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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 3 - Respekt zollen

Tancrèd

Die Nachricht von Cromwells Festnahme und seiner Verbringung in den Tower, gepaart mit der Ankündigung seiner Hinrichtung, erreichte Gravesend noch am Abend des gleichen Tages und zwar überbracht von Thomas Howard persönlich. Der Mann, der diese Flotte überhaupt erst aus dem Boden gestampft hatte, war ganz aus dem Häuschen gewesen, als er den Kapitänen die Nachricht überbrachte. Die Frage nach dem Warum beantwortete Thomas nur damit, dass Cromwell wohl versucht habe, des Königs Heerführer für sich unschädlich zu machen. Einige Stunden später waren die Geschichten in den Schenken so ausgereift, dass es sich beinahe gelohnt hätte, ein Buch darüber zu schreiben.

Der Plan der Sforzabrüder war also aufgegangen... Tancred hatte sich in sein Zimmer in einem Gasthaus zurückgezogen. Sein Schiff lag östlich von Gravesend an Land, der frisch geteerte Rumpf musste noch trocknen, weswegen die Männer das Quartier gewechselt hatten. Er hatte vehement darauf bestehen müssen, mit der Raashno auszulaufen, da Howard jetzt mehr denn je darauf beharrte, dass es gefährlich war, in feindliche Gwässer einzudringen. Doch der Franzose war hartnäckig geblieben und hatte damit argumentiert, dass er offiziell gar kein Mitglied der englischen Marine war. Dem hatte Howard nichts entgegenzusetzen gehabt und so behielt Tancred den Termin bei, der eine ganze Schiffsladung voller Möbel nach Italien bringen würde... und vielleicht auch den Kardinal und seine Begleitung. Über Alessandros Gesundheitszustand wusste Tancred nach wie vor nichts. Man hatte ihm gesagt, dass er eine Nachricht diesbezüglich erhalten würde, doch die würde sicher noch auf sich warten lassen und so rechnete er nicht vor dem nächsten Morgen mit einem Boten.

Er behielt tatsächlich Recht. Als er am nächsten Morgen beim Frühstück im Gasthaus saß, kam ein nur allzu bekannter Herr zur Tür herein. Es war niemand geringerer als Amadeo selbst, der ihm auch die zweite Botschaft des Kardinals persönlich überreichte. Es sagte viel über diesen Mann aus, der sich jetzt ihm gegenüber auf den Stuhl fallen ließ und einen Krug Wasser herunterspülte. Im Brief selbst fand Tancred nur wenige Zeilen, die für einen unwissenden Mann kaum Sinn ergeben konnten:

Verehrter Monsieur de Nerac,

wir sind froh, dass sie unserem Auftrag zugestimmt haben, und schicken ihnen in den nächsten Tagen unsere Waren zu. Um die Zahlung abzuwickeln, würden wir Sie gerne in drei Tagen zur frühen Morgenstunde am vereinbarten Treffpunkt begrüßen. Gehabt euch wohl bis dahin.

Unterschrieben war der Brief nicht, doch Tancred nahm an, dass der Brief von Alessandro oder Dominico stammte. Der vereinbarte Treffpunkt war das Anwesen Sforza, auch wenn es hier nicht genannt worden war. Tancrèd nahm an, dass ihm der genauere Zeitpunkt gleich von Amadeo mitgeteilt werden würde. Er steckte den Brief in die Innentasche seiner Jacke und sah sein Gegenüber dann kurz an. "Es geht ihm also gut?", fragte er knapp nach und erntete ein Nicken von dem insgesamt sehr schweigsamen Mann. "Ich würde mir das Schauspiel ja wirklich gerne ansehen... die Hinrichtung meine ich. Aber ich fürchte, zu diesem Zeitpunkt werden wir bereits auslaufen." Amadeo nickte erneut und Tancred steckte sich den Rest seines Brotes in den Mund. "Ich reite mit euch nach London. Ich habe noch etwas zu erledigen, bevor wir auslaufen." Erneut ein Nicken. Wie konnte man mit diesem Kerl nur leben? Doch dann dämmerte ihm plötzlich, warum Amadeo sich bemühte, nichts zu sagen. Er hatte schon beim letzten Mal den starken italienischen Akzent bemerkt und vielleicht war es dieser Tage besser, das nicht allzu deutlich zu zeigen. Tancrèd erhob sich vom Tisch und ging noch einmal hinauf in sein Zimmer, um seine Jacke und eine Tasche zu holen, in der er Geld und ein frisches Hemd und Unterkleider gelegt hatte. Außerdem steckte in einer kleinen Innentasche der Umschlag mit Johns "Geschenk". Spätestens als er den Schlüssel auf seinem Schreibtisch gefunden hatte, war ihm klar gewesen, dass er noch einmal nach London reiten musste, bevor er auslief. Da jetzt das Datum und der Zweck der Reise sicher war, hatte er es eilig, nach London zu kommen und zu sehen, zu welcher Tür dieser Schlüssel passte... und um ein ernstes Wort mit einem Mann zu reden, dessen Umgang mit John ihn aufs Tiefste verletzte.

Als er am Nachmittag durch das Stadttor ritt, wirkte die ohnehin schon unruhige Stadt einmal mehr unruhiger. Die Verhaftung eines so hochrangigen Mannes an der Seite des Königs blieb im Volk weder unbemerkt noch unkommentiert. Cromwell hatte vorangetrieben, dass sich die Kirche Englands von Rom lossagte und vielen Menschen missfiel dieser Umstand bis heute. Mit Cromwells Tod war auch eine Annäherung an Italien wieder möglich geworden, während vor allem die Aussicht auf einen baldigen und hoffentlich erfolgreichen Krieg gegen Frankreich die Leute geradezu in Hochstimmung versetzte. Tancrèd verstand es nicht, wie man so Kriegslüstern sein konnte, ohne selbst je die Waffe geführt zu haben, doch hinter dieses Geheimnis würde er wohl nie kommen.

Er schlug in London den Weg zu Mr. Forbes' Apotheke ein und fand den Mann in einer ähnlichen Situation wie damals, als er John ebenfalls hatte eigentlich aufsuchen wollen. Mr. Forbes stand allein vor der Apotheke, mühte sich mit den schweren Säcken. Offenbare waren weder Kieran und John anwesend, vielleicht hatten sie in der Uni zu tun oder John hatte eine längere Nacht hinter sich… auf jeden Fall war Mr. Forbes allein. Tancrèd stellte das Pferd an einem Balken ab und band es an, ehe er dem Mann ungefragt wie damals zur Hilfe ging. Mr. Forbes brauchte einen Moment, ehe er ihn wiedererkannte. "Ah, Monsieur de Nerac, schön Sie zu sehen. Was führt Sie wieder zu uns?", fragte Mr. Forbes, schon ganz im Verkaufstalent. Tancrèd stellte den schweren Sack auf einem der leeren Tische ab und drehte sich zu dem Mann um. "Auf ein Wort, Mr. Forbes, ein ungestörtes Wort", erwiderte er - das Lächeln von der Straße war inzwischen verschwunden. "Im Rahmen meiner Arbeit an der Flotte seiner Majestät hatte ich das Vergnügen, mit Ihrem Sohn zu arbeiten. Wie Ihr Euch denken könnt, ist dazu der Aufenthalt auf einem Schiff unerlässlich und dort geschah etwas Sonderbares. Euer Sohn fiel durch den Fehler eines meiner Männer über unsere Zugangsplanke in den Fluss. Soweit ist das ja nichts Besonderes." Tancrèd schlenderte auf Mr. Forbes zu, der weiter hinten im Raum stand. "Ich wollte ihn eigentlich einfach wieder herausziehen, doch das hat nicht funktioniert, weil er nicht mal in der Lage war, sich über Wasser zu halten. Ich musste selbst ins Wasser springen, um ihn herauszuholen, sonst wäre er ertrunken. Und wisst Ihr, was er sagte, als ich ihn da aus dem Wasser gezogen habe? 'Bitte bring mich nicht um.' - Das waren seine Worte. Ihr könnt Euch sicher denken, wie unglaublich erschrocken ich darüber war, denn nichts läge mir ferner, als einen Menschen zu ertränken. Da ich dieser Sache auf den Grund gehen wollte, habe ich Eurem Sohn einige Fragen gestellt und einige Antworten bekommen - von den Dingen abgesehen, die ich mitbekommen habe, als ich das letzte Mal hier zu Besuch gewesen bin." Tancred war vor Mr. Forbes zum Stehen gekommen. "Ihr seid ein sehr kluger Mann, Mr. Forbes, das seid Ihr wirklich - was Eure Geschäfte angeht. Was Euren Sohn angeht, so seid Ihr das widerlichste Schwein, das ich in meinem Leben je kennengelernt habe." Er sagte das so ruhig und ohne bewussten Vorwurf in der Stimme, dass man meinen konnte, er rede über etwas vollkommen Anderes. "Es ist mir ganz gleich aus welchem Grund Ihr so handelt wie Ihr handelt - das unschuldige Kind kann niemals büßen für etwas, das es selbst nicht begangen hat. Da Ihr ein sehr kluger Mann seid, Mr. Forbes, der um die Wichtigkeit seiner Aufträge für die Flotte des Königs weiß, bin ich sicher, dass Ihr mir meine Bitte nicht werdet abschlagen können. Ihr werdet Euch wie ein Ehrenmann verhalten und dem jungen Mann, der Euren Nachnamen trägt, den Respekt und die Anerkennung zukommen lassen, die er mehr als verdient. Ohne ihn wäret Ihr nichts und Euer Laden wäre vermutlich nicht einmal in der Lage, Aufträge wie jene zu bearbeiten, die Ihr gerade bearbeitet. Damit das auch so bleibt, Mr. Forbes, erwarte ich von Euch die Weitsicht, euren Sohn und den einzigen Erben, den Ihr jemals haben könnt, in anderem Licht zu sehen. Ansonsten wird nicht nur er schneller weg sein, als ihr ihn hinausjagen könnt, sondern eure Auftragslage wird sich... nun... auflösen. Ich denke, wir verstehen uns, nicht wahr Mr. Forbes?"
 

Thomas Forbes

Er konnte von Glück sagen, dass er noch rüstig war und die Arbeit noch schaffte. Kieran war in letzter Zeit sehr eingespannt bei den Sforzas, was ihn nach dem Unglück dort auch nicht wunderte. Wenn er heute kam, musste er unbedingt nach den näheren Umständen des Todes des Kardinals fragen, und wenn Dominico hier in nächster Zeit wieder seine Aufwartung machen würde, müsste er ihm unbedingt sein Beileid bekunden.

John schlief vermutlich in seiner Abstellkammer. Der Apotheker schnaubte bei dem Gedanken. Ein dreckiges Loch zum Schlafen hätte er für diesen undankbaren Bastard auch in seinem Haus gefunden. Jetzt kam und ging er, wie er wollte. Zugegebenermaßen machte er seine Arbeit, aber er kam und ging, wie es ihm passte. Er würde ihm das Gehalt kürzen, wenn das so weiterging. Dann hatte er auch noch diesen riesigen Hund! Der Apotheker schüttelte den Kopf. Dem hatte er Hausverbot erteilt. Dieser Flohfänger hatte nichts in seinem Laden verloren. Nicht nur, dass er immer knurrte, er war dreckig, unerzogen und vertrieb die Kunden.

Patricia schlief noch. Sie hatte ihm gestern bei einem Notfall geholfen und sich ihren Schlaf verdient. Sie war wirklich eine Seele und das Beste, was John jemals für ihn getan hatte. Und vielleicht nicht nur für ihn. Die Blicke, die die junge Frau ihrem Sohn zuwarf, waren eigentlich eindeutig.

So in Gedanken bemerkte er den Kapitän erstmal nicht, als dieser zu ihm trat und einfach begann zu helfen. Erst da sah er ihn an, stutzte einen Moment, bevor ihm klar wurde, wer ihm da wieder zur Hand ging. "Ah, Monsieur de Nerac, schön Sie zu sehen. Was führt Sie wieder zu uns?", begrüßte er den anderen standesgemäß. Dass jener offenbar mehr mit John zu tun hatte, wohl weil jener hauptsächlich die Arbeit mit dem Schiffsärzten übernommen hatte, war ihm klar. Aber dass jener persönlich da war, konnte nur bedeuten, dass John wieder einmal unzuverlässig war, oder? Sie waren gemeinsam in die Apotheke gegangen und Thomas stellte die Kiste mit Bottichen auf den Tresen, als Tancred sich zu ihm umdrehte und offenbar wirklich etwas Schwerwiegenderes zu besprechen hatte. Er wollte gerade ansetzten, sich mit einem "Also, wenn John etwas ausgefressen..." für John zu entschuldigen, als er wieder verstummte, weil der andere einfach weitersprach. Er hatte am Hofe gelernt, dass er Menschen mit höherem Rang lieber nicht ins Wort fiel. So lauschte er den Worten, deren Richtung er erst einmal gar nicht deuten konnte. Worauf wollte der Kapitän heraus? Hatte John etwas gestohlen? Doch als jener schilderte, was geschehen war, als der Taugenichts ins Wasser gestürzt war, blickte er zunächst erschrocken auf, sammelte sich aber schnell wieder und begann die Abrechnungszettel, die am Tresen waren, ein wenig zu sortieren. Er erinnerte sich noch gut an diese schwarze Stunde, an dem er den Bastard von William gerne ertränkt hätte. Er war so unfassbar wütend gewesen: auf seine Frau, auf seinen ehemals besten Freund und auf dieses Gesicht, das ihn so knopfäugig angesehen hatte, genau wie sein Vater ihn schon im Kindesalter immer angesehen hatte. William hatte alles bekommen, immer, sein Leben lang war er ein Glückspilz gewesen, während er immer für alles schuften musste. William hatte seine Schulbildung bekommen, seine Familie war wohlhabend gewesen. William hatte das Studium bekommen, das er nie haben durfte und konnte. Das einzige, was er nicht hatte, war seine Frau gewesen - wie er geglaubt hatte. Er zerknüllte den Zettel in seiner Hand, als Tancrèd weitersprach. Wie konnte John so dreist sein, Dinge über ihn und seiner Familie zu erzählen?! Einem wildfremden Mann! Das sah John auch gar nicht ähnlich! Hatte er ihm nicht schon früh eingebläut, ja eingeprügelt, dass man nichts erzählen durfte, was die Familie betraf? Hatte er ihn dahingehend nicht genug erzogen? Sein Unterkiefer knirschte leicht, ob der Wut auf John, die allmählich hinaufkroch. Konnte es sein, dass dieser Mann, der nun direkt vor ihm stand, eine tiefere Beziehung zu John aufbaute? Hatte das mit Johns abartiger Neigung, seiner Krankheit zu tun? Waren sich diese beiden deswegen näher gekommen?

Der Gedanke verschwand für den Moment wieder, als er etwas zu hören bekam, was er sein Leben lang noch nicht hatte hören müssen. Wütend blickte er den Kapitän an, der sich hier deutlich zu viel herausnahm. Was erlaubte der sich eigentlich, ihn hier so zu beschimpfen. Hatte er eine Frau? Kinder? Was wusste der schon?! Doch als Tancrèd weitersprach, versuchte er die Wut schnell wieder zu unterdrücken. Drohte ihm dieser Mann?

Nun er hatte recht, wenn er sagte, dass der Laden das Arbeitspensum, das er momentan leistete, nicht erfüllen könnte, wenn es John nicht gäbe. Aber das war jener ihm ja wohl auch schuldig! Er hatte ihn ertragen, ihn durchgefüttert, ihm und Bildung ermöglicht, die er selbst nie gehabt hatte. John war ihm das alles mehr als schuldig. Er hätte ihn auch ins Heim stecken können...

Thomas Forbes blickte den Kapitän abschätzend an. Hatte dieser wirklich so große Macht, ihn bei Hofe zu denunzieren und dafür zu sorgen, dass er keine Aufträge mehr bekam? Wäre dieser Mann wirklich in der Lage, ihm John wegzunehmen? Er sollte es lieber nicht darauf ankommen lassen. Er nickte leicht.

"Wie Ihr vielleicht wisst, haben John und ich schon darauf geeinigt, dass ich ihn fair bezahle für die Arbeit, die er leistet. Unser Verhältnis ist eines, das durch die Arbeit geprägt ist. Solange er seine Arbeit erbringt, sehe ich keinen Grund, Sie zu enttäuschen. Selbstverständlich schätze ich seine Arbeit und sie haben Recht, dass er ein wichtiger Angestellter der Apotheke ist. Er wird genauso behandelt, wie die anderen." Wie sollte er ihn im anderen Licht sehen, wenn er immer in das Gesicht des jungen William Harvey sah, den er so sehr verachtete, weil er ihn sein Leben lang verhöhnt und schikaniert hatte? Aber er würde es sich wirklich nicht erlauben können, die Aufträge vom Könighaus zu riskieren. "Ich werde John den Respekt entgegenbringen, den er verdient. Er ist ein ausgezeichneter Alchimist." Tatsachen konnte er ja aussprechen. "Eine Szene wie damals wird nicht mehr vorkommen." Sofern jener seine Arbeit verrichtete...



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