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Destiny

von

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Teak City Teil 1

Die Stadt lag im Rot der Abenddämmerung, als Altaria zum Sinkflug ansetzte. Auf den Straßen tummelten sich nur mehr ein paar junge Trainer, ansonsten wirkte alles sehr ausgestorben. Lian reichte Nea die Hand um ihr beim Abstieg zu helfen, aber sie schwebte unwirklich elegant von dem Vogelpokémon hinunter. Guardevoir sorgte mit seiner Psychokinese Attacke dafür, dass seine Trainerin, oder besser gesagt seine Begleiterin, wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte. Es hatte die ganze Zeit über hinter Nea verharrt und ein beruhigendes Liedchen gesummt.

»Es ist so still hier…«

Lian nickte, rief sein Altaria dankend zurück und sein Arkani heraus.

»Ja, die Stadt ist ruhig. Warst du noch nie hier?«

Auf den Flug hierher hatten sie sich angeschwiegen, beide die verstörenden Bilder verarbeitet die sie heute vor Augen hatten. Jetzt war es besser, der Tatendrang vertrieb die Trauer und das Mitleid. Nea schüttelte den Kopf.

»Nein, ich war noch nie hier, aber ich habe Freunde die ganz in der Nähe leben.«

»Ach...«

Während Lian die Einsilbigkeit überkam, dachte er darüber nach, wann er das letzte Mal menschliche Begleitung auf seinen Reisen gehabt hatte. Es musste Ewigkeiten her sein, zumindest fühlte es sich fremd an.

»Die Arena liegt dort drüben.«

Er zeigte in Richtung Südwest.

»Hast du schon gegen Jens gekämpft?«, wollte Nea wissen und ließ ihre rechte Hand auf Arkanis Fell ruhen, das neben ihr her tapste.

»Nein, drei meiner Orden stammen aus Sinnoh, ich habe gegen Lamina, Adam und Frida gekämpft. Zwei habe ich in Kanto gewonnen, Misty und Green und die letzten beiden habe ich hier in der Johto Region gewonnen, in Oliviana und Azalea, also habe ich gegen Jasmin und Kai gekämpft.«

»Ja, und zwei von den sieben Leitern hat er genagelt, errätst du welche?«

Lian erkannte die durch und durch aufmüpfige Stimme noch während er sich umdrehte. Als sein Blick die sonst so wachen, blitzenden Augen traf, wirkten sie ungeahnt müde, trüb, obwohl sein Lächeln so süffisant war wie immer.

»Genauso charmant wie Leiter sein müssen! Was treibt dich denn so weit weg von deiner Arena? Ist es dir in Sinnoh langweilig geworden?«

Als er seinem Freund die Hand zum Gruß reichte, schmunzelte Lian noch. Nea musterte den blonden, jungen Arenaleiter mitleidig, ihre Gedanken waren nicht getrübt von Wiedersehensfreude und gemeinsamen Erinnerungen.

»Ich könnte dich dasselbe fragen. Ich hätte dich auf dem Indigo Plateau vermutet, was suchst du in Teak City?«

Der Elektrospezialist hielt nach seiner Frage kurz inne, genau wie Lian. Es lag auf der Hand was die beiden Trainer hierher geführt hatte.

»Bist du auch angegriffen worden?«

Der Blick des Arenaleiters streifte das Arkani, das er schon gekannt hatte, als es noch ein Fukano war. Lian schüttelte den Kopf.

»Nein, ich bin Siegfried begegnet und habe ihm meine Hilfe angeboten. Er hat mir erzählt was dir passiert ist, dir und den anderen. Wieso hast du nichts gesagt?! Ich hätte dir geholfen! Ich wäre nachhause gekommen und hätte mit dir nach den Schuldigen und Blitza gesucht!«

Lians Worte klangen vorwurfsvoller als er es beabsichtigt hatte. Er sah Schmerz in den Augen seines Freundes aufflammen, der schnell wieder erlosch. Er schluckte ihn hinunter.

»Was hättest du schon tun können?! Wenn ich nicht gegen diese Typen angekommen bin, dann hättest du auch nichts ausrichten können!«, fauchte Volkner und erntete sofort ein empört, wütendes Schnauben von Lian.

»Ich bin viel stärker geworden! Auch stärker als du!«

»Ach ja?!«

»Ja!«

Die beiden starrten gleichzeitig auf das Guardevoir das neben die Streithähne geschwebt war und ein lautes Lied angestimmt hatte. Es schunkelte hin und her, seine Augen leuchteten.

»Was zur Hölle tut es denn da?«, fragte Volkner verständnislos und zog eine Augenbraue in die Höhe. Lian zuckte mit den Schultern.

»Das macht es manchmal, was weiß ich, es ist ein wenig strange.«

Nea kicherte leise. Sie kannte ihr Guardevoir, sie wusste dass es so negative Gefühle wie Wut, Unsicherheit, oder Nervosität immer wegsingen wollte. Ihr Lachen zog Volkners Aufmerksamkeit auf sich.

»Und du bist?«

Der junge Arenaleiter legte den Kopf schief und ließ seinen Blick von oben nach unten schweifen. Sie lächelte ihn freundlich an, die Schüchternheit die in ihrem Blick lag, ließ Lians Herz schneller schlagen. Sie sah unglaublich gut aus wenn sie so lächelte, das fiel aber nicht nur ihm auf.

»Du bist echt scharf…«, beantwortete sich Volkner seine Frage selbst und drängte sich an Lian vorbei. Er zog Nea so unerwartet schnell zu sich, dass sie ein leises, erschrockenes Piepsen von sich gab, als er ihr zwei Küsse auf die Wangen hauchte.

»Ich bin Volkner, Arenaleiter von Sonnevik, stärkster Trainer in Sinnoh und das hübsche Gesicht hält was es verspricht!«

Er präsentierte ein paar schneeweiße Zähne. Nea wurde unter seinen Blicken sichtlich rot.

»Hey!«

Ein eloquenterer Protest fiel Lian auf die Schnelle nicht ein, die gesamte Kapazität seiner Gedanken wurde von einem unangenehmen, beißenden Gefühl blockiert. Volkner winkte ab und fixierte Nea weiterhin mit seinen Blicken.

»Lian ist ein Arschloch. Er mag keine Frauen, außer um sie zu vögeln. Du solltest nicht mit ihm abhängen!«

»Was redest du denn da für einen Scheiß?!«

»Das ist doch die Wahrheit! Du hattest noch nie etwas für Beziehungen übrig!«

»Aber du, oder wie?!«

»Ich war drei Monate mit Kamilla zusammen!«

»Ja, und dann hat sie dich mit Géraldine in deiner Arena erwischt! Du bist der Oberplayboy der ganzen verdammten Liga!«

»Das stimmt so nicht!«

Als Guardevoir wieder zu summen begann, hielten die beiden erneut ein.

Sein Lied war leiser als vorhin, psychedelischer.

»Ich bin Nea«, hauchte sie und senkte nochmal höflich den Kopf vor Volkner.

»Ich gehöre nicht zu Lian…«

Ihre Stimme klang seltsam, genau wie ihr Satz. Lian hatte ihn heute schon einmal aus seinem eigenen Mund vernommen, als er Siegfried versichert hatte, dass er alles mit Nea machen könne was er wollte, weil sie nicht zu ihm gehörte. Er hasste sich noch immer dafür, noch mehr als vorhin, weil es schlichtweg falsch war. Am liebsten hätte er sich hier und jetzt mit Volkner geprügelt, nur um sicher zu gehen, dass die Fronten geklärt waren, aber das waren sie nicht, sie waren weder geklärt noch annähernd definiert.

»Er war nur so nett mich mitzunehmen, ich will euch helfen, wenn ich kann…«

Der blonde Leiter nickte beeindruckt.

»Du bist bestimmt eine starke Trainerin, dein Guardevoir sieht gut trainiert aus, auch wenn es ein bisschen seltsam ist. Hast du schon Orden gewonnen?«

»Sie ist keine Trainerin!«, erklärte Lian und nahm Neas Antwort damit vorweg.

»Das Guardevoir begleitet sie nur, genauso wie sie mich begleitet!«

Volkner schüttelte verwirrt den Kopf.

»Also darüber müssen wir wirklich noch reden…!«

Lian ignorierte seinen Satz, wandte sich in Richtung Glockenturm.

»Siegfried hat mich geschickt um mit Jens zu sprechen. Ich soll ihn wegen der Vorfälle um Rat bitten.«

Volkner schnaubte. Er glaubte genauso wenig an Wahrsagerei wie Lian und Siegfried, trotzdem war auch er nach Teak City gereist.

»Ich bin aus demselben Grund hergekommen…«

»Dann lass uns zur Arena gehen und hören was Jens zu sagen hat.«

»Er ist nicht hier!«, erwiderte Volkner und wandte sich Arkani zu. Er fuhr dem Pokémon durch die helle Mähne, brachte es zum Brummen.

»Ich war vorhin schon dort, er ist nicht hier.«

»Ist ihm etwas passiert?«

»Nein, sein Assistent meint, er wäre vor einigen Tagen zum Meditieren zu den Ruinen aufgebrochen. Er kommt morgen zurück, weil er mich angeblich schon kommen gesehen hat und mich erwartet.«

»Wie bitte?!«

Lian dachte er hätte sich verhört, aber als Volkner zu lachen anfing, war er sich sicher, dass er ihn richtig verstanden hatte.

»Ja, anscheinend weiß er, dass ich komme, das hat zumindest sein seltsamer Assistent behauptet…fruchteinflößender Junge übrigens.«

»Hat er konkret deinen Namen genannt, oder...«

»Eigentlich hat er gesagt, er erwartet den Bürdenträger der im Auftrag der Liga geschickt wurde.«

»Hä?«

»Ja, das habe ich auch gefragt, aber darauf wollte mir der furchteinflößende Junge mit dem schwarzen Liedstrich dann keine Antwort mehr geben.«

»Bürdenträger der Liga?«, wiederholte Lian ungläubig.

»Bürgenträger im Auftrag der Liga«, korrigierte Volkner.

»Das könnte auch ich sein, schließlich schickt mich Siegfried, mehr Liga geht gar nicht!«

»Ich streite mich jetzt nicht mir dir darüber, wen der gespenstische Geisterbeschwörer während seines Meditationstrips kommen gesehen hat und wen nicht! Das soll er uns morgen selbst sagen! Lasst uns im Center einchecken, mehr können wir vorerst nicht tun.«

Lian nickte und ging zu seinem Arkani.

»Ich will nicht, dass du alleine da draußen herumläufst.«

Das Pokémon hing an jedem seiner leisen, eindringlichen Worte.

»Tu mir den gefallen und bleib in deinem Ball, zumindest heute…«

Das Feuerpokémon legte den Kopf schief und senkte ihn dann. Es erklärte sich einverstanden mit der Bitte seines Trainers. Es spürte noch den Schock und die Ängste die das tote Glurak in ihm entstehen hatten lassen, also ließ es sich zurückrufen.

Das Pokémoncenter von Teak City gehörte zu den ältesten in der ganzen Region und war dementsprechend klein. Es war schwer dort ein Zimmer zu bekommen, wenn man sich nicht vorher angekündigt hatte, aber die zuständige Schwester tat ihr Bestes, um dem jungen, berühmten Arenaleiter und dem hübschen Top-Trainer, den sie von einem Titelblatt kannte, einen Schlafplatz zu verschaffen.

»Ich habe noch zwei Zimmer frei, allerdings Einzelzimmer.«

Die Schwester schaute hinüber zu Nea, die hinter Lian stehengeblieben war.

»Kein Problem!«, verkündete Volkner.

»Wir teilen uns ein Bett…«, hauchte er und zog das blonde Mädchen an der Hand zu sich.

»Du bist so klein und schmal, du passt locker neben mich.«

»Ich…ehm…ich«

Neas Wangen waren hellrot, ihr Blick unsicher. Als sich Lian einmischte klang er wütend.

»Du bist Arenaleiter! Du stinkst doch vor Geld, check in das fünf Sterne Hotel neben dem Glockenturm ein!«

Volkner stutze, nickte dann aber einsichtig.

»Du hast recht! Dass ich das auch immer vergesse…«

Er zwinkerte.

»Was ist, Nea? Schläfst du mit mir im Glockenturm Hotel?«

Vollkommen genervt packte sich Lian Volkners Rucksack, der neben ihm am Boden stand und stapfte damit den Gang entlang.

»Dann schlafen wir eben zusammen…«, maulte er wütend und trat die Tür zu einem der kleinen, schlichten Zimmer auf. Als er ihre Rucksäcke auf die Matratze des Einzelbettes warf, stand Volkner seufzend hinter ihm.

»Mit dir will ich mir aber kein Bett teilen...«

»Wieso? Ich bin auch schmal und hübsch«, säuselte Lian gewollt sarkastisch und klimperte auffällig langsam mit den dichten Wimpern.

»Äh! Du bist nicht mein Typ!«

»Ach, was ist denn dein Typ?«

»In erster Linie mal alles mit Busen und so einem Arsch…«

Volkner zeigte Nea hinterher, die gerade den Gang entlang ging um ihre Sachen in ihrem Zimmer zu verstauen.

»Könntest du bitte mal aufhören so ein Perversling zu sein?! Das nervt!«

Der Arenaleiter lehnte sich mit verschränkten Armen an die Zimmertür.

»Mal ehrlich, wie lange kennst du mich schon?«

»Ach ja, du warst ja schon immer so unausstehlich...«

Der Blonde nickte und verzog die Lippen dann zu einem schwachen Lächeln.

»Wo hast du sie kennengelernt?«

»Im Center von Azalea. Sie wollte Siegfrieds Glurak helfen, als es vollkommen verstört und dem Wahnsinn verfallen dort aufgetaucht ist. Sie hätte sich dabei beinahe umgebracht, ich musste sie quasi vom Dach schupfen um sie zu retten.«

»Dann bist du sozusagen ihr Held.«

Lian zuckte mit den Schultern. Er hätte gerne das Thema gewechselt, weil er nicht darüber nachdenken wollte, aber der Arenaleiter blieb gewohnt neugierig.

»Sie ist wirklich hübsch.«

»Kann sein.«

»Du hast doch noch funktionsfähige Augen im Kopf, oder?«

»Ja.«

»Und da unten ist auch noch alles fit?«

Als Volkner sich prüfend nach unten bückte, riss Lian der Geduldsfaden.

»Sag mal, hast du echt nichts anderes im Kopf?! Du bist vor ein paar Monaten fast totgeschlagen worden! Dein Bitza ist noch immer verschwunden! Dort draußen werden immer mehr Leiter angegriffen und du stehst hier und reißt Witzchen?! Weißt du wie erbärmlich du dich verhältst?!«

Volkner packte Lian an den Schultern und warf ihn unsanft gegen das Regal neben dem Bett. Er verlor das Gleichgewicht und fiel auf die Rucksäcke. Lian raffte sich so schnell wieder hoch, dass der Leiter gar keine Gelegenheit hatte zurückzuweichen. Er hätte ihm ein blaues Auge geschlagen, wäre seine Faust nicht von Volkners Handfläche abgefangen worden.

»Du hast ja keine Ahnung!«, schrie der Blonde, seine Stimme bebte. In seinen Augen flackerte so viel ungezügelte Wut auf, dass Lian sicher war, dass er jeden Moment zum Gegenschlag ausholen würde, aber er ließ einfach nur von ihm ab und ließ den Kopf ins Genick fallen.

»Du weißt nicht annähernd wie das ist...«

Die Aggressivität die Lian gerade eben noch beherrscht hatte, ebbte abrupt ab. Volkners Traurigkeit und sein Schmerz waren in diesem Moment so greifbar, dass er sich jetzt schon für seine Vorwürfe schämte.

»Ich wünsche dir, dass du niemals durch die selbe Hölle gehen musst, durch die ich gegangen bin! Denkst du wirklich es ist mir egal was passiert ist?! Denkst du Blitza war mir egal?!«

Das ganze Center musste mithören können, so laut schrie Volkner Lian an.

»Ich habe mein Pokémon geliebt, das weißt du! Ich wäre in dieser Nacht für Blitza gestorben, aber vor diese Wahl hat mich niemand gestellt! Ich bin fast verrückt geworden, weil ich es nicht finden konnte! Ich habe die Liga um Hilfe gebeten...ich habe regelrecht darum gefleht...«

Volkner hielt sich die Hand vor die Augen, lehnte geknickt an der Wand, sein Atem ging noch immer unregelmäßig, obwohl er keiner körperlichen Anstrengung mehr ausgesetzt war.

»Weißt du wie es sich anfühlt, wenn man einen Lügner genannt wird? Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte Blitza beim Training überbeansprucht, ich hätte seinen Tod selbst zu verschulden!«

»Das würdest du nie tun...«, hauchte Lian leise.

»Ja! Ich habe hart mit ihm trainiert, aber ich bin doch kein scheiß Sadist!«

»Wenn du mir Bescheid gegeben hättest, wäre ich für dich da gewesen! Ich hätte dir den Rücken freigehalten!«

Volkner schüttelte den Kopf.

»Niemand kann mir helfen, Lian! Blitza ist tot...«

»Was?! Was redest du da?! Hast du es gefunden?!«

Der Leiter nahm die Hand von seinen Augen, schob sie nach oben zu seinen Haaren und krallte sich darin fest. Sein Blick war starr, trüb und unsagbar traurig.

»Nein, ich habe es nicht gefunden, aber...ich weiß es. Ich fühle es, es ist nicht mehr am Leben, schon eine ganze Weile...«

»Wie kannst du dir da sicher sein? Sie werden es doch nicht nur gestohlen haben, um es umzubringen!«

»Ich bin mir sicher! Das wärst du auch, wenn es dein Pokémon wäre...du fühlst es. Siegfrieds Glurak ist auch tot, oder?«

Lian nickte schwach.

»Ich denke, dass Blitza dasselbe passiert ist und all den anderen Pokémon auch, ich denke keines von ihnen ist mehr am Leben...«

»Dein Pessimismus passt nicht zu einem Leiter!«

»Du glaubst gar nicht wie scheißegal mir das ist!«

Volkner lachte, weil sich seine Prioritäten in den letzten Monaten so massiv verschoben hatte, dass ihn Lians ungestümer Patriotismus was die Liga betraf, amüsierte.

»Das alles hier, die Orden, die Arena, der Ruhm, nichts davon ist von Bedeutung! Ich war mein Leben lang auf der Jagd nach Erfolg und wohin hat es mich gebracht? Wenn ich mich in der Vergangenheit noch einmal vor die Wahl stellen könnte, würde ich alles hinschmeißen! Ich würde mit meinen Pokémon in die Berge ziehen, irgendwo ein Haus bauen, jung heiraten und Kinder bekommen. Blitza wäre nicht das Opfer dieser Terroristen geworden und ich hätte zur Ruhe kommen können…«

»Du kannst das alles auch jetzt noch haben! Wir finden diese Verbrecher, du bekommst deine Vergeltung und dann kannst du dir dein Haus bauen und deine Kinder machen!«

Volkner lächelte Lians Naivität einfach weg.

»Nein, das kann ich nicht. Meine Arena, ich trage die Verantwortung für sie, ich kann sie nicht einfach so verlassen. Außerdem kennt jeder in dieser Welt mein Gesicht, du kennst die Schattenseiten des Ruhms mittlerweile auch, oder warum bist du sonst nicht in der Lage zu deinen Gefühlen zu stehen? Das alles verändert einen. Wir waren übermotivierte Kinder die einem Traum nachgejagt sind, aus dem wir heute einfach nicht mehr aufwachen können...«

Lian machte ein paar Schritte auf Volkner zu, bis er ihm die Hand auf die Schulter legen konnte.

»Ich wusste nicht, dass du so denkst...«

»Ich auch nicht. Blitzas Tod hat viel verändert.«

»Wir finden die Schuldigen, das schwöre ich dir auf das Leben meiner Pokémon!«

»Das musst du mir nicht schwören! Solange ich atme, werde ich nach diesen Phantome suchen, selbst wenn es wirklich Geister sind und es sechzig Jahre dauert bis ich sie irgendwo ausgrabe!«

Lian lachte, zog seinen Freund von der Wand weg, an der er gekauert hatte.

»Du willst Geister ausgraben?«

Volkner stutzte und musste dann selbst schmunzeln.

»Wenn es sein muss.«

»Und wer vergräbt die Geister?«

»Wahrscheinlich vergraben sie sich selbst, weil sie feige sind!«

»Wir suchen also nach gemeinen, körperlosen Wesen, die sich aus einer Angststörung heraus im Dreck verbuddeln?«

»Ja!«

»Die Schweine finden wir!«

Als das Lachen der beiden verstummte, fühlte sich Lian wieder leichter. Es hatte gut getan, auch wenn es vielleicht unangebracht war.

»Verurteile mich nicht, nur weil ich nicht ständig heule, oder verzweifle. Wenn ich mir nicht ab und zu mal ein Lachen abringe, oder hübschen Mädchen nachschaue, werde ich verrückt. Wenn Jens uns nicht helfen kann, muss ich meine Suche woanders fortsetzen, aber vorerst kann ich nichts anderes tun als abzuwarten und vielleicht diesen Abend mit meinem kleinen Lieblingsrivalen genießen!«

Volkner nahm den zwei Zentimeter kleineren Lian in den Schwitzkasten und rubbelte ihn über die Haare. Er ließ es zu.

»Was schwebt dir vor? Die Stadt ist nachts wie ausgestorben.«

»Ahhh...Teak City ist nicht so verschlafen wie du vielleicht denkst! Du musst nur wissen, an welche Tür du klopfen musst!«

Lian seufzte gespielt genervt und zuckte mit den Schultern.

»Egal an welche Tür du klopfen willst, vorher will ich duschen!«

Volkner nickte.

»Mach das! Darf ich deine Freundin fragen, ob sie uns begleiten möchte?«

»Sie ist nicht meine Freundin!«, fauchte Lian und verschwand im Badezimmer.

»Dann kann ich sie ja fragen, ob sie mich gebleiten will, oder?«

Lian streckte den Kopf nochmal in das kleine Zimmer und funkelte Volkner an, der sich auf das Einzelbett gelegt hatte. Als er kommentarlos die Badezimmertür zuwarf, schüttelte der Arenaleiter den Kopf.

»Was für ein Idiot!«
 

Nea bürstete ihre Haare glatt. Manchmal warfen sie nach dem Waschen weiche Locken an den Spitzen. Sie saß auf dem schmalen Fenstersims und wünschte sich die dicke, graue Wolkendecke weg, die ihr den Blick auf den Sternenhimmel verwehrte. Der Anblick des funkelnden Nachthimmels beruhigte sie immer, sie suchte gerne Ablenkung darin, aber heute Nacht blieb er verborgen.

»Ich weiß nicht ob er will, dass ich bei ihm bleibe...«

Gaurdevoir summte.

»Aber ich denke, dass ich hier sein muss. Ich will es...«

Nea sah auf die Verletzung ihrer Hand, sie war beinahe verheilt.

»Es fühlt sich an wie ein Sturm, irgendwo in weiter Ferne. Alles ist ganz dumpf und unwirklich, viel zu ruhig. Ich habe noch nie so große schwarze Wolken am Himmel gesehen. Ob es wirklich so schlimm wird, wie es sich anfühlt?«

Guardevoir legte den Kopf fragend schief. Es schien die Antwort ebenso wenig zu kennen wie Nea. Sie seufzte.

»Mama hätte damit umgehen können.«

Das Pokémon schwebte ganz nah zu ihr, streichelte ihr über die Hand.

»Nein! Es stimmt...ich bin zu sensibel. Sie hatten Recht, ich bin vielleicht gar nicht geeignet. Dass genau diese stürmischen Zeiten meine sein müssen, macht es nicht leichter...Mama hätte das geschafft.«

Nea sah nochmal hoch in den dunkeln Himmel.

»Aber ich bin gerne bei ihm...sehr gerne.«

Die Röte auf ihren Wangen verschwand sofort wieder, als es plötzlich an der Tür klopfte. Als sie öffnete blickte sie in das schneeweiße Lächeln von Volkner.

»Na?«

Der Arenaleiter lehnte im Türrahmen, seine Stimme machte Nea sofort verlegen. Er hatte eine seltsame Wirkung auf sie, brachte sie schnell aus der Fassung.

»Ich wollte wissen ob du mit mir und Lian ausgehen möchtest. Wir könnten alle ein wenig Spaß gebrauchen.«

»Ausgehen«, wiederholte Nea und musterte den jungen Arenaleiter fragend. Er hatte etwas Leichtfüßiges an sich, eine schöne, helle Aura, obwohl sie so schmerzgetränkt war. Sie freute sich über sein Angebot, auch wenn sie noch nicht wirklich einschätzen konnte, wohin es sie führen würde.

»Ja, bitte!«

Volkner stieß sich vom Türrahmen ab.

»Dann treffen wir uns in zwanzig Minuten vor dem Center. Lian muss sich noch schminken.«

Nea lachte und nickte dann. Die Ablenkung tat auch ihr gut, zumal sie ihre Selbstzweifel sonst aufgefressen hätten.



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