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Ziras unerzählte Geschichte

von

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Von Hitze und alten Freunden

„Aber ich will das nicht fressen!“

Trotzig verschränkte Samangi die Vorderpfoten und starrte angewidert auf den Fisch vor ihren Pfoten.

„Aber irgendwas musst du doch fressen, hast du denn keinen Hunger?“ Tumaini versuchte Samangi mit einem kleinen Stups etwas aufzumuntern, doch leider schlug sie fehl.

„Nun komm schon Samangi, ich mach auch den ersten Bissen.“, meinte Kwanza und hoffte seine Schwester so aufheitern zu können.

„Ich will was richtiges fressen! So wie Mami es uns immer gejagt hat.“, maulte Samangi. Sie war zwar jetzt schon seit einigen Wochen bei Tumaini und hatte diese auch sehr, sehr lieb gewonnen, aber was das Futter anging… Nein, das war schrecklich. Tumaini war keine gute Jägerin, sie selbst fraß überwiegend Insekten und Grünzeug. Manchmal sogar Fisch, den sie in einen der vielen Flüsse hier fing.

„Schatz, willst du vielleicht lieber Aas von gestern fressen?“ Mit diesem Argument gewann Tumaini eigentlich immer.

„Nein, aber… Ich will ein Gnu oder ein Zebra oder zumindest… weiß auch nicht, ich will einfach nicht das da.“

Tofauti, die bisher stillschweigend dagesessen war, hatte keine Lust mehr zu warten und nach einfach den ersten Bissen aus dem Fisch. Lieber fraß sie den als gar nichts.

„Hey, Samangi, das schmeckt doch gut, ich weiß gar nicht was du hast.“

„Dann fress ihn doch.“

Trotzig machte Samangi kehrt und ließ ihre Geschwister und Tumaini etwas konfus stehen.

Sie hatte sie ja alle gern, aber… sie vermisste ihre Mutter. Und das schlimme war dass die Erinnerung an ihre Eltern mit jedem Tag blasser wurde.
 

„Süße? Hey, Samangi, schau mal, ich hab’s geschafft ein paar Wildhunden Fleisch zu klauen. Du magst doch Zebra, oder?“

Samangi sah auf die Fleischlappen die Tumaini ihr vor die Pfoten gelegt hatte und gab dann ein langes Seufzen von sich.

„Warum kannst du nicht selber jagen?“, fragte Samangi und begann jedoch nur ein paar Sekunden später von dem Fleisch zu fressen.

„Weißt du, ich mag vielleicht ein zu großer Schakal sein, aber gegen Zebras und Gnus hab ich trotzdem keine Chance.“

„Ach so…“ Bedrückt sah Samangi zu Boden „Tumaini, ich mag dich ja, aber ich vermisse Mama.“

Irgendwie versetzte das dem Schakal einen Stich im Herzen. Sie hatte die Kleinen so lieb gewonnen und sie herzugeben… Nein.

Ganz im Ernst, nein!

Wenn ihre Mutter sich um sie geschert hätte, hätte sie sie längst geholt, sie hätte sie längst gesucht und gefunden! Eine Mutter die ihre jungen wirklich liebt sucht solange bis sie findet, verdammt!

„Weißt du“, riss Samangi Tumaini aus ihren Gedanken „irgendwie hab ich Angst dass ich meine Eltern mal vergessen werde. Weil irgendwie verschwindet jeden Tag immer mehr ein Teil von ihnen aus meinem Gedächtnis. Ist das denn normal?“

„Ach, weißt du“, begann Tumaini „ihr wart alle so klein wo ich euch gefunden habe, natürlich werdet ihr euch nicht mehr an eure Eltern erinnern wenn ihr groß seid.“

Das war es was Samangi die Tränen in die Augen schießen ließ.

„Aber, aber…“, schluchzte sie „… ich will sie nicht vergessen, weil… sie sind doch meine Eltern und…“

„Weiter kam sie nicht, denn Tumaini hatte sofort beruhigend die Pfoten um sie gelegt. „Psssst, ganz ruhig. Süße, schau mal: Ich hab euch drei sehr leib, fast so sehr wie meine eigenen Jungen… Wenn ich welche hätte… Äh, jedenfalls liebe ich euch alle drei und ich werde alles dafür tun dass ihr ein schönes Leben haben werdet, ja?“

„Aber was wenn-“

„Pssst, nichts ‚wenn‘. Alles wird gut meine Süße, versprochen.“

„Wirklich?“, schniefte Samangi. Überzeugt klang sie nicht.

„Ja, wirklich. Ich werde solange auf euch aufpassen bis der Zeitpunkt kommt an dem ihr auf mich aufpassen müsst.“

„Wie meinst du das?“

„Lass es mich mal so sagen: Ein erwachsener Löwe könnte einen Schakal locker töten, ja?“

„Oh… Das… das will ich aber nicht machen“, wand Samangi ein und drückte sich noch stärker an Tumainis Brustfell „Du bist kuschelig.“

„Bin ich das? Na ja, wenn du das so empfindest.“ Tumaini musste bei Samangis Anblick lächeln und leckte ihr den kleinen Fellbüschel zur Seite.

„Willst du schlafen, meine Süße?“, fragte sie die kleine Löwin.

„Ja, aber… Morgen gehen wir zusammen jagen, okay? Ein bisschen können wir ja schon jagen.“

„Wirklich? Na das will ich natürlich sehen. Aber kommst du mit? Ich hab deine Geschwister schon viel zu lange aus den Augen gelassen, das macht mir Sorgen.“

„Vielleicht wurden sie ja von ihrer Blödheit getötet.“, meinte Samangi und stand schwerfällig auf.

„Hey, wie tickst du denn? Warum so gehässig?“, fragte Tumaini und sah sich ein wenig besorgt nach Tofauti und Kwanza um.

„So bin ich halt.“, antwortete Samangi.

Doch sie stoppte, als Tumaini wie gebannt stehen blieb und stur geradeaus sah.

„Tumaini? Was ist da?“, fragte Samangi beunruhigt.

„Samangi, bleib hier stehen, rühr dich nicht.“

„Und du?“

„Ich komm klar. Bleib einfach hier sitzen, mach dich ganz klein und sei bloß still!“, bläute Tumaini ihr ein und war mit schnellen, großen Sätzen zwischen dem Gras verschwunden. Ein paar Minuten lang starrte Samangi nur völlig starr und gebannt geradeaus, ihre Anspannung war regelrecht greifbar gewesen, doch als sie endlich Kwanzas wohlbekannte Stimme erhörte, fiel ihr ein Stein vom Herzen.

„Kwanza“, rief sie erleichtert aus „Was war denn?“

Tumaini setzte Tofauti, die sie im Maul gehalten hatte, auf dem Boden ab und seufzte genervt.

„Ach, nur ein paar junge Geparden die sich einen Spaß daraus gemacht haben mir einen Schrecken einzujagen.“

„Also ist alles okay?“

„Jaja, alles gut“, antwortete Tofauti und lief auf Samangi zu „Ich hab einen Schmetterling gesehen, einen gaaaanz bunten, der war so groß!“, erzählte sie stattdessen aufgeregt und fuchtelte mit den Pfoten umher, um ihre Erzählung zu unterstreichen.

„Blödsinn, der kam dir nur so groß vor weil du so klein bist.“, widersprach Kwanza.

„Ach, sei doch ruhig Kwanza, ich wachs halt noch.“, murrte Tofauti und gähnte kurz.

„Ohhh, bist du etwa müde?“, zog Kwanza sie auf.

„Gar nicht!“

„Kwanza, sei nicht so gemein. Aber vielleicht sollten wir jetzt wirklich schlafen gehen, es wird schon dunkel.“, schlug Tumaini vor.

„Okay, kommt.“

„Kwanza, du bist hier nicht der Boss.“, wies Tumaini ihn scharf zurecht. Der Kleine Löwe war manchmal eine wirkliche Herausforderung.

„Ist ja gut, ich komm ja schon…“, murrte er eingeschnappt und trottete gehorsam hinter seinen Schwestern und Tumaini her.
 

Seit Mufasas und Simbas Tod war inzwischen gut ein Jahr vergangen. Die Löwinnen lachten sogar wieder.

Heute war ein besonders heißer Tag und nur mit Mühe hatte Zira sich aufgerappelt und war mit den Löwinnen jagen gegangen. Noch schwerer war es gewesen die Beute auch wirklich zu schnappen, aber sie hatte es geschafft… Irgendwie.

„Na, euer Majestät…“, begrüßte Scar Zira und klang dabei auf eine gewisse Art und Weise neckisch. Er nannte sie eigentlich nie ‚Majestät‘, aber wenn er es tat dann hatte es immer so einen fast schon abwertenden Unterton. Sie selbst sagte sich jedoch immer nur dass er sich einen Spaß daraus machen wollte. Immerhin war sie zwar jetzt seine Königin, aber das hatte nichts zwischen ihrer Beziehung geändert. Es machte keinen Unterschied ob er oder sie nun König oder Königin war, sie sprangen noch immer so wie zuvor miteinander um.

„Jaja, das übliche.“, meinte Zira und sah fast schon sabbernd zu dem Büffelkadaver, den die Löwinnen angeschleppt hatten.

Doch, eine Sache hatte sich geändert: Das verdammte Privileg des Futters. Scar beanspruchte, nur um seinen Rang und seine damit verbundene macht zu zeigen, aus irgendeinem Grund immer den ersten Bissen der gerissenen Beute. Erst wenn er fertig war hatten Zira und die Löwinnen überhaupt das Recht dazu zu fressen. Sie nahm es ihm nicht groß übel, sie konnte es irgendwie ja verstehen, aber dennoch fand sie eine solche zur Schaustellung seiner Macht ein wenig zu viel des Guten.

Aber zurück zu den Löwinnen: Seit der ganzen Sache mit Mufasa und Simba hatten sie sich geändert, vor allem Sarabi. Sie versuchten zwar in Scar ihren neuen König zu sehen und das alles hätte auch geklappt, wenn…

Die Hyänen.

Eigentlich hätten sie darüber hinweg sein können und alles wäre gut gewesen, gäbe es da nicht die Hyänen. Man konnte tun und lassen was man wollte, doch sie würden nie Freunde werden. Mit Ausnahme von Zira und den drei Hyänen. Ja, die waren so etwas Kumpel.

Hungrig sahen die Löwinnen zu ihrer Beute. Sie warteten bis Scar fertig war, dann kamen auch Zira und die Löwinnen zum Fressen. Obwohl Löwen und Hyänen im selben Territorium lebten, jagten, fraßen und lebten sie völlig getrennt voneinander, es hatte sich wirklich nichts geändert.

Im Grunde war es genau wie zu Anfang auch: Die Löwen mieden die Hyänen und andersherum. Sie sprachen nicht miteinander, zeigten keinerlei Interaktion und wenn doch, dann warfen sie sich nur feindselige Blicke zu. Sie hassten sich und seit einem Jahr hatte sich daran wirklich nichts geändert.

Gar nichts.

Aber Zira konnte das alles nicht verstehen. Warum konnten sich die Löwinnen und die Hyänen nicht wenigstens mal genauer kennen lernen und diese Vorurteile abstreifen? Sie verstand es wirklich nicht, bei ihr hatte es doch auch geklappt, warum also bei den anderen nicht?

Aber ansonsten war das Leben im geweihten Land eigentlich sogar recht beschaulich, auch wenn Scar seine Pflichten nicht wirklich ernst nahm und sich lieber alles hinrichten ließ. Ja, er war schon immer ein fauler Löwe gewesen, daran hatte sich nichts geändert.

Aber warum sollte er auch was tun? Es lief doch alles prima, es gab nichts was er hätte tun müssen, das regelte sich schon alles von ganz allein.
 

„Ach Rafiki…“ Zazu seufzte schwerfällig „Wie lange sind sie jetzt schon tot?“ Der traurige Blick des blauen Vogels schweifte über den Horizont.

Zazus Mutter, Zuzu, lebte inzwischen bei Rafiki, da sie vor den Hyänen Angst hatte. Sie hatte schon mehrere, nennen wir es mal ‚Attentate‘, überlebt und traute sich einfach nicht mehr zum Königsfelsen.

Seit Mufasas Tod war Zazu viel und oft bei Rafiki und seiner Mutter zu Besuch. Einfach um sich die Einsamkeit zu nehmen. Scar war nicht Mufasa. Sie waren so verdammt unterschiedlich. Mit Mufasa konnte man lachen, man konnte mit ihm über alles Mögliche Witze reißen und Scar war so kühl und er hatte diese furchtbar sarkastische Art an sich, mit der Zazu einfach nichts anfangen konnte. Und ganz ehrlich: Mit Mufasa hatte Zazu einen guten Freund verloren.

„Etwa ein Jahr…“, sprang Zuzu für Rafiki sofort ein, nachdem dieser nicht zu reagieren schien. Sie hatte in den letzten Monaten in Rafiki so was wie einen besten Freund und Mitbewohner gefunden. Rafiki war einfach toll, er war witzig, wusste auf jede Frage und jedes Problem eine Antwort und in seiner Gegenwart fühlte sie sich einfach sicherer.

Aber Rafiki unterbrach eilig sein jetziges Tun und meinte ernst: „Wirklich tot ist man erst wenn man vergessen wurde, merkt euch das“ Er schmiss ein paar Kräuter in seinen Schildkrötenpanzer, den er seit Ewigkeiten hier rumliegen hatte „Friss das Zuzu, das sollte gegen deine Angstzustände helfen.“

Zuzu hatte in letzter Zeit öfters panische Attacken, vor allem wenn sie allein war oder Albtraum hatte. Sie träumte oft von Dämonenartigen, monsterähnlichen Hyänen, die sie und jeden den sie liebte, zu töten drohten, dann wachte sie mitten in der Nacht auf und bekam kaum noch Luft.

„Ach Rafiki… Ohne euch beide wäre ich aufgeschmissen.“, meinte Zuzu dankbar.

„Sag mal… Rafiki… Ich weiß nicht warum, aber irgendwie… ich habe ein seltsames Gefühl… wegen dem Wetter. Es ist dieses Jahr so heiß.“ Zazu sah nachdenklich durch das dichte Blätternest hinaus zum Horizont.

Einen Moment sah Rafiki nachdenklich in den Himmel, dann wand er sich um und meinte: „Zazu, ich glaube du könntest sogar Recht haben. Irgendwas sagt mir, dass die Trockenzeit dieses Jahr sehr hart wird. Schau dir den Himmel an: Kein Wölkchen. Und die Herden, schau sie dir an Zazu: Sie spüren es. Sie werden weniger. Sie vermehren sich nicht mehr so stark. Sie spüren dass das Wetter schlechter wird und wenn das wirklich so weitergeht, dann werden sie woanders hingehen, wo das Land fruchtbarer ist. Und dann schaut euch die Hyänen an! Ich kann es ja verstehen, dass sie sich freuen, endlich genug zu fressen zu haben, aber sie sind völlig verschwenderisch. Sie lassen teilweise noch den halben Kadaver rum liegen, welcher dann einfach Futter für die Geier ist. Und selbst die kommen mit dem Fressen nicht hinterher. Scar zügelt die Hyänen einfach nicht und das ist ein Fehler.“, erklärte Rafiki.

Zazu und Zuzu seufzten tief und sahen dann zum Horizont. Über das gelb-grüne Gras, hinter die Hügel, weiter südlich, wo das Gras satter war.

„Wenn die Hyänen mit diesem verschwenderischem Getue weitermachen… Wer weiß wo wir landen. Hoffentlich werden die großen Könige uns noch Regen schicken“, meinte Rafiki, doch Hoffnungsvoll klang anders.
 

Und wenn man den Blicken der Vögel folgte, immer weiter Richtung Süden, entlang der großen Schlucht, jenseits der Hügel und des großen Flusses, so kam man an einen Ort, der schöner gar nicht sein konnte: Saftiges, grünes Gras, große Herden, kaum Raubtiere. Es war ein beinahe schon paradiesischer Ort, auch wenn die vielen Sümpfe und Flüsse, mit all ihren Nebenarmen, nicht gerade der Traum für Katzen war.

Doch die Tiere die hier lebten, wussten nichts von den Problemen einer Dürre. Und sie kannten wahrscheinlich nicht mal das Geweihte Land, zumindest nicht vom Sehen.

Und was hier war? Tja, genau hier war dieses Land von dem Tumaini damals, vor einem Jahr, als sie die drei Löwenjunge gefunden hatte, gehört hatte. Das war dieses Land ohne Sorgen, hier lebte sie mit den Jungen einer Löwin die sie nie kennenglernt hatte.
 

„Hey Schwesterchen, schau dir mal meine Mähne an! Siehst du, sie wächst doch! Na was sagst du bis jetzt dazu?“ Kwanza zeigte aufgeregt auf die paar Mähnenbüschel die auf seinem Kopf und langsam auch seinem Hals wuchsen.

„Oh Kwanza, ich bitte dich! Bild dir mal auf das bisschen Mähne mal nichts ein!“, knurrte Samangi gelangweilt.

„Ja, aber dafür bin ich der größte von uns vieren!“, lachte der Junglöwe, schüttelte elegant seinen kurzen, schwarzen Mähnenansatz und sah zu seinen Schwestern herunter.

Ja, es stimmte, Kwanza war extrem groß! Zwar nicht übermäßig muskulös, aber viel größer als die meisten anderen Löwen in seinem Alter.

„Aber Größe ist nicht alles!“, meinte Tofauti mit einem hinterhältigen Grinsen und sah ihn herausfordernd an. Sie war noch immer die kleinste, kam grade so mit Tumaini auf Augenhöhe, doch inzwischen hatte sie sich damit abgefunden.

„Ah, will mein Schwesterchen etwa kämpfen?“, fragte Kwanza hochnäsig.

„Dazu musst du mich erst mal fangen!“, knurrte Tofauti und wich einem Prankenhieb aus.

„Ach Leute, wie alt seit ihr?“, seufzte Samangi genervt.

„Genauso alt wie du!“, gab Tofauti zur Antwort.

Samangi rollte genervt die Augen und sprang von ihrem Lieblingsfelsen herunter. Sie wollte ihre Zeit lieber nützlich verbringen.

„Mama, wo bist du?“, rief sie und sah sich unschlüssig nach dem Schakal um.

„BUH! Hier bin ich!“ Tumaini sprang hinter einigen Büschen hervor und kam auf ihre ‚Tochter‘ zu. Im letzten Jahr war sie eine wirkliche Mutter für sie geworden. Sie liebte ‚ihre‘ Jungen und hätte mit nichts und niemanden getauscht. Die drei gaben ihr das, was sie so lange gesucht hat: Geborgenheit.

Sie fühlte sich geliebt und zu etwas nützlich, sie gaben ihr das Gefühl endlich mal Teil von etwas zu sein. Nicht mehr das verhasste, zu groß geratene Schakalweibchen zu sein, was jeder mied und auslachte.

Und Tumaini empfand wirklich Muttergefühle für die drei. Zu sehen wie sie wuchsen, wie sie spielten, wie sie lernten… Sie liebte es. Und an dem Tag an dem sie anfingen sie ‚Mama‘ zu nennen war so was wie der glücklichste Tag ihres Lebens gewesen.

Liebe. Das war alles was sie ihnen gegenüber empfand. Ein einziger Berg voll Liebe und sie versuchte sie regelrecht jeden Tag damit zu überhäufen, was aber früher, im Jungenalter einfacher gewesen war.

„Hör mit dem Quatsch auf. Ich wollte dich was fragen.“, murrte Samangi.

„Okay, was gibt’s denn?“

„Ich wollte dich fragen ob ich mit Tofauti schwimmen gehen darf.“

„Nein du weißt doch, nicht um die Tageszeit. Tofauti ist zu Lichtempfindlich dafür, lass die Idee lieber. Aber wir könnten heute Abend noch mal zum Fluss gehen.“, schlug Tumaini vor.

„Also gut…“ Samangi wollte sich schon abwenden, doch ihr fiel noch etwas ein „Ach, und tu mir einen Gefallen: Sag Kwanza, er soll sich nicht zu viel über seine Mähne einbilden, langsam nervt das!“

„Klar Schätzchen.“, meinte Tumaini und grinste vielsagend. Irgendwie konnte sie Kwanza doch verstehen. Die erste Mähne war doch immer etwas ganz besonderes, immerhin war sie ein Zeichen dass man erwachsen wurde.

Erwachsen… Oh je, wie Tumaini das hasste, ihretwegen hätten die Kleinen auf ewig süße, kleine Löwenjunge bleiben können.

Währenddessen spielten Kwanza und Tofauti Fangen. Zumindest sollte es Fangen darstellen. Kwanza versuchte eher die ganze Zeit Tofauti zu bekommen, während die nur seinen Sprüngen auswich.

„Oh, schon müde? Na los Miss Meine-Mähne-wächst-wie-cool: Zeig’s mir!“

Kwanza sah hechelnd zu ihr. Genervt rollte er mit den Augen und versuchte diese Bemerkung zu ignorieren. „Tofa, wie schaffst du es bei dem Wetter nur so cool zu bleiben?“

„Weiß nicht? Vielleicht liegt’s an meinem glänzend weißen, kurzen Fell, meinem kräftigen Körperbau und meinem wundervollen Charakter?“, äffte sie.

„Wundervoller Charakter, aber sicher!“, knurrte Kwanza und versuchte nochmals nach ihr zu schnappen. Doch diesmal griff er so daneben, dass er in hohem Bogen in den Fluss fiel.

„ARG! Na ganz toll“, fauchte er, sprang auf und schüttelte das Wasser aus seinem Fell „Ey, jetzt seh ich aus wie ein Emo!“

„Ja, ein hässlicher Emo! Also wie immer!“, kicherte in diesem Moment Samangi, rannte auf ihn zu und schubste ihn zurück ins Wasser. Jedoch schaffte Kwanza es noch, sie am Bein zu packen und zog sie mit sich.

„Warum hab ich so uncoole Verwandtschaft?“, fragte Samangi sich und kroch aus dem Wasser. Zwar mochte sie Wasser, in dieser Gegend MUSSTE man Wasser zumindest ertragen, aber der Fluss war ihr doch zu kalt.

Tofauti brach in diesem Moment in einer Lachattacke aus und hielt sich den Bauch, denn ihre Geschwister sahen einfach zu erbärmlich aus.

Im Gegensatz zu Tofauti selbst, die zwar klein und bullig war, waren Kwanza und Samangi groß, schlank und dünn. Kwanza baute schon Muskeln auf, doch Samangi hatte wirklich nichts unter ihrem Fell.

Und als den beiden jetzt das Fell am Körper klebte, Samangis kleiner Fellbüschel ihr in die Augen hing und Kwanza mit seiner schwarzen Mähne auch nicht besser aussah, konnte Tofauti sich einfach nicht mehr beherrschen.

„Ich wünschte ihr könntet euch sehen! So ERBÄRMLICH! Oh mein Gott, wie zwei Emos, die grade einen Selbstmordanschlag überlebt haben! Und euer Fell! Wie das euch in die Augen hängt! Hach, so hässlich.“

Kwanza und Samangi seufzten tief und sahen sich vielsagend an, wobei sie jedoch feststellten dass der jeweils andere tatsächlich armselig aussah.

Ja… Manchmal da hatten sie einen wirklichen Hass aufeinander. Jeder auf jeden. Aber das war wohl pure Geschwisterliebe…
 

„Wisst ihr… An irgendjemanden erinnern die Sterne mich…“, meinte Tofauti einige Zeit später, als sie alle zu viert auf dem Gras lagen.

„Ich weiß was du meinst… Irgendwie hab ich das Gefühl, schon mal mit jemanden darüber geredet zu haben… Oder so…“

„Vielleicht eure Mutter.“, meinte Tumaini schließlich.

„Ja…Kann sein… Obwohl, warum sollte man über Sterne reden“, fragte Kwanza sich halblaut „Was ist mit dir Samangi, erinnern dich die Sterne an was?“

Samangi starrte nur mit glasigem Blick in den Himmel. Ihre Geschwister hatten Recht, an irgendwas erinnerte sie das alles. Sie wusste nur nicht was. Es war ganz seltsam. Bei manchen Dingen in ihrem Leben, wie sehr frühen Erinnerungen aus der Zeit als sie noch bei ihren Eltern lebte, schienen so fremd und verschwommen dass sie Zweifel daran hatte ob es ihr wirklich passiert war oder ob sie das vielleicht nur mal geträumt hatte.

„Sama, noch anwesend?“, fragte Tofauti, als Samangi nicht reagierte.

„Tut mir Leid, äh… Nein… ich kann mich an nichts Genaueres erinnern.“, antwortete sie.

„Hm… Na dann Kinder… Ich geh schlafen, gute Nacht.“, meinte Tumaini und rollte sich müde unter einem Baum zusammen. Einen wirklichen Schlafplatz hatte sie nicht, sie schliefen alle einfach da wo es ihnen passte.

„Ja, gute Idee… Gute Nacht dann Leute.“, meinte nun auch Kwanza, folgte Tumaini und legte sich schnurrend neben sie.

„Sag mal Schwesterchen, unter uns... Also immer wenn ich in die Sterne sehe, muss ich an unsere Mutter denken. Also unsere richtige Mutter. Du?“, fragte Tofauti.

„Unsere Mutter“, wiederholte Samangi „Du weißt doch nicht mal wie sie aussieht.“

„Nein, das mein ich nicht. Ich meine… Ach, das ist schwer zu erklären, also, das ist eher so ein Gefühl. Ich weiß auch nicht, so ein Gefühl was mir das irgendwie sagt. Ich weiß es klingt seltsam, ich kenne ja weder ihr Gesicht noch irgendwas von ihr, aber dieses Gefühl ist einfach da… Ich weiß nicht wie ich das beschreiben soll, tut mir leid.“, erklärte Tofauti.

„Ach so… Ja, doch, das kenn ich. Ist irgendwie seltsam, dieses Gefühl. Aber ich hab auch das Gefühl sie mit jedem Tag immer mehr und mehr zu vergessen. Und… Ich weiß nicht… Ich hab Angst mich irgendwann gar nicht mehr an sie zu erinnern. Ich weiß doch jetzt schon im Grunde nichts mehr über sie.“

Samangi hasste dieses Thema, sie hasste es wirklich! Sie sprach nicht gern über ihre richtige Mutter, mit niemandem und sie wusste nicht mal warum.

„Hey, ist das nicht normal? Wir waren damals noch so klein… Wir können uns gar nicht mehr an alles erinnern. Das hier ist jetzt unser Leben und das wird es auch immer bleiben, wir sind doch glücklich, hm?“, fragte Tofauti.

„Ja, natürlich. Aber manchmal bin ich einfach neugierig.“

„Das legt sich... Komm, gehen wir schlafen“, meinte Tofauti beruhigend und sah ein letztes Mal in die Sterne, ehe sie sich zu Kwanza und Tumaini legte „Kommst du?“

„Ähm… nein, ich… bleib hier noch ein bisschen liegen.“, wand Samangi ein und starrte wieder mit diesem glasigem, verträumten Blick in den endlosen Sternenhimmel.



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