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Destiny

von

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Teak City Teil 2

Volkner und Lian lehnten beide mit verschränken Armen an der Mauer des Centers, als Nea zu ihnen stieß. Sie hatte sich umgezogen, trug eine schwarze, enge Jeans und ein rotes, asiatisches Seidenoberteil das sich schmeichelnd an ihren Oberkörper schmiegte. Die Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden.

»Nett! Sehr nett!«, kommentierte Volkner grinsend, während Lian seinen Blick noch immer schweifen ließ.

»Du sabberst...«, stellte der blonde Arenaleiter scherzhaft fest und stieß Lian unsanft in die Seite. Er reagierte sofort, wollte protestieren, aber Nea war schon viel zu nahe.

»Ich wusste nicht wo ihr hinwollt...ich hoffe das hier ist angemessen...«

Sie hatte wieder diesen unsicheren, schüchternen Ausdruck im Gesicht, der sie so anziehend wirken ließ.

»Ja, das ist sogar ziemlich angemessen!«, erklärte Volkner und signalisierte Nea und Lian ihm zu folgen. Er führte sie tief ins Herz von Teak City, mitten in die Altstadt.

»Das ist nicht dein Ernst, oder?«, wollte Lian wissen, während er vor dem großen, auffälligem Gebäude mit der Neonbeleuchtung inne hielt.

»Doch! Das wird Spaß machen! Außerdem können wir dort etwas essen, ich verhungere sonst!«

Lian sah hinüber zu Nea, die ihrerseits auf eine Reaktion von ihm wartete. Natürlich wusste sie nicht was sie hinter diesen schweren, dunklen Türen erwartete.

»Komm schon Lian! Das ist nur ein Tanztheater! Du siehst mich an, als würde ich euch in einen SM Keller schleppen!«

»Ein Tanztheater?«, wiederholte Nea neugierig und erntete eine nicken von Volkner.

»Ja, Musik, ein paar Frauen und gutes Essen.«

Er hielt Lian und Nea die schwere Holztür auf. Ein süßlicher Geruch drang aus dem Raum ins Freie, rhythmische Bässe hallten in einiger Entfernung. Als Lian sich endlich in Bewegung setzte, fand er Volkners Abendgestaltung noch immer unangemessen, obwohl er selbst schon hier gewesen war. Im Inneren des Gebäudes wurde der Süßholzgeruch intensiver und die Musik lauter - ein beschwingter Rhythmus, der psychedelisch beschwert, eine knisternde Stimmung in den großzügigen Räumlichkeiten verbreitete. Alles war prunkvoll, dunkel, schummrig und doch elegant. Ein breiter Gang, auf dem ein weicher tiefroter Teppich den Weg zu einem Empfangstresen schmückte, führte die Drei bis vor die freundlich lächelnde asiatische Schönheit, die in ihrem dunkelblauem, engen Seidenkleid ein paar makellose, lange Beine präsentierte. Der Schlitz ihres Kleides reichte so weit nach oben, dass man mit ein wenig Phantasie entweder auf das Fehlen, oder aber auch auf das Vorhandensein von hauchdünner, quasi unsichtbarer Unterwäsche schließen konnte. Sie verbeugte sich vor ihren Gästen.

»Willkommen!«

Als sie sich wieder erhob, streifte ihr Blick über die bekannten Gesichter.

»Was für eine Ehre! Darf ich euch einen Tisch anbieten, oder darf es für euch und eure hübsche Begleitung ein Séparée sein?«

»Wir brauchen kein Séparée!«, fauchte Lian etwas ungehalten.

»Ein Tisch irgendwo an der Bühne reicht völlig, wir wollen nur essen und uns ein wenig unterhalten lassen!«, erklärte Volkner in einem so freundlichen, ruhigen Tonfall, dass er Lians Stimmung beinahe relativierte. Das Empfangsmädchen nickte und machte eine einladende Geste.

»Wenn ihr mir folgen wollt…«

Der Raum war beeindruckend, die Beleuchtung stimmungsvoll. Aufwendig gedeckte Tische mit schönen Buketts waren in Richtung der großen Bühne ausgerichtet. Der Boden war aus einem hellen Holz, Bambus, er stand im ausgewogenen Kontrast zu den dunklen Wänden. Die Tische waren gut gefüllt, aber die spärliche Raumbeleuchtung ließ einen die Gesichter der Gäste, bereits aus kurzer Distanz, nur mehr erahnen. Einzig alleine die Mädchen auf der Bühne waren gut ausgeleuchtet. Sie tanzten eine aufwändige. akrobatisch anspruchsvolle Choreographie in schimmernden, enganliegenden Kleidern.

»Ist dieser Tisch in Ordnung?«

Volkner nickte und entlockte dem Empfangsmädchen ein Lächeln.

»Eure Bedienung kommt sofort! Ich wünsche euch einen angenehmen Aufenthalt im Teak City Tanztheater! Ich hoffe ihr seid zufrieden!«

Mit einer unterwürfigen Geste wandte sie sich ab und ging zurück zum Eingang. Volkner rückte Nea den Stuhl zurecht. Ihr Blick ruhte wie gebannt auf den tanzenden Mädchen, die ihre schönen Körper so gekonnt im Rhythmus der Musik bewegten.

»Gefällt es dir hier?«, wollte der junge Leiter wissen und erntete zuerst nur fragende Blicke. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich eine Antwort abringen konnte, weil sie von zu vielen Eindrücken gleichzeitig abgelenkt wurde.

»Ja! Es ist faszinierend, ich war noch nie an so einem Ort.«

»Das hätte ich auch nicht erwartet!«, warf Lian misslaunig ein und versteckte seine Augen hinter der Speisekarte. b

»Es wird dir gefallen und wenn nicht, dann gehen wir, okay?«

Nea nickte vorsichtig, sah verstohlen hinüber zu Lian, dessen Stimmung sie sichtlich verunsicherte. Er war so schwer einzuschätzen, manchmal wünschte sie sich, er wäre ein Pokémon, dann hätte sie besser in ihm lesen können.

»Willkommen bei uns!«, hauchte die Kellnerin, die gerade an den Tisch gekommen war.

»Willkommen, Meister«, tönte es von der anderen Bedienung, die sofort eine tiefe Verbeugung folgen ließ.

Die größere der beiden war blond und wohlproportioniert, während die kleinere, unterwürfige, einen sehr zierlichen Körper und lange dunkelrote Haare hatte.

»Was dürfen wir euch bringen?«

»Habt ihr Wünsche, Meister?«

Volkners Lächeln war noch immer ungetrübt.

»Vielleicht bringt ihr uns fürs Erste einfach eine Flasche Wein – rot, nicht zu schwer. Das Essen bestellen wir anschließend.«

»Gerne!«

»Gerne Meister!«

Als die beiden Mädchen sich abgewandt hatten, trafen Volkner Lians finstere Blicke.

»Was denn? Keine Sorge, das Essen geht auf mich. Ich bin schließlich hier der reiche Perversling!«

»Das kannst du laut sagen!«

»Was denn? Du wirst wahrscheinlich nie wieder in deinem Leben in die Verlegenheit kommen, dass dich jemand Meister nennt, genieß es!«

Volkners bissiger Scherz machte Lians Laune nicht besser. Er fühlte sich unwohl, beobachtet, pervers. Nea wirkte so unschuldig, wie ein Pokémon das zum ersten Mal in einen Kampf geworfen wurde. Sie passte überhaupt nicht an so einen Ort, auch wenn sie ihn völlig wertfrei auf sich wirken ließ. Sie war kein Mensch der andere verurteilte, egal wie befremdlich etwas auf sie wirkte und trotzdem hätte Lian ihr am liebsten die Augen zu gehalten – diese Welt vor ihr versteckt.

»Wo kommst du her?«

Volkners Frage riss Lian aus seinen Gedanken. Er war froh, dass Nea in eine Unterhaltung verstrickt wurde, so hörte sie zumindest damit auf die Tänzerinnen auf der Bühne zu beobachten.

»Ich komme aus Einall...«

»Einall?«, wiederholte Volkner beeindruckt und lehnte sich neugierig über den Tisch.

»Ja, aber aus keiner der großen Städte! Es ist vielmehr ein Dorf im Osten der Region.«

»Warum bist du nach Johto gekommen?«

»Ich wollte eigentlich einen Freund besuchen...«

Volkner sah hinüber zu Lian der aufhorchte, obwohl er Neas Begründung schon kannte. Er hatte nicht weiter nachgefragt, anders als Volkner.

»Deinen Freund? Ich meine, jemanden mit dem du zusammen bist?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Nein! Nur jemand den ich schon sehr lange kenne! Ich wollte ihn um Rat bitten, aber...«

Die beiden Kellnerinnen servierten die Flasche Wein die Volkner bestellt hatte. Während die Blonde die Gläser füllte, kniete sich die Rothaarige zwischen Lian und Volkner.

»Kann ich sonst irgendetwas für euch tun, Meister?«

»Du kannst mir etwas zu Essen bringen!«, erwiderte Lian kühl und verbot sich dem knienden Mädchen in den Ausschnitt zu schauen.

Nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten, verschwanden die beiden wieder, nicht ohne ihre Vorzüge ins rechte Licht zu rücken. Ihr Gang war so ausladend, dass man den Mädchen einfach beim Gehen zusehen musste.

»Ehm...du hast gesagt du kommst aus einem Dort...«, griff Volkner den Faden wieder auf, den er so offensichtlich verloren hatte. Nea nickte und kostete den Wein, der rubinrot im schwachen Licht schimmerte.

»Wie war es dort? Ich meine, gibt es dort viele Trainer? Ist es schön?«

»Ja es ist sehr schön, aber ganz anders als hier...irgendwie...«

Sie schien nach einer passenden Beschreibung zu suchen.

»Es gibt dort keine Restaurants, oder ein Center. Mein Dorf liegt ziemlich versteckt.«

»Das hört sich langweilig an.«

Nea zuckte lächelnd mit den Schultern.

»Langweilig war es nicht, aber ich glaube ich habe viel verpasst. Ich war immer sehr beschäftigt und habe nicht viel von außerhalb mitbekommen.«

»Du bist nicht oft dort rausgekommen, oder?«

»Doch! Ich war schon öfters von zuhause weg, aber meine Kindheit war sehr verplant, ich bin nie wirklich ausgegangen, so wie heute.«

Sie ließ ihren Blick wieder hinüber zur großen Bühne schweifen und lächelte.

»Es ist wirklich unterhaltsam hier!«

Volkner grinste und stieß Lian triumphierend in die Seite.

»Ja! Wenn du noch nicht oft ausgegangen bist, solltest du das nachholen. Du bist jung! Du hast keine Verpflichtungen, du solltest dein Leben genießen dürfen!«

Sie nickte zaghaft, lächelte aber immer noch.

»Wieso war deine Kindheit verplant?«

Lians Stimme zog sofort Neas Aufmerksamkeit auf ihn. Er klang emotionslos, trotzdem flackerte die Neugier in seinen Augen. Diesmal zögerte sie sichtlich bevor sie antwortete.

»Meine Mutter hat mich auf ihren Reisen oft mitgenommen. Sie war immer sehr beschäftigt.«

»War sie eine Forscherin?«, wollte Volkner wissen und löste damit bei Nea eine seltsame Reaktion aus.

»Nein, sie war...so etwas wie...eine Vermittlerin!«

»Eine Vermittlerin?«, wiederholte Lian fragend.

»Ja, es ist schwer zu erklären...«

»Und jetzt gehst du deinen eigenen Weg? Du begleitest deine Mutter nicht mehr?«, fragte Volkner.

Nea nicke schwach, ihr Blick wurde starr.

»Sie lebt nicht mehr, sie ist vor vier Jahren gestorben.«

Lian und Volkner setzen gleichzeitig ihre Gläser ab.

»Das tut mir leid...«, erklärte der Arenaleiter.

»Was ist mit ihr passiert?«, wollte Lian wissen. Ihm fiel erst auf, dass seine Frage vielleicht zu persönlich war, als er sie schon gestellt hatte.

»Sie wurde sehr krank.«

Hinter diesem Satz stand ein so dicker Punkt, dass sofort klar war, dass Nea nicht weiter darauf eingehen wollte. Das Essen kam genau zur rechten Zeit. Während sich die Drei das exquisite Menü schmecken ließen, erzählte Volkner ein paar Geschichten aus seinem Leben als Arenaleiter. Die amüsanten Anekdoten über einige der Trainer die ihn schon herausgefordert hatten, lockerten die Stimmung genauso schnell auf, wie der süffige Wein. Selbst Lians gefrorene Miene zeigte wieder ein paar Regungen.

»...dann kam er in meine Arena, mit drei Rattfratz, einem halbblindem Pummeluff und einem Sonnflora mit einer schweren Identitätskrise! Das Ding hat sich für ein Sandamer gehalten, ich schwöre! Es hat sich eingerollt und ist durch meine Arena gekugelt! Mein Raichu hätte sich vor Lachen beinahe übergeben!«

Nea hörte Volkner gerne zu, er war ein faszinierender Mensch, obwohl man den Schmerz, den er mit seinem Lachen unterdrückte, durch seine Augen funkeln sah.

»Als Leiter erlebt man so einiges, nicht?«

Der Blonde nickte auf ihre Frage hin und wandte sich dann Lian zu.

»Die Liga will dich haben, oder? Als Arenaleiter meine ich. Ich habe so etwas auf der letzten Versammlung durchklingen hören.«

»Ja, sie haben mich gefragt.«

»Und?«

Volkner hätte gar nicht zu fragen brauchen, er kannte Lian, seine Einstellung, seine Träume.

»Das ist nicht mein Weg...«

»Ach, ist dem Herren ein Arenaleiterposten zu minder?«, wollte er in einem gespielt arrogantem Tonfall wissen. Er neckte ihn gerne. Sich gegenseitig auf die Palme zu bringen, war irgendwann zu einem Hobby geworden.

»Ja sicher! Also ich muss mindestens dein Boss werden, sonst bin ich nicht glücklich!«, entgegnete Lian trocken.

»Träum weiter!«

Der Leiter winkte ab und wandte sich wieder Nea zu.

»Sag mal...«

Er schwenkte das Rotweinglas in seiner Hand.

»...ich weiß jetzt, dass du hier nicht deinen Freund besuchen wolltest, aber mit ihm hier abzuhängen ist doch auch nicht das Wahre, oder? Du hast doch zuhause in deinem Dorf bestimmt einen Freund der auf dich wartet und gibst dich nur mit Lian ab, weil du ein fürsorglicher Mensch bist, der sich gerne um egomanische Narzissten kümmert, nicht?«

Nea wurde ein wenig rot und sah hinunter auf ihre Hände.

»Ich...hätte gar keine Zeit für einen Freund gehabt.«

Volkner stutze genauso wie Lian, der sich seine Überraschung nach außen hin weniger anmerken ließ.

»Soll das heißen, du hattest noch nie einen Freund?«

»Ich weiß...ich bin schon fast neunzehn, das ist peinlich, nicht? Irgendwie hat es sich nie ergeben, dass mich jemand gefragt hat.«

Der Arenaleiter brauchte eine paar Sekunden um seine Gedanken zu ordnen.

»Das ist auf keinen Fall peinlich! Das beweist nur, dass dein Dorf dich quasi vor der Welt versteckt haben muss, ansonsten kann ich mir nicht erklären warum du noch...«

Er sprach es nicht aus, aber es wurde ihm in diesem Moment bewusst. Auch Lian verschluckte sich auf Volkners unvollendeten Satz hin an seinem Wein.

»Ich würde schon gerne wissen wie das ist...«, hauchte Nea und lächelte unschuldig.

»...ich habe manchmal Angst, dass ich es verpasse, wenn ich noch länger warte. Dass mich irgendwann niemand mehr haben will, weil alles um mich herum so kompliziert ist...«

Es war der Wein der ihr die Ehrlichkeit aus dem Mund lockte. Nea vertrug eigentlich keinen Alkohol, aber sie wollte nicht unhöflich sein und Volkners Einladung ausschlagen. Der Arenaleiter musste sich auf die Lippen beißen, um nicht ein Angebot auszusprechen, dass einen seiner ältesten und gefühlsbehindertsten Freunde verletzt hätte. Er trat Lian unter dem Tisch in die Kniescheibe. Die einzige Reaktion die er sich abringen konnte, war ein wütendes Schnauben.

»Ich bin mir absolut sicher, es gibt da draußen jemanden für dich, der dir die Angst nehmen kann, dass du etwas verpasst!«

Noch überbetonter hätte Volkner diesen Satz nicht aussprechen können und noch durchdringender hätte er Lian nicht mustern können. Zum Glück hatte Nea noch immer beschämt ihren Blick auf ihre Hände gerichtet. Es war ihr unangenehm was sie gesagt hatte. Sie teilte ihre Ängste und Unsicherheiten nicht gerne, schon gar nicht diese Angst, aber ihre Zunge saß ungewohnt locker.

»Es wäre schön wenn es jemand wäre, bei dem mein Herz ganz schnell schlägt...jemand...«

Sie schien jetzt erst zu begreifen, was sie in begriff war zu sagen.

Als es ihr auffiel, machte sie große Augen.

»Entschuldigt bitte! Wie peinlich!«

Sie stand von ihrem Stuhl auf und neigte entschuldigend den Kopf.

»Ich gehe mir mal kurz die Hände waschen...!«

Nea lief in Richtung der Toiletten, ganz leichtfüßig, so wie sie es immer tat, nur schneller.

»Kann es sein, dass du aus Versehen mit einem Flegmon das Gehirn getauscht hast?!«

Volkners Vorwürfe trafen Lian nicht unerwartet, trotzdem reagierte er beleidigt.

»Was hab ich dir denn getan?!«

»Mir? Gar nichts! Du verhältst dich nur wie der größte Idiot der Welt! Da sitzt ein Mädchen das aussieht, als wäre sie die Schönheitskönigin irgendeiner märchenhaften Elfenwelt und sie erzählt dir, dass sie gerne endlich ihre Unschuld verlieren möchte und du sitzt hier, macht seltsame Geräusche und spielst mit dieser verfluchten Serviette!«

Volkner riss Lian das Stück Papier aus der Hand an dem er schon eine gefühlte Ewigkeit herumzupfte.

»Bist du echt so ein emotionaler Krüppel?! Was ist denn los mit dir?!«

»Das geht dich gar nichts an!«, fauchte Lian und musste sein Herz auffordern nicht mehr so gegen seine Brust zu hämmern.

»Nur weil ich sie nicht vögeln will machst du hier so einen Aufstand?! Ich weiß, dass sie ein nettes Mädchen ist! Aber ich will keine Beziehung, also lass mich in Ruhe!«

»Wow...«

Volkners Verständnislosigkeit schlug in eine bittere Erkenntnis um.

Er wurde viel ruhiger.

»Ich dachte immer du wärst einfach noch zu jung und stur um dich zu verlieben...«

Lian wandte den Blick ab, er wollte nicht hören was sein Freund zu sagen hatte.

»...aber du kannst es nicht mal zulassen, wenn es so offensichtlich ist, dass es schon wehtun muss. Das ist nicht gut...«

Er zeigte noch immer keinerlei Reaktion.

»Kann es sein, dass du die Ängste die du als Kind hattest jetzt...«

»Halt den Mund!«

Das ganze Restaurant richtete den Blick auf Lian. Er war aufgestanden und hatte auf den Tisch geschlagen. Volkner starrte ihn an, während er sich langsam wieder auf den Stuhl sinken ließ. Seine Stimme war jetzt deutlich leiser, aber der bedrohliche Unterton verschwand nicht.

»Es geht dich nichts an! Ich habe zurzeit andere Probleme und du ebenso!«

Nea kam zurück zum Tisch, sah sich unsicher um, weil sie die angespannte Atmosphäre noch deutlich spüren konnte.

»Alles in Ordnung?«, wollte sie leise wissen und wurde von Lians festen Blick getroffen.

»Ja! Setz dich!«

Sie folgte seiner Aufforderung und schluckte schwer.

»Bist du böse auf mich?« Ihre Stimme klang herzzerreißend unsicher. Lian begann monoton den Kopf zu schütteln. Er wollte ihr nicht schon wieder weh tun, ihr irgendetwas an den Kopf werfen, oder daran schuld sein, wenn sie sich schlecht fühlte, aber er schaffte es immer wieder.

Wenn sie ihn so ansah fühlte er sich furchtbar, wenn Volkner ihn damit konfrontierte auch.

»Ich bin dir nicht böse!«

Sie nickte schwach, konnte den halbherzig gesprochenen Worten aber keinen Glauben schenken. Lian hätte sich am liebsten selbst geschlagen, aber er fand einfach keinen anderen Weg damit umzugehen. Er konzentrierte sich wieder auf das, was sie alle hierher geführt hatte und tötete seine seltsamen Gefühle vorerst ab.

»Kannst du die Trainer die dich angegriffen haben beschreiben?«

Der auffallend schnelle Gesprächswechsel beeinflusste sofort die Atmosphäre. Die Musik wirkte mit einem Mal dumpfer, das Gelächter der Gäste ging unter.

»Es waren sechs Männer. Sie trugen die selbe hellgraue Uniform. Von der Statur her, hätten sie Sicherheitspersonal sein können, sie waren alle sehr groß und muskulös. Außerdem haben sie Masken getragen...«

»Masken?«, wiederholte Lian und knirschte mit den Zähnen. Volkners Beschreibungen hatten so präzise begonnen.

»Ja, ich konnte in keines ihrer Gesichter sehen, sie trugen weiße, emotionslose Masken.«

»Haben sie dich zusammengeschlagen, oder wurdest du von ihren Pokémon angegriffen?«

»Sie hatten Stahl Pokémon dabei, ich weiß nicht mehr genau wie viele, aber es waren Stalloss. Ich wurde von Attacken angegriffen, Psycho oder Luft Attacken, ich weiß nicht woher sie kamen, aber sie kamen sehr schnell hintereinander...es müssen viele Pokémon gewesen sein.«

»Pokémon die du nicht gesehen hast?«

»Nein, ich habe kein Psycho- oder Vogelpokémon gesehen. Auch kein gegnerisches Elektropokémon, obwohl wir auch mit Donnerschocks attackiert wurden.«

Volkner drohte tief in seiner Erinnerung zu versinken, sein Schmerz war dabei ihn einzuholen.

»Ich konnte absolut nichts tun...ich wurde so oft angegriffen, dass ich nicht mehr in der Lage war aufzustehen, oder meinen Pokémon Befehle zu erteilen. Sie waren auf sich alleine gestellt...«

»Denkst du deine Pokémon haben vielleicht mehr gesehen?«

Neas Frage ließ ihn aufhorchen, den Kopf schütteln.

»Ich weiß nicht...vielleicht, sie wurden auch schwer verletzt, aber ich kann sie schlecht bitten, mir eine Beschreibung ihrer Erlebnisse zu machen...«

Das Mädchen nickte, schenkte Volkner ein Lächeln.

»Du warst bestimmt sehr stark und mutig, aber manchmal reicht nicht mal Mut und Kraft...«

»Was hätte denn gereicht?«, fragte er tonlos, obwohl er die Antwort eigentlich schon kannte.

»Wahrscheinlich gar nichts...manchmal lassen sich Leid und Tod nicht aufhalten, vom mutigsten Helden nicht.«

»Das klingt doch unfair!«, warf Lian ein.

»Dann lohnt es sich doch für nichts mehr zu kämpfen, wenn man sowieso nichts ausrichten kann! Mit dieser Einstellung würde sich niemand mehr für etwas ins Zeug legen, oder aufopfern.«

Nea senkte den Blick.

»Ja, du hast Recht! Entschuldige bitte...«

Als sie wieder zu ihm aufblickte, hätte Lian die Bewunderung in ihren Augen leuchten sehen können, aber er sah nicht hin.

Als die beiden Kellnerinnen wieder an den Tisch kamen, lenkten sie alle Aufmerksamkeit auf sich.

»War das Essen zu eurer Zufriedenheit?«, wollte das blonde Mädchen wissen,

»Ja, danke, wir haben nichts auszusetzen«, entgegnete Volkner.

»Können wir denn noch etwas für euch tun, Meister?«

»Nein.« Lians Absage ließ das rothaarige Mädchen vor ihm in die Knie gehen.

»Du könntest alles mit mir machen was du möchtest, mein Meister...«, flüsterte sie gespielt schüchtern. Er verfing sich kurz in ihrem Blick, dann seufzte er genervt.

»Können wir jetzt gehen?«

Volkner nickte und bezahlte die Rechnung. Am Empfangstresen wurden sie von der hübschen, jungen Asiatin aufgehalten.

»Danke für euren Besuch! Ich hoffe ihr habt euren Aufenthalt genossen!«

Sie verbeugte sich kurz, ehe sie sich Nea zuwandte.

»Entschuldige bitte, darf ich dir unser Karte mitgeben? Du bist sehr hübsch, du könntest hier als Tänzerin, oder Kellnerin viel Geld verdienen.«

»Ich ehm...ich kann überhaupt nicht tanzen, aber danke!«

Nea wollte höflich den Kopf senken, aber Lian packte sie an der Hand und zog sie in Richtung Ausgang.

»Auf so ein Angebot kann sie verzichten!«, fauchte er und war sichtlich erleichtert, als ihm die kühle, frische Nachtluft entgegenschlug. Er ließ Nea sofort wieder los. Als Volkner zu ihnen aufschloss, strafte er ihn mit vernichtenden Blicken.

»Es tut mir leid, okay?!«, entschuldigte sich der Arenaleiter und wandte sich Nea zu.

»Sorry, vielleicht war hierher zu kommen doch eine dumme Idee.«

Das Mädchen zuckte mit den Schultern und lächelte.

»Schon in Ordnung! Ich fand es nett, danke für die Einladung!«

»Du musst dich nicht bei ihm bedanken! Er hätte aus dir beinahe eine...« Lian stutzte, musste einerseits seine Wut und andererseits sein Entsetzen über die Bilder in seinen Kopf unterdrücken.

»Du hast ja keine Ahnung was die dir angeboten haben!«, rief er schließlich und stutzte, als Nea plötzlich stehenblieb.

»Hältst du mich für so naiv?«, fragte sie leise und schlang die Arme um den Oberkörper, weil es sie fröstelte.

»Denkst du ich weiß nicht, was diese Mädchen tun? Ich habe zwar in einem Dorf, aber nicht hinterm Mond gelebt. Ich weiß sehr wohl, dass sie ihr Geld nicht nur mit Servieren und Tanzen verdienen, aber es ist in Ordnung für mich, solange es für sie in Ordnung ist. Außerdem habe ich auch gesehen, wie du das rothaarige Mädchen angesehen hast. Sie hat dir gefallen, die Art wie sie sich gegeben hat, wirkt anziehen auf dich...aber auch das ist in Ordnung, solange es für dich in Ordnung ist...«

Fassungslos starrte Lian in das hübsche Gesicht von Nea. Volkner stand ebenfalls der Mund offen, er fühlte sich nur bei weitem nicht so ertappt wie sein Freund.

»Ich weiß auch, dass die grünhaarige Trainerin im Center nicht das erste Mädchen war, das sich dir angeboten hat. Es war wie ein Spiel für dich, nichts Ernstes. Nur weil ich keine Erfahrungen damit habe, heißt das nicht, dass ich naiv bin. Ich sehe was in der Welt und um mich herum geschieht, auch wenn ich nicht so extrovertiert bin wie die Frauen die du magst...«

Als Nea wieder schwieg und weiter ging, stieß Volkner Lian in die Seite um ihn von seiner Schockstarre zu erlösen.

»Sag etwas!«, flüsterte er eindringlich.

»Die Rothaarige hat mir nicht gefallen!«

Lians Protest veranlasste Volkner dazu, sich an den Kopf zu greifen.

»Ja, genau so etwas solltest du sagen…«, murmelte er sarkastisch.

»Wenn sie mir gefallen hätte, wäre ich jetzt noch dort! Und entschuldige, dass ich dich von so etwas fernhalten wollte. Ich nahm an, dass ein Bordell kein geeigneter Arbeitsplatz für eine neunzehnjährige Jungfrau ist!«

Nea wurde rot, senkte beschämt den Blick und beschleunigte ihren Gang.

»Ich wollte dort gar nicht hin!«, rief Lian wütend und schloss zu ihr auf.

»Das war alles seine Idee...«

Als er eine Kopfbewegung in Richtung Volkner machte, seufzte der Arenaleiter genervt. Er ließ sich nur kommentarlos die Schuld in die Schuhe schieben, weil Lian ein hoffnungsloser Fall war. Er brauchte mehr als ein bisschen Feinschliff um seine furchtbar stoischen Charaktereigenschaften zum Besseren zu wenden. Dass er sich über die Jahre so festgefahren hatte, war ihm noch nicht vollends bewusst geworden.

»Im Grunde sind wir hier um diese Verbrechen aufzuklären…«, erkläre Lian bockig und schälte sich aus der schwarzen, dünnen Weste die er trug.

»Willst du mir noch immer dabei helfen?«

Er klang mit einem Mal viel leiser, beherrschter. Nea blieb sofort stehen als er sich ihr in den Weg stellte. Sie starrte ihn eine ganze Weile an, rührte sich keinen Zentimeter, als er ihr die Weste um die Schultern legte. In Lians schönem Gesicht lag so viel mehr als er nach außen hin vermuten ließ, Nea wusste das, nicht nur weil ihr Herz so schnell gegen ihre Brust schlug.

»Ja, ich will dir helfen…«, hauchte sie und senkte den Blick bevor sie fortfuhr.

»Es tut mir leid wenn ich dir auf die Nerven gehe, ich wollte mich nicht in deine Privatangelegenheiten einmischen...es geht mich schließlich nichts an.«

Er zuckte mit den Schultern und ging weiter.

»Ich gewöhne mich langsam daran, dass du seltsam bist. Du wolltest dich schließlich auch damals am Dach grillen lassen. Dass du jetzt in Erwägung ziehst die erste jungfräuliche Prostituierte der Welt zu werden, passt doch irgendwie zu einer irren Selbstmörderin.«

Nea lachte.

»Ja und immer wieder musst du dich darum bemühen mich zu retten. Mühsam, oder?«

»Nicht so sehr wie ich vermutet habe. Aber ich lasse dich wissen, wenn du zu anstrengend wirst.«

»Danke.«

Volkner hielt ganz bewusst einen großzügigen Abstand zu den beiden. In diesem Moment keimte in ihm wieder die Hoffnung, dass Lian es vielleicht doch irgendwann auf die Reihe bringen könnte, solange Nea nur starke Nerven bewies. Der Gedanke amüsierte ihn. Als sie am Pokémon Center ankamen, ließ sich der Arenaleiter den Spaß nicht nehmen, Lian ein letztes Mal an diesem Tag auf die Palme zu bringen. Er packte sich Nea und drückte ihr einen langen, genüsslichen gute Nacht Kuss auf, zumal Lian das heute sowieso nicht mehr in Angriff genommen hätte. Als er von dem blonden, zierlichen Mädchen abließ, waren ihre Wangen dunkelrot.

»Geht’s noch?!«, fauchte Lian und wandte sich genervt ab.

»Reg dich nicht auf, war ganz ohne Zunge!«, entgegnete Volkner amüsierte und schenkte der verwirrten Nea ein Lächeln, ehe er Lian aufs Zimmer folgte.

»War doch ein amüsanter Abend, oder?«



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