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Amputiert

CrocodileXDoflamingo
von

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Kapitel 4

Joggen zu gehen war definitiv eine sehr schlechte Idee von ihm gewesen, das musste Crocodile sich im Nachhinein wohl oder übel eingestehen. Inzwischen befand er sich längst wieder in seinem Krankenzimmer und ein paar aufgeregte Sklaven sowie sein Leibarzt schwirrten wie Fliegen um ihn herum. Ein starker Schmerz hatte sich in seinen beiden Beinen ausgebreitet, seine Augen waren müde und sein Herz schien schrecklich zu rasen, obwohl er völlig ruhig in seinem Bett lag. Vielleicht hat Doflamingo doch recht gehabt, dachte Crocodile unwillig und schloss die Augen. Er bemerkte kaum, wie ihm irgendjemand eine Spritze in den rechten Arm gab. Vielleicht habe ich mich doch überanstrengt. Sir Crocodile war stolz, doch weiß Gott nicht dumm. Diese Einsicht gefiel ihm nicht, doch er akzeptierte sie. Er spielte sogar mit dem demütigen Gedanken, sich bei Doflamingo für sein dummes Verhalten zu entschuldigen.

Plötzlich fühlte Crocodile sich sehr erschöpft und spürte, wie er zunehmend müder wurde. Entschuldigung hin oder her, dachte er und eine kleine Welle Ärger schwappte durch seinen Körper, während er in einen traumlosen Schlaf abdriftete, er würde Doflamingo auf jeden Fall mitteilen müssen, dass der Arzt sparsamer mit seinen Schlaf- und Beruhigungsmitteln umgehen sollte.
 

Crocodile verbrachte die nächsten Tage ausschließlich im Bett, weil der Arzt der Meinung war, dass er sein Glück lieber nicht noch einmal herausfordern sollte. Crocodile gefiel die Vorstellung, erneut so viele Stunden nur mit dem Lesen von Romanen und Zeitungen ausfüllen zu müssen, überhaupt nicht, doch dieses Mal handelte er ein wenig vernünftiger und fügte sich relativ widerstandslos in sein Schicksal. Was ihn allerdings sehr wurmte, war die Tatsache, dass Doflamingo ihn nicht besuchte. Nicht am ersten Tag, nicht am zweiten Tag und auch nicht am dritten. Bestimmt ist er wütend, schoss es Crocodile durch den Kopf, während er die Tageszeitung durchblätterte. Er ist beleidigt und erwartet von mir, dass ich ihn um Verzeihung bitte.

Crocodile seufzte und wandte den Blick von der Tageszeitung ab, sah stattdessen zu dem großen Erkerfenster zu seiner Linken (wenn er denn eine gehabt hätte) hinüber und verlor sich ein wenig in dem kleinen Stück blauen Himmel, das ihm erlaubt war zu sehen. Er sollte sich wirklich bei Doflamingo entschuldigen. Schließlich hatte sein Partner ihn nicht ärgern wollen, sondern sich nur Sorgen um ihn gemacht. Und zwar absolut berechtigte Sorgen, wie er nun festgestellt hatte.

Crocodile war stolz. Er entschuldigte sich nicht gerne. Weder bei Doflamingo noch bei sonst irgendjemanden. Nach einigem Hin und Her beschloss er schließlich, noch ein paar Tage abzuwarten und zu schauen, ob sich die Sache nicht irgendwie von selbst regelte. Ansonsten würde er für Doflamingo eben einmal seinen Stolz zur Seite schieben müssen und sich kurzerhand entschuldigen.
 

Am nächsten Tag, gleich nach dem Frühstück (er wurde von einem jungen Sklavenmädchen gefüttert), erkundigte Crocodile sich nach Doflamingo. Zu seinem Leidwesen allerdings waren die Informationen, die er erhielt, äußerst dürftig.

"Der junge Lord ist zur Zeit sehr beschäftigt", erklärte ihm ein Bediensteter, "er telefoniert sehr viel und erledigt wichtige Angelegenheiten."

"Und wie ist es mit seiner Laune?", hakte Crocodile darum aufgeregt nach. "Ist er vielleicht wütend oder so etwas?"

Der junge Mann zuckte irritiert mit den Schultern. "Verzeiht, Sir Crocodile", meinte er schließlich, "aber ich halte mich selbst nicht für weise genug, um die komplexen Gefühle und Gedankengänge des jungen Lords auch nur ansatzweise deuten zu können."

Diese Aussage verärgerte Crocodile sehr und er kreuzte aus einer alten Gewohnheit heraus die Arme vor der Brust zusammen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie lächerlich diese Geste ohne Hände wirkte. "Stell dich nicht dümmer als du bist!", giftete er den demütigen Bediensteten an. "Du musst doch ungefähr wissen, was für Laune er hat! Ist er fröhlich, wütend, gereizt...? Jetzt rück schon raus mit der Sprache oder du wirst es bereuen!"

Seine Stimme, die zum Ende hin immer lauter geworden war, machte Eindruck auf den jungen Mann, der nach einem kurzen Moment des Stillschweigens endlich stotternd verlauten ließ: "Nun, auf mich persönlich, Sir Crocodile, aber das ist wirklich bloß eine ganz subjektive Einordnung von einem Nichtsnutz wie mir, also bitte verlassen Sie sich nicht auf meine Aussage... auf mich jedenfalls wirkt der junge Lord in letzter Zeit auf eine seltsame Art und Weise ... verzweifelt."

Sir Crocodile hob verwundert eine Augenbraue. Er hatte mit vielem gerechnet, doch nicht damit. Er kannte Doflamingo als einen stolzen, klugen, mächtigen und aus sicherer Distanz stets amüsierten Menschen. Ihm wäre niemand eingefallen, auf den das Wort "verzweifelt" weniger gepasst hätte als Donquixote Doflamingo. "Wie meinst du das?", fragte er darum den jungen Bediensteten.

Der zuckte ängstlich mit den Schultern. Schweiß stand ihm bereits auf der Stirn; verständlicherweise schien ihm die Situation, in der er sich gerade befand, extrem unangenehm zu sein. Dennoch gestand er gehorsam Rede und Antwort: "Nun, wie Sie es bereits angedeutet haben, Sir Crocodile, wirkt der junge Lord in letzter Zeit recht reizbar und angespannt. Er hat bereits fünf Sklaven aus bloßer Launenhaftigkeit heraus getötet. Den Grund kenne ich nicht. Doch seine Laune wird mit jedem Tag schlechter. Es scheint, als würde ihn irgendetwas ganz furchtbar in den Wahnsinn treiben, ohne dass er etwas dagegen tun könnte. Oh, bitte verzeiht mit meine vorlauten Worte, Sir Crocodile, ich bin nur ein wertloser Sklave..."

"Jaja, ist ja schon gut", unterbrach Crocodile unwirsch das Geplappere des jungen Bediensteten und entließ ihm mit einer kurzen Handbewegung (nun, genau genommen schwenkte er bloß seinen rechten Armstumpf ein wenig, doch der Sklave schien zu verstehen, was er damit sagen wollte und machte sich geschwindt aus dem Staub).

Doflamingo war also angespannt, gereizt ... verzweifelt. Crocodile seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Es nützt alles nichts, dachte er, ich muss mich bei ihm entschuldigen. Am besten ist es, wenn ich noch ein paar Tage warte, damit er Zeit genug hat, um sich zu beruhigen. Und dann biete ich ihm am späten Abend einen romantischen Spaziergang an und werde mich bei ihm entschuldigen. Und weil ihm dieser Gedanke, jemand Anderen um Verzeihung zu bitten, so schrecklich unangenehm war, fügte er noch hinzu: Und damit hat es sich dann auch für die nächste Zeit, was blöde Entschuldigungen angeht.
 

An besagtem Abend bemühte Crocodile sich darum, so gut auszusehen wie nur möglich. Er hatte Doflamingo nun schon seit fast einer Woche nicht mehr gesehen, weil dieser den Kontakt mit ihm mied, und er wollte einen guten Eindruck machen. Er badete ausgiebig und ließ sich von einem Sklavenmädchen die Haare waschen. Außerdem ließ er sich die Fußnägel schneiden, seine Augenbrauen zupfen und einen Teil seiner Körperbehaarung wachsen. Das war zwar deutlich schmerzhafter als eine Rasur es gewesen wäre, doch dafür hielt das Ergebnis deutlich länger vor, was für Crocodile das entscheidende Kriterium gewesen war. Er zeigte sich nicht gerne nackt vor anderen Menschen (außer Doflamingo). Dass er sich für das Wachsen hatte überwinden müssen, war eben ein notwendiges Übel gewesen, das er für eine kleine Aufwertung seines Äußeren gerne in Kauf nahm. Anders als sonst trug er auch nicht seine bequeme Kleidung, die für einen langen Aufenthalt im Bett gut geeignet war, sondern dunkle Unterwäsche, ein grünes Hemd und eine schwarze Hose mit Gürtel.

Als er nach der langen Prozedur schließlich in den Spiegel sah, war er fast schon der Meinung, dass er gut aussah. Wenn nicht beide Hände und der dicke Mantel, auf den er verzichtet hatte, gefehlt hätten, hätte man ihn fast schon für den Alten halten können. Er war noch immer sehr bleich, doch weil er früher schon stets sehr blass gewesen war, fiel diese Tatsache nicht weiter auf.

Zum ersten Mal seit langem zierte ein leichtes Grinsen Crocodiles Lippen. Vielleicht würde Doflamingo sich nach seiner Entschuldigung auch noch zu anderen Dingen hinreißen lassen. Doflamingo liebte Versöhnungssex. Vielleicht hatte Sir Crocodile heute Abend endlich die Gelegenheit, um alles wieder richtig zu stellen. Damit diese elende Hölle endlich ein Ende hatte und alles wieder so wurde wie früher.
 

Es dauerte ein paar Minuten, seine nervigen Leibsklaven abzuwimmeln. Vor allen Dingen seit seiner wahnwitzigen Idee, joggen zu gehen, wurde er ungern aus den Augen gelassen. Einige Diskussionen und Drohungen später jedoch war auch dieses Problem aus der Welt geschafft und Crocodile machte sich auf den Weg zu Doflamingos Schlafzimmer. Es war bereits dunkel draußen und außerdem hatte ihm einer der Sklaven mitgeteilt, dass Doflamingo sich aktuell dort aufhielt. Auf leisen Sohlen also -um sein Kommen nicht anzukündigen und auf diese Weise die Überraschung kaputt zu machen- schlich er sich ein Stockwerk höher bis zu Doflamingos privaten Räumen. Dort öffnete er mithilfe eines Armstumpfes leise und vorsichtig die geschlossene Türe einen kleinen Spalt weit - und erstarrte vor Entsetzen bei dem Anblick, der sich ihm bot.

Sir Crocodile fühlte sich, als hätte ihm irgendjemand mit einer verdammt harten Faust in den Magen geboxt. Sein erster Reflex bestand darin zu schreien und zu heulen, doch in seinen Lungen war dafür keine Luft und -was noch viel wichtiger war- er war Sir Crocodile. Und Sir Crocodile, ehemaliger Shichibukai, ehemaliger Mister Zero, gefürchteter Pirat, schrie nicht und heulte auch nicht. Ganz gleich in welcher Situation. Stattdessen blieb er für vielleicht eine halbe Minute still stehen und sah dabei zu, wie Doflamingo es mit einem jungen Sklaven trieb.

Der junge Mann befand sich auf allen Vieren und stöhnte leise, während Doflamingo von hinten immer wieder hart und schnell in ihn eindrang. Crocodile hörte, wie erhitzte Haut aufeinanderschlug und atmete den süßlichen Geruch von Schweiß und Gleitmittel ein. Er sah die beiden nackten, hübsch gebräunten Körper und ihm wurde schlecht bei diesem Anblick.

Doflamingo bemerkte ihn nicht einmal. Eigentlich müsste er sich jetzt zu mir umdrehen, dachte Crocodile in einem Hauch von Wahnsinn und Wut, so wie es immer in den Romanen steht, die ich andauernd lese. Er dreht sich gleich um und sieht mich hier im Türrahmen stehen. Dann erstarrt sein Gesichtsausdruck, er wendet sich hektisch vom Jungen ab und er wird sagen: "Es ist nicht so wie du denkst, Crocodile!"

Doch Doflamingo drehte sich nicht zu ihm. Crocodile wusste nicht einmal, ob er seine Augen überhaupt geöffnet oder geschlossen hatte, da sie wie üblich von den getönten Gläsern seiner Sonnenbrille verdeckt wurden. Beim Sex mit mir hat er seine beschissene Brille immer abgenommen, schoss es Crocodile völlig zusammenhanglos durch den Kopf. Doflamingo sah ihn überhaupt nicht und Crocodile schloss die Türe ebenso leise und unbemerkt, wie er sie geöffnet hatte.
 

Mit einem seltsam tauben Gefühl in Kopf und Bauch machte sich Crocodile rasch auf den Weg zurück ins sein eigenes Zimmer. Die Sklaven, die für ihn zuständig waren, schienen sehr froh darüber zu sein, ihn wiederzusehen, doch darum kümmerte Crocodile sich nicht sonderlich. Komplett angekleidet legte er sich auf sein Bett und starrte zur weißen Decke des Zimmers. Sir Crocodile war ein erfahrener Pirat, der in seinem Leben bereits vieles gesehen hatte, und er wusste, wie sich ein Schock anfühlte.

Er hatte einfach nicht damit gerechnet, dass Doflamingo mit einem anderen Mann schlafen würde. Crocodile war kein Traumtänzer. Er wusste, dass ihre seltsame Beziehung häufig eine Fernbeziehung war und er wusste auch, dass Doflamingo mit anderen Männern (und gelegentlich Frauen) schlief. Doch es war immer eine Art unausgesprochene Regel gewesen, dass sie nur miteinander schliefen, wenn der Andere da war. Crocodile hatte niemals zuvor miterlebt, dass Doflamingo auch nur mit einer anderen Person geflirtet hatte, während er anwesend war. Früher war der Shichibukai absolut verrückt nach ihm gewesen und hatte ihm jedem anderen möglichen Sexualpartner vorgezogen. Manchmal hatte er ganze Stunden damit zugebracht, ihn zu verführen. Und nun war die Situation plötzlich völlig umgekehrt: Crocodile sehnte sich nach Sex und Berührungen, er wollte Doflamingo eine Freude machen ... und erwischte ihn in flagranti mit einem seiner Sklaven im Bett. Warum nur?

Crocodile schloss seine Augen und legte sich auf die Seite. Doflamingos Verhalten bestätigte seine Theorie doch eigentlich bloß, oder nicht? Sein Partner fand ihn unattraktiv. Ihm fehlten beide Hände, er war leichenblass, hatte Muskeln abgebaut. Und seine Ausdauer war auch gänzlich verloren gegangen, wie sein Versuch sportlicher Betätigung vor einer Woche deutlich gezeigt hatte. Wie sollte er da Doflamingo auch befriedigen können?

Ein stechender Schmerz zog sich durch Crocodiles Herz. Diese Redewendung klang kitschig; sie hätte aus einem der Romane stammen können, die er in den letzten Tagen gelesen hatte. Doch nun fühlte Crocodile tatsächlich einen überaus realen Schmerz in seiner Brust. Es war seine Schuld, dass Doflamingo so etwas tat.

Wahrscheinlich hielt er ihn bloß noch aus Mitleid und um alter Zeiten willen noch am Leben und versorgte ihn. Darum hatte er auch in letzter Zeit den Kontakt mit Crocodile gemieden: Er war es satt, jedes Mal ein aufmunterndes Lächeln aufzusetzen, wenn er ihn sah. Er war es satt, ihn zu füttern und an seinem Bett zu sitzen, ihm Geschichten zu erzählen.

Normalerweise wäre Sir Crocodile niemals so sehr in Selbstmitleid versunken, wie er es jetzt gerade tat. Doch normalerweise war er auch nicht ans Bett gefesselt und hatte keine Hände mehr. Crocodile hatte das Gefühl, dass sein altes Leben, das aus seiner Beziehung zu Doflamingo, Kämpfen mit anderen Piraten, der Verfolgung von hochrangigen Zielen, bestanden hatte, wie ein Haufen Scherben vor seinen Füßen lag. Er hatte endgültig aufgegeben.

Alles, was sein Leben früher einmal wertvoll gemacht hatte, war verloren. Er hatte seine Stellung als Shichibukai verloren. Sein Piratenleben war beendet. Er konnte kaum ein paar Schritte laufen, ohne zusammenzuklappen und musste gefüttert werden wie ein Kind. Und nun war ihm auch noch Doflamingo fremdgegangen.

Was war dieses Leben eigentlich noch wert?

Er wusste die Antwort auf diese Frage ganz genau.

Mit diesen ernüchternden Gedanken im Kopf wurde Crocodile irgendwann vom Schlaf übermannt.
 

Am nächsten Morgen erwartete Crocodile bereits gleich nach seinem Erwachen eine weitere Überraschung: Doflamingo saß auf einem gepolsterten Hocker neben seinem Bett und lächelte ihn freundlich an, während Crocodile wiederum sich völlig verwirrt umsah. In seinen Händen hielt Doflamingo ein Frühstückstablett, das er vorsichtig auf das Bett abstellte.

"Hast du gut geschlafen?"

"Ich..." Crocodile stockte. "Ja, habe ich." War das hier ein Traum? Ihm kam diese Unterhaltung mit Doflamingo gerade unglaublich unwirklich vor. Vor allen Dingen nachdem, was er gestern Nacht mitbekommen hatte. Oder war gerade das bloß ein böser Traum gewesen? Crocodile fühlte sich überfordert.

"Warum trägst du denn Schuhe und Gürtel im Bett?" Verwundert musterte Doflamingo Crocodiles Kleidung, die dieser durch das Zurseiteschieben seiner Bettdecke preisgab. Was sollte er auf diese Frage antworten? Es war irrational und ungerecht, doch auf eine seltsame Art und Weise schämte Crocodile sich dafür, dass er Doflamingo gestern in flagranti erwischt hatte. Darum meinte er hastig: "Ähm, ich habe gestern Abend noch einen Spaziergang im Garten gemacht und war dann so erschöpft, dass ich sofort eingeschlafen bin."

"Achso." Doflamingo zuckte mit den Schultern. Dann sagte er: "Aber achte darauf, dass du dich nicht wieder so überanstrengst wie das letzte Mal. Ich will dich nicht vom Boden kratzen müssen. Fufufufufu." Doflamingo lachte leise und für ein paar Sekunden fühlte Crocodile sich so, als wäre die ganze Welt wieder in Ordnung. In letzter Zeit hatte Doflamingo kaum gelacht. Auch ihn nahm die Situation, in der Crocodile sich gerade befand, sehr mit.

"Wie kommt es, dass du mich wieder an meinem Krankenbett besuchst? Bist du nicht mehr wütend auf mich?"

Doflamingos Lachen verstummte. "Ich war nie wirklich wütend auf dich. Es gab ... andere Gründe, weshalb ich dich nicht sehen wollte. Ich möchte mich auch bei dir entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich dich in letzter Zeit mit meiner Besorgtheit so bedrängt habe. Ich habe eben große Angst um deine Gesundheit. Bei dem Gedanken daran, dass du wieder ins Koma fallen könntest, wird mir ganz schlecht. Aber ich bemühe mich trotzdem darum, dich weniger zu nerven. Wieder vertragen?"

"Ähm, ja, wieder vertragen." Die Worte kamen Crocodile über die Lippen, ohne, dass er sie hätte aufhalten können.

Er kam sich vor wie in einer falschen Wirklichkeit: Gestern Nacht noch schlief Doflamingo vor seinen Augen mit irgendeinem Sklaven und heute bereitete er ihm sein Frühstück zu und entschuldigte sich bei ihm für seine Ignoranz. Crocodile wusste nicht, was er sagen oder tun sollte.

"Was hältst du davon, wenn wir uns nach dem Frühstück ein bisschen nach draußen in den Garten setzen? Ich habe für heute Mittag all meine Telefongespräche verschoben, damit wir wieder ein bisschen mehr Zeit füreinander haben. Ich hoffe, du freust dich. Fufufufu."

Crocodile nickte. Seine Zunge schien zu Stein geworden zu sein, genauso wie sein Verstand.
 

Ganz gleich wie verwirrt oder verraten Crocodile sich fühlte und ganz gleich wie sehr er sich dafür schämte - er freute sich darüber, Zeit mit Doflamingo zu verbringen. Er hatte beinahe die ganze letzte Woche allein in seinem Bett gelegen und versucht, auf irgendeine Weise die Zeit totzuschlagen. Es tat gut, wieder Kontakt mit einem anderen Menschen zu haben und sich mit ihm zu unterhalten. Sie saßen auf gepolsterten Stühlen im Garten und die Sonne schien Crocodile ins Gesicht. Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er tief Luft holte und den Geruch von warmen Wind und Blumen einatmete.

"Es freut mich, dass du wieder lächeln kannst, fufufu", kommentierte Doflamingo sein Verhalten. Crocodile zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht, was er hierauf hätte antworten sollen.

"Wie sieht es mit meiner Prothese aus?", fragte er, um das Thema zu wechseln. Diese Frage hatte ihn schon länger beschäftigt. Es waren nun schon ein paar Wochen vergangen, seitdem Doflamingo ihm zum ersten Mal von diesem Projekt erzählt hatte und insgeheim hatte Crocodile die Hoffnung gehegt, dass sie vielleicht demnächst schon fertig sein würde. Und er endlich aus diesem verdammten Alptraum entkommen könnte.

Doflamingo allerdings seufzte leise. "Meine Wissenschaftler arbeiten Tag und Nacht daran. Ich halte ständig telefonischen Kontakt zu ihnen und informiere mich über die Ergebnisse. Es sind bereits eine Menge Fortschritte gemacht worden, doch ich will dich nicht anlügen: Es wird wohl noch eine ganze Weile dauern bis die Prothese so weit fertiggestellt ist, dass du sie verwenden kannst. Mindestens vier oder fünf weitere Monate."

"Oh." Erneut fühlte Crocodile wie alle Luft aus seinen Lungen wich, als hätte ihn jemand schwer in den Magen geboxt. In seinem Hals bildete sich ein dicker Kloß. Doflamingos Fremdgehen schien also nicht der einzige Rückschlag zu sein, den er hinnehmen musste.

Sie saßen zu zweit noch für ein paar Stunden draußen im Garten der Villa und unterhielten sich über alle möglich Themen, ehe Doflamingo sich schließlich entschuldigte mit der Begründung, er hätte wichtige Geschäfte zu erledigen, die er nicht weiter aufschieben könnte. Als er ihn zum Abschied auf den Mund küssen wollte, ließ Crocodile den Kuss zu, doch innerlich fühlte er sich, als wäre er ausgebrannt.
 

Ein paar Sklaven führten ihn zurück in sein Krankenzimmer. Crocodile hielt sich nicht gerne dort auf. Er verband dieses Ort lediglich mit Schmerz und unendlicher Langeweile. Viel lieber wäre er noch ein wenig draußen im Garten sitzen geblieben, doch er wusste, dass er sich von dem Ausflug erholen und ein wenig in seinem Bett liegen bleiben musste. Ein Sklavenmädchen brachte ihm seine Tabletten, die er ohne Wasser hinunterschluckte.

Plötzlich überrollte Crocodile eine Welle von verschiedenen Gefühlen und Gedanken.

Jetzt auf einmal fühlte er wieder ganz deutlich, wie sehr ihn Doflamingos Verhalten verletzte. Wieso hatte er ihn nicht darauf angesprochen? Wieso hatte er ihn nicht angeschrieen und sich von ihm getrennt? Crocodile war kein Mensch, mit dem man tun und lassen konnte, was man wollte! Er war ein stolzer und erbarmungsloser Pirat!

Obwohl... eigentlich stimmte das gar nicht mehr, oder? Crocodile schloss seine Augen für einen Moment. Er war kein Pirat mehr. Und stolz und erbarmungslos auch nicht. Das wurde allein schon dadurch bewiesen, dass er Doflamingos Fremdgehen einfach wortlos hingenommen hatte. Er war nicht mehr der Alte. Früher wäre er vor Eifersucht komplett ausgerastet und hätte Messer nach Doflamingo geworfen. Doch das konnte er sich jetzt nicht mehr leisten.

Er war von Doflamingo abhängig. Er allein entschied darüber, ob seine Prothese fertig gestellt werden würde oder nicht. Er allein entschied über Crocodiles Leben. Wenn er wollte, könnte er ihn noch diese Nacht völlig problemlos umbringen. Doflamingo würde es nicht einmal selbst tun müssen. Crocodile spürte, wie Wut wie eine heiße Suppe durch seinen Körper floss, als er an das Sklavenmädchen mit der einzelnen Spritze zurückdachte. Und dann übermannte ihn plötzlich eine ernüchternde Erkenntnis: Ich bin Doflamingo völlig ausgeliefert.

Sein Partner konnte schlafen mit wem auch immer er wollte. Crocodile konnte ihn nicht daran hindern. Diese Feststellung frustrierte Crocodile. Ich kann ihn von rein gar nichts abhalten, dachte er.

Aber das bedeutet noch lange nicht, dass er mich von allem abhalten kann. Crocodile atmete tief ein und aus. Er fühlte sich müde und erschöpft. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er eingeschlafen war. Ich könnte ihn auch betrügen, wenn ich will, dachte Crocodile und gähnte leise.

Oder ich könnte mich umbringen.

Der Gedanke war mit einem Mal einfach da. Crocodile wusste nicht recht, woher er kam. Doch ehe er ihn weiterführen konnte, war er schon eingeschlafen.
 

bye

sb


Nachwort zu diesem Kapitel:
Hallo liebe Leute :)
Bitte verzeiht mir, dass das vierte Kapitel von "Amputiert" so lange auf sich warten gelassen hat, aber ich hatte mit der Uni einfach total viel zu tun. Ich werde mich darum bemühen, das nächste Kapitel möglicht schnell hochzuladen ;)
Über Kritik freue ich mich natürlich immer sehr! Bitte nehmt kein Blatt vor den Mund ;)

bye
sb Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Tacita
2013-06-29T23:04:40+00:00 30.06.2013 01:04
So das ist die letzte die ich bis jetzt gelesen habe. Und ich sag gleich als erstes: Hoffentlich geht sie bald weiter. XD
Damit ich noch viiiiiiel mehr von dir zum lesen bekomme.
Ich finde es krass wie … ja gut Crocodile das bis jetzt alles verkraftet hat. Denn auch wenn er eine künstliche Hand in Aussicht wäre ich glaube ich nicht so gefasst wie er. Crocodile macht das ganz cool. Auch wenn mir sein letzter Gedanke vor dem einschlafen mit dem Selbstmord überhaupt nicht gefällt. Mensch er muss doch sehen das Doflamingo sich FÜR IHN zurückhalten MUSS. Er klappt ja schon fast von Drei Meter Joggen wieder aus den Latschen, wie soll den erst S** mit ihm aussehen, was garantiert noch anstrengender ist als Joggen. Und wahrscheinlich sind die Sklaven auch deswegen gestorben. Irgendwo muss er ja mal seinen Frust loswerden. Er will ja nicht das Crocodile wieder ins Koma stürzt oder vielleicht auch doch noch stirbt. Kann er vielleicht nicht mal auf solche Gedanken kommen? Er liest die falschen Romane das kommt bestimmt deswegen das er so komisch denkt. XD
Auf jeden fall ist Don auch hier wieder eine ausgezeichnete Krankenschwester. Der hat eindeutig seinen Beruf verfehlt indem er Pirat geworden ist. Aber Krankenschwester klappt glaube ich immer bloß so gut wenn Wani der Patient ist. ;)
Es ist wieder eine tolle Idee und ich bin gespannt wie du sie weiter führst.
Antwort von:  kleines-sama
01.07.2013 17:45
Wow, vielen Dank für deinen super klasse Kommentar! Ich freue mich total, einen so begeisterten Leser zu haben!!! :D
Und ja, ich denke, ich kann verraten, dass du durchaus auf der richtigen Spur bist, was Doflamingos ablehnende Verhalten gegenüber Crocodile angeht. Nur Croco selbst scheint das irgendwie nicht begreifen wollen. (Vill. ist er schon zu deprimiert, um überhaupt an irgendeine andere Möglichkeit als den worst case zu denken :p)
Trotzdem hat sich Croco bisher recht cool gehalten, da stimme ich dir zu, aber er ist schließlich ja auch kein Schwächling ;) (oder?)
Wie da mit ihm und Doflamingo, dem Sex und den Selbstmordgedanken weitergeht, sieht du ja dann im nächsten Kapitel ^^ (Es wartet schon auf Freischaltung)
Noch einmal vielen lieben Dank für den tollen Kommi, das hat mir wirklich sehr weitergeholfen! :)

bye
sb
Von:  Lillunija
2013-06-14T13:30:56+00:00 14.06.2013 15:30
Harte Fakten. Das Frustföglein stellte Croco ein Bein. Was sich Federvie Doflamingo zu nutzen machte.
Irgend wie tut mir die wandelnde Krokotasche leid.
Verzeih bitte das ich die beiden so nenne. Die beiden sind mir einfach unsympathisch. Was ich von deiner Geschichte nicht sagen kann ^^.
Antwort von:  kleines-sama
14.06.2013 21:53
Danke für deinen Kommi! Es freut mich sehr, dass meine Ff dir nicht unsympathisch ist ;) Dass Croco dir leid tut, kann ich gut verstehen ;) Ob es ihm demnächst wieder besser oder vill. sogar noch schlechter ergehen wird, erfährst du ja dann im nächsten Kapitel ;)

bye
sb
Antwort von:  Lillunija
14.06.2013 22:16
Ich freu mich schon darauf ^^


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