzen bewahrte. Es war zu früh für solche Worte. Obwohl ich mit der Verzweiflung kämpfte, existierte tief in mir ein Hoffnungsschimmer, der aufleuchtete und mir sagte, dass ich noch nicht aufgeben durfte. Noch immer drückte mich Valon an sich und ich konnte seinen wilden pulsierenden Herzschlag hören, der mir nur allzu deutlich ins Gedächtnis rief, dass er nicht frei von Ängsten war und genauso mit diesem nervenaufreibenden Horror, anders konnte man es gar nicht mehr bezeichnen, zu kämpfen hatte.
 

Mit äußerster Vorsicht setzten wir einen Fuß vor den nächsten, vorbei an den stinkenden Zellen und wir erreichten eine metallene Tür, an der ebenfalls Blut klebte und die sogar mit Kratzern überseht war. Tiefe Einkerbungen, die meine Aufmerksamkeit erhaschten, die von den Kämpfen hinter diesen Türen zeugten und mir den Angstschweiß ins Gesicht trieben. Allein der Gedanke, wie sich die Häftlinge sich an dieser Tür festgekrallt hatten, um nicht weiter gequält zu werden, ließ in mir bloße Panik aufblühen. War das hier real?
 

So sehr ich es mir auch wünschte, ich konnte mir einfach nicht einreden, dass das alles nur ein Traum war. Es fühlte sich so unglaublich echt an, jede Faser meines Körpers weigerte sich weiter zu gehen und schrie „Geh nicht weiter!“, wobei ich ganz genau wusste, dass wir nichts weiter als Schachfiguren auf diesem blutverschmierten Schachbrett waren und keinerlei Kontrolle über die Züge unseres Spielers hatten. Instinktiv legte ich meine Hand auf Valons Oberarm, krallte mich an ihm fest und senkte meinen Blick. Er sagte nichts, nahm meine Furcht einfach so hin und gab keinen frechen Kommentar ab, wofür ich ihm unsagbar dankbar war.
 

Mokuba drängte sich ebenfalls dicht an Valon. Mittlerweile war Valon zu unserem Anführer geworden. Es tat mir schrecklich leid, dass Mokuba ebenfalls in diesem Grauen gefangen war und all diese Abartigkeiten erleben musste. Unsere Fähigkeiten als Duellanten brachten uns hier nicht weiter, das hatten wir schon lange erkannt. Es war nur eine Annahme, aber etwas sagte mir, dass wir Teile von Akitos Erinnerungen gerade selbst erlebten und tief in sein Seelenleben vorstießen. Seit dem letzten Tor hatte er nichts mehr gesagt. Lag es daran, dass er in der realen Welt mit Yuugi beschäftigt war? Wie lange waren wir hier drin gefangen? So viele Fragen, auf die ich einfach keine Antwort fand. Wir zögerten. Sollten wir die Tür wirklich öffnen?
 

Orichalcos war nicht berechenbar. Ein Stein, der nicht von dieser Welt war. Auch wenn ich mir nicht sicher sein konnte, so glaubte ich, dass all dies, was wir hier erlebten, mit diesem Stein in Verbindung stand. Valon hatte erwähnt, dass der Stein nach Seelen suchte und in mir schlich sich der Gedanke ein, dass auch Geister der Vergangenheit, die seit Jahrhunderten im Diesseits gefangen waren, sich magisch von diesem Stein angezogen fühlten. Konnte es sein, dass Akito ein ehemaliger Gefangener dieses Gefängnisses war?
 

Wenn wir die Tür öffnen, finden wir mehr heraus. Vielleicht sind meine Vermutungen richtig. Vielleicht ist Akito ja schon längst..., grübelte ich gedanklich, biss mir auf die Unterlippe. Es war zu früh für Schlussfolgerungen.
 

„Na, dann mal los...“, sprach Valon, doch ich hörte in seiner Stimme den Klang von Angst.
 

Als wir die Tür öffneten, wurden wir von einem gleißenden Licht geblendet, unfähig etwas zu sehen, kniff ich die Augen zu und wartete, dass diese enorme Helligkeit endlich verschwand. Dann wieder Finsternis. Das Gefühl der Unklarheit machte sich in mir breit. Dieser kleine Dämon mit den goldenen Augen spielte nur mit uns! Es machte ihm sichtbar Freude uns zu quälen. Endlich ließ ich Valon wieder los, trat kühn weiter in diesen neuen Raum ein. Noch ehe ich mich weiter umsehen konnte, wurde es auf einmal hell, ruckartig drehte ich mich um, dann wandte ich meinen Blick gen Decke, wo ein wunderschöner Kronleuchter erschien, der mit Kristallsteinen verziert war und von höchstem Reichtum zeugte. Ein edler Raum, die Wände waren in einem leidenschaftlichen Rot gestrichen und in der Mitte des Raumes lag ein Himmelbett, in Samt bezogen und mit Kissen, die mit goldenen Mustern verziert worden waren.
 

„Komm endlich raus, Akito! Hörst du mich nicht? Komm raus!“, schrie ich mit allen Kräften, die ich aufbringen konnte.
 

Wütend zog ich meine Augenbrauen runter, warf einen suchenden Blick auf das Bett, welchem ich mich nun näherte und packte eines der edlen Kopfkissen, sofort fühlte ich den samtig weichen Stoff an meinen Fingern, doch es zügelte meinen Zorn nicht, so dass ich dieses vornehme Stück mit voller Wucht gegen die Wand pfefferte. Um noch weitere der teuren Stücke zu ergreifen, fasste ich den Vorhang und schob ihn rabiat zur Seite. Abrupt stoppte ich mein Tun und betrachtete eine weiße leuchtende Kugel, die hier scheinbar fehl am Platze war. Misstrauisch betrachtete ich diese, meine beiden Gefährten kamen mir indes näher und warfen ebenfalls einen musternden Blick auf dieses edle Ding, bis ich dann meine Hand danach ausstreckte.
 

Vorsichtig, als könnte sie zerbrechen, legte ich meine Hand auf diese und es begann erneut zu leuchten. War es dasselbe Licht, das wir sahen, als wir diesen Raum betreten hatten? Umgehend schlossen wir die Augen und ich spürte, dass fremdartige Bilder in mich hinein drangen, verstörende Szenen, die Mitgefühl und Ekel zugleich auslösten und ein Gefühl der Verzweiflung überkam mich. Zitternd nahm ich meine Hand zurück, mit großen Augen starrte ich dieses Ding an, fühlte noch immer die Emotionen, die bis eben durch mich geflossen waren. In meinen Augen spiegelte sich blankes Entsetzen. Ich musste gar nicht aufsehen, um zu wissen, dass Mokuba und Valon dasselbe gesehen hatten. Mein Körper bebte, obwohl ich etwas sagen wollte, fand ich nicht die richtigen Worte.
 

»Und? Macht es Spaß? Bereitet es euch Freude meine Erinnerungen zu betrachten?«
 

Angsterfüllt drehte ich mich um, Valon und Mokuba taten es mir gleich. Unsere Umgebung begann zu verschwimmen und vor uns befand sich die Tür zum Dach des Gebäudes. Hatten wir das Rätsel gelöst oder hatte Akito selbst entschieden, diese Illusion abzubrechen, um sich selbst zu schützen und uns daran zu hindern, weiter in die dunkelsten Tiefen und Abgründe seiner Seele zu blicken? Was auch immer es war, wir mussten weiter voranschreiten und die hoffentlich letzte Tür öffnen. Das beklemmende Gefühl hatte sich von mir gelöst und ich wusste, dass die Einblicke, die wir bis eben erhalten hatten, nur eine Illusion waren. Endlich waren wir zurück und erneut flackerte das Licht der Hoffnung in mir auf. Wir öffneten die Tür vor uns.

Grand Finale

Lautes Donnergrollen und zischende Blitze waren unser Empfangskomitee. Dunkle Wolken umgaben das Gebäude, die einen schwarzen Dunst absonderten, der ungehalten hin und her schwebte. Für einen Moment glaubte ich, wieder im Reich der Schatten gefangen zu sein, jedoch wusste ich, dass das alles hier nichts weiter als eine grauenvolle Illusion war, in der wir alle gefangen waren. Akitos lautes höhnisches Gelächter war zu vernehmen. An meiner Seite waren Mokuba und Valon, die mit suchendem Blick den Platz betrachteten, sie brauchten nicht lange, um das zu finden, was sie suchten.
 

Das Duell von Akito und Yuugi war noch nicht beendet. Sie hatten bereits viele Karten gezogen und dieses Spiel zog sich sichtbar in die Länge. Der dämonische Junge hatte seinen Blick zu Boden gerichtet, seine Augen wirkten auf eine gewisse Weise leblos und er lachte wie ein Wahnsinniger vor sich hin, als hätte er uns gar nicht bemerkt. Wir näherten uns dem König der Duellanten, der seine Karten fest umklammert hielt und seinen Kontrahent betrachtete.
 

„Warum?“, fragte Akito und ging auf die Knie, ließ sämtliche Karten, die er bis eben in der Hand gehalten hatte, achtlos zu Boden fallen. Sofort wusste ich, dass wir einen wichtigen Teil ihrer Schlacht verpasst hatten und wir nun das große Finale miterlebten. Auf dem Feld stand Lord Gaia und wie es schien, hatte Yuugi eben eine Zauberkarte aktiviert, so dass Akito nun völlig schutzlos dem Angriff seines Gegners ausgeliefert war. Valon und Mokuba jubelten ihm zu, aber ich versuchte mich zurückzuhalten und achtete gespannt auf das Geschehen vor meinen Augen. Plötzlich war der Teufel nichts weiter als ein Kind, gebrochen und völlig einsam. Nein, ich hatte kein Mitleid für ihn, denn obwohl wir einen Einblick in seine schreckliche Vergangenheit erhalten hatten, so konnte ich nicht verzeihen, was er zahllosen Duellanten und Jounouchi angetan hatte.
 

„Wieso kann ich dich nicht besiegen?!“, wollte der Junge wissen und schlug wutentbrannt auf den Boden.
 

Bittere Tränen fanden ihren Weg nach draußen und ich hörte ihn schluchzen. So viele Gedanken schossen mir in den Kopf, so viele Emotionen fanden ihren Weg direkt in mein Herz und ich wusste, dass ich jetzt diesen Augenblick nicht zerstören durfte. Akito hatte uns durch seine Hölle geschickt, hatte uns, wenn auch ungewollt, die Möglichkeit gegeben, zu sehen, was er erlebt hatte und obwohl ich ihn eigentlich verabscheute für das, was er getan hatte, wuchs tief in mir Mitgefühl, da ich seine Einsamkeit, die er einst durchlitten hatte, nur zu gut verstehen konnte. Er litt schrecklich unter dieser Einsamkeit, hatte nie die Gelegenheit gehabt, ein eigenes Leben zu führen und wurde immer kälter und abweisender. Der Teufel verabscheute die Menschen so sehr, dass er sich nicht einmal mehr die Mühe machte, sie reinzulegen, um ihre Seele zu stehlen, viel eher genoss er es, ihnen langsam bei ihrem Verfall zuzusehen.
 

Yuugi legte seinen Duel Disk ab, ebenso die Karten, die er in der Hand hielt und kam dem Kind näher. Seine Schritten waren laut und deutlich zu hören. Nur wenige Zentimeter vor ihm blieb er stehen, betrachtete ihn einige Sekunden eingehend, ohne etwas zu sagen oder sich zu rühren. Plötzlich ging er auf die Knie und legte seine Hände auf die Schultern des Jungen, der sich heftig wehrte und versuchte den jungen Mann, der ihn unerlaubt berührte, von sich wegzuschlagen. Doch es gelang ihm nicht. Er konnte sich von dieser grenzenlose Güte nicht befreien und ich spürte, wie mir Tränen die Wangen hinab rollten und ihren Weg nach draußen suchten. Auch als Valon meine Hand ergriff, sie fürsorglich drückte, erwachte ich nicht aus der Starre, in der ich mich befand.
 

„Akito, du kannst mich nicht schlagen, weil dein Herz voller Hass ist“, flüsterte Yuugi sanft, schob den Jungen von sich und lächelte.
 

„So ein Unsinn! Das Duell mag ich verloren haben, aber ich kriege deine Seele!“, sagte er und legte seine Hände an Yuugis Kehle, drückte zu, um ihm die Luft abzuschneiden.
 

Zitternd hob der Sieger seine Hände, legte sie an die Handgelenke des Jungen und versuchte ihn mit sanfter Gewalt von sich zu schieben, doch egal, wie viel Kraft er aufwand, er war nicht in der Lage, seinen Kontrahenten abzuwehren. Plötzlich riss sich Valon von meiner Hand los und eilte zu den beiden, zog den schwarzhaarigen Jungen von Yuugi weg und schleuderte ihn einige Meter nach hinten zurück, während er mit einer Hand nach der Brosche griff und sie von seiner Kleidung abriss. Gründlich betrachtete er das Schmuckstück, das grün aufleuchtete.
 

„Gib mir das zurück!“, keifte der Junge, der sich schnell wieder aufrappelte und näher kam, doch Valon, der äußerst Kampferprobt war, wich dem Kind immer wieder aus, erlaubte sich sogar ab und zu böse zu lachen, um seinen Gegner noch weiter zur Weißglut zu treiben. Ich wusste nicht, ob ich mich einmischen sollte, stattdessen entschloss ich mich dazu, mich Yuugi zuzuwenden, der immer noch leicht keuchte und nach Luft rang. Mokuba tat es mir gleich, legte beruhigend eine Hand auf die Schulter des siegreichen Duellanten und gratulierte ihm zum Sieg.
 

„Du hast ihn geschlagen, Yuugi. Gut gemacht!“, erklärte ich und warf einen Blick auf Valon, der immer noch den Jungen ärgerte, dem er sein bösartiges Spielzeug abgenommen hatte.
 

Ohne seine Brosche war Akito nichts weiter als ein Kind, konnte sich überhaupt nicht gegen den Älteren zu Wehr setzen. Langsam lösten sich die Wolken um uns auf und das helle Tageslicht fand ihren Weg zu uns, sodass ich zufrieden seufzte und kaum zu glauben wagte, dass es endlich vorbei war. War es wirklich vorbei? Nein, noch lange nicht. Ich kam den beiden Streitenden näher und packte Akitos Schulter, riss ihn kraftvoll rum und verpasste ihm ein laut schallende Ohrfeige, die sich gewaschen hatte. Merklich zuckte er zusammen, biss sich auf die Unterlippe und versuchte den Schmerz zu überspielen.
 

„Fass mich nicht an, alte Schachtel!“, schrie er mir entgegen und legte seine Hand auf die geschlagene Stelle, als hoffte er, den Schmerz mit dieser Geste zu lindern.
 

„Du hast sehr gelitten, Akito. Aber deine Vergangenheit gibt dir nicht das Recht andere in Gefahr zu bringen oder ihnen das Recht auf ihr Leben zu stehlen!“
 

„Was weißt du schon? Misch dich nicht ein!“ Er entfernte sich einige Schritte von mir und starrte auf den Boden, Wut und Trauer lagen in seinem Blick.
 

„Wir haben es gesehen. Wir haben gesehen, wie du starbst.“
 

„Nein, ich bin nicht tot. Ich werde weiterleben! Hörst du?! Ich lebe!“
 

Pure Verzweiflung lag in der Stimme des Jungen. Der Stein in Valons Händen leuchtete unnatürlich hell, so dass er unser aller Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war genau so, wie der Brünette es vermutet hatte. Der Orichalcos Stein nutzte den innigen Wunsch des Jungen am Leben zu sein, um selbst an Seelen zu gelangen und mehr Macht über seinen Wirt und schließlich der Menschheit zu erlangen. Es war genauso wie bei mir. Auch ich trug diesen Stein einst bei mir und noch immer erinnerte ich mich lebhaft an die Zeit in der DOMA, als dieses grün schimmernde Licht mir Trost schenkte und ich dumm genug war, die Realität des Steines als meine eigene anzusehen. Ein Wunsch konnte eine mächtige Waffe sein, das wusste ich nur zu gut. Die Angst machte einen blind für die Realität und Einsamkeit ließ das Herz erkalten.
 

Bevor ich Jounouchi und die anderen kennengelernt hatte, war ich genauso wie er. Ich war einsam, hatte niemanden, den ich meinen Freund hätte nennen können und obwohl ich mir selbst einredete, dass ich niemanden brauchte, so sehnte ich mich tief in meinem Herzen danach, Menschen zu haben, denen ich vertrauen konnte. Ich hatte zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. Zu oft mein Vertrauen in die falschen Leute gesetzt. Viel zu oft wurde mein Herz gebrochen, sodass ich wirklich glaubte, dass es besser war, ich bliebe für immer allein. Ich wollte nichts hören von der albernden Macht der Freundschaft, denn schließlich existierte sie in meinem Leben nicht. Nur die Begegnung mit einem blonden Dummkopf gab mir Auftrieb. Wenn er nicht gewesen wäre, stünde ich heute nicht hier, umso mehr schämte ich mich dafür, dass ich so schwach war und diesem trügerischen Stein die Möglichkeit gab, mich zu kontrollieren.
 

„Hör auf, Akito. Du weißt es doch selbst. Sieh, dein Körper verblasst bereits.“
 

„Gib mir den Stein zurück! Schnell!“, wimmerte er und streckte die Hand nach Valon aus, der die kleine glänzende Brosche immer noch in seiner Hand hielt und mit sich selbst kämpfte.
 

„Akito“, ertönte Yuugis Stimme, der sich wieder erholt hatte und nun näher kam.
 

„Vielen Dank für das spannende Duell. Aber du musst jetzt gehen. Ich werde an dich denken. Also bitte belüge dich nicht selbst, du weißt, dass du gehen musst.“
 

Akito senkte seinen Arm, betrachtete den jungen Mann, der ihn fair in ihrem Duell besiegt hatte. Ich wusste nicht, was in seinem Kopf vor sich ging, doch in seinen kindlichen Gesichtszügen konnte ich sehen, dass er selbst nicht wusste, was er tun sollte. Dann lächelte er kaum merklich.
 

„Warum? Warum bist du so nett zu mir? Ich wollte dich umbringen!“
 

„Weil ich weiß, was es bedeutet einsam zu sein. Ich habe Jounouchi getroffen und er gab mir den Mut, voranzuschreiten. Und auch du bist nicht mehr allein. Wir werden uns wiedersehen. Eines Tages, ganz bestimmt.“
 

Sie sahen einander tief in die Augen, ich wagte nicht, meinen Mund zu öffnen und beobachtete Yuugis zartes Gesicht, sein liebevolles Lächeln und die Augen, die gütig und rein strahlten. Schon damals hatte ich diesen Gesichtsausdruck gesehen und ich erinnerte mich daran, wie sehr ein Lächeln helfen konnte, eine verletzte Seele zu heilen. Einige Sekunden vergingen. Akitos Körper löste sich immer mehr auf, dann drehte er sich um und wandte uns den Rücken zu. Er streckte seine Hand zum Himmel hinauf, sah allerdings durch sie hindurch und betrachtete die weißen Wolken, die am strahlend blauen Himmel, entlang wanderten und eine trügerische Idylle hervorriefen.
 

„Meine Mutter war überfordert mit ihrem Leben. Sie war ungewollt schwanger geworden und es war einfacher für sie, mich als Schuldigen zu sehen. In mir sah sie den Teufel. Für sie war ich die Personifikation all ihrer Probleme. Ohne mich würde es ihr besser gehen. Deshalb gab sie mir diesen schrecklichen Namen“, flüsterte er. Aufmerksam hörten wir ihm zu. Mokuba, Valon und ich hatten bereits die Bilder seiner Vergangenheit gesehen, doch wir kannten die Geschichte dahinter noch nicht. Der sich langsam auflösende Geist vor uns lachte verächtlich, abrupt stoppte sein Lachen und er drehte sich wieder zu uns, schien jedoch nur Augen für seinen Kontrahenten zu haben, der ihn bereits zum zweiten Mal in seine Schranken gewiesen hatte.
 

„Es war in der Zeit der Streitenden Reiche, wo ihr klar wurde, dass es für sie besser werden würde, wenn sie mich loswerden würde. Durch den ständigen Krieg und die mutwilligen Angriffe auf die Bevölkerung wurde es immer schwieriger, einen sicheren Ort zum Schlafen zu finden. Also ernannte sie mich zum Verräter und erklärte dem Shogun, dass ich ein Spion des Feindes sei. Sie zerrten mich in die dunkelsten Gefilden der Katakomben. Ich schrie und schrie, doch sie ließen mich nicht gehen“, hauchte er dann mit einem bitteren Lächeln, eine einzelne Träne lief seine Wange hinab, löste sich, wie auch sein Körper, auf.
 

Verstehe... in der Sengoku-Zeit nahm man keine Rücksicht auf Verluste. Vermutlich haben sie ihn gefoltert, um Informationen zu finden. Ein Glück, dass wir heutzutage keine Angst vor solchen Kriegen haben müssen, schoss es mir durch den Kopf und ich senkte betroffen meinen Blick. Jeder Japaner kannte die Geschichte rund um die Streitenden Reiche, die wir auch die Sengoku-Zeit nannten. Jahre lang wurde das Land von Krieg getrieben und die einzelnen Herrscher versuchten die Vormacht über das gesamte Land zu bekommen. In jedem Krieg gab es Opfer und es wurden grausame Dinge mit dem vermeintlichen Feind gemacht. Mir schauderte es. Meine Vermutung, dass er ein umherirrender Geist war, erwies sich also als richtig.
 

„Ich wusste nicht, was Liebe war. Ich war immer allein. Völlig auf mich allein gestellt und ich wusste, dass der Tod kommen würde. Das ist gerade mal ein paar Hundert Jahre her, so lange trieb ich umher, ohne Ziel, in stetiger Angst. In der unendlichen Dunkelheit kam mir dieses warme Leuchten entgegen. Der Stein gab mir Kraft und sagte mir, dass er mir hilft, mich an jenen zu rächen, die mir das angetan hatten und ich schenkte ihm Glauben. Am Ende bin ich nicht besser als meine Mutter, die sich dazu entschied, dass Leben ihres Sohnes zu opfern. Nicht wahr, Yuugi?“
 

„Das stimmt nicht. Noch ist es nicht zu spät, Akito. Die Seelen deiner Gegner können noch gerettet werden“, entgegnete Yuugi mit ernster Miene, er schien besonders an Jounouchi zu denken, der noch immer geschwächt im Bett lag und uns alle große Sorgen machte. Dass Akito Jounouchi seine Seele geraubt hatte, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Hätte ich dies gewusst, hätte ich ihm mehr als nur eine Ohrfeige verpasst.
 

„Wenn wir den Stein zerstören, werden alle Seelen freigelassen, die du an dich genommen hast. Auch ich war ein Opfer des Orichalcos, noch ist es nicht zu spät. Noch kannst du gutmachen, was du verbrochen hast“, erklärte Valon und wirkte, während er diese Worte sprach, unglaublich erwachsen und männlich, so dass ich mich selbst dabei erwischte, wie ich ihn gedanklich bewunderte.
 

„Ich bin es leid. Dieses ewige Spiel von Gut und Böse. Ich bereue nicht, was ich getan habe. Und ich würde es wieder tun“, sagte er, so dass ich hart schluckte und versuchte seine Worte zu verinnerlichen.
 

Es war nicht richtig für das eigene Glück andere zu opfern. Sein Körper verblasste immer weiter, nur noch kleine Fragmente seines Seins waren zu erkennen, bis sich letztendlich sämtliche Partikel auflösten und hell aufleuchteten, während sie in Richtung Himmel verschwanden. Valons Griff um die Brosche wurde fester, dann wandte er den Blick ab und kniff seine Augen zu, um diese Realität keine Chance zu gegeben, seine Seele weiter zu beeinflussen. Valon und ich wussten, dass Akito nicht nur das Duell gegen Yuugi verloren hatte, sondern, dass er seine Menschlichkeit aufgegeben hatte, um dieses Leben zu führen. Es war ihm egal, dass andere Menschen unter seinen Taten litten oder dass er das Leben anderer wissentlich zerstörte. Seine letzten Worte brannten in meiner Seele, es fiel mir schwer zu akzeptieren, dass er die Erlösung abgelehnt hatte und sich für ein Leben im ewigen Fegefeuer entschied.
 

„Ist er...?“, flüsterte Mokuba und betrachtete Yuugi, der noch immer auf die Stelle starrte, an der bis eben sein Gegner gestanden hatte.
 

„Ich konnte ihn nicht retten. Bis zum Ende hat er alles und jeden gehasst.“
 

„Er hat gelächelt“, erwiderte ich und warf einen weiteren Blick auf Yuugi, der nachdenklich in die Ferne sah, ehe er seinen Kopf senkte und enttäuscht seufzte.
 

Für einen kleinen Augenblick hob Yuugi seinen Kopf und sah mich an. Akitos Lächeln war zwar genauso schnell wieder verschwunden, wie es gekommen war, doch es war da gewesen. Dem war ich mir mehr als nur sicher. Vielleicht hatte er es bereut und wollte keine Schwäche zeigen? Wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre, hätte ich genauso gehandelt, das wusste ich. Sich seine eigenen Fehler einzugestehen und zu ihnen zu stehen, war unheimlich schwierig, vor allem, wenn man befürchten musste, dass man trotz Einsicht weiterhin gehasst und abgelehnt wurde.
 

Aber ich hatte Glück. Auf meinem langwierigen Weg hatte ich Freunde gefunden, die für mich da waren und mich aus den Tiefen der Finsternis zogen. Akito hatte dieses Glück nicht. Einmal mehr wurde mir bewusst, wie grausam und ungerecht das Leben sein konnte. Umso glücklicher konnte ich mich schätzen, dass ich meinen Platz auf dieser Welt gefunden hatte und nicht mehr einsam umherirren musste. Ich ließ meinen Blick umherschweifen, blieb jedoch bei dem großgewachsenen Brünetten hängen, fühlte mich nicht in der Lage wegzusehen.
 

Eindringlich betrachtete der Brünette die Brosche, ein gequältes Lächeln erschien auf seinen Lippen, vermutlich dachte er an die Vergangenheit, doch schnell schüttelte er die Gedanken ab und warf das teure Schmuckstück auf den Boden, ehe er mit voller Kraft auf dieses trat und man hörte, wie der Stein unter seinem Gewicht zerbarst. Zufrieden kam Mokuba näher, fragte noch einmal zurückhaltend, ob es endlich vorbei wäre und erhielt ein eifriges Nicken als Antwort, welches er sofort mit einem Grinsen quittierte. Es war vorbei.
 

Die einzelnen Splitter des Steines leuchteten ein letztes Mal auf, daraufhin erhoben sich einige Irrlichter aus den Überresten, die in wahnwitziger Geschwindigkeit in unterschiedliche Richtungen abzischten. Schnell erkannte ich, dass dies die gefangenen Seelen waren. Um ganz sicher zu gehen, trampelte Valon noch ein paar Mal auf den kleinen Bruchstücken, die aufgrund des Druckes unangenehm knirschten.
 

Valon sah mich an, seine kobaltblauen Augen zogen mich für einen Moment erneut in den Bann, dann lächelte ich, drehte mich um und versuchte all die schrecklichen Ereignisse und Eindrücke hinter mir zu lassen. Natürlich konnte ich verstehen, dass Yuugi diesen Jungen unbedingt retten wollte, aber ich wollte nicht, dass meine lange Reise hier ein Ende fand. Ihn zu bedauern, änderte nichts. Es gab noch so vieles, das ich in meinem Leben erleben wollte und in all den Jahren war ich gereift und stärker geworden, so dass ich mir sagen konnte, dass es an der Zeit war zu gehen und nicht stehen zu bleiben. Dankbar blickte ich auf die Zeit zurück und dachte daran, was für ein enormes Glück ich hatte, Freunde wie Valon und Jounouchi gefunden zu haben, die für mich da waren und mich unterstützten, wenn ich sie brauchte.
 

Mein langes Haar wehte hin und her, als ich mich in Bewegung setzte und die Treppen hinabstieg.

Passionate Duelists

Mokuba hatte die Aufgabe übernommen, seinen Bruder in die Geschehnisse einzuweihen, so dass wir beruhigt unseren Weg zurück in das Gebäude nahmen, wo wir Jounouchi besuchten und uns vergewissern wollten, dass es ihm besser ging. Als wir das Zimmer betraten, lag er scheinbar schlafend in seinem Bett, friedlich und ruhig. Ich war besorgt. War er wach? Oder hatte unser Kampf gegen Akito letztendlich nichts genützt? Besorgt schritten wir näher.
 

Einige Zentimeter von dem Bett entfernt, blieb ich stehen und schluckte hart. Sein Atem war ruhig, seine Brust hob und senkte sich in regelmäßigen Zügen. Vielleicht schlief er nur… aber konnten wir uns da wirklich sicher sein? Panisch setzte sich Yuugi an die Bettkante und ergriff seine Hand, drückte sie, schüttelte ihn und bat mit gewohnt liebevoller Stimme, dass er endlich die Augen aufschlug. Ein kleines Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab.
 

Erst jetzt sah ich, dass unser blonder Freund ein Grinsen verkniff. Seine Mundwinkel und seine Augenlider zuckten mehrmals merklich. Sofort fühlte ich mich an das Battle City Turnier erinnert, wo ich meine Freunde auf die gleiche Art und Weise hinters Licht geführt hatte. Besonders Jounouchi, der beinahe in Tränen ausgebrochen war, als er glaubte, versagt zu haben. Alte Erinnerungen. Es gab nur wenige Dinge, an die ich mich gern erinnerte, aber dieser Moment, so albern es auch klang, war mir sehr wichtig. Doch ich sagte nichts, staunte darüber, dass Yuugi nichts mitbekam und in seiner Verzweiflung sich zu mir und Valon wandte.
 

„Irgendetwas stimmt nicht! Wieso wacht er nicht auf?“, fragte er und erwartete eine Antwort von uns. Valon zuckte nur mit den Achseln, ich wandte den Blick ab. Die Matratze ächzte verräterisch. Frustriert senkte Yuugi den Blick. Er war blind, bemerkte nichts von all den offensichtlichen Hinweisen, die deutlich verrieten, dass er gerade auf eine gemeine Art und Weise reingelegt wurde.
 

Plötzlich erwachte der Patient, packte ihn und zerdrückte ihn beinahe in seinen starken Armen, während er zufrieden lachte. Aufgebracht quiekte der Jüngere auf, seine Wangen wurden flammenrot und auch Valon und ich stimmten in das Lachen ein. Schlussendlich ließ der Blonde von seinem Freund ab, konnte sich ein zufriedenes Grinsen aber nicht verkneifen, ehe er die Decke zurücktrat und voller Lebensenergie aus dem Bett hopste und Yuugi mit sich auf die Beine zog.
 

„Spaßvogel…“, schlussfolgerte ich und mich überkam ein nostalgisches Gefühl, geprägt von Glück und Geborgenheit.
 

Es fühlte sich richtig an. Hier mit diesen der Jungs zu sein und einfach nur zu lachen. Zum ersten Mal seit Langem fühlte ich, dass ich die Vergangenheit ruhen und in eine strahlende Zukunft gehen konnte. Valons Hand, die sich ungefragt auf meine Schulter legte, zwang mich dazu, ihm direkt ins Gesicht zu sehen. Seine blauen Augen gaben mir Sicherheit, Halt und ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte. Einmal mehr war es seine Hand, die mich aus einer nicht enden wollenden Dunkelheit zog, mich ins Licht und auf den Pfad der Hoffnung zurückführte. Nach allem, was geschehen war, war es nicht nur Dankbarkeit, die ich ihm gegenüber empfand. Nein, da war etwas anderes. Jedoch wagte ich nicht, dies beim Namen zu nennen. Feige, nicht wahr?
 

„Wie geht es dir? Dir scheint es ja prächtig zu gehen…“, sagte ich und verschränkte die Arme, während ich ihn ansah und über seine lockere Art staunte.
 

„Um ehrlich zu sein…“, begann er, senkte seinen Blick leicht, machte eine dramatische Pause.
 

„Ich habe eine Stimme gehört, sie sagte ‚Vergib mir’. Aber vielleicht war es nur ein Traum?“
 

Ich konnte sehen, dass Jounouchi über diese Worte nachdachte und in ihnen einen tieferen Sinn ersuchte, er wollte daran glauben, dass Akitos Seele gerettet wurde. Aber ich wagte nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Ihm zu sagen, dass der Junge mit dem schwarzen Haar und den hasserfüllten goldenen Augen, am Ende nichts anderes als Zorn und Kummer verspürte. Ich wandte den Blick ab, rieb meinen Oberarm, als suchte ich nach Halt, nachdem man mir den Boden unter den Füßen weggerissen hatte. Eigentlich hatte ich selbst brennende Fragen, die ich besonders Yuugi stellen wollte.
 

Was war während ihres Duells geschehen? Wieso war sein Drang die Seele des Jungen zu retten so stark gewesen? Und warum hatten wir Einblicke in die Erinnerungen des Jungen erhalten? Es gab so vieles, was ich wissen wollte. So viele Puzzlestücke, die noch fehlten und mich nicht wirklich ruhen ließen. Das, was wir gesehen hatten, waren nur Ausschnitte und ich war mir sicher, dass Akito uns nicht alles erzählt hatte. Wusste Yuugi mehr? Erst jetzt kam es mir in den Sinn, dass diese beiden bereits in der Vergangenheit ein Duell ausgetragen hatten. Musternd blieb mein Blick bei Yuugi hängen, der wortlos hin und herblickte, so, als wäre es ihm unangenehm, auf das zu reagieren, was sein langjähriger Freund gerade gesagt hatte.
 

„Hey! Es ist alles gut gegangen! Wir konnten die gefangenen Seelen retten und das Turnier kann weiter gehen!“, erklärte Valon mit einem breiten Grinsen.
 

„Ach, sagt der, der bereits ausgeschieden ist“, neckte ich ihn und stupste ihn an.
 

„Das bedeutet ja… Yuugi und Kaiba… ihr habt ein Duell vor euch! Dieser Kerl freut sich sicher, dass er schon wieder gegen dich antreten darf“, fasste der Blonde zusammen und verzog verärgert das Gesicht. Jounouchi und Kaiba waren wie Feuer und Eis. Sie konkurrierten ständig miteinander. Jounouchi konnte ihn und seine arrogante Art einfach nicht leiden, doch Yuugi mochte den Firmenleiter und hatte diesen all seine Missetaten vergeben. Yuugi war schon immer zu liebenswert gewesen, doch genau diese Güte zeichnete ihn aus und war seine größte Stärke. Ich legte den Kopf leicht schief. Ob sich Yuugi auf sein Duell gegen Kaiba freute?
 

„Sieht so aus“, äußerte sich Yuugi eher einsilbig.
 

Ohne, dass er es verhindern konnte, griff Jounouchi wieder nach ihm, verwuschelte seine Haare und drückte ihn immer wieder an sich. Ein leises amüsiertes Kichern entwich meiner Kehle. Mir wurde klar, dass es Dinge gab, die ich nicht verstehen konnte und dass es Dinge gab, von denen man besser nichts wusste. All die Fragen, die ich hatte, bedrückten mich nur. Mein Kopf war wie eine Schale Tee, viel zu voll und drohte überzuschwappen. Um wirklich zur Ruhe zu kommen, musste ich die Schale erst einmal leeren und mich auf das Wesentliche konzentrieren. Es brachte nichts, sich über das Geschehene den Kopf zu zerbrechen, daher sagte ich mir, dass ich dieses Kapitel meiner Geschichte abschließen und mich auf das nächste konzentrieren sollte.
 

Noch immer alberten Jounouchi und Yuugi herum. Ein leises Grummeln war zu hören. Etwas überrascht zog ich meine Augenbraue hoch. Dann wurde das Grummeln zu einem lauten fordernden Knurren, das wir alle hörten und uns erneut zum Lachen brachte.
 

„Ich bin so hungrig… ich könnte einen Bären verspeisen! Los, lasst uns einen Happen schnappen!“, kam es laut von Jounouchi, der, Yuugi immer noch unter seinem Arm geklemmt, das Zimmer rasend verließ und beinahe eine Staubwolke hinterließ. Valon und ich sahen den beiden hinterher.
 

„Aufgeregt?“, hörte ich Valons Stimme, die mich zurück in die Realität riss.
 

„Ich kann es kaum erwarten! Ich brenne auf dieses Duell!“, sagte ich und setzte mich in Bewegung.
 

Kaibas und Yuugis Rivalität war weltweit bekannt. Jeder Duel Monsters Fan wusste, wie sehr Kaiba danach strebte, Yuugi endlich zu besiegen. Mit jedem neuen Duell setzten sie den Maßstab noch höher und sie zeigten, was es bedeutete, ein Duellant zu sein. Keiner der beiden war zu unterschätzen. Ihre Strategien und ihre Begeisterung für ihren Kampf waren äußerst inspirierend. Kaiba prahlte jedes Mal aufs Neue damit, dass er Yuugi besiegen würde – doch bisher hatte er jedes Mal verloren. Yuugi trug den Namen König der Spiele nicht grundlos.
 

Kurz bevor ich aus der Tür trat, blieb ich stehen. Mein Rücken war Valon zugewandt und ich wusste, dass er nicht verstand, was diese Aktion sollte. Sein sorgenvoller Blick ruhte auf mir, jedoch gab es nichts, worüber er sich sorgen musste. Mir ging es gut. Ich war glücklich. In mir brannte das Feuer der Leidenschaft, in mir war die Flamme eines wahren Duellanten endlich wieder entfacht. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass ich dieses Kartenspiel so lange Zeit aus meinem Leben verbannt hatte, obwohl ich doch wusste, wie wichtig es mir war. Ich schloss meine Augen. Mein blondes Haar fiel über meine Schulter, ich entspannte mich und spürte wie meine Sinne schärfer wurden. Dann atmete ich tief ein.
 

Mein Herzschlag hallte bis zu meinen Ohren wieder. Ruckartig drehte ich mich zu ihm um, mein langes Haar flog dabei beinahe majestätisch zur Seite und unterstrich mein äußerst feminines Gesicht, das bereits den ein oder anderen Mann verlockt hatte. Meine vollen Lippen formten einen Amorbogen.
 

„Lass sie uns anfeuern gehen, ja?“, sagte ich mit einem glücklichen Lächeln auf meinen Lippen und ich sah ihn grinsen, dann hob er seinen Daumen, als wollte er sagen ‚Na, klar!’ und ich wusste, dass ich nicht mehr einsam sein musste. Endlich hatte ich meinen Weg wieder gefunden, von dem ich nicht einmal wusste, dass ich ihn verloren hatte.
 

All die Zeit hatte ich mir selbst eingeredet, dass ich zufrieden war, aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass etwas fehlte. Auch wenn ich es unterdrücken wollte, so konnte ich es nicht mehr verleugnen. Ich war eine wahre Duellantin. Mein Herz schlug für Duel Monsters… und für ihn. Für einen Mann, der immer für mich da war und selbst dann nach mir Ausschau hielt, wenn ich ihm die kalte Schulter zeigte. Fröhlich und voller Inbrunst machte ich mich auf den Weg.
 

Und er war dicht hinter mir.

Bonuskapitel: Noble Souls

Es war bereits einiges an zeit vergangen, seit Valon und Mai hinausgetreten waren. Sie hatten über dies und das gesprochen. Jounouchi war frustriert, weil er dieses Duell verloren hatte und glaubte, dass sein Glück ihn verlassen hatte. Yuugi versuchte, ihn vom Gegenteil zu überzeugen.
 

Jounouchi, der auf dem Bett lag, schloss seine Augen, ehe er mit seinen Fingern seine Schläfen und dann sein Nasenbein massierte. Sein kleiner Freund saß immer noch auf der Bettkante neben ihn und betrachtete ihn eingehend, so, als wollte er ihn mit seinen Blicken ermahnen, es bloß nicht zu übertreiben. Yuugi war im Gegensatz zu Jounouchi ein ruhiger und gesonnener Mensch. Nach seinen Abenteuern mit dem Pharao war auch er reifer und erwachsener geworden, aber wenn eines sich nicht geändert hatte, dann war es seine stets überzogene Sorge, wenn es um seine Freunde ging.
 

Jounouchi sagte nichts und stöhnte, während er sich langsam auf die Seite drehte und sich auf einem Ellbogen abstützte. Noch immer lag Yuugis besorgter Blick auf ihn und er streckte vorsichtig seine Hand nach dem Blonden aus, strich ihm behutsam über die Wange und über sein Haar.
 

„Hey, jetzt sieh mich nicht so an. Ich habe nur Kopfschmerzen, kein Grund, gleich so ein Gesicht zu machen.“
 

„Wenn ich daran denke, was damals alles geschehen ist, ist es doch wohl klar, dass ich mir Sorgen mache“, murmelte Yuugi und zog nun langsam seine Hand zurück. Etwas verlegen legte er seine Hände ineinander und senkte seinen Blick.
 

„Als du damals gegen Malik verloren hast und die Ärzte dich als tot erklärt haben, war ich am Boden zerstört. Wenn dir wieder etwas zustieße, könnte ich das nicht verkraften!“
 

„Alles ist in Ordnung. Mir geht es gut. Aber tu mir den Gefallen und mach Akito platt.“ Jounouchi lachte erheitert.
 

„Katsuya...“, flüsterte Yuugi und zwang sich zu einem Lächeln.
 

Yuugi hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen Akito Toma duelliert und ihr Duell nur haarscharf gewonnen. Das Duell gegen diesen Jungen fühlte sich an wie ein Duell der Schatten. In der Vergangenheit hatte Yuugi mehr als einmal das Vergnügen, ein Duell der Finsternis auszutragen und er wusste, wie anstrengend und kräftezehrend es war, sich auch nur wenige Minuten dort aufzuhalten. In dieser Finsternis, die einen sämtliche Lebensenergie zu rauben versuchte. Immer wenn er in die Nähe dieses Jungen kam, fühlte es sich so an, als wäre er wieder dort. Da war einfach diese Aura, die ihn sofort gefangen nahm, sofern er sich dem Jungen auch nur wenige Meter näherte. Lag das wirklich nur am Orichalcosstein oder an dessen Persönlichkeit?
 

Ein Duell der Schatten war sehr anstrengend, demnach machte es Sinn, dass Jounouchi sich plötzlich so kraftlos und schwach fühlte. Umso größer wurde seine Sorge. Es gab immer Menschen, die sich von der Finsternis angezogen fühlten und sich von dieser in den Bann ziehen ließen. Auch als Atem noch da war, musste Yuugi immer wieder feststellen, dass es sehr viele Menschen gab, die sich allein auf diese dunklen Kräfte verließen und selbst nicht mehr in der Lage waren, ohne Hilfe einen Schritt nach vorne zu machen. Die Finsternis war verlockend, insbesondere die enormen Kräfte, die sie einem verlieh.
 

Er seufzte. Er konnte diese Verzweiflung gut nachvollziehen. Yuugi war oft allein gewesen, hatte nie jemanden, mit dem er sprechen konnte. Erst als er das Milleniumspuzzle gelöst hatte, hatte sich etwas verändert. Er hatte Freunde gefunden und Menschen, die er bewunderte, die ihm zeigten, was wahre Stärke eigentlich bedeutete. Aber er wusste auch, dass es Menschen gab, die dieses Glück nicht kannten, die sich ihrer Einsamkeit ergeben mussten und Hass auf das Leben und alles um sie herum empfanden. Sie wurden verbittert und flüchteten sich in ihre eigene Welt, empfanden Hass auf alles. Vielleicht wäre er auch so geworden, wenn er das Milleniumspuzzle nicht gelöst hatte? Yuugi wusste, dass seine Geschichte auch ganz anders hätte enden können.
 

War es nicht unglaublich traurig, dass es Menschen gab, die sich auf die Kraft der Finsternis verließen und nicht in der Lage waren, von selbst den rechten Weg zu finden und stets allein in der Dunkelheit wanderten? Akito sah aus wie ein Kind, doch Yuugi fühlte eine seltsame Aura, jedes Mal wenn er ihn ansah, so als handelte es sich hierbei lediglich um einen Geist. Es war wie bei Bakura und dem Pharao. Seelen, die nicht den Weg ins Jenseits gefunden hatten. Seelen, die aus Zorn immer noch in dieser Welt verweilten, da sie nicht das Gefühl hatten, das erreicht zu haben, was sie sich vorgenommen hatten.
 

Jetzt, wo Valon die Fähigkeiten des Orichalcossteines erläutert hatte, fühlte er sich in seiner Vorahnung umso mehr bestätigt. Gab es irgendetwas, das er tun konnte?
 

„Hey, denk nicht mal daran“, unterbrach Jounouchi seine Gedankengänge.
 

„Was meinst du?“, fragte Yuugi und hob nun wieder seinen Blick.
 

„Du kannst nicht alles und jeden retten. Er wird auch nicht dein Freund werden.“
 

„Woher willst du das wissen?“
 

„Er ist anders als Kaiba und anders als ich.“
 

„Das kann schon sein, aber... trotzdem wüsste ich gerne mehr über ihn.“
 

„Yuugi! Das bringt nichts! Du kannst ihn nicht retten!“
 

„Das kann man nicht wissen, wenn man es nicht vorher versucht hat, oder? Soll ich ihn einfach aufgeben und so tun, als hätte ich nichts gesehen? Du weißt, dass ich das nicht kann!“
 

Yuugi war während seiner Rede aufgestanden und blickte ihn mit festem Blick an. Das waren die Augen eines Mannes, der sich entschlossen hatte und Jounouchi wusste, dass es jetzt völlig egal war, was er sagte oder tat, denn es gab nichts, das Yuugi von seinem Vorhaben abbringen konnte. Es war dieser Sinn für Gerechtigkeit, seine Mitgefühl für andere und diese unglaubliche Güte, die auch Jounouchi in der Vergangenheit gerettet hatte. Ohne Yuugi, ja, wo wäre er dann jetzt? Noch immer würde er auf der Straße sein, Passanten verprügeln und ihnen Geld stehlen und sich jeden Tag fragen, warum sein Leben so beschissen war. Er erinnerte sich nur ungern an die Zeit, bevor er Yuugi getroffen hatte, aber er wusste, dass er diesem mutigen jungen Mann viel verdankte.
 

„Ja, das weiß ich. So bist du nun einmal und gerade das ist es, was ich an dir so schätze.“
 

„Katsuya...“, entfuhr es Yuugi und er wollte gerade etwas sagen, als der Blonde sich aufsetzte und nach seinem Handgelenk griff, ihn in eine feste Umarmung zog und etwas in sein Ohr flüsterte.
 

„Deshalb habe ich dich so gern, Yuugi.“
 

Yuugi erwiderte nichts, legte stattdessen einfach seine Arme um den Blonden und seufzte wohlig auf, lächelte zufrieden.
 

„Trotzdem musst du vorsichtig sein“, sagte Jounouchi mit einem breiten Grinsen und zwinkerte.
 

„Ich verliere nicht“, versprach Yuugi, ehe er das Zimmer verließ und sich zum Duellplatz aufmachte. Plötzlich hielt er in seiner Bewegung inne, drehte sich langsam um. Diese dunkle und alles einnehmende Aura machte ihm Sorgen. War das etwa Akito? Wie konnte ein Mensch derart viel Hass ansammeln? Seine Haare stellten sich auf, doch es gab kein Zurück mehr. Er musste ihn besiegen und ihn zurück auf den richtigen Pfad bringen.
 

Jounouchi indes legte sich wieder ins Bett und schloss die Augen. Ein bisschen Schlaf und es würde ihm besser gehen. Tief atmete er ein und genoss die Stille, die ihn umgab. Die letzten Tage waren wirklich anstrengend gewesen. Zunächst die Reise nach Amerika, dann das Finden ihres Hotels, worauf direkt das Turnier folgte und das Wiedersehen mit alten Bekannten. Er grinste zufrieden. Als er sich auf die Seite legte, ächzte das Bett unter seinem Gewicht und die Decke unter ihm raschelte. Das Tageslicht, das durch das Fenster in das Zimmer strahlte, blendete ihn ein wenig, also packte er eines der Kissen und verbarg darunter seinen Kopf.
 

Er war froh, dass er an diesem Turnier teilgenommen hatte. Endlich hatte er auch Gewissheit, dass es Mai gut ging und sie sich wieder gefangen hatte. So langsam lichtete sich der Nebel in seinem Kopf und es fiel ihm leichter, über die Geschehnisse und sein Duell nachzudenken. Noch nie hatte er so viel Pech in einem Duell gehabt! Arg, gleich dreimal hatte er beim Münzen werfen falsch vorhergesagt und seine Würfel, die ihn bisher noch nie im Stich gelassen hatten, hatten sich einfach gegen ihn gewendet. Trotzdem hatte er alles gegeben. Allmählich drifteten seine Gedanken ab.
 

-.-.-.-.-.-
 

Menschen waren unwichtige Kreaturen, forderten sie ihren Schöpfer und die Erde doch immer wieder heraus. Sein dunkles Haar verdeckte seine Augen und er grinste teuflisch, während er sich über die Lippen leckte und sich einer verschlossenen Tür näherte. Langsam legte er seine Hand auf die Tür, berührte sie so sanft, als wollte er sie umschmeicheln. Wie von Zauberhand öffnete sich diese nun mit einem verheißungsvollen Quitschen. Vorsichtig trat er in das Zimmer ein.
 

Jounouchi zuckte zusammen, als er hörte, dass die Tür geöffnet wurde.
 

„Hast du noch etwas vergessen, Yuugi?“, fragte er, ohne sich aufzusetzen oder gar aufzuschauen.
 

„Ja, das kann man wohl so sagen“, antwortete der Eindringling wahrheitsgemäß und näherte sich dem Blonden. Das war nicht Yuugis Stimme!
 

Als dieser erkannte, dass es sich nicht um seinen Freund handelte, sprang er aus dem Bett heraus und ging in eine Kampfhaltung über. Es war ihm anzusehen, dass er nicht gerade glücklich über diesen unangekündigten Besuch war und knurrte leicht bedrohlich.
 

„Von allen Menschen, die ich bisher getroffen habe, gehörst du zu der niedersten Sorte“, erklärte der Junge, während er seinen Kopf leicht schief legte und provokant lächelte.
 

„Was hast du gerade gesagt?!“, fauchte Jounouchi und bildete mit einer Hand eine Faust und kam dem Jungen einige Schritte näher und bedrohte ihn.
 

„Menschen sind so niederträchtig und dumm. Aber ich gebe dir die Chance, dein irdisches Leben hinter dir zu lassen und ein besseres Leben zu beginnen.“
 

„Was laberst du für eine Scheiße? Verpiss' dich aus meinem Zimmer!“, brüllte Jounouchi im gewohnt genervten Ton und es war ihm allzu deutlich im Gesicht abzulesen, was er gerade dachte und was seine nächste Reaktion sein würde. Ohne großartig weiter nachzudenken, schlug er auf den Jungen ein und grinste zufrieden, als hätte er etwas Großes verbracht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass seine Hand durch den Körper des Jungen gegangen war und dass dieser nur frech auflachte. Leicht öffnete er seinen Mund und betrachtete seinen Gegenüber fragend, doch ehe er etwas sagen konnte, verschwand Akito einfach.
 

Er hörte, wie dieser erneut lachte, konnte ihn aber nicht erkennen. Was war das für ein Wesen? Irgendetwas stimmte hier eindeutig nicht! Als Akito hinter ihm auftauchte, versuchte er sich von diesem wegzubewegen, doch er war zu langsam, konnte nicht einmal mehr die Augen schließen, als ihn ein grelles Licht traf. Dieses Licht hatte er schon einmal gesehen. Schon einmal wurde er von diesem Licht umarmt und er hasste dieses Gefühl, wenn sein Körper ihm nicht mehr gehorchte und er wehrlos seinem Gegner gegenüberstand. Als sich das Licht endlich verflüchtigte, konnte er nur noch die Silhouette seines Gegenübers sehen, ehe er regungslos zu Boden fiel und mit letzter Kraft nach oben sah.
 

„Danke für deine Seele. Dadurch werde ich stärker.“
 

„Ws ist hier los?!“, hörte er eine Stimme hinter sich. Akito drehte sich um.
 

Yuugi hatte bereits das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte, weshalb er noch einmal zurückgelaufen war, doch das, was ihn hier erwartete, verschlug ihm die Sprache. Jounouchi lag reglos am Boden und sein nächster Gegner stand dort, als wäre nichts geschehen. Das Flackern der Brosche bewies Yuugi, dass Valons Erklärung stimmen musste.
 

„Warum tust du das? Was hast du ihm angetan?!“, wollte Yuugi wissen, drängte sich an dem Jungen vorbei und näherte sich dem Blonden, der auch dann nicht reagierte, als er ihn mehrmals schüttelte und seinen Namen rief.
 

„Ich habe ihm nichts angetan, lediglich nur etwas genommen, das mir zusteht.“
 

„Das dir zusteht?“, wiederholte Yuugi ungläubig, während er Jounouchis kalten Körper in seine Arme zog und ihn zu beschützen versuchte.
 

Akito nickte.
 

„Seine Seele gehört nun mir. Es war ein fairer Preis.“
 

Yuugi senkte sein Haupt, hievte Jounouchi zurück auf das Bett und antwortete dem Jungen nicht. Dieser zischte verärgert. Wagte dieser angebliche König der Spiele es etwa, ihn zu ignorieren? Vorsichtig legte der Bunthaarige eine Decke um den Körper seines Freundes, drehte sich aber immer noch nicht zu dem anderen um und knirschte nur mit den Zähnen. Wie konnte er das Jounouchi nur antun? Er war wütend darüber, dass er das hier zugelassen hatte und den Blonden allein gelassen hatte. Aber er würde das hier nicht so stehen lassen.
 

„In Wirklichkeit hast du es doch nur auf mich abgesehen, oder?“ Yuugis Stimme war fest und gefasst.
 

„Ich mag es nicht zu verlieren und du bist der Erste und Einzige, der mich in einem Duell schlagen konnte. Weißt du, Yuugi, ich bin ein sehr nachtragendes Wesen.“
 

Ein verhöhnendes Kichern. Schlagartig drehte sich der König der Spiele um.
 

„Gut, dann fordere ich dich zum Duell heraus. Wenn ich verliere, kannst du meine Seele haben und wenn ich gewinne, dann lässt du sämtliche Seelen frei, die du gefangen genommen hast!“
 

„Oh~?“, fragte Akito gespielt verdutzt.
 

„Mutig von dir. Aber es gibt noch etwas Anderes, das ich von dir will.“
 

Fragend blickte Yuugi seinen Gegenüber an und wartete geduldig auf eine Erklärung.
 

„Deinen Körper. Ich werde deine Seele und deinen Körper nehmen.“
 

„Also bist du wirklich nur eine einsame verlorene Seele, die von dem Orichalcosstein im Diesseits festgehalten wird.“
 

„Du bist ganz schön unverschämt. Aber gut, folge mir auf das Dach.“
 

Ohne weitere Fragen zu stellen oder Akitos Motive zu hinterfragen, folgte Yuugi seinem Gegner und ließ sich von diesem auf das Dach führen. Sein Blick wanderte hin und her, so, als suchte er nach etwas, das er nicht finden konnte. Sein Gegenüber wandte ihm lediglich den Rücken zu, ehe er seinen Duel Disk aktivierte und ihm ein herausforderndes Lächeln schenkte und in süßlicher Stimmlage seinen Namen aussprach. Yuugi erschauderte.
 

„Dann lass uns anfangen.“
 

„Noch nicht, ich habe noch eine Überraschung für dich. ♥“
 

Der smaragdgrüne Orichalcosstein leuchtete stark auf und schien eine Schockwelle auszustoßen, in nur wenigen Sekunden hörte man verzweifelte und verängstigte Schreie, die von dem ganzen Gelände des Kaiba Parks zu kommen schienen.
 

„Was hast du gemacht?!“
 

„Menschen lassen sich sehr leicht von ihrem Emotionen täuschen. Keine Sorge, es ist nicht wirklich etwas geschehen. Ich habe lediglich die Illusion eines Erdbeben erzeugt. Je mehr Seelen ich sammle, desto stärker werden die Illusionen und Halluzinationen, die ich erzeugen kann. Witzig, nicht wahr?“
 

„Was soll daran bitteschön witzig sein? Du machst anderen Menschen Angst!“
 

„Angst ist witzig, Yuugi. Zu sehen, wie Menschen leiden, ist amüsant. Das ist die Natur des Menschen. Und ich freue mich schon, wenn unser Duell erst richtig anfängt!“
 

Er breitete die Arme aus und Finsternis verbreitete sich um sie herum. Panisch riss Yuugi die Augen auf, versuchte seine Umgebung zu erkennen, konnte aber nur noch dunklen Nebel vor sich ausmachen. Auch seinen Gegner konnte er nicht mehr erkennen, der sich feige hinter den dunklen Schatten versteckte und nur darauf wartete, ihn angreifen zu können. Es fühlte sich alles so echt an. Zögerlich hob er seine Hand, versuchte den dunklen Nebel vor sich zu ergreifen, jedoch fasste er nur ins Nichts. Nichts von all dem hier war real. Obwohl er das wusste, waren die Emotionen, die ihn überkamen echt.
 

Es war beinahe so, als befände er sich im Reich der Schatten. Dieser Ort machte ihm Angst. Bisher war er immer mit dem Pharao in solchen Situationen gemeinsam zum Duell angetreten oder er hatte seine Freunde und engsten Vertrauen um sich, die ihm unterstützend zur Seite standen. Heute war er auf sich allein gestellt. Hart schluckte er. Suchend sah er sich um, konnte seine Furcht nur schwer verbergen. Entschlossen schüttelte er den Kopf. Nein, das hier war nur eine Illusion. Jetzt war das Wichtigste, seinen Gegner zu besiegen und die gestohlenen Seelen wieder zurück zu erlangen. Dennoch wuchs in ihm der Drang, herauszufinden, warum sein Gegenüber dies tat. Erst jetzt wurden wieder einige Umrisse sichtbar und endlich konnte er Akito wieder sehen.
 

„Du stehst noch? Hm, wäre auch zu leicht, wenn dich das umgehauen hätte.“
 

„Lass uns das Duell anfangen. Deine billigen Tricks schüchtern mich nicht ein.“
 

„Dann muss ich mir wohl etwas Neues ausdenken“, kicherte der Schwarzhaarige amüsiert.
 

Die Kontrahenten mischten ihre Karten, warfen diese dann in ihren Duel Disk ein und starteten das Hologramm System ihrer Geräte. Es war kaum zu glauben, dass das Schicksal seines geliebten Freundes und die Seelen vieler anderer einmal mehr auf seinen Schultern lastete. Durch vergangene Erlebnisse konnte man beinahe meinen, dass dies zu seinem Alltag gehörte. Als Yuugi so darüber nachdachte, konnte das Gefühl von Nostalgie nicht unterdrücken, denn unweigerlich musste er daran denken, wie er damals zusammen mit seinem Anderen Ich gegen starke Gegner duelliert hatte, um den Frieden der Welt zu wahren.
 

Es gab so vieles, das sie nicht verstanden und ihnen völlig unbekannt war. So fragte er sich, wie der Orichalcosstein es schaffte, die Kontrolle über menschliche Seelen zu erlangen und sie nach ihren Wünschen zu steuern. Aber er hinterfragte es nicht. Auch wenn es eigenartig klingen mochte, so glaubte er an Magie und Übersinnliches. Seine Begegnung mit dem Pharao hatte ihn davon überzeugt, dass es Dinge gab, die man mit Verstand und Logik nicht begreifen konnte. Auch Kaiba, der sich stets unnahbar gab und so tat, als gäbe es diesen „Hokuspokus“ nicht, hatte irgendwo tief in seinem Inneren akzeptiert, dass die Seele des Pharaos tatsächlich existiert haben musste und nicht alles, was er in den letzten Jahren erlebt hatte, eine Lüge war. Er hatte akzeptiert, dass der Pharao nicht aus dieser Zeit stammte und dass Seelen Jahrtausende überdauern konnten.
 

Kaiba war stur und weigerte sich, die Realität zu akzeptieren, doch auch er musste einsehen, dass Pegasus und auch Dartz sowohl seine als auch Mokubas Seele gestohlen hatte. Diese Dinge waren wahrhaftig geschehen. Und auch sein Kampf gegen Diva, der mithilfe seines Millenniumwürfels die Welt in Finsternis zu tauchen versuchte, hatte seine Meinung verändert.
 

Die Millenniumsgegenstände waren real und ein Teil ihrer Welt, so auch die unerklärliche Magie, die von ihnen ausging. Die Finsternis, die einen zu erdrücken versuchte und nach wehrlosen Opfern dürstete, konnte nicht mit Logik oder der Wissenschaft erklärt werden. So verhielt es sich auch mit Orichalcos und die sonderbaren Kräfte, die dieses Erz mit sich brachte. Menschenseelen zu fangen, seelenlose Monster zu beschwören und das wahre Wesen eines Menschen zum Vorschein zu bringen waren sicher nur die Oberfläche des Möglichen. Yuugi fand, dass Orichalcos eine reine Gefahr für alle war. Wer wusste schon, wie viele Fragmente dieses sagenhaften Erzes sich noch auf der Welt befand und ob es nicht noch andere Opfer gab, die auf Rettung warteten?
 

Yuugi schluckte. Er wollte nicht alle Rätsel und Mysterien der Welt ergründen oder sich gar anmaßen, diese zu verstehen, aber er hatte verstanden, dass es keinen Sinn machte, diese übersinnlichen Dinge erklären zu wollen. Sie waren einfach da. Jounouchi hatte ihm gesagt, dass er unmöglich alle verlorenen Seelen retten konnte und dass er sich nicht mit jedem anfreunden konnte – und Yuugi wusste das auch – trotzdem wollte sein Herz es nicht akzeptieren. Auch Ishtar Malik war sein Feind und nun ein Freund. Malik hatte versucht ihn zu töten und wollte ihm und seinen Freunden ernsthaft Schaden zufügen und doch konnte Yuugi ihm verzeihen, weil er seine Beweggründe verstanden hatte. Malik musste sehr einsam gewesen sein.
 

Kaiba Seto und er hatten zu Anfang auch viele Differenzen. Auch wenn Yuugi ihn als seinen Freund bezeichnete und dieser dies vehement ablehnte und ihn dafür zurechtwies, so hatten sie über die Jahre hinweg eine Verbindung aufgebaut, die sehr innig war. Kaiba hatte Yuugi als seinen Rivalen akzeptiert. Es blieb ihm nichts anderes übrig, da Atem ihre Zeit verlassen hatte. Und obwohl Kaiba ein so unglaublich komplizierter Mann war und Yuugi abzulehnen schien, störte er sich daran nicht und bezeichnete ihn weiterhin als seinen Freund. Je öfter Kaiba ihn ablehnte, desto mehr wuchs sein Verlangen für den einsamen Firmenleiter da zu sein und auch wenn Kaiba es ungern zugab, so wusste Yuugi, dass es ihm tief in seinem Herzen ähnlich ging.
 

Menschen konnten sich verändern. Die Begegnung mit anderen veränderten sie und es waren Erfahrungen, die sie prägten. Und weil Yuugi immer daran geglaubt hatte, dass jeder Mensch einen Beweggrund hatte, hatte er den Wunsch, zu verstehen, warum Akito so dermaßen hasserfüllt war. Was war dieser Seele widerfahren, das sie bis heute noch auf dieser Welt umherwanderte? Gab es denn nichts, was Yuugi tun konnte, um ihn ins Jenseits zu überführen? Er wusste, dass er eigentlich keine Zeit für solche Gedanken hatte, aber er wollte auch nicht gegen seine Natur handeln und ihn mit Hass und Abscheu begegnen. Ja, er war wütend. Wütend darüber, dass Akito Jounouchis Seele an sich gerissen hatte. Wütend, dass er dem Leben an sich keinen Respekt gegenüber zeigte. Doch diese Wut durfte ihn nicht beherrschen.
 

Ein Duellant, der sich von seinen Emotionen beherrschen ließ, konnte seine wahren Fähigkeiten nicht maximal nutzen, umso wichtiger war es, einen klaren Kopf zu behalten. Akito war ein guter Duellant. Schon beim letzten Mal hatte er arge Schwierigkeiten bei ihrem Duell gehabt. Akito war nicht dumm. Er hatte den König der Spiele genau beobachtet und kannte seine Strategie und seine Karten. Es war ein Leichtes seinen Gegner auszuschalten, wenn man sich gut vorbereiten konnte und Konterkarten im Deck hatte, die es dem Gegenüber unmöglich machten, sich aus der Bredouille zu befreien. Akito hatte bei ihrem letzten Duell ein Ante Deck verwendet. Dieses Mal hatte Yuugi besonders darauf geachtet, seinen Trumpf nicht bereits am Anfang zu zeigen und er hatte viele Karten in seinem Deck ausgetauscht.
 

Yuugi war ein Duellant und nicht grundlos der König der Spiele. Niemand konnte ihn so schnell aus der Fassung bringen. Da Yuugi Spiele über alles liebte, würde er sich auch in diesem Duell austoben und das Adrenalin, das durch seine Blutbahnen rauschte, bis zum Ende genießen.
 

„Gut, Yuugi, du darfst anfangen“, erklärte Akito, der sein Blatt genau studierte und eine abfällige Handbewegung machte.
 

„Ich lege Beta den Magnetkrieger im Angriffsmodus (1700ATK/1600DEF) und zwei weitere verdeckte Karten.“
 

„Du spielst jetzt schon auf Zeit? Mann, wie langweilig!“
 

„Auch wenn der Einsatz groß ist, heißt das nicht, dass wir keinen Spaß haben können, oder?“
 

Akito sah seinen Gegenüber perplex an, musterte ihn ganz genau und versuchte dieses Lächeln auf seinen Lippen zu deuten. Meinte er das wirklich ernst? Hatte dieser Typ den Ernst der Lage gar nicht begriffen? Er wusste nicht, ob er das sarkastisch oder ernst meinte. Da Yuugi immer noch sehr ruhig war, tippte er auf Letzteres. Verärgert biss er sich auf die Unterlippe, während er eine weitere Karte von seinem Deck zog und sich sein Blatt ansah und über seinen nächsten Zug grübelte. Nein, Taktik war zwar gut, aber er wollte nicht dieselben Fehler wie beim letzten Mal machen. Es nagte immer noch an ihm, diese Niederlage gegen ihn.
 

„Das war ein großartiges Duell, Toma-kun! Ich hatte echt Angst, dass ich doch noch verlieren würde. Ich freue mich schon darauf, irgendwann wieder gegen dich spielen zu dürfen“, lauteten seine Worte und Yuugi schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Akito starrte seinen Gegenüber an. Machte er sich auch noch über ihn lustig? Plötzlich streckte Yuugi seine Hand aus. Es war üblich, dass sich Duellanten die Hände schüttelten, doch für Akito war diese Geste eine Beleidigung sondergleichen. Er schlug die Hand seines Kontrahenten weg und wandte sich zum Gehen.
 

Er verließ die Arena, blieb für einen Moment stehen und warf Yuugi einen hasserfüllten Blick. Yuugi gefror das Blut in den Adern und er fragte sich, was er getan hatte, dass sein Gegner ihn mit einem dermaßen zornigen Blick strafte. Akito öffnete seinen Mund einen Spalt breit, als wollte er etwas sagen, schien dann doch noch mal zu überlegen. Dann sagte er das, was er ihm auf dem Herzen lag.
 

„Beim nächsten Mal wirst du verlieren. Ich werde den Boden mit dir aufwischen“, sagte er mit einem selbst überzeugten Grinsen und verschwand nun endgültig aus der Arena. Jounouchi stellte sich neben Yuugi ihn und hob verdutzt eine Augenbraue, schlug seinem kleinen Freund dann doch auf die Schulter: „Hey, schau nicht so finster drein! Der Kerl ist halt ein verdammt schlechter Verlierer“, meinte er dann breit grinsend. Doch Yuugi konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass da mehr war. Doch er durfte Akito nicht fragen. Das gehörte sich nicht.
 

Akito stieg die Treppen hinunter und knurrte erbost. Wie konnte dieser Kerl es wagen, ihn derart zu demütigen? Mutou Yuugi nahm ihn überhaupt nicht ernst! Glaubte er wirklich, dass er der Beste wäre? Dass niemand ihm das Wasser reichen konnte? Was für ein arrogantes und eingebildetes Arschloch! Dann lachte er. Erst leise, dann immer lauter und beinahe manisch.
 

„Gut, deine Seele hole ich mir auch noch. Genug Spaß gehabt. Beim nächsten Mal wirst du nichts zu Lachen haben und du wirst nie wieder auf irgendwen hinabsehen. Deinem verflixten Grinsen setzte ich ein Ende“, nuschelte er vor sich hin und verließ das Gelände. Bis zum nächsten Turnier und zu seiner nächsten Chance würde es exakt sechs Monate dauern.
 

Yuugi sollte bloß nicht glauben, dass er nichts aus seiner Niederlage gelernt hatte.
 

„Mystischer Clown im Angriffsmodus (1500ATK/1000DEF). Und um das Ganze abzurunden, spiele ich noch die Axt der Verzweiflung, womit mein Monster nun einen Angriff von 2500 hat. Feine Sache, was?“
 

„Du weißt, dass ich zwei verdeckte Karten hier liegen habe. Also, nur zu, greif mich an.“
 

„Oh bitte! Ich bin doch kein Anfänger, dem du so etwas sagen musst!“
 

Dieser verdammte Scheißkerl! Glaubte Yuugi etwa, dass das hier sein erstes Duell war? Er hatte durchaus Erfahrung und war jemand, den man ernst nehmen musste. Früher oder später würde Yuugi ins Wanken geraten und dann würde er winselnd vor ihm auf die Knie fallen.
 

Yuugi sagte daraufhin nichts, tat nur einen Schritt zurück und sein Blick lag auf dem Spielfeld. Er analysierte seine Situation. Bisher lief das Duell gut, keine Seite war im Vorteil oder Nachteil. Mit seiner Fallenkarte würde er den Angriff einfach parieren und das gegnerische Monster zerstören. Doch Akito griff nicht an, sondern legte so wie er zwei weitere verdeckte Karten ab. Eingehend betrachtete er die verdeckten Karten seines Gegners. Akito machte zwar einen überheblichen Eindruck, dennoch musste Yuugi eingestehen, dass sein Gegner wusste, was er tat und dass dieses Duell alles andere als einfach werden würde. Hastig zog er eine weitere Karte und begann seinen Zug.
 

Mehrere Minuten vergingen und sie beide hatten bereits mehrere Karten auf dem Friedhof abgelegt. Yuugis Lebenspunkte waren bisher unberührt, doch als er den Fehler machte, seinen Angriff zu deklarieren, tappte er in die Falle seines Feindes. 500 Punkte wurden ihm abgezogen und Yuugi kniff die Augen zu.
 

»Hör auf damit, das sind meine Freunde!«
 

Ein heftiger Blitz durchfuhr ihn und erschrocken fiel er auf die Knie. Was war das? Bilder aus seiner Vergangenheit holten ihn ein und ihm stockte der Atem, als er sich bewusst wurde, dass das ein Nebeneffekt sein musste. Ein Kichern holte ihn zurück in die Realität. Fragend betrachtete er den Schwarzhaarigen, sagte aber kein Wort, sondern öffnete seinen Mund nur einen Spalt breit. Wozu nachfragen? Eigentlich kannte er die Antwort schon.
 

„Lustig, nicht wahr? Ich dachte mir, dass ich das Ganze etwas spannender mache, indem ich unsere Lebenspunkte mit unseren Erinnerungen verknüpfe.“
 

„Und was genau heißt das jetzt?“
 

„Du wolltest doch mehr über mich wissen. Und ich muss doch wissen, was für ein Leben du geführt hast, wenn ich deinen Körper übernehme. Also hat das Vorteile für uns beide.“
 

„Du manipulierst also meine Erinnerungen und tust so, als wäre das hier eine Kinovorstellung? Was ich für Erinnerungen habe, geht dich nichts an!“
 

„Ach, sei doch nicht so. Ich fand es süß, dass du Jounouchi und Honda vor diesem fiesen Kerl gerettet hast. Wir sind ein ganz braver Junge, was? Wollen immer nur das Beste, hm?“
 

Yuugi erwiderte nichts. Es ärgerte ihn. Diese Erinnerungen waren kostbar und er wollte sie nicht mit anderen teilen. Trotzdem konnte er nichts dagegen tun. Zögerlich erhob er sich und rückte seinen Umhängegurt wieder gerade, den er als Mode Accessoire an seiner Hüfte trug. Wenn Akito dieses Spiel so spielen wollte, dann gab es nichts, was er tun konnte. Er hatte Vertrauen in sein Deck, in sein Können und eine Strategie. Dieses Duell würde er gewinnen.
 

Wieder vergingen mehrere Züge, ihrer beider Lebenspunkte hatten bereits einen kritischen Stand erreicht und Yuugi wusste, dass er nicht mehr trödeln durfte. Akito wirkte zunehmend angespannter, so als wäre er mit etwas anderem beschäftigt. Immer wieder reagierte er für einige Augenblicke nicht, ehe er wieder mit voller Konzentration zuschlug. Nachdenklich betrachtete er das Spielfeld, analysierte seine Lage. Akito hatte ein starkes Monster gerufen. Mit seinem Infernohammer (2400ATK/0DEF) hatte er das Blatt eindeutig gewendet. Yuugi betrachtete dieses riesige Ogerähnliche Monster, dessen riesigen Hammer und seine übergroßen Muskeln, sowie seinen Skelettschädel, der absolut keine Emotionen erkennen ließ.
 

Auf seinem Feld befand sich lediglich der Ausgebildete Keltische Wächter, der mit seinen 1400 Angriffspunkten keine Chance gegen diese Masse an Monster hatte, aber durch seinen Effekt nicht so einfach zerstört werden konnte. Kein Monster mit einem Angriffswert von über 1900 Punkten konnte ihn vernichten, somit war er auch vor dem Infernohammer sicher und zumindest in diesem Punkt hatte er etwas Sicherheit. Sein kleiner herum springender Kuriboh brachte ihm nicht viel.
 

Aufgeben würde er dieses Duell noch nicht. Es gab noch eine Chance, er musste jetzt nur noch die richtige Karte ziehen. Mit dem Topf der Gier zog er zwei weitere Karten. Ähnlich wie Jounouchi es immer tat, setzte er alles auf eine Karte und hoffte darauf, ein starkes Monster zu ziehen.
 

Er atmete tief durch und betrachtete die beiden Karten, die er gezogen hatte.
 

Lord Gaia, Zorniger Ritter, schoss es ihm unwillkürlich durch den Kopf und er fühlte Erleichterung. Auch das Glück gehörte zum Können eines Duellanten. Vielleicht war Jounouchis Glück gar nicht verschwunden, sondern begleitete nun ihn? Mit einem Angriff von 2300 würde er den Infernohammer zwar nicht besiegen können, aber die Zauberkarte auf seiner Hand hatte durchaus das Potential das Blatt zu wenden! Es war mehr als gar nichts und immerhin einen Versuch wert. Er wusste nicht, was für Fallen oder Zauberkarten noch auf ihn warteten, doch er entschloss sich dazu, diese erst mal zu ignorieren und dieses Risiko einzugehen. Etwas Anderes blieb ihm auch nicht möglich. Also opferte er seine beiden Monster und kurz darauf erstrahlte Lord Gaia mit all seiner Macht auf seiner Seite des Spielfelds.
 

„Und? Oh, das bringt dir aber nicht viel. Der ist immer noch schwächer als mein Monster. Was machst du jetzt?“, wollte Akito wissen. Er trug ein breites Grinsen auf den Lippen. Er schien sich des Sieges sicher zu sein.
 

„Mein Zug ist noch nicht beendet. Mein Freund hat mir nicht nur Mut gegeben, sondern auch eine Karte, an die du dich sicher gut erinnerst.“
 

„Heute hatte ich echt kein Glück. Eigenartig, was? Bisher haben mich meine Würfel noch nie im Stich gelassen“, meinte Jounouchi und lachte gezwungen.
 

„Das war sicher nur eine Ausnahme. Jeder hat mal Pech“, versuchte Yuugi ihn zu beschwichtigen und legte eine Hand auf seine Schulter, schenkte ihm ein aufmunterndes und mitfühlendes Lächeln.
 

„Vielleicht muss ich meine Strategie überdenken. Meine Glückssträhne ist wohl ab heute vorbei“, sagte er mit gedämpfter Stimme und ließ den Kopf hängen.
 

„Dann gib mir die Karte. Sie wird mein Schlüssel zum Sieg und du wirst sehen, dass dich dein Glück nicht verlassen hat.“
 

Yuugi zeigte seinem Gegner eine Zauberkarte. Ein verheißungsvolles Grinsen zierte sein Gesicht.
 

„Ich spiele den Anmutigen Würfel!“
 

Akito lachte spöttisch, hielt sich den Bauch und zeigte mahnend auf seinen Gegenüber. Dachte er ernsthaft, dass er mit so einer bescheuerten Karte das Blatt wenden konnte? Jounouchi hatte bewiesen, dass man fürs Glücksspiel ein Händchen haben musste und den Sieg eines so wichtigen Duells auf Glück basieren lassen zu wollen, konnte doch nur mit einer Niederlage bestraft werden. Der kleine Engel warf den Würfel ab. Yuugi hielt den Atem ab.
 

Mehrmals wechselte der Würfel noch die Seiten.
 

Dann blieb er stehen. Sechs Punkte befanden sich auf dem oberen Feld und Yuugi jauchzte.
 

„Tja, dann hat mein Gaia jetzt einen Angriff von 2900. Das dürfte dir den Rest geben.“
 

Akito starrte auf den riesigen Drachen, auf dessen Rücken sich Gaia befand, der ihn mit seiner anmutigen Monstrosität zurecht einschüchterte. Schon wieder verloren? Wieder gegen diesen Kerl? Das konnte nicht möglich sein. Seine Strategie war perfekt, jeder Zug war sauber und ordentlich überlegt und er hatte sämtliche Karten auf seinen Gegner eingestellt. Wieso hatte Yuugi den Anmutigen Würfel? Damit hatte er nicht gerechnet. Diese Karte hätte sich nicht in seinen Besitz befinden dürfen!
 

„Du hattest wieder ein Ante-Deck, nicht wahr? Merkst du es denn gar nicht?“
 

„Halt deinen Mund!“, knurrte Akito erzürnt, doch Yuugi ließ sich nicht einschüchtern.
 

„In einem Duell treten nicht nur die Karten gegeneinander an, sondern auch unsere Herzen. Unsere Seelen prallen aufeinander. Unsere Seelen geben unseren Karten Macht, doch du willst nur siegen. Dir geht es nicht darum, Spaß zu haben, du willst nur vernichten. Das ist falsch! Solange du deine Einstellung nicht änderst, wirst du mich niemals besiegen können“, erklärte Yuugi und sah Akito tief in die Augen.
 

„Was weißt du schon von mir? Ich soll meine Seele in meine Karten legen? Was ist, wenn ich keine Seele habe, die mir gehört?“
 

Yuugi stoppte der Atem.
 

„Was meinst du damit...?“, fragte er unsicher nach.
 

Lag es etwa an dem Orichalcosstein, der ihn kontrollierte?
 

Akito stand wieder auf und schloss die Augen. Während ihres Duells hatte Yuugi mehrmals Ausschnitte aus dessen Vergangenheit gesehen. Die Bilder erinnerten ihn an Filme. Ein Kind, das von Soldaten verfolgt wurde. Kämpfende Krieger und Menschen, die im Krieg fielen und am Boden liegen blieben. Eine Frau mit schwarzen Haaren und kleinen Augen. In ihren Blick lag nicht viel Menschliches. Sie wirkte stets erfüllt von Abscheu, Angst und Zorn. Sie war unglücklich. An ihrer Seite stets ein kleines Kind, das ihr hinterherlief. Verzweifelt suchte er nach der Liebe seiner Mutter, diese duldete dieses Wesen an seiner Seite, doch sie liebte es nicht. Das war überdeutlich zu spüren.
 

Yuugi hatte bereits eine Ahnung, was geschehen war. Die Rüstungen der Männer und die Bauart der Häuser verriet sehr viel über die Zeit, in der Akito gelebt haben musste. Vermutlich noch vor der Zeit der Streitenden Reiche oder vielleicht sogar mittendrin. Betroffen senkte Yuugi den Blick, schüttelte dann den Kopf und erinnerte sich selbst daran, dass er ein Ziel verfolgte. All die Duellanten, die sich nie wieder aktiv an der Duel Monsters Szene beteiligt hatten und jene, von denen man sagte, dass sie ins Koma gefallen waren, hatten ihre Seele verloren. Und Akito trug diese Seelen bei sich.
 

Ihn dazu zu bringen, die Seelen zu befreien, würde nicht nur diesen stolzen Duellanten ihr Leben zurückgeben, sondern auch Jounouchis leblosen Körper mit Wärme füllen. Der Zorn darüber, einen geliebten Freund verloren zu haben, beherrschte sein Unterbewusstsein. Akito war viel Schlimmes widerfahren, doch das gab ihm nicht das Recht, das Leben anderer zu nehmen! Akitos Orichalcosstein leuchtete auf und Yuugi war sich nun sicher. Er musste es beenden. Noch immer hatte er seinen Angriff noch nicht getätigt. Lord Gaia schwebte wartend in der Luft. Es sah so aus, als würde Gaia selbst fragen, warum Yuugi zögerte. Ja, warum zögerte er?
 

„Du bist echt noch blöder, als du aussiehst. Natürlich! Der Stein und ich sind eins! Wir sind eine Einheit. Er sagt mir ganz genau, was ich tun soll. Nur dank ihm bin ich noch hier. Wenn er nicht wäre, würde ich immer noch ziellos umherwandern und würde auf alle Ewigkeit gefangen sein. Doch der Stein gab mir eine zweite Chance“, erklärte Akito und verstärkte die Illusion der Finsternis und schauerliche Monster erschienen an den Seiten. Was er nicht wusste, war, dass er dadurch, dass er seine Seele offenbarte, er sich auch genauso angreifbar machte.
 

„Das ist doch kein richtiges Leben! Kannst du wirklich behaupten, dass du glücklich bist?“, fragte Yuugi unsicher und warf einen prüfenden Blick auf die garstigen Schattengestalten, die keine menschlichen Gesichter und Körper hatten, sondern aus Monstern aus bekannten Videospielen erinnerten. Ihre Körper waren pechschwarz, rote kleine Punkte an ihren Köpfen stellten vermutlich ihre Augen dar und ihre wabbligen Körperkonturen, die nach ihm griffen, erinnerten ihn an die Arme von Quallen. Yuugi wollte sich nicht einschüchtern lassen. Sein Verstand sagte ihm, dass es sich lediglich um Illusionen handelte. Um Bilder, die mithilfe des Steins erschaffen wurden und zwar da waren, aber keine wirkliche Masse besaßen. Wirklich gefährlich waren sie nicht. Sie existierten nicht wirklich. Genauso wie Akito. Auch dieser existierte nicht in dieser Zeit, doch er krallte sich verzweifelt an den Gedanken, dass er am Leben war.
 

„Was bedeutet schon Glück? Du bist ein braver Musterjunge, der immer nur das Gute in den Menschen sehen will. Selbst jetzt hast du dir in den Kopf gesetzt, mich zu retten. Wer sagt, dass ich gerettet werden muss? Wer sagt, dass ich deine Hilfe will? Nettigkeit allein rettet niemanden.“
 

„Auch wenn du meinen Körper übernimmst, wirst du immer du selbst sein. Glaubst du wirklich, dass das hier eine zweite Chance ist? Du wirst deinen Hass niemals überwinden und wirst auch dann noch unzufrieden sein, wenn du einen lebendigen Körper hast! Ich lasse nicht zu, dass du die Seelen dieser noblen Duellanten, die sich dir gegenübergestellt haben, weiterhin für deine Zwecke missbrauchst“, erklärte Yuugi gefasst und unterbrach keine einzige Sekunde lang den Blickkontakt.
 

„Noble Duellanten? Typisch Japaner! Ich scheiße auf Ehre und Stolz! Deine Ehre bringt dir nichts, wenn du tot bist!“
 

„Noch bin ich nicht tot. Ich habe gewonnen. Lass die Seelen frei, so, wie wir es abgemacht haben.“
 

„Bist du echt so dämlich, zu glauben, dass ich mich an dieses Versprechen halte?“
 

„Ja, weil auch du ein nobler Duellant bist.“
 

Akito brach in schallendes Gelächter aus.
 

Wie kann ein Mensch nur so abgrundtief bescheuert sein? Hat er denn keinen Funken Verstand? Wieso... glaubt er daran, dass ich dieses Versprechen halte? Warum sollte ich... mich fair verhalten?, dachte Akito und fragte sich, warum Yuugi immer noch an ihn glaubte. Wieso war es ihm so wichtig, die Seelen dieser Fremden zu retten und wieso bezeichnete er ihn nach allem, was er getan hatte, immer noch als noblen Duellanten? Wieso griff er nicht einfach an und beendete dieses Spiel?
 

„Wie kommst du auf diesen Schwachsinn?“, fragte er dann und stoppte sein Lachen abrupt.
 

„Ich denke, dass in einem Duell nicht nur die Karten, sondern auch unsere Seelen gegeneinander spielen. Vielleicht glaubst du, dass Duel Monsters nur ein Mittel zum Zweck ist, aber ich habe sie gesehen. Diese Leidenschaft, die in deinen Augen erstrahlt, wenn du über deinen nächsten Zug nachdenkst und das verbindet uns. Deshalb bin ich mir sicher, dass dein Herz für Duel Monsters schlägt. Deshalb wolltest du noch mal gegen mich spielen. Nicht wahr?“
 

„Unsinn!“, brüllte er ihm entgegen und starrte ihn fassungslos an.
 

„Das Duell hat Spaß gemacht. Auch unser letztes Duell vor einem halben Jahr... du erinnerst dich bestimmt noch daran. Da wusste ich schon, dass du ein ernstzunehmender Gegner bist und ich habe mich schon darauf gefreut, wieder gegen dich spielen zu dürfen.“
 

„Spaß?“, wiederholte Akito ungläubig.
 

Die Monster verschwanden. Sein Sein schien ins Wanken zu geraten. Auch hatte er das Gefühl, dass irgendjemand in seine Seele eingebrochen war. Die Illusionen um sie herum wurden durch seinen Hass verstärkt und waren mit seinen Erinnerungen verknüpft. Diese Eindringlinge waren in seine Seele eingebrochen und er hatte sie mehrmals ermahnt, sich zurückzuhalten, doch sie ließen sich nicht beirren. Jedes Mal, wenn er Lebenspunkte verloren hatte, hatten diese Ungeziefer die Chance genutzt, ein Stück weiter in seine Seele vorzudringen, doch da er so beschäftigt mit seinem Kontrahenten war, hatte er keine Zeit, sich um diese Einbrecher zu kümmern.
 

Auch jetzt geriet sein Entschluss ins Wanken. Er wollte sich an dieser Welt rächen und sie in Finsternis tauchen. Er wollte den Kriegern der Neuzeit, die anstelle von Schwertern mit Karten bewaffnet waren, ihre Machtlosigkeit demonstrieren. Denn es waren diese Soldaten, die ihn in diesen dunklen Kerker gezerrt hatten und ihn zu Tode gefoltert hatten. Vollkommen egal, wie oft er seine Unschuld beteuerte und wie sehr er um sein Leben flehte, keiner dieser Krieger schenkte ihm Glauben. Er wollte, dass diese Kerle, die glaubten, dass sie über das Leben anderer bestimmen konnten, zeigen, dass sie nichts weiter als Abschaum waren.
 

So wie diese Männer einst über sein Leben bestimmt hatten, wollte er nun über das Leben anderer bestimmen. An Spaß, wie es Yuugi nannte, hatte er nie gedacht. Hatte er Spaß gehabt? In ihren Duellen? Yuugis Worte machten ihn unsicher. Plötzlich hörte er Schritte. Weitere Personen, waren auf das Dach gekommen. Das mussten die Eindringe sein, die ungefragt in seiner Seele gewütet hatten.
 

„Ja, ich rede von dem Spaß an einem Duell! Die Herausforderung, das Adrenalin, das durch unsere Blutbahnen rauscht und die Ungewissheit, was der nächste Zug bringt. Das ist doch alles aufregend, nicht wahr?“
 

„Beende endlich deinen Zug!“, knurrte Akito und Yuugi deklarierte seinen Angriff, so dass Akitos Lebenspunkte auf Null gingen. Staub wurde aufgewirbelt, als der Drache seinen Angriff getätigt hatte und langsam verschwanden sämtliche Monster.

Bonuskapitel 2: Common Future

Es waren einige Monate vergangen. Obwohl ich mir in den Kopf gesetzt hatte, wieder aktiv Duel Monsters zu spielen und an Turnieren teilzunehmen, hatte ich meinen Job als Verkäuferin in einem Parfümladen nicht aufgegeben. Mein altes Leben holte mich ein. Es war jedoch nicht wie früher. Eine kleine Veränderung gab es dann doch: ein brünetter Kerl, der beinahe jeden Tag an meiner Apartmenttür klopfte und sich selbst einlud. Anfangs war ich noch ziemlich genervt von diesem unerwünschten Besuch, doch mit der Zeit freute ich mich jeden Tag auf den Feierabend, weil ich wusste, dass ich ihn wiedersehen würde. Mit ihn Zeit zu verbringen, wurde Routine.
 

Wir sprachen über unsere Vergangenheit. Diese Gespräche machten es mir so viel leichter, endlich alles hinter mir zu lassen. Es tat gut, über seine Sorgen sprechen zu können und zu wissen, dass der Gegenüber einen tatsächlich verstand. Valon und ich hatten eine gemeinsame Vergangenheit, die uns beide belastete. Mich mehr als ihn, dem war ich mir sicher. Valon zeigte kaum Reue über seine Vergangenheit und als ich ihn fragte, was seine Eltern machten, zuckte er nur verdutzt mit den Schultern. Sind vermutlich tot, hatte er gesagt und dann hinzugefügt: Ich kenne sie nicht.
 

Mir wurde bewusst, dass er ähnlich wie ich keine richtige Familie hatte und sich in seinem Leben nie auf andere verlassen konnte. Freundschaft war für ihn ein Fremdwort. Er war ein Kämpfer und Einzelgänger. Er wollte immer mit dem Kopf durch die Wand. Nichts ließ ihn zurückschrecken. Er zeigte seine Gefühle offen. Wenn ihm etwas nicht gefiel, sagte er das auch und wenn ihn etwas begeisterte, machte er keinen Hehl daraus. So auch seine Liebesbeurkundungen mir gegenüber. Jeden Tag beteuerte er mir, wie sehr er mich liebte und dass er mich niemals wieder missen wollte und obwohl ich ihn keine Antwort gab, ihn manchmal sogar ignorierte, nahm er mir das nicht krumm.
 

Jedes Mal, wenn ich ihm die kalte Schulter zeigte, grinste er nur und sagte, dass er mein Verhalten ziemlich niedlich fände. Dann grummelte ich, weil es mich einerseits störte, dass er mich niedlich nannte, doch innerlich freute es mich, da ich seine Worte irgendwie als Kompliment aufnahm und ich mir sicher sein konnte, dass er sich von meiner groben und zickigen Art nicht gestört fühlte. Es war eigenartig. Ich war davon gelaufen. Ich hatte Angst ihn wiederzusehen und ihn zu konfrontieren, doch jetzt, wo er bei mir war, kamen mir meine Bedenken von damals so dumm und kindisch vor, dass ich selbst den Kopf schüttelte. Und irgendwann kam der Zeitpunkt, wo ich mir sicher sein konnte, dass auch ich ihn nicht mehr missen wollte. Sein Lachen. Seine Wärme. Seine schroffe, aber unglaublich liebevolle Art.
 

Er war ein Teil meines Lebens geworden.
 

Dieser Tag war wie jeder andere, zumindest glaubte ich das. In meinem Briefkasten fand ich eine kleine, ordentlich gefaltete Einladungskarte, die meinen Atem für einen Moment stocken ließ. Meine Finger zitterten vor Aufregung. Nach dem Turnier waren Jounouchi und Yuugi zurück nach Japan geflogen und momentan hatte ich mit beiden nur über SMS Kontakt. Sie waren beide sehr beschäftigt, schienen aber dennoch immer zusammen zu sein, was mich das ein oder andere Mal zum Stutzen brachte. Tatsächlich hatte ich eine Vorahnung, die ich nicht beim Namen nannte.
 

Seitdem hatte mich mein Alltag wieder eingeholt. Alles war, wie es sein sollte. Normal. Ruhig. Ja, geradezu langweilig. Wenn es nicht einen gewissen Brünetten gäbe, der mir hinterher lief und mir sogar immer wieder Rosen schenkte. Wir trafen uns oft, verbrachten unsere Freizeit gemeinsam. Früher hatten wir uns oft wegen jeder Kleinigkeit in den Haaren, doch nun verstanden wir uns so gut, sodass es manchmal nur einen kleinen Blick benötigte, um einander zu verstehen. War ich verliebt? Noch immer fürchtete ich mich vor dem Gedanken, dass ich mich einem Mann wie ihm öffnen musste, ihm einfach meine schwache, zerbrechliche Seite zeigte, die ich doch unter allen Umständen unter Verschluss halten wollte. Doch seine liebevolle Art hatte mich gefesselt, ich brauchte ihn einfach in meiner Nähe, um mich wirklich geborgen zu fühlen.
 

Er lud mich zum Abendessen ein. Ein freches Grinsen huschte über mein Gesicht. So wie ich ihn kannte, hatte er weitaus mehr vor als nur zu Abend zu essen. In den letzten Tagen und Wochen hatten wir uns oft verabredet, aber bisher hatten wir keine einzige Nacht miteinander verbracht. Waren wir nun zusammen oder war es nur eine kleine Schwärmerei? Eigentlich wusste ich nicht, was ich von meinem Leben wollte, aber langsam wuchs der Wunsch in mir, ihn immer bei mir zu haben. Demnach liebte ich ihn.
 

Ich zückte mein Handy aus der Tasche. Vivian hatte mir geschrieben. Seit sie mit Magnum zusammen war, schrieb sie seltener. Entgegen meiner Erwartung, war ihre Beziehung wohl doch etwas Ernstes. So sehr ich diesen Vollidioten nicht ausstehen konnte, so wünschte ich ihr dennoch viel Glück. Schließlich waren wir Freunde und als solche war man füreinander da.
 

>Hallo Valon! Danke für die Einladung. Aber ist ein Restaurant nicht viel zu teuer?<, schnell schickte ich die SMS ab, nur wenige Minuten später erhielt ich eine Antwort.
 

»Keine Sorge! Ich hol dich heute Abend ab, zieh dein bestes Kleid an, ja? ♥«
 

Ich musste schmunzeln, dauernd enthielten seine SMS irgendwelche kleinen Herzen. In dieser Hinsicht benahm er sich wie ein Teenager, der zum ersten Mal so richtig verknallt war und sich nicht anders auszudrücken vermochte. Aber das war irgendwie süß. Obwohl ich ihn so lange kannte, fiel es mir immer noch schwer ihn richtig einzuschätzen, da er so viele Seiten hatte, die ihn so unglaublich liebenswert und anziehend machten.
 

Nachdem ich den ganzen Alltagsstress und eine wohltuende Dusche hinter mir hatte, entschloss ich mich nach langem Überlegen dazu, mein rotes, kurzes Kleid anzuziehen, das an der Seite einen langen Reizverschluss hatte. Ich keuchte auf, als mir bewusst wurde, dass meine Brust leicht eingeschnürt war. Suchend warf ich einen Blick in meinen Kleiderschrank, schüttelte allerdings enttäuscht den Kopf, als ich kein anderes Kleid fand, das meinen Vorstellungen entsprach. Schnell noch zog ich mir einen schwarzen Blazer über, nahm meine schwarze Handtasche und verließ meine Wohnung. Die kühle Luft half mir, mich wieder zu beruhigen. Nur schleppend hob ich wieder meinen Kopf, sah in den Sternenhimmel. Wolken kamen auf. Hoffentlich würde es nicht anfangen zu regnen.
 

„Mai, tut mir leid, dass ich zu spät bin!“, hörte ich seine Stimme von Weitem, konnte ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen, da ich so unendlich froh darüber war, dass nach all der Zeit das Glück nun endlich bei mir angeklopft hatte und mich nicht einfach wieder im Stich ließ. Auch er hatte sich zurecht gemacht, trug einen grauen Anzug, eine rote Krawatte und übergab mir eine rote, lieblich duftende Rose, die meine Sinne betörte.
 

Valon entführte mich in ein teures Restaurant, das wirklich mehr als einfach nur elegant aussah. Sogar das Essen schmeckte so vorzüglich, dass ich beinahe glaubte, in einem Traum zu sein, der jede Minute auf einmal abrupt beendet werden würde. Geschah dies alles wirklich? Waren die duftenden Blumen in der Vase echt? Oder die weiße Tischdecke, die so ordentlich mit Spitze vernäht wurde? Oder das glänzende Besteck? Der Kellner brachte uns einen Rotwein.
 

Nicht irgendein billiges Gebräu, allein der Jahrgang des Weines verriet, dass sich meine Begleitung viele Gedanken um diesen Abend gemacht hatte. Verträumt betrachtete ich die rote Flüssigkeit, kleine Perlen in ihr erhoben sich zum Flaschenhals, so als suchten sie ihre eigene Bestimmung. Valon legte auf einmal seine Hand auf meine. Erschrocken hob ich den Kopf, eine leichte Röte fand sich auf meinen Wangen ein, die ich nicht verbergen konnte.
 

Es war bereits spät, als wir das Restaurant verließen. Wir hatten viel miteinander gesprochen, hatten uns immer wieder Wein nach geschenkt. Wir liefen die bekannten Straßen entlang, dieses Mal wirkten sie völlig neu und unerforscht, obgleich wir sie so oft bereits gesehen hatten. Dann wurde es ruhig, seine Schritte verhallten in der Dunkelheit. Fragend blieb ich stehen, drehte mich zu ihm, verstand nicht, was ihn störte. Bevor ich etwas sagen konnte, kam er mir wieder näher. Unsere Lippen trennten nur wenig Zentimeter. Wie sollte ich reagieren? Ängstlich trat ich einen Schritt nach hinten, vergrößerte den Abstand zwischen uns wieder, was ihn etwas zu verärgern schien, da er enttäuscht seufzte.
 

Der Himmel hatte sich nun endgültig zugezogen und ich hatte das Gefühl, dass es jeden Moment anfangen würde zu regnen. Er starrte mich an, erwartete eine Antwort. Er liebte mich, doch ich wies ihn ab, weil ich mir nicht sicher war, ob ich seine Gefühle erwidern konnte, ob ich überhaupt in der Lage war, einen anderen Menschen so zu lieben wie er es tat.
 

„Ich habe Angst... verstehst du das nicht?“ Ich zitterte leicht, als ich diese Worte aussprach. Dies zu sagen, fiel mir unglaublich schwer.
 

„Nein, sag mir bitte, wovor du dich fürchtest, damit ich dich besser verstehen kann.“
 

„Ich habe Angst vor dir... und meinen Gefühlen für dich.“
 

Mein Herz machte für einen Moment einen Aussetzer, ehe es mit Leid und Schmerz weiter pochte. Warum? Wieso konnte ich ihm nicht wie ein normaler Mensch meine Gefühle zeigen? Seit Jahren lief er hinter mir her, aber ich Idiotin wies ihn immer wieder zurück, obwohl mein Körper und meine Seele nach ihm schrien. Es tat weh. Konnte mich denn niemand von diesen nutzlosen Gefühlen erlösen? Als er mir näher kam und seine Hand hob, um sie mir sanft auf meine Wange zu legen, schlug ich sie weg. Zögerlich stand er da vor mir.
 

„Ich hasse dich, weil du es bist, der mich verändert.“
 

Wie sollte ich in Worte fassen, was mich so sehr quälte und mir keine Ruhe mehr ließ? Seit diesem Turnier und der Begegnung mit Akito, konnte ich es nicht mehr unterdrücken; dieses unbändige Verlangen nach ihm und den Wunsch in seinen Armen zu liegen und glücklich zu sein. Doch ich kannte diese Art von Liebe nicht. Mir wurde sie nie beigebracht. Der Wunsch nach einer Bindung wie dieser, brachte Angst mit sich, denn ich wusste, dass Liebe etwas war, das schnell zerbrach. Zu gut erinnerte ich mich an all die Männer, die mir sagten, dass sie mich liebten, dass sie mich heiraten und mit mir alt werden wollten. Doch es ging nie gut. Magnum war nur einer von vielen, der glaubte, dass sie mein Herz erobert hätten. Nie wieder wollte ich Verlust erleiden müssen.
 

Ich konnte die aufkommenden Tränen nicht länger aufhalten, ebenso wenig das laute, gepeinigte Schluchzen. Mein Körper bebte und das Blut zirkulierte so schnell in meinen Gefäßen, dass ich glaubte, jede Sekunde tot umfallen zu können. Alles was ich tat, war falsch. Dabei wollte ich nichts Anderes, als endlich glücklich zu werden. Auf einmal presste er mich gegen die kalte Mauer, legte ungefragt seine Lippen auf meine. Er schmeckte nach süßem Wein, der mich verzückte und ich empfand den tiefen Wunsch nach 'mehr'. Einige Regentropfen befeuchteten meine Haut, sie verursachten einen angenehmen Schauer und es war das erste Mal seit Langem, dass ich mir vom Herzen wünschte, dass dieser Moment ewig andauerte. Keuchend löste wir den Kuss, ich sah ihm tief in die Augen. Einzelne Tränen rannen über meine Wangen, die sich mit dem stärker werdenden Regen vermischten.
 

„Mai, ich liebe dich. Du bist stur, aber das liebe ich an dir.“
 

Wieder küsste er mich und ich hatte das Gefühl, dass es sinnlos war, sich zu wehren und ich musste mir wohl oder übel eingestehen, dass es genau das war, was ich mir immer gewünscht hatte. Einen Menschen, der mir sagte, dass er mich liebte und brauchte, der mich nicht verriet und immer zu mir hielt. Pure Leidenschaft lag in der Luft, seine leichte Reibung gegen mein Becken erregte mich, meine Haut spannte sich an und mein Atem ging stoßweise. Vorsichtig strich er mein langes, blondes Haar beiseite, um mich genauer betrachten zu können.
 

„Dummkopf“, wisperte ich, wandte verlegen den Blick ab, nur um wenige Sekunden später den Blickkontakt zu suchen und ihn zu küssen. Er veränderte mich, zwang mich dazu meine Hüllen fallen zu lassen und alles von mir zu offenbaren. Wieder küsste er mich, legte eine Hand in meinen Nacken, um mir die Chance zur Flucht zu rauben. Doch ich wollte nicht fort von ihm. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich wohl, hatte das Gefühl endlich angekommen zu sein und nichts und niemand würde diesen Moment zerstören. Vorsichtig bewegte ich meine Lippen gegen seine. Sollte ich mich schämen, dass ich mit 30 nicht allzu viele Erfahrungen gesammelt hatte?
 

„Lass uns zu dir gehen...“, flüsterte er in mein Ohr, ich erschauderte als ich seinen heißen Atem an meiner Ohrmuschel vernahm. Sollte ich nein sagen? Oder ihn gewähren lassen? Bevor ich überhaupt zu Ende denken konnte, schob er mich mit sanfter Gewalt von der Wand weg und brachte mich dazu ihm zu folgen.
 

Valon war bereits paar Mal bei mir zuhause gewesen. Wir saßen dann im Wohnzimmer und quatschten über Duel Monsters und ich erzählte ihn von meinen Plänen, wieder in der Liga mitspielen zu wollen, die er mit großer Begeisterung guthieß und mich sogar motivierte, nicht noch länger zu warten. Wenn er länger blieb, aßen wir auch gemeinsam zu Abend. Eine gute Köchin war ich nicht, weshalb ich ihm lediglich Fertiggerichte anbot. Aber ihn hatte es nicht gestört, er hatte immer ein liebevolles Lächeln für mich übrig, sagte, dass es ihm egal war, wo wir waren oder was wir aßen, solange er nur in meiner Nähe sein durfte.
 

Hastig stieg er die Treppen hinauf, erst jetzt bemerkte ich, dass der Alkohol seine Wirkung gezeigt hatte. Valon machte einen leicht betrunkenen Eindruck, hatte nun scheinbar keine Hemmungen mehr. Nachdenklich zog ich den Schlüssel aus meiner Jacke, öffnete die Wohnungstür. Sofort betrat er mein Reich, zog mich hinter sich her, nur um im selben Moment die Tür zu schließen und mich gegen diese zu drücken. Wieder küssten wir uns, dieses Mal viel leidenschaftlicher und feuriger. Ja, er hatte ein Feuer in mir entfacht, das sich nur durch ihn zu löschen vermochte.
 

„Mai, ich liebe dich...“, sagte er, sah mich mit seinen edlen kobaltblauen Augen an, in denen ich mich bereits in der Vergangenheit mehr als einmal verloren hatte. Auch dieses Mal konnte ich mich ihnen nicht widersetzen, fühlte mich gefangen und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Dann spürte ich, wie seine starke Hand über meinen Oberschenkel glitt, direkt unter mein Kleid. Verschämt warf ich den Kopf zur Seite, wusste nicht so recht, ob ich bereit für diesen Schritt war oder nicht. Er erwartete meine Reaktion, fuhr nicht fort, was mir zeigte, dass er Respekt vor mir hatte und nichts tun würde, was ich nicht wollte.
 

„Valon... nicht hier.“ Meine Stimme war leise, dennoch hatte er mich verstanden.
 

Gemeinsam gingen wir in mein Schlafzimmer. Er drückte mich auf das weiche Bett, sofort versank ich im Laken, konnte nicht anders als ihn anzustarren. Zum ersten Mal sah ich, wie männlich er war. Langsam beugte er sich über mich, küsste meinen Körper, entlockte mir immer wieder ein verlangendes Stöhnen, katapultierte mich in den siebten Himmel. Etwas zurückhaltend legte ich meine Hand auf seinen muskulösen Oberkörper, spürte, wie mein Körper nach mehr verlangte, genoss das Gefühl seiner Muskeln, die sich leicht angespannt hatten. War er auch aufgeregt?
 

Er grinste in unseren Kuss, löste ihn, nur um mich wieder anzusehen.
 

„Du bist wunderschön“, hauchte er, öffnete nun langsam sein Hemd, ließ die Krawatte achtlos hinunter fallen. Seine rechte Hand strich über mein Haar, er berührte es so behutsam, als wäre es irgendeine kostbare Antiquität, die er unter keinen Umständen beschädigen wollte. Wieder musterte er mich, ehe er seine Hände an mein Kostüm legte und den Reißverschluss langsam öffnete. Ich rekelte mich unter ihm, damit er es noch weiter öffnen konnte. Viel Erfahrung hatte ich nicht, da er das zu bemerken schien, übernahm er wortlos die Führung. Wir entledigten uns unserer Kleider, kamen uns immer näher...
 

*
 

Seine Hand näherte sich meinem Gesicht, zaghaft streichelte er meine Wange, ehe er mein Haar zur Seite strich und mich noch einmal küsste, mir nur mit dieser kleinen liebevollen Geste den Verstand raubte. Irgendwann an diesem Abend musste ich eingeschlafen sein, doch diese Nacht bescherte mir süße Träume, was nur an seiner Anwesenheit lag. Ich fühlte mich sicher und geborgen.
 

Ich war bereit für die Zukunft.
 

Ich hatte keine Angst mehr, weil ich endlich angekommen war.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Anmerkung: Akito - kleiner Teufel | Toma - Rot Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Hier endet die Hauptgeschichte von Eine zweite Chance. °˖✧◝(⁰▿⁰)◜✧˖°

Vielen Dank, dass ihr bis hierher gelesen habt. Ich hoffe, ihr mochtet die Geschichte wenigstens ein bisschen. Es ist ein offenes Ende, denn ich glaube, dass offene Enden zu Fanfiktions dieser Art besser passen. In der Serie Yu-Gi-Oh! gibt es kein richtiges Ende, denn Mais Wunsch, als Duellantin erneut durchzustarten, erwacht jetzt erst wieder zum Leben. Jetzt, wo sie endlich mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen hat, kann sie wieder nach vorne blicken und jetzt hat sie sogar ihre alten Freunde wieder an ihrer Seite. Vor allem Valon wird sie nicht mehr loslassen. Ihr denkt euch sicher: Valon geht aber ganz schön ran, aber ich glaube, das passt sehr gut zu ihm! Mai gegenüber war er immer sehr direkt und hat ihr immer offen und ehrlich seine Gefühle offenbart. Außerdem hat er ganze sechs Jahre seines Lebens damit verbracht nach ihr zu suchen.

Es steht Yuugis und Kaibas Duell aus. Wir alle wissen, wie sehr Kaiba Yuugi in einem fairen Duell schlagen möchte und es widerstrebt mir, einen Sieger zu küren. Immerhin ist das Mais Geschichte. Über Kaiba und Yuugi schreibe ich ja auch so sehr oft und wer mehr über mein Rivalshipping Headcanon lesen möchte - welches hier auch angedeutet wurde - kann gerne bei Spherium vorbeischauen.

Dafür, dass diese Geschichte nur als kleine Oneshot geplant war, wurde sie doch recht lang. Es folgt ein Bonuskapitel, welches sich noch einmal auf Yuugis und Akitos Duell bezieht. Da die Hauptgeschichte in Mais Perspektive geschrieben ist, wollte ich keinen plötzlichen Stilbruch einfügen, nur um die andere Seite der Handlung zu beleuchten. Mai ist die Protagonistin und sie kann Dinge, die sie nicht selbst erlebt hat, nun mal nicht wissen. Die leuchtende Kugel sollte Akitos verbleibenden menschlichen Rest seiner Seele darstellen, der sich nach Wärme und Geborgenheit sehnte. Die Erinnerungen, die hier erwähnt wurden, werden im Bonuskapitel nochmal aufgegriffen. Mai ist zwar die Heldin dieser Geschichte, doch der wahre Held von Yu-Gi-Oh! ist nun mal Mutou Yuugi.

Das Bonuskapitel enthält kleinere Andeutungen zwischen Jounouchi und Yuugi, die aber interpretierbar sind. Das heißt, dass sie durchaus neutral gelesen werden können. Bedenkt jedoch, dass ich die beiden shippe und ich die Szenen mit den beiden absichtlich zweideutig beschreibe und es somit zwischen den Zeilen deutlich wird, dass da etwas zwischen den beiden läuft. Das wurde auch während der Geschichte mehrmals vage angedeutet. Das hier ist mein Headcanon und meine Geschichte.

Diese Geschichte hat auch japanischen Okkultismus thematisiert, denn Geister, die ihren Weg nicht in Jenseits finden und stattdessen im Diesseits verweilen, weil sie noch etwas erledigen müssen, gehört auch zur japanischen Kultur. Weiterhin glauben Japaner, dass Gegenstände nach 100 Jahren eine eigene Seele erhalten, was ich hier mit dem Stein von Orichalcos in Verbindung gesetzt habe. Der Stein oder besser gesagt die Fragmente dessen, wandeln bereits lang genug auf der Erde, um ein eigenes Wesen entwickelt zu haben. Doch wirklich passend einbinden konnte ich das leider nicht.

Na dann, danke fürs Lesen. <3 Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Weiter geht es in Kapitel 13. Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
* Hier hätte sich ein erotischer Teil befunden, der, meiner Meinung nach, nicht viel zur Handlung beiträgt. Deshalb habe ich ihn wieder gestrichen. Keine Ahnung, warum ich vor 4-6 Jahren der Ansicht war, dass eine Fanfiktion Adultkapitel haben muss, damit sie gelesen wird. Heutzutage denke ich, dass eine Geschichte keinen Softporno braucht, nur um irgendwo einen Plot zu haben. Sexuelle Inhalte (Adultkapitel) schrecken mich persönlich ab, weshalb ich Fanfiktions dieser Art meide und einen großen Bogen um sie mache.

Valon und Mai werden ab jetzt sehr viel Zeit miteinander verbringen und ich kann mir gut vorstellen, dass Mai ihre Karriere als Duellanten nicht aufgibt. Jounouchi hat sie dazu ermutigt, sich wieder mehr mit Duel Monsters zu befassen. Immerhin wird sie im GX Manga als eine der vier Legendären Duellanten bezeichnet und steht mit Yuugi, Kaiba und Jounouchi auf einer Stufe und gehört zu den bekannteste Duellantinnen der Szene. Irgendwie traurig, dass das im Anime nie so wirklich aufgegriffen wurde und sie hauptsächlich als mögliches Love-interest eingesetzt wurde. Ich stelle mir vor, dass Valon sie als Duellantin anfeuert, aber auch selbst gerne an offiziellen Turnieren teilnimmt und ebenfalls einen Platz in der Weltrangliste ergattert.

Duel Monsters in die große Leidenschaft, die sie alle miteinander verbindet und auch zukünftig einen großen Teil ihres alltäglichen Lebens ausmachen wird. ♥ Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (22)
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Von: abgemeldet
2015-06-03T21:35:10+00:00 03.06.2015 23:35
Was, wie? Frag dich lieber, wieso er die Karte permanent dabei hat! Mensch, Mai es ist doch offensichtlich, dass sich rein gar nichts an seinen Gefühlen über die Jahre hinweg geändert haben kann!
So, das musste eben raus. Natürlich fand ich dieses Kapitel schön zu lesen, weil der Wettbewerbsgeist wunderbar in etwas Sehnsüchtiges, Vergangenes überging. Kein Wunder, dass Mai so empfindlich-positiv auf die Ereignisse reagiert. Endlich macht sie etwas, dass nicht Alltagstrott ist und mit liebgewonnenen Menschen (oder guten Gegnern) verknüpft ist. Dass Varon bereits ausschied, hat mich überrascht. Ich dachte, er wäre ein Zwischengegner für sie, bei dem sie sich miserabel auf den Kampf konzentrieren wird ...

Am Schönsten war der Moment, als er flüsternd von der Karte sprach und sich vorneigte. <3
Liebe Grüße, Morgi
Von: abgemeldet
2015-06-01T10:15:43+00:00 01.06.2015 12:15
Hallo!

Yugi-Oh ist leider gar nicht mein Fandom, daher kann ich nicht beurteilen, ob du die Charaktere wie im Original getroffen hast. Das, was ich aber herauskehren möchte, ist Mais Art mit ihrem Alltag umzugehen. Sie hat eine feste Struktur, einen sicheren Arbeitsplatz, ist mit dem Notwendigen versorgt - und dennoch merkt man durch viele kleine Kommentare von ihrer Unzufriedenheit. Einerseits spiegelt sich das im Vergleich zu Vivians Lebensstil (neue Partner, anderes Land, ...), andererseits durch den Blick auf Seto. Sogar der hat sich gemacht und herausgeputzt, obendrein spürt man die stille Begeisterung für sein Tun.
Und Mai? Nun, die liebt ihre Freiheit nur auf dem Motorrad ("der kühle Wind auf der Haut" war eine schöne Phrase!) und vergleicht die Arbeit mit "Fesseln". Kein Wunder, dass sie sich nach der lockeren Jugendzeit sehnt, in der man sich nur auf Strategien und Siegesfreude konzentrieren brauchte.
Übrigens, einige Kasus-Fehler sind mir über den Weg gelaufen, z.B. "gab mir ein Gefühl von inneren Frieden" (innerem Frieden)

Mal schauen, wem sie auf dem Turnier begegnet!
Viele Grüße,
Morgi
KomMission-Unterstützerin, für mehr Feedback auf Animexx :-)
Von:  JK_Kaiba
2014-08-13T19:39:33+00:00 13.08.2014 21:39
Hi,
hab deine FF schon eine Weile auf meiner Liste und bin endlich mal dazu gekommen sie zu lesen.
Hab jetzt bis hier her gelesen und bin wirklich begeistert. Du hast einen tollen Schreibstil, der angenehm zu lesen ist und ich finde du triffst Mai auch recht gut. Nur das Joey nicht in sie verliebt war, das finde ich etwas seltsam, weil ich fande, das er es schon war... Aber gut, was solls ;-)
Bin mal gespannt was es mit dem Jungen auf sich hat und was noch so kommt...

lg Jacky
Von:  MisuzuYoshida
2014-06-12T20:38:18+00:00 12.06.2014 22:38
Wow, endlich hast du die Fanfic zuende geschrieben! *0* war schon sehr gespannt auf das Ende und ich muss sagen das du Geschichte sehr schön ausklingen lassen hast. Respekt! Zumal du auch einen sehr flüssigen und schönen Schreibstyle hast. Es lässt sich alles in einem sehr schönen Flow lesen. Danke für diesen Fansupport. :) Freu mich schon sehr auf die Bonusgeschichten die noch kommen sollen! Würde mich freuen wenn du mich informieren würdest wann sie raus kommen. Bin schon sehr gespannt!

MfG, dein teuer Fan. *Fangirl Scream*
Von:  MisuzuYoshida
2014-06-12T20:32:51+00:00 12.06.2014 22:32
Wow, wnslich
Von:  Guardian
2014-02-16T23:39:01+00:00 17.02.2014 00:39
Hallo :DD
Ich dachte, ich hätte schon kommentiert und hol das natürlich jetzt nach ;)

Ich bin nach wie vor ein begeisterter Fan deiner Geschichte. Varon wird immer sexier :DDD
Von:  Sandraupe
2014-02-14T05:27:32+00:00 14.02.2014 06:27
Hallu du. :DSorry, das ich erst jetzt wieder kommentiere, allerdings hatte ich Prüfungen und viel um die Ohren wegen neuem Arbeitsplatz etc.So, nun aber zu dem Kapitel:Super Kapitel, auf jeden Fall! ^^Allerdings fand ich es alles sehr.... schnellSie kommen an, Duell vorbei, er sieht es so halb anscheinend ein, verschwindet dann, Oricalcos kaputt, alles gut.Las sich sehr schnell weg und es kam dadurch ein wenig so rüber, als wenn du entweder keine Lust hast es ausführlicher oder spannender zu gestalten, oder ob da noch die große Bombe kommt.Aber eher ersteres nehme ich an, fände ich aber schade, wenn du es schnell über die Bühne bringen wolltest...... :-(So, Rechtschreibfehler nichts gefunden, Ausdrucksweise alles top, ansonsten hab ich nix auszusetzen.Wünsche dir schon mal ein angenehmes Wochenende, ich begebe mich jetzt in den Feierabend.Gute Nacht oder morgen! :P

GrüßeSandraupe
Von:  Itamii
2014-02-13T18:22:28+00:00 13.02.2014 19:22
Ich hoffe ja, dass mir der Kommentar gelingt x__X

Also, bisher eine wirklich gelungene FF! Dein Schreibstil gefällt mir. Ebenso, wie du die Story bisher aufgebaut hast ist echt toll. Beim Lesen wird einem nicht langweilig, Höhen und Tiefen gleichen sich gut aus. Das macht ein angenehmes und flüssiges Lesen.
Die Charaktere sind auch nicht OoC, was dir einen weiteren Pluspunkt beschert. Ich hoffe doch, dass es möglichst bald weitergeht, bin schon gespannt :3

Liebe Grüße!
Von:  Guardian
2014-01-25T16:24:37+00:00 25.01.2014 17:24
Vielen Dank für die Benachrichtung :)

Ich finde, das die jedes kapitel gelingt und immer mehr Spannung zu lässt. ich erfreue mich jedes Mal aufs neue auf Varon, ein heißer Kerl :)
Dein Schreibstil ist wunderbar, behalte ihn dir bei!! Liebe Grüße
Von:  Guardian
2014-01-04T15:28:05+00:00 04.01.2014 16:28
Ihr sehr schön, es geht weiter :) freue mich wirklich und auch die Szenen sind super umschreiben. Freue mich, wenn es weiter geht


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