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Ziras unerzählte Geschichte

von

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Hunde

Seit drei Tagen saß sie jetzt schon in diesem Käfig und inzwischen hatte sie aufgegeben dagegen zu kämpfen. Es gab kein Entkommen und das obwohl sie schon alles ausprobiert hatte. Sie wollte über den Zaun klettern, sich durchgraben oder ihn einfach durchbeißen, aber nichts hatte Erfolg.

Sie war auch zuvor noch nie eine Nacht durchgehend wach geblieben, aber auch das änderte sich.

Doch das schlimmste, von der Gefangenschaft mal abgesehen, war das diese Lina, die sie mit sich genommen hatte, sie nicht verstand. Auf kein einziges Wort ging sie ein und immer dieses anfassen… Jeden Tag nahm sie sie auf den Arm, ungeachtet Ziras Bemühungen dies zu verhindern. Sie hatte lediglich herausgefunden, dass Linda ein Mensch war und die Welt in der sie lebte, war Zira völlig fremd. Sie benutzte Werkzeuge und andere Dinge zu ihrem Vorteil, jedoch ganz anders als die Paviane von denen sie es kannte und so gesehen war das noch ein zusätzlicher Faktor, warum sie Zira unheimlich war.

Sie hatte unfassbare Angst. Alles sah fremd aus, alles roch fremd, alles war fremd und Zira war ganz allein. Und ihre Mutter war tot. Und ihre Geschwister waren tot. Und ihr Rudel würde sie nie mehr wieder sehen und sie hatte sich noch nie zuvor so verloren, allein und hoffnungslos gefühlt.

Das einzig gute war, dass man Ihr Futter gab. Anfangs noch Milch, doch sie rührte es nicht an. Also gab sie sich mit Fleisch zufrieden und auch wenn sie zuerst aus reinem Trotz nicht wollte, so wusste sie auch, dass sie das hier nur überleben würde, wenn sie stark war. Sie musste einfach überleben, denn so zu enden wie ihre Brüder und ihre Mutter war so unfassbar beängstigend, dass es sie bis in ihre Träume verfolgte. Sie konnte nicht schlafen, konnte nicht denken, ohne das Gesicht ihrer Mutter zu sehen, wie sie mit gebrochenem, blutigem Maul dalag und leer in die Luft starrte. Und diesen Geruch würde sie nie mehr aus der Nase bekommen.

Sie wollte so einfach nicht enden.

Doch die Ungewissheit wie es mit ihr weitergehen würde, schwebte die ganze Zeit über ihr wie ein dunkles Omen, was auf seine Chance zuzuschlagen wartete. Es war nicht einfach mit der allgegenwärtigen Gefahr zu leben, dass etwas, irgendetwas passieren könnte.

Andererseits wagte Zira sich auch nicht gegen ihre Kerkermeisterin zu stellen, denn auch wenn sie sie vorerst nicht tötete, wusste sie nicht was sie mit ihr vor hatte und es nagte an ihr. Es kam in ihr inzwischen sogar der Gedanke auf, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn auch sie mit ihrer Familie gestorben wäre. Vielleicht wäre es leichter gewesen. Sie hätten an diesem Tag einfach beim Rudel bleiben sollen, vielleicht… Zira war zu müde um zu denken.

„Guten Morgen Kleines, auch schon wach?“, fragte eine fremde Stimme sie plötzlich und riss sie vorerst aus ihren düsteren Gedanken.

Misstrauisch sah Zira aus der Richtung aus der sie kam und was da auf sie zutrottete, war ganz sicher kein Mensch… oder sonstiges Tier was sie kannte.

Ein Mensch war das nicht, das sah sie sofort. Aber auch kein Löwe… das war… Sie wusste es nicht.

Noch nie hatte sie so ein komisches Tier gesehen, es roch auch nach nichts was sie kannte. Es sah ein bisschen aus wie ein Schakal, nur viel dünner, haariger und größer. Und die Ohren hingen.

Zira drückte sich verängstigt in eine Ecke ihres Käfigs und sah dem seltsamen Tier misstrauisch in die Augen.

„Keine Angst, ich tu dir nichts, wirklich.“, versicherte das Tier ihr beruhigend und warf ihr ein halbherziges Lächeln zu. „Ich bin Chica, du?“,

Zira sagte noch immer nichts und wandte stattdessen den Blick ab. Das hier war ihr immer noch nicht geheuer.

„Hey, vor mir musst du keine Angst haben. Willst du vielleicht meinen Freund kennenlernen? Er ist auch ein Hund oder ist das zu schlecht für einen Löwen?“

Zira schluckte trocken, während sie versuchte die Tränen wegzublinzeln. War das eine Drohung? Was sollte dieses passiv-aggressive Getue?

„Aha… Ich hatte Recht, du bist ein Löwe…“ Die Hündin legte sich vor den Käfig und beäugte Zira einige Sekunden schweigend. Das machte es nicht unbedingt einfacher für die kleine Löwin und sie konnte sich schließlich nicht mehr zurückhalten.

„Was wollt ihr denn von mir? Ich will doch nur nach Hause!“ Es tat gut zu wissen, dass es endlich jemanden hier gab, der sich mit ihr unterhielt und sie verstand, es gab ihr zumindest ein bisschen Hoffnung zwischen allem was passiert war.

Gequält seufzte Chica und legte den Kopf schief. Sie hätte sich eigentlich denken können, dass so was kommen würde.

„Deine Mutter ist tot und ich glaube das weißt du bereits.“, antwortete sie schließlich leise, fügte jedoch schnell hinzu: „Wir kümmern uns jetzt um dich.“

Das war absolut nicht das was sie hören wollte. Sie brauchte niemanden der sich um sie kümmerte, sie wollte einfach nur nach Hause. Ihr Rudel hätte sich doch schon um sie gekümmert, sie war sich ganz sicher.

Verzweifelt ließ Zira den Kopf sinken und ließ den zurückgehaltenen Tränen freien Lauf. Es von jemand anderem zu hören tat mehr weh als gedacht und schien nicht wirklich

„Ich will hier weg, ich kenne euch doch gar nicht!“, fauchte sie schließlich in Chicas Richtung und drückte sich in eine Ecke des Käfigs.

„Psssst! Ruhig Kleines, ganz ruhig.“, versuchte Chica sie zu beruhigen, sah einen Moment später jedoch erschrocken auf.

„Chica, weg da! Du darfst hier nicht hin!“, rief eine Stimme, die Zira bereits kannte. Linda lief einige Stufen in den Außenbereich hinunter, in dem Ziras Käfig stand und zeigte mit strenger Miene zu dem Hund. Wie auf Befehl sprang Chica auf und verschwand aus Ziras Sichtfeld. Unfassbar, wie sie vor ihr huschte… Zira würde, sobald sie nur alt genug war, hier abhauen und sich all das nicht länger antun als nötig.

„Dieser Hund…“ Linda verdrehte die Augen und schüttelte genervt den Kopf „Ach, du wirst sie schon noch mögen.“ Sie öffnete die Türe zu Ziras Käfig, griff hinein und ehe Zira sich versah, packte sie sie auch schon am Kragen und hob die kleine Löwin vorsichtig heraus.

Zira schaffte es schon wieder nicht sich zu wehren, zu groß war die Angst vor dem was dann passieren würde. Sie sagte sich jedes Mal aufs Neue, dass sie sie verletzen würde um ihr klar zu machen, dass sie sich nicht mit ihr anzulegen hatte, aber… Sie traute sich nie. Es war bisher nie etwas passiert und so wirklich traute sie sich nicht irgendwas zu versuchen. Wenn Chica schon bei ein paar Worten Lindas so vor ihr buckelte, wollte Zira nicht wissen, wie es wohl dazu gekommen war.

„Na dann wollen wir mal. Ich glaube langsam, du wirst doch nicht sterben, hm?“ Linda kraulte Zira kurz am Kopf und nahm sie mit sich in ihr Haus. Dort setzte sie sie auf einen Tisch, hatte ihren Griff jedoch fest um Ziras Nacken gelegt.

Es war jeden Tag das gleiche. Sie wurde gewogen, von oben bis unten angeschaut, ihre Augen, ihre Ohren, alles und Zira gefiel alles davon überhaupt nicht. Sie rutschte dauernd mit den Krallen auf dem Tisch weg, konnte sich nicht verstecken und es gab ihr jeden Tag aufs Neue das Gefühl, man würde sie zum Mästen wiegen. Wann sie genug wog um gefressen zu werden, wann sie wohl das meiste Fleisch auf den Rippen hatte… Sie hasste sich selbst dafür, das Futter hier angenommen zu haben, aber wenn sie gar nichts fraß würde sie sterben, wahrscheinlich eher früher als später. Sie ließ es einfach alles geschehen, denn ihre Mutter sagte ihr mal, dass sie alles tun müsste um ihr Überleben zu sichern. Nie hatte sie diesem Satz Bedeutung zugesprochen, denn sie hatte ihn nie gebraucht, doch inzwischen hatte sich alles geändert. Sie bezweifelte, dass ihr Leben jemals wieder so sein würde wie früher.

„Na dir scheint’s doch allmählich gut zu gehen.“, stellte Linda schließlich fest. Sie kraulte Zira am Kopf und nahm sie auf den Arm. „Ein bisschen dünn bist du schon noch… Ach Kleines, was soll ich nur mit dir machen? Verletzungen sind eine Sache, aber dich großzuziehen wird was anderes.“ In Lindas Stimme schwang ein Hauch Verzweiflung mit, doch dann verließen sie den Raum wieder. Sie waren wieder draußen, dort wo der Käfig stand, doch diesmal wurde sie nicht sofort wieder zurückgesetzt. Im Gegenteil, Linda setzte sie einfach wortlos auf dem Boden ab. Der Käfig stand zwar offen, doch sie tat nichts um Zira dort hineinzubefördern. Das verwirrte sie dann doch. Was erwartete man von ihr? Flucht? Sie traute sich nichts davon und im nächsten Moment hörte sie aufgeregtes Hecheln hinter sich. Als sie mit gesträubtem Nackenfell den Kopf drehte sah sie diese hellbraune Hündin von vorhin wieder und legte misstrauisch die Ohren an. Sie war plötzlich viel größer ohne das Gitter zwischen ihnen.

„Wer wird denn gleich Angst haben? Ich bin mir sicher du wirst sie mögen.“, versicherte Linda ihr schmunzelnd und machte einen Schritt zurück. Die Sicht zwischen Zira und Chica war nun frei.

„Ja, so sieht man sich wieder.“, sagte die Hündin selbstzufrieden und kam einen Schritt auf Zira zu.

Doch die kleine Löwin zitterte vor Angst am ganzen Körper und versuchte Chicas Blick auszuweichen. Plötzlich war sie doch bedrohlicher als zuvor und die Tatsache, dass Zira nichts über sie wusste half nicht. Sie war vorhin nett zu ihr gewesen, aber jetzt war das was anderes. Jetzt war Zira verwundbar und schutzlos, nicht so wie… naja, jeder andere der um sie stand.

„Hey, Kleines, so schrecklich bin ich gar nicht! Ich fresse keine Babys, zudem habe ich keinen Hunger.“, erklärte Chica mit ruhig und beschnupperte Zira. „Nun wird mal ganz ruhig… Wir wollen dir nichts tun.“

„Wir?“, fragte Zira misstrauisch und krallte sich im Dreck fest. Wie viele von diesen langbeinigen Monstern wollten noch kommen?

„Ja und ist auch ein Hund… Aber ich bin natürlich die Hübschere von uns beiden.“ Chica klimperte mit den Wimpern und hob selbstgefällig den Kopf.

„Aha.“

„Ich meine das ernst! Aber du solltest ihn kennenlernen, ein weiterer Freund kann dir hier sicher nicht schaden. Er frisst übrigens auch keine Löwenjunge.“

Zira zögerte einen Moment und sah misstrauisch an Chica hoch. Sie wollte schon Luft holen um etwas zu sagen, doch da kam bereits ein zweiter Hund um die Ecke getrottet. Doch er war kleiner als Chica. Sein Fell war sandgelb und es war viel kürzeres als Chicas, zudem hingen ihm die Ohren nicht so lang herunter.

„Das ist er.“, stellte Chica den Labrador vor. „Jerk.“

Zira betrachtete die beiden Hunde unsicher und sah dann nochmal zu Linda, doch die hatte Zira als auch die Hunde genauestens im Blick. Sie schien sich jedoch eher Sorgen darum zu machen, dass ihre Hunde unbescholten aus diesem Treffen herauskamen.

„Ja, der bin ich…“ Der Rüde kicherte kurz und sah sich Zira für ein paar Momente ganz genau an, versuchte ganz genau zu erschnüffeln, was sie war und wie es um sie stand. „Und du? Was ist dein Name?“

Zira erwiderte nichts und sah stattdessen verunsichert und gewissermaßen auch überfordert zu den Hunden, dann nahm sie jedoch all ihren Mut zusammen und antwortete: „Zira.“

„Na dann, wir sehen uns sicherlich wieder. Jerk, komm.“

Mit diesen Worten drehte Chica ihr den Rücken zu und verschwand mit dem anderen Hund im Haus. Zira war noch verwirrter als zuvor und dieses Zusammentreffen schien jetzt noch weniger Sinn zu machen als zu Anfang. Was sollte das? Doch bevor sie irgendwas tun konnte landete sie schon wieder in dem Käfig.
 

Chica saß gegen Abend auf der Veranda und sah über die Savanne die sich vor ihr ersteckte, während Jerk im Haus sein Abendessen auffraß. Chica hatte keinen wirklichen Appetit und weitaus andere Sorgen.

Diese kleine Löwin zum Beispiel. Sie schien so verängstigt und traurig und Chica wollte ihr irgendwie helfen. Sie dachte es wäre vielleicht gut sie zu Anfang einfach in Ruhe zu lassen und Begegnungen mit ihr so kurz wie möglich zu halten. Vielleicht musste sie sich erst an sie gewöhnen, schließlich sah sie doch anders aus als die Geparden oder Wildhunde, die man sonst sah.

Zudem wusste Chica, dass Zira dringend jemanden brauchen würde, der ihr half dieses seltsame Leben hier zu verstehen. Sie würde ja auch nicht für immer bleiben, aber sie jetzt momentan einfach zu jung um sich allein durch das Leben zu schlagen. Natürlich hätte Linda sie auch einfach bei dem Kadavern ihrer Familie liegen lassen können, aber das war nicht ihre Art.

Linda war ja kein schlechter Mensch, sonst hätte sie Zira ihrem Schicksal überlassen. Sie kümmerte sich doch so gut es ging um die junge Löwin, doch ihre restliche Arbeit, wegen der sie überhaupt hier war, ließ ihr nun mal keine Zeit sich stundenlang mit Zira zu beschäftigen. Sie würde es irgendwann wirklich nötig haben zumindest sie und Jerk zur Gesellschaft zu haben, denn sonst würde es einfach langweilig werden. Doch das ging nicht, solange sie so viel Angst vor ihnen hatte.

In diesem Moment kam Jerk zu ihr getrottet und ließ sich neben sie fallen.

„Mir tut die Kleine irgendwie Leid, dir nicht?“, fragte er seufzend und legte den Kopf auf die Pfoten.

„Ihre Familie ist tot, natürlich tut sie mir leid.“, meinte Chica ernst.

„Oh… Naja, das hätten wir uns auch denken können. Normalerweise kommt Linda nicht mit fremden Löwenjungen daher.“

„Da fällt mir ein, wo ist sie jetzt grade?“, hakte Chica nach und eine Idee nahm in ihr Form an.

„Sie badet, warum?“

Die Hündin sprang wortlos auf, ging um das Haus herum zu einem Zauntor, stellte sich auf die Hinterbeine und drückte die Klinke runter. Schon oft hatte sie das gemacht, aber niemand wusste davon… Außer Jerk, aber ihm war das nur recht.

Dann betrat den hinteren Teil des Grundstücks wo auch Zira nächtigte. Es war schwierig die Silhouette des Löwenjunges im fahlen Licht des Mondes auszumachen, aber sie war klar zu erkennen.

„Hallo Zira…“, begrüßte Chica sie so freundlich wie sie nur konnte.

Zira, die gerade dabei war ihr Abendessen zu fressen, zuckte kurzzusammen als sie die riesige Hündin auf sich zukommen sah und das Fell stellte sich ihr auf. Das hier war ihr Futter und sie würde es verteidigen!

Chica setzte sich einfach neben sie an den Käfig und sah auch zu den Sternen hoch. Sie wusste nicht warum sie das tat, aber vielleicht würde es Zira das Gefühl geben, dass sie beide etwas gemeinsam hätten.

„Was siehst du in ihnen?“, fragte Chica schließlich um das Schweigen zu brechen. Zira sah zu Boden und zuckte schweigend mit den Schultern. Als nach einigen Sekunden keine Antwort kam, entschloss Chica einfach zu reden, denn sie musste die Stille einfach irgendwie füllen.

„Also Linda sagte mal, dass jeder Stern eine eigene, andere Welt sei, weit, weit weg von uns. Ich glaube nicht daran, aber interessant, nicht?“, meinte sie amüsiert und lachte spöttisch über diese Idee. Unsinn!

Zira ignorierte sie und fraß leise brummend an ihrem Futter weiter.

„Es ist schrecklich unhöflich andere zu ignorieren, weißt du das?“, fragte Chica schließlich und merkte wie in ihr allmählich Ungeduld aufkam. Nicht gerade hilfreich, aber was sollte sie tun? Doch es half tatsächlich, da Zira inne hielt und nach kurzem Zögern Luft holte um zu sprechen.

„Meine Mutter meinte, dass wir Löwen daran glauben, dass unsere Anführer oder Könige oder so in den Sternen sind. Ich weiß es nicht mehr ganz sicher.“ Es tat weh sich einzugestehen, dass sie etwas, was ihre Mutter ihr erzählte vergessen hatte, doch wenn es diesen nervigen Hund zufriedenstellte, bitte.

„Das klingt doch gar nicht so abwegig. Vielleicht stimmt es ja, hm? Vielleicht ist deine Mutter auch dort oben?“

„Sie war keine Königin.“

„Sie hat trotzdem ihren Platz da oben."

Zira reagierte wieder nicht.

„Es tut mir so leid, Zira… Du hast nicht verdient was mit deiner Familie passiert ist.“, sprach Chica plötzlich aus und senkte den Blick auf Zira herab. Irgendwie musste sie ihr doch irgendeine Reaktion entlocken.

Und tatsächlich ertönte plötzlich ein Wimmern. Erst kaum hörbar, doch als Zira zu zittern begann, konnte Chica ihr nicht länger schweigend dabei zusehen. Sie streckte eine Pfote durch das Käfiggitter und zu ihrer eigenen Überraschung nahm Zira das Angebot an. Die Aussicht auf Trost in irgendeiner Art und Weise war mehr als sie in den letzte Tagen hier bekommen hatte und sie sehnte sich so sehr nach Geborgenheit, dass sie in ihrer Verzweiflung sogar das hier zuließ.

„Ich verstehe einfach nicht wie das passieren konnte. Meine Mutter war doch nie… Sie ist nie schwach gewesen!“

„Manche Dinge passieren einfach ohne, dass man Einfluss darauf hat. Ich weiß wie du dich fühlst.“

„Nein! Tust du nicht!“, unterbrach Zira sie.

„Das stimmt. Aber alles geht einmal zu Ende, wenn auch zu früh.“

„Zu früh?!“ Entfuhr es Zira zwischen ihren Schluchzern. „Meine Brüder waren so alt wie ich, unsere Mutter war auch noch jung, das ist so ungerecht!“

„Manchmal ist das Leben nicht gerecht, es kann sogar sehr ungerecht sein. Aber denkst du etwa deine Familie hätte das hier für dich gewollt?“, fragte Chica ernst und steckte nun auch die zweite Pfote durch das Gitter. Zira wehrte sich nicht gegen ihre Berührung und eigentlich war sie froh endlich wieder sowas wie Geborgenheit von irgendwem spüren zu können.

„Nein.“, presste sie schließlich zittrig hervor.

„Eben. Verspreche mir einfach nur eins…“ Chica drehte Ziras Gesicht so, dass sie sie nun ansehen musste. „Verspreche mir jeden Tag das Futter zu fressen, verspreche mir gesund und groß zu werden und schon bald wird sich dein Leben hier zum Besseren ändern. Wenn du das tust, dann verspreche ich dir Zira, dass du wieder frei sein wirst. Niemand will dich für den Rest deines Lebens in einen Käfig stecken, aber wenn du aufgibst und krank wirst, dann wirst du in diesem Käfig sterben.“ Der letzte Satz machte Zira Angst und für einen kurzen Moment konnte sie kaum gegen dieses Gefühl der Beklemmung, diese Endgültigkeit, ankämpfen.

„Ich werde hier weg kommen? Ich muss nie mehr hier her?“, hakte sie nach und wischte sich hastig über das Gesicht. Das klang zu gut um wahr zu sein, denn eigentlich hatte sie nicht damit gerechnet hier überhaupt jemals wieder weg zu kommen. Das erschien ihr bis eben nicht nach einer Möglichkeit, doch wenn dem tatsächlich so war wie Chica sagte, warf das ein ganz neues Licht auf ihre Zukunft. Sie hatte plötzlich wieder eine Zukunft!

„Ja, wirst du. Aber nur, wenn du stark wirst. Mehr kann ich nicht für dich tun.“

Zum ersten Mal seit sie hier war konnte Zira sich ein kleines Lächeln einfach nicht mehr verkneifen. Zum ersten Mal hörte sie von einem greifbaren Ausweg aus dieser Misere und sie würde sie definitiv sobald wie möglich ergreifen.

„Ja, das werde ich schaffen.“, stimmte sie ohne zu zögern zu und diesmal musste sogar Chica lächeln. Aber nicht dieses verschlagene, hinterlistige Grinsen von vorhin, sondern wirkliche, ehrliche Erleichterung machte sich auf ihrem Gesicht breit. Zira hatte endlich eine Motivation gefunden das hier zu überleben und es konnte jetzt nur Bergauf gehen. Es musste. Sie würde Zira gar keine andere Wahl geben, als zu überleben.



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