Zum Inhalt der Seite

The Darkness Inside Me

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Decisioni.


 

Entscheidungen.

1. März 2013

Robin blieb unbeeindruckt. Er konnte sie noch so böse ansehen. Es zeigte keine Wirkung, sie war alles andere als eingeschüchtert. Umgekehrt sollte er Furcht empfinden. Standen sie direkt gegenüber hatte sie die Oberhand.

Doch kam Robin freiwillig, hoffend auf ein zufriedenstimmendes Gespräch, bei dem ihr sämtliche Möglichkeiten offen blieben. Ob sie nur sprach oder aktiv wurde, lag in seinen Händen.

„Hast du erwartet, dass ich dir beim Heimkommen auflauere?“, fragte sie amüsiert und trat vorbei in die Wohnung.

„Bei euch muss mit allem gerechnet werden“, entgegnete er kritisch, doch grinste er. „Etwas Sicherheit ist mir jedoch garantiert.“ Robin warf einen süßlichen Blick zurück, gluckste. Als ob. Er lehnte sich eine Spur zu weit aus dem Fenster. Wenn sie wollte, wäre er längst tot. Und sie hatte lange darüber nachgedacht. Sicher spielte Nami eine Rolle, aber im Notfall? Nein, dann wäre Nami keine Garantie. Wollten ihre Freunde durchgreifen, wäre sogar Robin machtlos.

„Du verschwindest schneller als dir lieb ist“, gab sie zurück und zog den Mantel aus. Es wäre eine Leichtigkeit gewesen, aber leider war sie aus einem anderen Grund hier. Sie suchte das Gespräch. Sollte der Ausgang nicht ihrem Wunsch entsprechen, könnte sie ihre Überlegung noch immer zur Realität machen.

„Wie charmant du bist“, murmelte Law und führte Robin ins Wohnzimmer. Er hatte Stil, das musste sie eingestehen. Rasch fielen ihr die Antiquitäten ins Auge, darunter jene, die er mit Sicherheit Lucci verdankte. Fast immer hatte sie mitbekommen, womit er Handel trieb.

„Was kann ich für dich tun? Einen Deal? Soll ich die Wahrheit vernichten?“ Während Robin ein Getränk ablehnte, schenkte er sich Whiskey ein. Die Anspannung war da, seine Bewegungen kontrolliert. Robin verkniff sich ein Lachen. Ja, er wusste sehr wohl mit wem er sprach.

„Eine Vereinbarung ist realistisch, aber nicht die an die du denkst.“ Obwohl sie weiter eine Rolle spielte. Eigentlich würden sie automatisch ineinander verlaufen, wenn er denn wollte. Wenn er sich für den Weg entschied, welchen sich Robin erhoffte.

Das Gespräch mit Kalifa lag erst ein paar Stunden zurück. Genug Zeit, um sich den Kopf zu zerbrechen, den eigentlichen Plan neu zu überdenken. Ein Gespräch war vorgesehen, es hatte nur eine neue Richtung bekommen.

„Mehr Details wären nett“, wurde er sichtlich hellhörig und nahm ihr gegenüber Platz. Robin überschlug die Beine.

„Wusstest du, dass Lucci die Wahrheit über deine Eltern herausgefunden hat? Er kannte den Auftraggeber“, kam sie gleich zur Sprache und beobachtete ihn genau. Für einen Moment verlor er die Kontrolle, er war überrumpelt. Sichtlich überlegte er seine Worte.

„Die Quichotte-Familie ist beteiligt. Weiß ich seit geraumer Zeit.“ Eine ausgedehnte Information. „Der Befahl kam von höchster Ebene, von Flamingo.“ Robins Mundwinkel zuckten.

„Wie geht es Corazon?“ Kaum hörte er den Namen schon versteinerte sich Laws Miene. „Pass auf deinen Blutdruck auf.“

„Was willst du von ihm?“, schlug er einen raueren Tonfall an.

„Kennst du seine Geschichte?“ Bislang stand ein Fragezeichen dahinter. Robin konnte nicht einschätzen, inwieweit Law eingeweiht war, was seinen Adoptivvater betraf. Dem Bruder des Feindes nahestehen, war keine leichte Kost.

„Er stand in Verbindung mit der Quichotte-Familie, ja. Das ist Jahrzehnte her.“ In Verbindung, welch nette Umschreibung, dachte sich Robin.

„Warum ist er dir keine Hilfe?“ Daraufhin wich Law ihrem Blick aus. „Er wäre ein idealer Insider und seien wir ehrlich, er weiß, wer deine Familie getötet hat.“ Schweigend beugte er sich vor, sah zu Boden und Robin fand den Grund. „Du hast ihm nie von deinem Feldzug erzählt“, stellte Robin dann überrascht fest. Deshalb war er auf die Hilfe anderer angewiesen.

„Er ist unschuldig, alles andere … es ist mir egal. Corazon will die Zeit hinter sich lassen, er hat hart dafür gearbeitet.“ Dann hob er den Kopf, Wut zeichnete sich ab. „Möchtest du ihn anprangern?“

„Nein, der Mörder war für ein paar Jahre sein Nachfolger. Wie er sich dem entziehen konnte, muss ich erst herausfinden.“ Wenn man den Recherchen glaubte, lebte Vergo tatsächlich unter dem Radar. In den letzten Jahren ließ sich keine Verbindung finden. Oder sie brauchten schlichtweg Zeit. Warum so jemand ohne Konsequenzen leben durfte, war Robin unbegreiflich. Corazon war erklärbarer. Ein Pakt unter Brüdern oder sonst was, aber Vergo? Flamingo bekam seinen Ruf nicht aufgrund von Gütigkeit.

„Wie heißt er? Der ominöse Nachfolger?“ Das Gespräch über seinen Adoptivvater behagte ihm nicht ganz, hierbei zeigte er ein Feuer. Er sprang an, er wollte endlich den wahren Schuldigen kennen.

„Du kennst ihn. Umso mehr wundert mich Luccis Zurückhaltung. Wäre das perfekte Drama.“ Luccis Zurückhaltung verstand Robin weiterhin nicht. Leider würde sie seine Beweggründe nie erfahren, musste sie gar nicht. Am Ende hatte er ihr dann doch in die Karten gespielt.

„Sag mir seinen Namen!“, forderte er ungeduldig.

„Vergo.“

„Du lügst.“

„Würde ich gern“, antwortete sie resignierend. Gerne hätte Robin gelogen. Oder lieber einen Namen genannt, der in keiner direkten Verbindung stand.

„Warum erzählst du mir das?“, fragte er ungläubig und sein Bein wippte nervös. „Jahre suche ich nach dem Namen … warum bist du diejenige, die mir die Antwort gibt? Möchtest du dir mein Schweigen erkaufen?“ Robin stützte den Kopf ab. Seine Reaktion war anders als erwartet. Oder aber, und das war realistisch, er verarbeitete. Wer würde meinen das dieser Mann ein Mörder war? Ein Bankier der einst tötete? Der ihm sogar näher stand? Ihn hatte aufwachsen sehen? Es brauchte eine Weile, um das Ausmaß zu begreifen. Hinzu kam eben die Differenz zwischen Robin und ihm. Sie waren sich alles andere als wohlwollend gestimmt.

„Wir haben ein gemeinsames Interesse“, erklärte sie und wartete auf seine volle Aufmerksamkeit. „Nami. Ihretwegen bin ich hier.“ Nun war er derjenige, der abwartet. Ob mehr kam oder ob sie ihn einen Bären aufband. Als nichts kam und sie ernst blieb, biss er einen Moment die Zähne zusammen.

„Dass ich nicht lache!“, stieß er verachtend aus und sprang auf. „Quichotte ist unerreichbar, aber Vergo? Niemand ist greifbarer!“ Aufgewühlt durchquerte er den Raum. „Wenn du mir keine Lüge auftischt, musst du naiv sein. Als ob ich die Gelegenheit verstreichen lassen.“

Hörbar atmete Robin durch. Das entsprach eher ihrem ausgemalten Szenario.

„Luccis Tod … seien wir ehrlich, dir ist klar, was er bedeutet. Dein Informant ist fort und du hättest dich nie auf Dauer zurückgehalten. Du willst die Wahrheit. Ich gebe sie dir. Nur nicht für deine Rache. Vielmehr als Chance abzuschließen.“

Law blieb stehen, betrachtete sie ungläubig.

„Abschließen? Jetzt?“

„Ich verstehe dich, sehr sogar. Du willst Rache.“ Tat sie. Hatte sie doch dasselbe getan, das er tun wollte. „Denk aber einen Schritt weiter. Wird sie dich glücklich machen? Oder findest du mit der Wahrheit eher Frieden?“ Sein zynisches Lachen ließ sie für einen kurzen Moment die Augen schließen. Sie war ein Risiko eingegangen und vielleicht verschlimmerte sie die Situation. Doch noch hatte sie Hoffnung. Die erste Reaktion kam aus einem Impuls heraus. Es war normal.

„Ihr habt Lucci eiskalt getötet. Aus Rache! Ihr habt eure, ich darf mir meine holen. Warum soll ich Rücksicht nehmen? Wo ich ein halbes Leben auf diese Gelegenheit warte?“

„Was ist mit ihr? Du liebst Nami“, und diese Worte brachte sie nur schwer über die Lippen. Die Geschichten mochten stimmen, aber am Ende waren sie irrelevant. Gefühle logen nie und Nami hatte ihm den Kopf verdreht. Mehr als jede andere Frau. Sonst hätte er längst von ihr abgelassen.

„Und für eine einseitige Liebe soll mein größter Wunsch unerfüllt bleiben?“, lachte er wiederum. Dieses Mal hörte sie seinen Schmerz. Dabei empfand Robin, obwohl sie das nicht wollte, Mitleid für ihn. Schadenfreude wäre angebracht, wenigstens ein wenig, nachdem er ihre Beziehung geschadet hatte.

Er liebte dieselbe Frau, aber Robin fand sich gerade nicht in der Position. Zwar hatte sie die Liebe eine Weile lang auskosten dürfen, aber sie unterschieden sich in manche kein Stück. Sie war nie einseitig gewesen, nun blieb sie jedoch für immer unerfüllt.

„Sieh mich an. Was hat mir das Getane gebracht? Bin ich glücklich? Ist alles perfekt verlaufen? Du bist getrieben vom Drang den Schuldigen zur strecke zu bringen. Jetzt weißt du, wer die Mitschuld trägt. Ziehst du deine Rache durch, es würde ihre Welt endgültig erschüttern.“

„Jemand wie du kann alles nach einem Unfall aussehen lassen.“

„Der Preis ist zu hoch. Du weißt, er liebt sie. Er liebt seine Familie. Recherchen nach hält er sich seit Jahren raus.“

Law schnaufte. Für ihn zählte gerade nur die Tatsache das er den Hauptverantwortlichen in nächster Nähe hatte. Da schnappte er sich das leere Glas. „Oder hast du Bammel sie würde dich verantwortlich machen, wenn er plötzlich stirbt?“

Zungenschnalzend blickte sie zur Seite. War ihr der Gedanke gekommen? Ja, aber darum ging es Robin gar nicht.

„Er ist mitverantwortlich für die Ermordung meiner Mutter“, gab sie zu, obwohl sie das Detail lieber ferngelassen hätte, und lächelte müde. „So gesehen habe selbst ich einen Anspruch auf seinen Tod.“

Ihre Worte zeigten Wirkung. Es schockte ihn, wodurch er fast den Whiskey verschüttete. „Es ist ein sehr verlockender Gedanke und ja, ich bräuchte nicht viel. Ich habe schon Pläne … Dann sehe ich ihr Gesicht.“

Langsam kam Law zurück, setzte sich und starrte eine Weile lang ins schwenkende Glas. Sein Hirn arbeitete, das sah sie ihm an. Ausgerechnet sie beide saßen im gleichen Boot.

„Verstehe ich richtig“, begann er und gestikulierte mit seiner Hand. „Du räumst Lucci aus dem Weg, aber lässt ihn gehen? Du lügst.“

„Tue ich?“ Sie sahen sich lange in die Augen. Law wartete auf eine Bestätigung, aber fand keine. Als er begriff, wandte er sich ernüchtert ab.

„Vielleicht wollte er eure Partnerschaft nicht gefährden. Vielleicht hielt er das letzte Stück aus gutem Grund zurück, aber ich kann das nicht. Denn ich weiß, was sein Tod für die bedeutet. Du wirst weitermachen. Du hörst nie auf nach ihm zu suchen. Umso mehr solltest du die Wahrheit kennen. Damit es endet.“

„Endet? Was?“

„Deine Suche. Du kannst loslassen lernen.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf.

„Erst sein Tod, dann kann ich ruhen“, sprach er gepresst, ehe er das Glas an die Lippen führte und einen kräftigen Schluck nahm. „Wir könnten zusammenarbeiten.“

„Nein“, antwortete Robin sofort.

„Warum? Was ist dein Preis?“ Seufzend stand Robin auf. „Ich frag deine Freunde.“ Sie zog den Mantel über. Dabei holte sie eine Visitenkarte hervor, auf die sie bereits die Adresse ihres Apartments geschrieben hatte. „Für den Fall der Fälle“, erklärte sie und ging auf die Vase zu.

„Hat dir Lucci einen guten Preis gemacht?“

„Komm schon. Dann wären wir quitt. Ich vergesse alles.“ Sanft strich sie über die Malerei. Ein Diebesgut. Sie kannte Lucci, er wusste, wo er etwas mitnehmen konnte.

„Ich bleibe noch ein paar Tage. Schlaf drüber, du triffst dich sicher noch mit Nami. Vielleicht hilft dir ihre Anwesenheit.“ Da ließ sie ab und betrachtete Law eingehend. Das Glas war ausgetrunken und er hatte nichts von seiner selbstbewussten Ausstrahlung. Er wirkte klein. „Wenn du sie liebst, wirst du dich richtig entscheiden – auch um deinetwillen.“

„Solche wie dich finde ich überall!“, rief er ihr nach.
 

3. März 2013

Gelangweilt durchquerte sie den Schauraum. Hier drin fühlte sie sich fehl am Platz.

Gerade als Robin bereits mit dem Gedanken spielte, ob sie nicht lieber ging und auf eine bessere Gelegenheit wartete, fiel ihr ein Kleid ins Auge, das sie innehalten ließ. Ausgerechnet ihr, die Hochzeiten desinteressiert gegenüberstand.

Es war einer Puppe angezogen, perfekt in Licht und Szene gesetzt. Es zog sie an, faszinierte auf unerklärliche Weise. Dabei würde sie nie ein solches Kleid tragen. Generell passte es nicht zu Robin.

Vielleicht lag darin der springende Punkt, sie sah nicht sich selbst darin.

Ihr Kopf spielte plötzlich Bilder ab.

Bilder einer unmöglichen Zukunft.

Rote Locken …

„Ist ein sehr schönes Stück, nicht wahr?“, wurde Robins Fantasie gestört.

Sie blinzelte.

Sogleich schob sie die Hände in die Manteltasche, ballte sie.

Ein stummes Nicken.

Ein stummer Zuspruch.

Es würde ihr stehen – Stopp!

Robin wandte sich zur Seite, da stand Lola, die Inhaberin, neben ihr und lächelte vergnügt. „Das Kleid ist ein Unikat. Maßanfertigung für eine Freundin.“

Wieder nickte Robin. „Sie wird sich sehr freuen. Da kann der große Tag kommen.“ Bevor Robins Gedanken nochmal abdriften konnten, hörte sie ein vergnügtes Kichern.

„Oh weh, der ist in weite Ferne gerückt. Stimmt mich traurig, aber ich durfte sie darin sehen. Niemand der sie darin sieht, könnte ein Nein hervorbringen.“

Irgendetwas an ihrem Tonfall stieß Robin ungut auf. Sprach man über eine Freundin, wäre man in der Lage nicht eher bestürzt? Stattdessen nahm Lola alles mit Humor.

Und als ob sie die Gedanken erhörte, erklärte sich Lola. „Mich hat die Muse gepackt. Für die Zukunft, wenn sie eines braucht – wird hier leider eine Weile stehen. Es sei denn, es existieren noch Wunder.“ Robins Brauen zogen sich zusammen, als sie wieder das Kleid betrachtete. Irgendwie spürte sie nichts Gutes. Als ob Lola eine Anspielung machte. „Was führt dich zu mir, Robin?“ Robins Augen zuckten leicht. Gefühle logen nie. Natürlich wusste Lola wer sie war.

„Keine Hochzeit“, murmelte sie und Lola lachte schallend.

„Nein … nein keine Hochzeit. Davon habe ich gehört.“ Damit machte sie kehrt und schritt durch den Raum. Sie waren allein. Die letzte Kundschaft war eben gegangen. Absichtlich hatte Robin lange gewartet, bis zum letzten Moment. Sie wollte kurz vor Ladenschluss vorbeikommen, aber gerade haderte sie umso mehr mit ihrer Idee. „Nami hat Geschmack. In Natura siehst du noch besser aus. Da wundern es mich nicht, dass sie dir verfallen ist. Ihr gebt ein hübsches Paar ab … ein Jammer!“ Gefolgt von einem dramatischen Seufzen.

„Ich will mit dir reden, Lola“, ignorierte Robin gekonnt den Kommentar.

„Oh, überhaupt nicht offensichtlich“, kicherte sie und warf einen einladenden Blick über die Schulter. „Champagner?“ Kopfschüttelnd folgte Robin. Alkohol wurde ihr in letzter Zeit häufig angeboten. Während Lola den Laden abschloss, sank Robin auf einen der Stühle.

Vielleicht besser so. Wusste Lola wer sie war, so ersparte sich Robin eine Vorstellungsrunde und eine etwaige Erklärung. Wobei. Sie kam nicht direkt für Nami. Anderes spielte genauso eine Rolle und hiermit würde sie noch für eine Überraschung sorgen.

Obwohl Robin wartete, machte Lola keine Anstalt sich schneller zu bewegen. Genauso wenig wirkte sie gestresst von ihrer Anwesenheit. Sie blieb die Ruhe in Person.

Robin hingegen war angespannt. Was der Situation geschuldet war. Die andere wusste eben nichts von ihrem Doppelleben. Sie wusste nicht, wer Robin war. Außer die … die Ex-Freundin einer Freundin und allein der Gedanke stimmte Robin trauriger, als er in dem Fall sollte.

„Kommen wir zur Sache. Bittest du mich um Rat? Soll ich ein gutes Wort für dich einlegen?“

Bei der guten Laune, die Lola an den Tag legte, würde Robin liebend gern die Augen verdrehen oder wenigstens ein genervtes Stöhnen ausstoßen. Sie beherrschte sich, wie immer. Stattdessen sah sie ihr ausdruckslos entgegen.

„Ich regle meine Probleme lieber selbst“, war alles, das sie erwiderte. Sicher existierten solche, die allein nicht lösbar waren. Brauchte sie dann Hilfe, dann fragte sie Freunde, aber keine, für sie, fremde Frau. Da interessierte Robin das nahestehende Verhältnis nicht. Schon gar nicht bei eigenen Fehlern.

„Nami hat Andeutungen gemacht. Ein Hintergehen … sie spricht das Zerwürfnis nicht direkt aus“, schlug Lola plötzlich einen raueren Ton an. „Mit deinem Aussehen ziehst du bestimmt einige Leute an Land. Tut Nami ebenfalls, versteh mich nicht falsch. Flirten ist eine Sache, aber mehr? Irgendwie überzeugt mich der Gedanke nicht. Ich kenne eure Geschichte. Mir fehlt das passende Stück.“ Vor Robin kam sie zum Stehen, stemmte die Hände in die Hüften und musterte sie argwöhnisch. Etwas, das Robin eine Braue heben ließ. „Nami legt selten ein Blatt vor dem Mund, sie sagt, was sie denkt, und zeigt offen ihre Gefühle. Bei dir ist sie wortkarg. Ausgerechnet bei dir. Bei deiner Vorgängerin war sie ganz anders.“ Dann ließ sie sich in den Stuhl neben Robin fallen, stützte das Kinn an der rechten Hand ab. „Nami für ein dahergelaufenes Mädel riskieren? Nein. So dumm schätze ich dich nicht ein.“ Verflogen war der Humor. Lola ging auf Konfrontationskurs. „Hintergehen ist ein dehnbarer Begriff, Robin, und du wirfst Fragen auf.“

Tat sie. Gestand Robin ein. Dasselbe galt für Lola. Oder das Leben. Die letzten Wochen warfen genug Fragen auf.

„Wie nah steht ihr euch? Nami und du?“, fragte Robin unverblümt und knöpfte den Mantel auf. Das Gespräch würde eine Weile dauern und hier drin war es zu warm.

Unbeeindruckt zuckte Lola ihre Schultern. „Ich bin keine Vivi oder Rebecca, aber wir sind Freunde.“ Dann grinste sie verschmitzt. „Eifersüchtig? Dass sie mich aufgesucht hat, um dich zu vergessen?“

Robin warf ihr einen missbilligenden Blick zu. Eifersucht war ihr fern. „Ich frage, weil mich der Gedanke beunruhigt eine Charlotte an ihrer Seite zu sehen“, beendete Robin den Smalltalk. Genug davon. Stunden wollte sie dennoch nicht hier verbringen und nach einer Plauderei stand ihr noch weniger. Schon gar nicht wollte sie Lolas Gunst gewinnen.

Robin erkannte, dass der Moment gekommen war, der die Stimmung zum Kippen brachte. Verpufft war die Gelassenheit, Lolas Blick wurde kalt. Punktlandung durfte man meinen.

„Wer bist du?“, fragte sie bedrohlich. Robin lächelte und kostete den Anblick eine Spur zu weit aus, aber gefiel es ihr. Sie erkannte das Rumoren in Lolas Hirn. Das Laute und das Durcheinander. Wer war bloß eine Frage. Wichtiger war, warum Robin sie aufsuchte. Ob sie Nami nach hinten rückte? Sich vielmehr den Kopf zermarterte, ob ihre Familie sich einmischte? Oder gar ihre Feinde?

„Ist deine Entscheidung“, winkte Robin dann lässig ab. „Ob Freund oder Feind, die Entscheidung bleibt dir überlassen. Ich bevorzuge ein positives Gespräch. Für uns beide. Für Nami. Für eine Bekannte.“

„Wer bist du?“, fragte sie nochmals mit deutlichem Nachdruck. „Dann entscheide ich.“

Und das tat Robin. Sie erzählte das Gröbste. Alles, das Lola wissen sollte oder musste. Wer sie war, was zum Bruch führte und besonders, wie sie auf Lolas Herkunft aufmerksam geworden war. Alles, aber eben nicht bis ins kleinste Detail. Während sie sprach, nickte Lola dann und wann. Blieb überraschend ruhig, sie wirkte fast unbeeindruckt.

„Wächst du in meiner Familie auf, bist du abgehärtet. Deine Sorte kenne ich en maß. Manche sind sympathisch, manche sind Abschaum. Wie mit den Geschwistern.“ Nachdenklich fuhr sie sich durchs Gesicht. „Dieses Leben erfüllt mich nicht. Hier lebe ich meinen Traum – Hochzeitskleider! Verrückt, oder?“ Lola lachte wieder, wenn auch zurückhaltender. „Jetzt verstehe ich auch eure Trennung. Namis schweigsame Art. Die Seite ist ihr unbekannt. Bei ihrem Lebenswandel normal. Ihr Umfeld, oder besser gesagt das ihrer Eltern, mag abscheulich sein – ich lebe abseits, kenne aber manche Namen – aber Nami hat mit denen nichts am Hut. Glaubte ich.“ Damit warf sie Robin einen vielsagenden Blick zu, den Robin auf ihre Art erwiderte.

„Wenn du wüsstest“, murmelte sie entschuldigend.

„Alles nach der Reihe“, brummte Lola und stand kurzerhand auf. „Das Gespräch schreit nach einem Drink! Unser Kennenlernen habe ich mir angenehmer vorstellt.“

„Habe ich so an mir. Momentan möchte jeder Alkohol, wenn ich zum Reden anfange.“ Robin stützte den Kopf ab, musste darüber schmunzeln.

„Du bringst auch keine leichte Kost“, kommentierte Lola und so wie sie vermehrt den Kopf schüttelte, erkannte Robin das eifrige Denken. Für einen Moment verschwand diese im Nebenraum, nur um mit einer Flasche Champagner zurückzukommen. „Manchmal gehören Nerven abgetötet … danke, Robin. Eine nette Vorwarnung und ich hätte Besseres eingekauft.“ Ein paar kräftige Züge später beäugte sie ihre Besucherin erneut musternd. „Meinen Bruder an der Backe haben, ist kein Honigschlecken. Ihr habt Glück gehabt.“

„Wissen wir.“ Lola nickte und nahm noch einen Schluck. Dabei starrte Robin sie offen an. Diese Frau passte überhaupt nicht in das von ihr gemachte Bild einer Charlotte. Wobei ihr Bonney in den Sinn kam. Ihren Bruder hatte sie anders in Erinnerung. Andererseits trafen sie unter komplett anderen Bedingungen aufeinander.

Vielleicht lag darin das Geheimnis der Familie?

„Oh Gott …!“, stieß Lola aus. „Ich war so unsensibel!“ Sofort glitt ihre Aufmerksam zum Kleid, das Robin vorhin noch fasziniert betrachtet hatte. „Ich habe Nami ins Kleid gesteckt – richtig, ist ihres. Du musst sie darin se-“, brach sie ab, als sie realisierte. „Entschuldige.“

Robin biss die Zähne zusammen.

Natürlich.

Natürlich sprang ihr das Stück ins Auge.

Natürlich hatte sie darin sofort Nami gesehen.

„Ist sehr schön, ja“, brachte sie heraus, denn ihre Gedanken drifteten erneut ab. Das musste eindeutig aufhören. „Können wir auf das Wesentliche zurückkommen?“

Lola schwieg. Dabei neigte sie den Kopf grübelnd zur Seite. Noch ein Schluck. Dann ein entschuldigendes Lächeln. „Ich habe gerade die perfekte Ergänzung im Kopf. Für dich – ich muss mit Nami reden.“

„Lola!“ Nein, gerade ging von ihr keine Gefahr aus. Nicht von ihrer Herkunft. Dafür aber was ihre Gefühlswelt anging. Vielleicht reagierte Nami auf solche Späßchen gelassener. Nicht Robin. Schon gar nicht, wenn sie litt. „Ich muss mit dir reden, also lass das kindische Getue.“

„Tun wir, über eure Zukunft.“ Daraufhin legte Robin einen Schalter um und Lola nahm die Veränderung wahr.

„Ich rede von Bonney. Deiner Schwester.“

Geschockt ließ sie die Flasche aus, die beim Aufprall in Scherben zersprang. „Sie lebt?“
 

4. März 2013

Die Tage hinterließen allmählich Spuren. Robin packte gerade den Koffer für die Weiterreise. Allein. Kalifa brauchte frische Luft für einen freien Kopf. Hatte sie zumindest gesagt. Berechtigt.

Plötzlich ging alles Schlag auf Schlag.

Bevor sie ein letztes Mal nach Venedig zurückkehrten, würden sie Bonney besuchen. Lola bot Hilfe an, obwohl sie diese selbst in Schwierigkeiten brachte. Sofern ihre Familie Wind bekam. Was Nami anging, so hatte Robin bis zum Schluss geblockt. Das Ende war unabwendbar.

Als sie einen Blick durch den Raum warf, ob sie etwas vergessen hatte, blieb sie am Spiegel hängen. Sie war müde. In jeder Hinsicht.

Mittlerweile schlief sie noch weniger. Vom Essen fing sie gar nicht erst an. Wäre Kalifa nicht bei ihr, würde sie komplett abschalten. Kraftlos sank sie aufs Bett, vergrub das Gesicht in den Händen.

Ihr Leben hatte binnen kürzester Zeit eine totale Kehrtwendung gemacht.

Wenn es bloß sie allein betreffen würde, aber selbst das war nicht länger der Fall.

Ein Klopfen ließ sie aufblicken, reagieren. Sie verfiel in ein einstudiertes Muster. Eines, dass sie ihr gesamtes Leben verfolgen würde.

Aus Reflex spannte sich ihre Muskulatur. Ihr Kopf wurde leer, einzig auf das Wesentliche gerichtet. Reflexartig griff sie zur Glock, die jederzeit bereit neben ihr lag.

Kalifa hatte den Schlüssel.

Vielleicht übertrieben. Ein Feind würde kaum Klopfen. Außer er war sicher oder diente als Ablenkung.

Aufmerksam hielt sie Ausschau und nur langsam schritt sie voran.

„Robin, bist du da?“ Erst als die bekannte Stimme durchdrang, entsicherte sie die Waffe, ließ sie sinken und atmete ein Mal tief durch. Ein Atemzug reichte, um Spannung aufzubauen, einer reichte, um sie zu nehmen.

„Robin?“. Hörte sie erneut. Noch ein Klopfen.

„Moment.“

Die Waffe wurde in die erste Schublade der kleinen Kommode neben der Tür gelegt. Sollte etwas schief gehen. Dann holte sie den Zweitschlüssel, sperrte auf und zeigte beim Öffnen deutlich ihre Verwunderung.

„Mit dir habe ich nicht gerechnet.“

Trafalgar Law stand vor ihr. Unschlüssig. Mit den Händen in den Hosentaschen.

„Ich noch weniger. Darf ich?“

Sie machte Platz und taxierte ihn beim Vorbeigehen. Mit seiner Zurückhaltung und in Jeans und Pullover gekleidet, kam er ungewohnt normal rüber. Machte ihn beinah symphytisch. Robin musste leicht schmunzeln, als sie sich gegen die wieder geschlossene Tür lehnte.

„Du reist ab?“, fragte er, als sein Blick zum Schlafzimmer führte.

„Heute Abend, ja.“ Es fühlte sich merkwürdig an. „Was ist deine Antwort?“ Kein anderer Grund fiel Robin ein, der ihn zu ihr brachte.

„Schade. Ich habe gehofft, du bist längst fort“, entgegnete er mit einem trägen Lächeln. „Niemanden anzutreffen, wäre wünschenswerter. Einfacher.“ Sie verstand. Deshalb hatte er nicht angerufen.

„Schätze, ich muss dir nichts über ihre Abreise erzählen?“

„Sie ist gut angekommen.“ Auf seinen skeptischen Blick hin, hob sie beschwichtigend die Hand. „Stell dir vor, in Venedig existieren Leute, die schneller darüber Bescheid wissen als es dir lieb ist. Sie tratschen.“ Und Vivi gehörte zu ihnen. Kaum war Nami angekommen, schon hatte sie Sanji geschrieben. Der wiederum Robin gegenüber nicht dichthielt.

Er nickte vor sich hin. Obwohl sich Robin lieber hinlegen würde, wenigstens für ein paar Minuten, anstatt mit ihm zu reden, stresste sie nicht. Wenn er schon kam, dann hatte es Gründe und lieber überließ sie ihm das Tempo. Sie kannte es von sich. Drängen brachte keinen Erfolg.

„Wir haben uns getroffen“, rang er sich nach ein paar Minuten durch und lehnte an den kleinen Esstisch. „Stell dir vor, sie beschützt dich. Sie will keinen Trubel und alles unter den Tisch kehren. Deinetwegen.“

Ihr Herz machte einen Satz. Nach allem erwartete sie irgendwie das Gegenteil. Für Robin war dieser Punkt alles, aber keine Selbstverständlichkeit. Nami hatte jedes Recht sie auffliegen zu lassen. „Ich habe zugestimmt.“

„Warum?“, fragte sie irritiert. Zum Teil fiel eine Last ab, andererseits musste sie auf der Hut bleiben. Von ihm hörte sich alles so unglaubwürdig an. „Versteh mich nicht-“

„Robin“, unterbrach er. „dich ins Messer laufen lassen, wäre Dank der Beweislage ein Kinderspiel. Lucci hat mir alles perfekt serviert. Und natürlich habe ich die Wahrheit mit Kusshand an Nami weitergetragen. Nicht direkt wegen Lucci. Sicher, du hast mir einen Partner genommen, aber er war ein Partner. Für mich stand nie eine Freundschaft im Raum. Ein falscher Schritt und er hätte mich jederzeit getötet. Eigentlich hast du mir einen Gefallen getan. Ich bin frei. Frei von dem Bündnis und ich lebe. Stell dir vor, ich bin dir dankbar.“ Er stieß sich ab und marschierte mit verschränkten Armen durch den Raum, während Robin in regungslos ansah. Nicht gerade die Worte, die sie erwartet hatte.

„Wütend hat mich eher die Chance auf die Wahrheit gemacht. Wer es war … die Frage beschäftigte mich durchgehend. Allein kommst du nie ans Ziel. Deshalb habe ich auf ihn gebaut. Dann kommst ausgerechnet du mit dem wichtigsten Puzzlestück an. Du!“ Dabei warf er ihr einen angriffslustigen Blick zu.

„Nami.“

„Früher haben mich nur die Herzen auf dem OP-Tisch interessiert … bis ich mein eigenes verloren habe. Ich bin zu spät draufgekommen. Aus einem Spaß ist Ernst geworden. Ich habe keine Chance bei ihr und das frustriert. Da kamen Luccis Akten gerade richtig. Euer Zerwürfnis lag auf der Hand.“

Robin zog die Brauen zusammen. Sollte sie ihm sagen, wie kindisch sich seine Erklärung anhörte? Oder kam ein Teil, der es besser machte?

„Schau nicht so böse“, tadelte er, seine Ausdruck wurde aber weicher. „Angst. Neben all meiner Wut und dem Frust spielte Angst einen Part. Ich habe Lucci nie vertraut, mir war stets bewusst, was seine Nähe bedeuten konnte. Du und deine Freunde seid dasselbe Kaliber. Sie in deiner Nähe. Nein. Das wollte ich verhindern.“

Die Erklärung gefiel Robin eher. Gefallen in dem Sinne, dass er sich tatsächlich sorgte. Leider verstand sie seinen Gedankengang. „Stell dir vor, ich habe lange gezögert. Ein anderes Leben … ich hätte nicht Wochen gewartet. Was sage ich. Ich hätte von Anfang an anders reagiert.“ Schon im Februar hatte Robin Interesse gehabt sie näher kennenzulernen. Bei der Rückkehr hätte sie sich nie zurückgehalten. Stattdessen hatte sie durch eine etwaige Freundschaft die Nähe gesucht. Aus gutem Grund, aber für sie war es nicht einfach gewesen. Auf Dauer wäre eine Freundschaft zermürbend gewesen. Die Vernunft war lange stark geblieben.

„Irgendwann hätte sie die Wahrheit herausgefunden“, seufzte Law. „Oder sie wäre deinetwegen in Gefahr geraten.“

„Ist mir bewusst.“

Unschlüssig massierte er seinen Nacken. Robins Hoffnung lebte auf. Er war hier, er erklärte sich.

„Ich will den Mistkerl leiden sehen. Er soll meinen Schmerz fühlen!“ Wut kroch wieder hervor. Unauffällig glitt er Blick zur Kommode. Vielleicht doch zu früh gefreut? „Der kommt mit allem davon. Lebt ein verdammt gutes Leben. Verdammt unfair.“ Langsamer als zuvor ging er wieder umher, ehe er am Durchgang zum Schlafzimmer stehen blieb und sich an die Wand lehnte. Mit Rücken zu ihr war es einfach. Sie bräuchte ein paar Sekunden. Ohne Aufmerksamkeit zu erregen müsste sie klüger vorgehen. „Was bringt der Tod?“ Robin musterte ihn fragend. „Entsteht ein dauernder Schaden, so sollst du geben Leben um Leben, Auge um Auge und so weiter. Was bringen ein paar Stunden Schmerz bevor er stirb. Er müsste den gleichen Schmerz erleiden. Im Austausch müsste seine Familie sterben. Bellemere. Nojiko. Nami. Erst mit ihrem Tod würde er vielleicht verstehen.“

Ruckartig stellte sich Robin zur Kommode, legte die Hand auf die Oberfläche.

„Tötest du mich?“, fragte er rau. Robin überlegte genau, was sie als nächstes tat. Körperlich war sie nicht auf der Höhe und sein Können einschätzen, war schwer.

Sie malte sich sämtliche Szenarien aus, aber etwas hielt sie ab. „Ziehst du die Option in Betracht?“, fragte sie nach. „Sie sind unschuldig.“

„Wie meine Familie. Sie haben meine Schwester getötet … ein unschuldiges Kind.“ Sein Körper zitterte. Seine linke Hand ballt sich zur Faust. „Wäre sie nicht krank geworden, wäre sie mit uns gekommen.“ Dann lehnte er mit dem Rücken kurz an den Rahmen, sah zu ihr. Er war gebrochen. „Wer tötet ein krankes, unschuldiges Kind?“ Für Robin stellte er gerade keine Bedrohung mehr war, das Adrenalin sackte ab. Hier sah sie nur einen gebrochenen, trauernden Mann. „Wir haben überlegt den Ausflug zu verschieben, für sie. Hätte ich nicht darauf beharrt, wären wir alle zusammen gestorben.“ Er lachte aus purer Verzweiflung und rutschte zu Boden. „Leben um Leben? Ich mag seine Familie. Bellemere sieht stets das Gute in mir, sie durchschaut meine Masche und Nami? Ich war ihr gegenüber ein Arsch, genügend Male, aber ich liebe sie. Auch wenn es sinnlos ist.“

Und dann tat Robin etwas, dass sie sich nie vorgestellt hatte. Sie setzte sich ihm gegenüber auf den Boden und war da. War für den Mann da, der in sich zusammenbrach und weinte. Um seine Familie und die Erkenntnis das ihn seine Rache nicht weiterbrachte.
 

7. März 2013

„Eine schöne Frau ist mein liebster Lohn“, trällerte Sanji beim Verlassen des Restaurants. Es war fast Mitternacht und ihm war seine Müdigkeit anzusehen, wenngleich er sie zu vertuschen versuchte.

Robin lächelte. „Ich habe dir angeboten, uns morgen zu sehen.“

Mit der rechten Hand winkte er ab, die andere fischte eine Zigarettenpackung aus der Hose. „Manches soll nicht warten und du hast mich lange genug auf die Folter gespannt. Nami ist längst zurück, du bist lange in Zürich geblieben.“ Tatsächlich war sie länger geblieben, aber das allein hielt Robin nicht so lange auf.

„Es ist ein kleiner Abstecher dazu gekommen.“

„Der wäre?“ Neugierig beäugte er Robin, während er die ersten Züge nahm.

„Bonney.“ Ihre Schultern zuckten, ehe sie langsam voranging. Um die Zeit waren die Gassen leergefegt, die Stadt schlief und das mochte Robin.

Die Information hatte Sanji überfordert, denn er brauchte, um aufzuschließen. Wiederum starrte er sie an. Nicht verwunderlich. Bonney war eine Freundin und alles um sie herum war momentan rar gesät. In erster Linie ihretwillen, aber sie alle waren mit anderen Sorgen beschäftigt. Dennoch hielten sie die Jungs so oft es ging auf dem aktuellen Stand der Dinge.

„Wehe du lässt das stehen.“

„Bei ihr ist alles in Ordnung. Sie langweilt sich. Zorro schwirrt ihr besonders im Kopf herum“, erzählte sie aufmunternd. Es stimmte. Und sie arbeiteten an einem Plan. Taten sie seither, doch manches blieb eben kompliziert. Eine Rückkehr schien derzeit ausgeschlossen, obwohl die Suche nach ihr sich längst verlagert hatte. Niemand dachte daran sie in Venedig aufzuspüren, aber sicher war sicher. Das wusste sogar Bonney.

„Okay? Freut mich, wirklich …“ Er schnippte den Stummel in den Kanal. Natürlich ahnte Sanji etwas. Bislang hatte Robin keinen persönlichen Besuch gemacht. Kalifa und Franky hatten mal vorbeigeschaut, sie nicht.

„Ich habe eine ihrer Schwestern getroffen“, gab sie leise zu. „Langsam wächst einem das Ausmaß über den Kopf.“

„War sie hinter dir her?“

Robin lachte auf, schüttelte den Kopf. „Nein, nein, keine Sorge. Sie gehört eher in eine andere Kategorie.“

„Weniger kryptisch, bitte.“ Grübelnd fuhr er sich durchs Haar. „Hab erwartet, du erzählst mir von eurem Gespräch. Ob ihr einen zweiten Versuch startet oder nicht, jetzt kommst du mit komplett anderen Neuigkeiten.“

Entschuldigend sah Robin zur Seite. Wenn er bloß wüsste. Die Tage hatten mehr ans Tageslicht gebracht, als je erwartet und dementsprechend standen Konsequenzen an.

„Hat Nami jemals über eine Lola geredet?“

Sichtlich dachte Sanji eine Weile nach. „Klingelt nichts.“

„Sie ist eine Charlotte. Niemand dort kennt ihren Hintergrund. Kalifa hat mich auf die Spur gebracht.“

„Familienzusammenführung?“, fragte er verdutzt. Ganz falsch lag er nicht. Ob sie sich treffen, stand in den Sternen. Beide wussten, was ein falscher Schritt bedeutete. „Müssen wir uns sorgen?“ Die Abscheu darüber verbarg Sanji nicht. Bonney war für ihn eine Ausnahme. Er kannte sie seit Jahren, er hatte mitbekommen, was vor sich ging, aber hier erzählte sie von einer fremden Person. Die obendrein Nami wohl näher stand.

„Im Gegenteil … sie ist ein bisschen verrückt, aber nett.“

„Von dir hört sich das nach einem Kompliment an“, witzelte er. Robin war geneigt, die Augen zu verdrehen, ließ es und sah einfach nach vorne.

„Sie wird uns helfen. In den nächsten Wochen wird sie Bonney einen Besuch abstatten. Dann sehen wir weiter.“

Erleichtert atmete Sanji aus und zündete sich eine neue Zigarette an. Vielleicht wendete sich in Bonneys Fall alles zum Guten. Es brauchte seine Zeit, aber sie waren auf dem richtigen Weg. Robin hoffte darauf, auch für Zorro. Die beiden wollte sie glücklich sehen, wenngleich genügend Steine vor ihnen lagen. Doch wollten sie einander, würden sie es schaffen.

„Mit Law habe ich mich ausgesprochen.“ Eine bessere Formulierung fand sie für das bizarre Gespräch nicht. Er war noch länger bei ihr geblieben und hatten miteinander gesprochen. In nächster Zeit würde er seine nächsten Schritte überlegen. Ob er dortblieb und so leben lernte oder ob er genauso wegzog.

„Bitte sag mir, du hast ihm ordentlich Angst eingejagt!“, platze es freudig aus Sanji heraus. Er wusste, um seine Gefahr. Vielleicht war er ihnen so unterlegen, aber mit den zugetragenen Informationen wurde er unberechenbar. Er konnte für großen Wirbel sorgen, ob er das überlebte oder nicht. Umso mehr zeigte Sanji seine Freude, die jedoch kurzweilig war. Denn Robin zeigte keine Freude. Sie blieb ernst. „Robin?“

„Alles ist verdammt kompliziert geworden“, murmelte sie seufzend und hielt an. Die Beziehung selbst trat in den Hintergrund. Eigentlich war Robin dankbar. Das Drumherum half momentan ihre Gefühle zu kontrollieren. Fragend musterte Sanji sie, er schwieg, wartete auf eine Erklärung.

Es dauerte eine Weile, bis Robin ihn ansah. Das spärliche Licht half ihr. „Wir verlassen Venedig.“

„Was?“ Ungläubig trat er näher, er schluckte schwer. „Du lügst, oder?“ Ein Kopfschütteln zerstörte seine Hoffnung auf den möglichen Scherz.

Während des Aufenthalts hatte sie lange mit Kalifa gesprochen. Zwischendurch übers Telefon mit Franky. Schon vor der Abreise war der Gedanke aufgekommen. Bei allen. Hier wurde die Luft zu dünn. Manches musste getan werden. Venedig wurde eine Gefahrenquelle, auch für die ihnen Nahestehenden. Venedig verlassen war unvermeidbar geworden.

„Du veräppelst mich, richtig?“, versuchte er erneut. „Was ist mit Nami? Oder eurem aufgebauten Leben?“ Nami würde nie einlenken und das Leben? Sicher, sie hatten sich hier etwas erarbeitet. Was sprach dagegen? An einem anderen Ort wäre es genauso möglich. Von vorne anfangen. Wobei sie anfangs kaum sesshaft werden würden. Wollten sie eine Veränderung, mussten sie handeln. Und momentan lagen neue Gefahren vor ihnen.

Deshalb würde Robin das Wichtigste nach St. Petersburg bringen. Dort hatte sie auch das Nötigste um sich. Wenn sie schon ihr Leben umkrempelte, gehörte auch die Vergangenheit dazu und dort lag noch genug verborgen.

„Warum gibst du nach einem Gespräch auf?“ Dicht stand Sanji vor ihr, suchte verzweifelt nach der Lüge.

Lächelnd legte sie ihm die Hand auf die Schulter, drückte sie leicht.

„Sanji, ich gehe auch, um ihr zu helfen. Passt auf sie auf.“

Solange sie blieb, würde Nami kaum mit ihnen abschließen können. Irgendwann, aber es wäre hart. Wenn sie eines gelernt hatte, dann dass sie sich hier zu oft über den Weg liefen. Und leider stand Vergo im Raum. Ganzgleich, was Robin auch sagte, in ihr schürte genauso der Wunsch nach Vergeltung. Auch sie musste damit kämpfen.

In dem Punkt ähnelten sich Law und Robin mehr als jemals erwartet. Wie er, wollte auch sie Blutvergießen vermeiden. Kein neues Leid heraufbeschwören.

Dafür musste Robin fort.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dark777
2023-05-14T19:04:51+00:00 14.05.2023 21:04
Lola ist ebenfalls eine Charlotte.....uff O_O. Jetzt hast du mich erwischt, von ihr hätte ich das am Wenigsten gedacht. Wobei das wahrscheinlich auch die perfekte Deckung ist bzw. sieht man ja, dass sie eben nicht eine typische Charlotte ist. Noch überraschender war wohl das Gespräch mit Law. Am Anfang war er mir dermaßen zuwider, ich konnte mir einfach nicht vorstellen in irgendeiner Weise Sympathie für ihn zu empfinden. Mittlerweile verstehe ich ihn besser und er ist eben nicht das reine Ekel, sondern ein Mensch wie jeder andere auch......er versteckt es nur gerne hinter dem Ekelpaket ;).
Einerseits mache ich mir nun doch Hoffnungen auf ein Happy End, die Szene mit dem Brautkleid schürt das natürlich. Andererseits befürchte ich, dass es eher einen rationelleren Abschluss gibt, á la Robin und Co. verlassen Venedig. Vielleicht könnte es hier ein Happy End in der Zukunft geben, evtl. Jahre später?

Ich weiß nicht was mich zum Abschluss erwartet und genau das gefällt mir :). Ich bin sehr gespannt wie es sich weiter entwickelt!

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2023-03-20T13:26:01+00:00 20.03.2023 14:26
so.. nun konnte ich es endlich lesen und ja die Fäden laufen zusammen. Es ergibt sich ein Bild auch wenn ich immer wieder denke ich müsste vielleicht irgendwann nochmal alles in einem rutsch lesen. Dann wenn du es endlich vollendet hast ;)
Komisch wie es nun läuft und doch ist es verständlich, dass Robin nun gewisse Schritte in die Wege leitet, dass sie versucht da noch einen Abschluss zu finden der wenigstens etwas gutes hat, obgleich das bedeutet, dass sie sich eben von Nami entfernen muss. Wenn man um die gegenwärtige Situation weiß, dann ist das ganz schön schwierig irgendwie und ehrlich gesagt auch wenig zufriedenstellend. Klar, im Leben läuft nicht alles rund, die Frage nach einem Happy End sei mal dahingestellt.. da gibt es sicher so einige Themen. Dennoch hoffe ich das es doch noch eine Lösung gibt, wenn auch nicht sofort. Vielleicht ist der Schritt zu gehen wirklich nötig um die Dinge zur Ruhe kommen zu lassen aber dann? Will nicht ganz glauben das es das schon war, mit genug Abstand vielleicht? Und wie Robin sagte, sie laufen sich ohnehin immer wieder über den Weg. Vielleicht bisher nur in Venedig aber das kann ja noch werden..
bin schon sehr gespannt darauf wie du es zu ende bringst, man spürt ja auch das es nicht mehr viel ist was jetzt noch fehlt..


Zurück