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Black Angel Aliza

von

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Kapitel 2

Der Tag war vorüber gegangen. Zwar nur sehr langsam, aber da er sich nicht wirklich mit seiner Außenwelt beschäftigt hatte, war es erträglich gewesen. Jins Gedanken waren immer weiter abgedriftet, hatten einen Plan entwickelt, der ihn heute Nacht sichern sollte.

Und dann war es plötzlich dunkel geworden. Er war schockiert gewesen, dass es Neumond war, war es doch noch gar nicht so weit. Dann hatte er sich auf den Weg gemacht. Der zweite Eingang in die Katakomben war nicht allzu weit von seiner Wohnung entfernt, sodass er keinen langen Weg zu bewältigen hatte. Langsam ließ er sich in den Gang hinunter gleiten und landete weich auf dem Boden. Wieder roch es leicht nach Unrat und Tod. Er wurde skeptisch, doch ließ sich davon nicht beirren. Im Gegensatz zu seinen Träumen war er diesmal nicht bloß fähig zu flüchten, sondern auch zu kämpfen. In seiner Hand befand sich eine Eisenstange, schwer und ruhig. Er fühlte sich stark. Dann begann er langsam durch die Gänge zu schleichen. Eine Ratte huschte an seinen Beinen vorbei und ließ ihn zusammen zucken. Sie quietschte und blickte ihn aus roten Augen an, huschte dann vorbei. Er schüttelte den Kopf, konnte es doch gar nicht sein, dass die Ratte rote Augen gehabt hatte. Langsam schritt er weiter. Er hörte Stöhnen und ein Klackern, wie von hochhackigen Schuhen. Dann wieder ein Stöhnen und das Geräusch von einem Schwert, das in menschliches Fleisch gebohrt wurde. Er hatte das Gefühl, sich in einem schlechten Horrorfilm zu befinden und musste unwillkürlich grinsen. Dann herrschte Schweigen. Jin atmete tief durch und sofort schlug ihm der Duft von Verwesung ins Gesicht. Er musste würgen und ging weiter. Ein schleifendes, sabberndes Geräusch war zu hören, dann wieder das Reißen von Fleisch, dann eine Kettensäge.

‚Das wird ja immer blöder hier…‘, dachte sich Jin. Der Geruch von Verwesung wurde immer schlimmer, umso näher er kam, jedoch konnte er sich so sicher sein, dass er auf dem richtigen Weg war. Plötzlich fühlte Jin sich wie in seinem Traum der Nacht zuvor. Er bog um eine Ecke und sah den Leichenberg. Diesmal stand jedoch keine Frau darauf. Er ließ seinen Blick durch den Raum streifen. Überall lagen Leichen herum, eine von ihnen erkannte er als seine Lehrerin Mrs Flanigan. Dann sah Jin die junge Frau. Sie blickte ihn an und fing an, die Zähne zu fletschen. Sie war mehr Tier als Mensch. Überall an ihrem Körper klebte Blut. Sie hatte eine schwarze Jacke an, aus der eine schwarze Sense heraus blickte, weiterhin ein weißes Kleid. Auf ihrem Bein meinte er schwarze Linien zu erkennen. Sein Blick fiel zurück auf ihr Gesicht, das zu großen Teilen im Schatten lag. Er erkannte jedoch auch, dass sie eine Maske trug, schwarz und rot. Er schluckte, als er bemerkte, dass sie ihn als Gegner ansah. Der Fluchtinstinkt wachte in Jin auf. Bevor er sich umwandte, um zu rennen, sah er ihr noch einmal ins Gesicht. Doch dieses ließ keinen Zweifel zu, sie würde ihn umbringen, wenn sie es schaffen würde. Dann rannte er, floh die ewig gleichen Gänge entlang. Plötzlich stand sie vor ihm. Er wusste nicht, wo sie herkam und er wollte es auch gar nicht wissen, sondern einfach nur weg. Aber es schien keinen Weg zu geben, keine Ausflucht, hielt sie ihn doch mit ihrem Blick gefangen.

„Wer bist du, Junge?“, fragte sie ihn. Er schluckte hart den Kloß in seinem Hals herunter.

„Ich bin niemand. Und schon gar kein Junge.“

Sie lachte als Antwort. Dann blickte sie ihn wieder an. Jin atmete tief durch. Er wusste, dass er nur die Konzentration bewahren musste, dann würde er heil aus der Sache rauskommen.

„Wir beide können eine Abmachung treffen: ich habe nicht gesehen, dass du die armen Menschen getötet hast und du lässt mich einfach gehen?!“

Wieder lachte sie. Dann hörte man wieder ein Schlurfen im Gang. Sie grinste.

„Hau ab, Junge, bevor du hier jemandem anderem als mir zum Opfer fällst.“

Dann war sie wieder weg. Jin zuckte erneut zusammen. Was um alles in der Welt war dieses Weib? Auch wenn sein Körper von diesem Ort wegstrebte, wollte er wissen, woher das schlurfende Geräusch kam und was das Mädchen mit dem anderen gemeint hatte. Langsam folgte er seinem Gehör zu dem schlurfenden Geräusch hin. Nach einigen Ecken und Wegen sah er einen Schatten an der Wand, dann einen zweiten, nahezu zierlichen. Er wandte sich um die letzte Ecke. Das Mädchen befand sich in einem Kampf mit einem gigantischen Golem. Auch wenn das Wesen mächtig wirkte, so schien sie immer noch mächtiger zu sein. Das Lächeln auf ihrem Gesicht schien wie festgefroren und Jin wusste, dass es Freude war, dass sie empfand. Sie empfand Freude gegenüber dem Töten. Dann plötzlich hielten beide in ihren Bewegungen inne. Der Golem rümpfte die Nase und zeigte auf Jin, der daraufhin zusammen zuckte. Das Mädchen seufzte, zückte ein Schwert und stieß es dem Golem tief in den Brustkorb. Noch während das Wesen zusammen klappte, kam das Mädchen mit einem leisen Klappern ihrer Schuhe auf ihn zu.

„Hau ab, bevor sie dich noch bekommen, Junge“, raunte sie ihm zu. Jins Körper reagierte vor seinem Geist. Noch bevor er sich umwenden konnte, um wegzulaufen, schlug ihm ein Schwall heißer Luft ins Gesicht. Aus ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar löste sich eine einzelne silberne Strähne und wehte ihr ins Gesicht. Jin wurde das jedoch nur am Rande bewusst, wandte er sich doch im gleichen Moment ab und rannte los. Unterbewusst hörte er wieder ein Schlurfen und das Geräusch von Schritten in dem Gang. Auch wenn es ihn interessierte, wer diesen Kampf gewinnen würde, so wandte sich nicht um, bis er hinter sich die Tür seiner Wohnung zuschlug. Sein Atem ging schwer und rasselnd und er war müde. Ohne sich auszuziehen, fiel er auf sein Bett.
 

In seinem Traum erschien ihm ein Mann. Dieser war kleiner als Jin selbst und breiter. Ein Bart zierte sein Gesicht, doch war er aus dem falschen Jahrhundert, was den Mann wie einen Clown wirken lies. Er hatte schwarze Augen, keine Pupille, keinen Augapfel, keine Iris. Alles war einfach schwarz.

„Hallo Jin.“

„Darf ich fragen, woher Sie meinen Namen kennen?`“

„Sagen wir es so: Du bist uns bekannt.“

„Ihnen?“

Der Mann räusperte sich.

„Weißt du, wo die Büchse der Pandora ist? Es ist so, ich suche sie. Wenn du mir hilfst, sollst du reich belohnt werden.“

„Nicht, dass ich etwas gegen eine reiche Belohnung hätte, aber ich weiß leider nicht, wo sie ist. Außer vielleicht in Ihrer Fantasie.“

„Wie meinst du das, Junge?“

„Ich bitte Sie“, erklärte Jin in herablassendem Ton, „Die Büchse der Pandora gibt es nicht. Das ist einfach nur ein Ammenmärchen. Finden Sie sich damit ab. Eine Büchse, die alles Unheil der Welt enthält, dass ich nicht lache …“

Der Mann vor ihm verzog das Gesicht zu einer gemeinen Fratze.

„Es tut mir leid, aber irgendjemand musste Ihnen die Wahrheit sagen.“

„Du weißt doch, wo sie ist. Sag es mir, dann passiert dir nichts. Andernfalls werde ich dich töten.“

In diesem Moment erschien die Siluette eines riesigen sabbernden Wesens mit rotglühenden Augen hinter dem Mann. Jin zuckte in sich zusammen. Als der Mann weiter sprach, war seine Stimme noch tiefer, fast schon so tief, dass durch sie Glas gesprungen wäre.

„Wo ist die Büchse, Junge?!“

„Ich weiß es nicht.“

Plötzlich hörte Jin hinter sich ein leichtes Klappern von Stöckelschuhen und atmete tief durch. Ein Lichtstrahl kam durch die durchdringende Dunkelheit auf ihn und den Mann zu und der Fremde begann sich zu krümmen.

„Horvat … er gehört mir! Also verzieh dich.“

Jin kannte die Stimme und innerhalb weniger Minuten erkannte er auch das Mädchen, dass er in dieser Nacht im Gewölbe getroffen hatte. Der fremde Mann schnaubte.

„Warum habe ich es nur geahnt, Aliza, warum habe ich es nur geahnt?“

Sie zuckte mit den Schultern. Der Mann, der Horvat zu heißen schien, grinste.

„Leider ist heute nicht der Tag, an dem ich gegen dich verlieren werde.“

Mit diesen Worten streckte er die Hand aus. Die Siluette in Horvats Rücken bewegte sich und griff das Mädchen an. Jin erkannte, dass es sich um einen Drachen handelte. Auch das Mädchen grinste nun. In ihrer Hand erschien eine Sense.

„Zu spät, Horvat.“

Kaum hatte sie das gesagt, spaltete sie den Kopf des Drachen mit einem perfekten Schnitt von dessen Körper. Der Kopf rollte vor Jins Füße und blickte den Jungen aus leblosen Augen an. Dieser kämpfte augenblicklich mit dem Würgereiz, doch die Mörderin der Bestie wandte sich, ohne mit der Wimper zu zucken, dem Mann zu.

„Heute nicht Aliza!“, sprach dieser mit einem Lachen und löste sich auf. Im gleichen Moment verschwanden auch das Mädchen und der Kopf. Jin blieb allein zurück und dachte, er würde aufwachen, als ein gleißendes Licht den Raum erfüllte. Geblendet kniff der junge Mann die Augen zu. Für einen kurzen Moment fürchtete er, erblindet zu sein, doch nach einem kurzen Blinzeln nahm er seine Umgebung wieder bewusst war. Vor ihn befand sich ein Podest mit einem guten Dutzend Stufen. Darauf befand sich etwas, das wie ein Sarkophag aussah. Jin näherte sich dem Gegenstand vorsichtig und mit Respekt. Er wusste, dass das Ding gefährlich war, dennoch musste er es sich ansehen. Der Sarkophag entpuppte sich als große Kiste, nahezu schmucklos. Sie war schwarz und ein rot-goldenes Muster war darauf zu sehen. Jin umrundete sie einmal, zweimal, dann noch einmal. Er wusste nicht, worum es sich bei dem Gegenstand handelte, doch instinktiv spürte er eine Gefahr davon ausgehen, aber auch eine ungeheure Anziehungskraft. In seinen Händen kribbelte es bis in die Fingerspitzen. Sein ganzer Körper schien unter Strom zu stehen. Lange diskutierte Jin mit sich selbst, dann entschied er, die Kiste aufzubrechen. Gerade als er das Brecheisen ansetzte – und er schwor bei Gott, dass er keine Ahnung hatte, woher dieses kam – hatte er das Gefühl eine Stimme zu hören, dann spürte er eine Hand an seinem Körper ziehen.

„Tu es nicht, Jin. Lass sie geschlossen, sie wird die Welt vernichten.“

Ungläubig schüttelte der junge Mann den Kopf und setzte die Brechstange wieder an. Wieder zogen fremde Mächte an seinem Körper.

„Tu es nicht! Lass sie geschlossen!“

Am Rande seines Bewusstseins nahm er war, dass die Stimmen immer flehentlicher wurden, doch er ignorierte sie weiterhin. Zu häufig hatte Jin in seinem Leben schon Stimmen gehört, die ihn um etwas baten oder von etwas abhalten wollten, als dass er nun diesen Stimmen beigeben würde. Wieder setzte er die Stange an. Da plötzlich erschien ein Mann auf dem Deckel des Sarkophags, ging in die Hocke und fixierte ihn aus himmelblauen Augen mit einem unerklärlichen Ausdruck an.

„Tu es nicht, Junge! Lass die Büchse der Pandora geschlossen. Willst du wirklich in einem Traum das Schicksal der Welt besiegeln?“

Etwas in der Stimme des Fremden oder in seinen Augen lies Jin stocken. Eine Weile sah er den Fremden nur an, wie er auf dem Sarkophag hockte und ihn musterte, still, wie eine lauernde Katze.

„Die Büchse der Pandora?“, fragte der junge Mann flüsternd. Der Fremde legte den Kopf schief und hielt inne. Dann nickte er, unendlich langsam wie Jin fand.

„Die Büchse, die alle Krankheiten und alles Unheil der Welt enthält. Sollte sie geöffnet werden, wird die Welt einschließlich allem was auf ihr lebt, vernichtet werden. Willst du das denn wirklich, Junge?“

Jin schüttelte den Kopf und er fragte sich, ob er dies genauso langsam tat, wie sein gegenüber genickt hatte.

„Sehr gut. Ich vertraue dir ausnahmsweise. Lass dieses Vertrauen nicht falsch sein.“

Dann verschwand er in einem Lichtstrahl. Jin jedoch blieb mit der Büchse zurück. Immer noch strahlte der Sarkophag eine ungeheure Anziehungskraft aus, der der Junge kaum wiederstehen konnte. Vorsichtig streckte er die Hand nach der verbotenen Sache aus. Als er auf diese hinab blickte, konnte er das Zittern in seinen Fingerspitzen sehen, doch er konnte nicht innehalten, konnte nicht stoppen, sondern musste die Büchse noch einmal berühren, noch einmal ein Geheimnis der Menschheit klären. Jin wusste, dass er sich dem Ding nie wieder nähern konnte, aber auch nie wieder nähern wollte. Die Büchse war eins der größten Geheimnisse der Menschheit und er war der Meinung, dass dies auch so bleiben sollte. Nach einer gefühlten Ewigkeit wandte er sich ab und trat die Stufen des Podestes herunter. Unten angekommen, wandte er sich noch einmal um, doch die Büchse war bereits wieder in der Dunkelheit verschwunden. Wenig später wurde auch er von der Dunkelheit ergriffen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2012-06-18T16:46:17+00:00 18.06.2012 18:46
Schwere Geburt hier! :'D
Ich wollte auch nur schreiben, dass deine Schreibweise wirklich
außerordentlich flüssig ist! Finde ich jedenfalls!
Es liest sich wirklich angenehm und man hat immer wieder diesen
"Aha"-Effekt!
Und ich freue mich schon auf Kapitel 3 (:
Dunkelheit ... spannend (:

MFG Kuro~


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