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Traumtänzerin (:

von

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Kapitel 1: »Jenny<<

Kapitel 1: »Jenny«
 

Wir haben uns an alles gewöhnt. Wir mussten uns an alles gewöhnen. Niemand hat uns eine andere Wahl gelassen und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr komme ich zu dem Entschluss, dass es so besser ist.

Der Bus hält, ich wuchte meine Tasche und die schwere Einkaufstüte auf die Straße und schaue dem Bus hinterher, bis er um die Ecke verschwindet. Dann drehe ich mich um und blicke auf die grauen Wände des Hauses. Die letzten 17 Jahre habe ich in diesem Haus verbracht und es hat sich nicht wirklich viel verändert. Überall stehen Fahrräder und Motorroller. Die Außenwände und das Treppenhaus sind mit Farbe beschmiert und die Briefkästen sollten auch dringend erneuert werden. Ich hole meinen Schlüssel aus der Tasche, schließe die schwere Tür auf und begebe mich in die Wohnung im 4. Stock. Oben bemerke ich, dass meine Mutter nicht zuhause ist. War das etwas neues? Nein. In letzter Zeit hat sie mich komplett vergessen. Wenn ich Glück habe, sehe ich sie einmal in der Woche. Dann holt sie sich ein paar Sachen aus der Wohnung und verschwindet wieder zu ihrem neuen Macker. Und so jemand will meine Mutter sein! Kümmert sich nicht mal um ihre Kinder (mein Bruder Sebastian wohnt alleine, ist mit 16 ausgezogen), den Wäscheberg könnte man glatt mit dem Mount Everest verwechseln und das Geschirr in der Küche hätte auch dringend eine Dusche nötig.
 

Ich stelle die Einkaufstüte auf den Tisch, meine Tasche schmeiße ich auf’s Sofa. Noch bevor ich an irgendetwas anderes denken kann, packe ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und bringe etwas Ordnung in die Küche. Danach schnappe ich mir den Staubsauger und flitze damit durch die Wohnung. Anschließend räume ich die Lebensmittel in den Kühlschrank und bin erstmal froh, dass einigermaßen Ordnung ist. Es ist kurz vor 14 Uhr. Gleich läuft meine Lieblingssoap. Ich schiebe mir noch schnell eine Pizza in den Ofen, denn mein Magen knurrt schon seit Ewigkeiten. Danach werfe ich mich in Jogginghose und XXL-Pulli und gönne mir im Schneidersitz auf dem Sofa eine Zigarette.
 

Und wie ich so dasitze, die TV-Sendung nicht weiter beachte und einfach nur nachdenke, überkommt mich wieder dieses komische Gefühl. Ich sitze hier mit 17 Jahren, irgendwie noch Kind und verletzlich, aber irgendwie auch erwachsen und selbstständig. Meine Mutter vergnügt sich mit irgendwelchen Männern und kümmert sich nicht mehr um ihre Kinder und den Haushalt. Die einzigsten, die noch zu mir halten, sind meine beiden Brüder und meine Freunde. Das sind wirklich wahre Freunde, zu denen ich gehen kann, wenn es mir scheiße geht und mit denen ich wirklich über alles reden kann. Und eins weiß ich genau: Nicht meine Mutter ist meine Familie, sondern meine Freunde, denn sie lassen mich nie im Stich und sind immer für mich da.
 

Irgendwie freue ich mich auf diesen Nachmittag. Ich, allein in der Wohnung, mit meiner Pizza, einer eiskalten Cola und meiner Lieblingssendung.
 

Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Ein Klingeln holt mich wieder in die Realität zurück. Draußen steht der Postbote mit einem Päckchen. Meine Bestellung *_* Neue Klamotten, Schuhe, etc. – was man als Mädchen braucht :) und einen Brief vom Jugendamt…(Was die wohl von mir wollen?) Wie in Trance nehme ich das Päckchen und den Brief an und stolpere zurück in die Wohnung. Die neuen Klamotten sind erstmal Nebensache. Ich nehme den Brief und setze mich aufs Sofa. Er ist an meine Mutter adressiert (Soll ich ihn trotzdem öffnen?) Mit zittrigen Händen öffne ich den Umschlag und falte das Schreiben auseinander.
 

Was ich dann lese, kann ich kaum glauben: Das Jugendamt hat anscheinend einen anonymen Hinweis bekommen, dass meine Mutter die Wohnung vernachlässigt und mir gegenüber ihre Aufsichtspflicht verletzt. Jetzt will jemand vom Amt vorbeikommen und sich unsere „familiäre Situation“ anschauen. Familiäre Situation! Ja, Leute ist klar. Familie kannste zwar vergessen, aber ich lass mich noch lang nicht fertig machen, nur damit ihr mich nachher ins Heim stecken könnt.

Völlig fassungslos lasse ich den Brief sinken. Langsam merke ich wie die Tränen aus mir heraus wollen und ich nur noch heulen könnte.
 

Ich brauche jetzt frische Luft. Muss hier raus. Ich nehme den Brief, packe ihn in meine Tasche und mache mich auf den Weg zu meinem großen Bruder. Mit ihm kann ich über alles reden und er ist immer für mich da. Bin gespannt, was er zu der ganzen Sache sagt.



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