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Intrigo e amore

And it's with you that I want to stay forevermore
von
Koautor:  Coventina

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London 3 - Einen Weg finden

Dominico


 

Tatsächlich hatte Dominico nicht den gleichen dicken Kopf wie John, als er am nächsten Morgen aufwachte. Das lag vermutlich daran, dass er den Grappa gewohnt war, den sie getrunken hatten. Außerdem hatte er sich gezwungen, vor dem zu Bett gehen noch zwei ganze Krüge mit Wasser leer zu trinken, auch wenn das nicht gerade angenehm gewesen war. Seine Blase hatte dreimal in dieser Nacht gedrückt, aber dafür fühlte er sich nicht ganz so miserabel und sein Kopf war ziemlich klar, als er am Morgen neben Kieran erwachte. Seine Finger fuhren durch das inzwischen deutlich längere Haar des jüngeren und kraulten sanft seinen Kopf. Durch das geöffnete Fenster strich frische Morgenluft herein und Nico atmete tief den Duft des Grases ein, der mit dem Luftzug hereinkam. Heute würde alles hervorragend sein... zumindest dachte er sich das. Er wusste, dass einige Leute zu Besuch kommen würden, um ihm zu kondolieren, doch das spielte jetzt nicht vordergründig eine Rolle. Giulia war sicher schon wach und kümmerte sich darum, während seine Unpässlichkeit mit Trauer leicht zu erklären war. Die einzige Trauer, die er dabei aber wirklich empfand, war, dass er Kieran im Laufe des Tages wieder hergeben musste. Er zog ihn wieder näher an sich und drückte ihre nackten Körper näher aneinander. Wieso war er überhaupt nackt? Etwas verwirrt kramte er in seinem Gedächtnis danach, ob er mit Kieran noch "zur Tat" geschritten war, und ihm kamen Giulias Worte in den Sinn, dass er in dieser Richtung abgebaut habe. Er beschloss, Kieran zu fragen sobald dieser aufwachte, zumindest ob er wirklich so "schlecht" war. Er nahm einfach an, dass Giulia ihn hatte aufziehen wollen...

Als Bewegungen in Kieran kam, schmunzelte Dominico und strich dem Jüngeren das Haar aus dem Gesicht. "Guten Morgen, schöner Mann…" begrüßte er Kieran leise und drückte ihm einen Kuss auf die schönen Lippen. "Du bist wunderschön, wenn du gerade aufwachst.." so verschlafen und niedlich wie Kieran aussah, wollte Nico am liebsten jetzt über ihn herfallen und ihn zu Tode knuddeln. Dass er außerordentlich gute Laune hatte, merkte er mehr und mehr... aber das musste schließlich auch mal sein.

 

 

Kieran


 

Kieran streckte sich leicht der kraulenden Hand entgegen, die durch sein Haar fuhr. "Hmmmm", schnurrte er im Halbschlaf und ließ die Augen noch immer geschlossen. Es war spät gewesen, gestern, aber es war auch verdammt schön gewesen. Dominico und John sich gemeinsam betrinken zu sehen, war gut gewesen, hatte ihm gut getan. Er hatte gut verstehen können, dass John gelitten hatte. Da er selbst nichts gewusst hatte, nur geahnt und darauf vertraut hatte, hatte er das Thema bisher bei John vermieden. Er hatte ihm keine womöglich falschen Hoffnungen machen wollen. John musste gedacht haben, dass er einfach allein zurückgelassen werden würde. Auch wenn Kieran wusste, dass Tancrèd alles versuchen würde, John zu sich zu holen, war ungewiss, ob John das mitmachen würde. Irgendwann wäre England für den Kapitän aus Frankreich kein sicherer Hafen mehr. Und dann? Was Dominico sich überlegt hatte, war wieder einmal ein umfassendes Paket an Sicherheiten gewesen, die für alle das Beste bedeuten würden. Das war einer der Gründe, weshalb er Dominico über alle Maßen liebte. Nun die beiden Menschen, die ihm sehr viel bedeuteten sich gemeinsam betrinken zu sehen, während sie sich am Mittag am liebsten gegenseitig die Köpfe eingeschlagen hätten, hatte irgendwie ungemein gefallen. 

Kieran drehte sich leicht zu dem Mann neben sich, der gestern Abend schon wirklich sehr betrunken gewesen war. Die Worte des anderen belegten das auch ein wenig, zumindest die Stimme. Sacht erwiderte er den Kuss und lächelte leicht, als der andere fortfuhr ihm Komplimente zu machen. "Ist es das schlechte Gewissen wegen gestern, oder offenbarst du mir gleich eine Katastrophe, dass du mir so viel Honig um den Mund schmierst, mein kleiner Held?", fragte er und öffnete die Augen, um Dominico anzusehen. "Deine sehr vielversprechenden Worte, die du mir ins Ohr geflüstert hattest, wurden ja nicht wirklich in die Tat umgesetzt und du schuldest mir so einige versprochene Höhepunkte meines Lebens." Ein leichtes Grinsen legte sich auf seine Lippen. Dominico hatte ihm gestern im Rausch in der Tat einiges nette Dinge ins Ohr geflüstert. Aber Kieran hatte John noch ins Labor bringen müssen, denn er hatte diesem nicht mehr zugetraut, dass er den richtigen Weg fand. Außerdem hatte er ihm noch einmal sagen wollen, wie wichtig er ihm war und dass er nie gehen würde, wenn er nicht wüsste, dass er entweder mitkäme oder glücklich wäre. 

Als er zurückgekehrt war, war Dominico auf dem Bett gelegen - nackt in seiner ganzen Pracht - und hatte tief und fest geschlafen. "Es war ziemlich frustrierend für mich, wie du da gelegen hast, in deiner Schönheit, und ich es nicht einmal geschafft habe, dich so weit wach zu bekommen, dass ich ein wenig mehr Platz im Bett bekam", fügte er hinzu. "Ich fürchte du lässt nach, mein Liebster!" Er sah ihn tadelnd an. Nico hatte sich tatsächlich kaum noch geregt, dafür aber den Wald ein gutes Stück mit seinem Schnarchen dezimiert. Nun, dafür hatte er jetzt etwas gut, so hoffte er zumindest. Dominico musste ja nicht wissen, dass er selbst auch ziemlich fertig gewesen war, so dass es ihm so fast lieber gewesen war. "Wenn das öfters vorkommt, dass du nicht mehr mithalten kannst, sollten wir überlegen, ob ich noch anderweitig spielen darf..." Als ob er das jemals könnte. Allein während er den anderen ansah, kribbelte es schon wieder in seinem ganzen Körper. "Bitte!", so dachte er. "Ich möchte dieses Gefühl niemals verlieren, wenn ich ihn ansehe."

Aus seinem Gesicht war das Grinsen gewichen und er sah den anderen ernst an. "Weißt du eigentlich, wie schön du bist, wenn du so glücklich bist?", fragte er dann. "Ich hoffe, dass ich dich in Zukunft nur noch so sehen darf. Dann wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden."

 

 

Dominico

 
 

Kieran ließ sich Zeit mit dem Aufwachen und sie hatten ja ausnahmsweise auch mal die Zeit. Und vor allem wirklich eine riesige Sorge weniger. Nico hatte das noch immer nicht ganz realisiert, doch Cromwell war fort. Zwar war jetzt auch Alessio fort, doch gemeinsam mit Charles konnte er jede Schlacht, im wahrsten Sinne des Wortes, gewinnen. Und eine Schlacht würde es geben. Doch Nico brannte darauf, endlich etwas TUN zu können und nicht mehr nur darauf zu warten, dass Cromwells langwierige und künstlich gedehnte diplomatischen Bemühungen Früchte trugen. Sein Bruder würde in Sicherheit sein an einem Ort, der ihr Paradies werden würde. Wenn es soweit war, dann würde Nico jeden Tag in einem solchen Bett aufwachen und genau diesem Mann in die Augen sehen, der ihn jetzt anblinzelte.

Kierans erste Worte holten ihn dann aber sehr schnell wieder zurück in die Realität und Nico merkte, wie er rot wurde. Hatte er wirklich versagt? Er konnte sich an viel Grappa erinnern, aber nicht mehr genau an den Weg ins Bett und auch nicht daran, mit Kieran im Arm eingeschlafen zu sein. Wie peinlich! Nico kannte sich selbst leider zu gut und er wusste sehr genau, was er vermutlich alles von sich gegeben hatte, nur um dann direkt im Bett einzuschlafen und bis zum nächsten Morgen kein Stück von seinem Platz zu weichen... oh nein. Und Kieran machte es nicht besser. Zog er ihn gerade auf? 

Dass Kieran die gleichen Worte benutzte wie Giulia, konnte er ja nicht wissen, aber es machte ihm schon Sorgen. War er zu alt, um jemanden wie Kieran noch zufrieden zu stellen? Eigentlich eine unnütze Frage, weil Kieran sicher der letzte war, der Wert darauf legte, den ganzen Tag zwischen den Laken zu verbringen. Doch es war ihm schon sehr, sehr peinlich. Nico fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und schluckte schwer, als Kieran auch noch nachlegen musste. Anderweitig spielen? Seine Augenbraue wanderte hinauf, als er sich etwas auf Distanz zu Kieran brachte. "Anderweitig spielen?" Was das hieß, konnte Nico sich lebhaft vorstellen. "Du solltest meinen Moment der Schwäche nicht unterschätzen... Für dich wird es gerade noch so reichen", proklamierte er beinahe feierlich und ließ die Hände über Kierans nackten Körper streichen. "Aber wenn ich dir tatsächlich einige Höhepunkte deines Lebens schulde, dann sollte ich doch sicher gleich damit anfangen, die Schulden abzutragen, hmn?" Ohne wirklich auf eine Antwort zu warten, tauchte Nico unter ihrer Decke ab. Als er wenig später Kierans wohliges Schnurren hörte, wusste er, dass er genau das Richtige tat und dass Kieran vielleicht gerade, weil er das hier wollte, ein wenig mit Provokation nachgeholfen hatte.

Aber Nico hatte seine Art sich zu rächen und als er Kierans Körper einige Zeit später eroberte, den Geruch ihres Öles in der Nase und Kierans weiche Haut unter seinem Körper, ließ er keinen Zweifel daran, dass er durchaus noch mithalten konnte. Wie bei einem erlegten Beutetier biss er Kieran zärtlich in den Nacken und drängte ihm die Hüfte entgegen, nur um innezuhalten sobald Kieran mehr forderte. Er ließ ihn auf die Erlösung warten, blieb einfach ruhig liegen und begnügte sich damit Kieran zu streicheln, bis er sich sehr sicher war, dass Kieran ihn umbringen würde, wenn er ihn jetzt nicht erlöste. Als der junge Arzt mit einem heiseren Aufschrei unter ihm ganz sicher einen der "Höhepunkte seines Lebens" genossen hatte, wusste Nico, dass er nie wieder einen anderen Mann oder einen anderen Menschen allgemein in seinem Bett haben wollte.

Er war schwer auf Kierans schweißnassen Körper gesunken, hatte ihn immer wieder geküsst und ihm leise italienische Worte ins Ohr geflüstert. Erst als er merkte, dass er zu schwer für Kieran wurde, wälzte er sich zur Seite und sein Blick fiel auf seinen Schreibtisch. Da er ohnehin ein Tuch brauchte, quälte er sich aus dem Bett und kam kurze Zeit später mit dem Tuch, einem großen Krug Wasser und einigen Papierrollen wieder zum Bett. Er ließ sich neben Kieran sinken und stahl sich einen weiteren Kuss. "Und.. immer noch der Meinung ich sei nicht mehr in der Lage, meinen Pflichten nachzukommen?" Erneut versiegelte er Kierans geöffnete Lippen und zog ihn wieder an sich, ehe er die erste Papierrolle offenbarte. Es war eine Gesamtkarte der Insel mit den Häuser beziehungsweise der vereinzelten uralten Bebauung, die bisher dort stand. Doch ein Architekt hatte bereits eingezeichnet, was Nico und Alessio so vorschwebte, und am Ende dieser Woche würden die Arbeiten bereits beginnen. Er hatte eine genauere Aufzeichnung der einzelnen Räume und Nebengebäude und hielt Kieran die Rolle mit dem Labor hin, dass sie zu bauen gedachten.

 

 

Kieran

 
 

"Hm, das solltest du wohl", bestätigte Kieran mit einem Schnurren in der Stimme. Er musste sich ein Lachen echt verkneifen. Dass es Dominico ganz offensichtlich peinlich war, was er ihm vorwarf, und dass jener tatsächlich zu überlegen schien, ob er ihm wirklich noch "gut genug" war, war einfach zu köstlich. Dabei gab es doch einfach niemanden, der ihn so befriedigte und so erfüllte und so glücklich machte wie Dominico. 

Umso schöner war es, als Nico ihm erklärte, dass er ihn allemal noch wurde befriedigen können. Dass er seine Quittung postwendend erhielt, nachdem Nico klar geworden war, dass er ihn nur aufzog, damit hatte er gerechnet. Wie diese 'Rache' aussehen würde, wusste er jedoch nicht. Und umso erregender war es daher, als Nico abtauchte... 

Er genoss es, diese süße Qual, dieses unbändige Verlangen, das Nico in ihm auslöste. Und als sie miteinander verschmolzen, fühlte sich Kieran vollkommen. Die 'Strafe' für seinen Vorwitz nahm er gerne in Kauf dafür, dass sich ihr Liebesspiel etwas länger hinzog, ihm den Verstand raubte und er schließlich einen unglaublichen Orgasmus erlebte. 

 

Schwer atmend und das Gefühl genießend, mit dem Gewicht auf dem Rücken, noch immer miteinander verschmolzen wurde Kieran klar, dass das, was er Dominico damals auf dem Dach gesagt hatte, immer gelten würde. Er würde dem anderen, seinem Mann - wenn man so wollte - überallhin folgen. "Ngh", keuchte er, als sich der andere von ihm und aus ihm löste, dann blieb er einfach liegen. Dass Nico aufstand, vermutlich, um sich zu reinigen, nahm er am Rande wahr. Anhand der Geräusche ahnte er, dass da noch mehr war und so regte er sich schließlich auch, drehte sich und rappelte sich hoch, um sich an die Rückenlehne zu lehnen. Nico setze sich zu ihm und küsste ihn sanft und Kieran grinste ob der Worte, die folgten. Bevor er antworten konnte, küsste ihn der andere erneut. "Du kommst deinen ehelichen Pflichten sehr zufriedenstellend nach", überlegte er und versuchte einen ernsten Gesichtsausdruck, aber er war einfach kein guter Schauspieler. "Ich sehe keinen Grund zur Annullierung."

Doch nun lenkten die Papierrollen seine Aufmerksamkeit auf sich. Während Kieran den Erklärungen lauschte und Fragen zum Beispiel im Hinblick auf das geplante Labor stellte, spürte er endlich auch diese Vorfreude, für die er bisher noch keine Zeit hatte, sie zu entwickeln. 

"Das wird paradiesisch", sagte er irgendwann. "Und zum Festland ist es nicht weit, wenn ich als Arzt weiter arbeiten möchte?" Auf der ersten Karte hatte man gut sehen können, dass es nicht weit war. Sicher ließe es sich einrichten, dass er zwei-dreimal die Woche hinüberfuhr, um Patienten zu behandeln. "Mit John im Labor wäre es Verschwendung von Ressourcen, wenn wir nicht praktizieren könnten. Er ist einfach der beste Alchimist." Er sah Dominico an. "Ich finde es schön, dass ihr das Kriegsbeil begraben habt."

 

 

Dominico

 
 

"Meinen ehelichen Pflichten...", echote Nico und musste lachen. Seinen ehelichen Pflichten kam er wohl am wenigsten in Kierans Bett nach, aber wenn man das, was sie verband, als Ehe bezeichnete - und immerhin hatten sie sich einen Schwur geleistet, dann war das schon richtig. Nico zog Kieran in seinen Arm und reichte ihm dann den Wasserbecher, um auch einen Schluck zu trinken, ehe sie beide den Plan begutachteten. Auf Kierans Frage hin konnte er nur schmunzeln. "Nein, zum Festland ist es nicht weit. Aber ich denke, wenn die Leute an Land merken, wer dort wohnt, dann werden schon sehr viele Fischer von ganz alleine kommen. Es gibt viele in der Bucht und immerhin müssen wir sowieso regen Kontakt mit dem Festland halten, weil wir uns auf der Insel nur bedingt selbst versorgen können. Du wirst den Anschluss ans Festland sicher nicht verlieren." Er erklärte Kieran die einzelnen Räume so wie es sich Giulia vorgestellt hatte und offensichtlich war Kieran recht begeistert von der Planung. Natürlich kam bei diesem unglaublichen Labor, für das sie tatsächlich keine Kosten scheuten, das Thema John wieder auf. John... Nico konnte sich sehr gut dahingehend an den letzten Abend erinnern und auch wenn sie beide auf Freundschaft getrunken hatten, so konnte er ein bisschen diabolische Freude darüber nicht ganz verwehren, dass John heute sicher einen fiesen Kater nach dem vielen Grappa hatte.

"Ob wir es wirklich begraben haben… nun. Das wird sich sicher mit der Zeit zeigen." Er war sich da noch nicht so sicher. Vor allem, weil er selbst noch keine Ahnung hatte, wie er es selbst schaffen würde, sich aus London zurück zu ziehen. Vielleicht würde es ihm nicht gelingen, ohne Kieran noch einmal wehzutun... sicher hatten Johns Fäuste dann wieder die passende Antwort für ihn. "Aber ich bin froh, dass es dich glücklich macht. Er ist sicher der beste und an seinen Fähigkeiten habe ich nicht den geringsten Zweifel. Vielleicht werden wir ja wirklich irgendwann noch Freunde." 

Das würden sie wohl werden müssen, denn auch wenn das Anwesen recht groß war, unendlich war es nicht. Nico zog das nächste Blatt heran und zeigte Kieran den Grundriss "ihrers" Traktes. "Hier schau. Dort werden wir wohnen." Die Zimmer wirkten schon im Plan recht groß und hell und ihr Bett war wirklich groß. Außerdem gab es eine Terrasse aufs Meer hin, auf der sie frühstücken konnten und einen großen bequemen Salon mit Kamin. Auch in ihrem Schlafzimmer gab es einen Kamin. Kieran kommentierte hier und da, was er von den Plänen hielt, und Nico hielt es an der Zeit dafür, den letzten Plan hervorzuziehen. Er zeigte ein Kellergewölbe, das aber offensichtlich ein Stück über den Boden ragte und so beleuchtet wurde. Es war im Grunde nur eine leere große Halle mit mehreren langen Tischen und Einbauten im Raum. "Und das hier", verkündete Nico feierlich "ist eure Bibliothek. Ich muss sicher nicht erwähnen, dass sie mit den wichtigsten medizinischen Schriften der ganzen Welt gefüllt werden wird."

 

 

Kieran

 
 

Irgendwie beruhigte es ihn, dass er nicht wirklich auf der Insel "gefangen" war. Er war es eigentlich sein Leben lang gewohnt gewesen, unterwegs zu sein, ohne ein Domizil zu haben. Der Schritt, in London zu bleiben, war schon eine Herausforderung für ihn gewesen und Ereignisse wie die Spanienreise oder seine Zeit an Board der Raashno waren Balsam für seine Seele gewesen - zumindest was das "Unterwegssein" betraf. Und vielleicht würde er dann auch einfach mal die italienischen Städte bereisen, von denen er schon gehört oder gelesen hatte. Er war tief in seinem Inneren immer noch ein Freigeist, der sich zwar gebunden hatte, aber eben an einen Mann, von dem er wusste, dass er ihn in dieser Hinsicht nicht festhalten würde. 

Dominicos Einschätzung hinsichtlich seiner Beziehung zu John, war richtig. Kieran nickte. "Es ist zumindest einmal ein Anfang gemacht. Ihr müsst ja nicht das nächste Mal auf Blutsbrüderschaft anstoßen und ihr müsst ja auch nicht die dicksten Freunde werden. Ich möchte eigentlich nur, dass ihr euch zuhört. John braucht viel Ehrlichkeit. Er hatte es nie leicht im Leben und du weißt vieles nicht über ihn. Ich kratze auch immer noch nur an der Oberfläche und mir wird angst und bange dabei." Wenn er über Johns Kindheit dachte, wusste er, dass er wirklich großes Glück gehabt hatte, bei seiner Familie gelandet zu sein, als er klein war. "Ich weiß, das entschuldigt nicht immer sein Verhalten, aber das sollte man nicht vergessen. Ich wüsste gerne, wie Tancred es geschafft hat, ihn zu knacken. Aber es ist nichts aus ihm herauszuholen." John hatte ihm zwar erzählt, dass die beiden so etwas wie eine Beziehung hatten, und Kieran fand, dass man John ansah, dass es ihm gut tat. Aber er machte sich auch ein wenig Sorgen. Tancrèd war ein sehr liebenswerter Mann, das wusste er nur zu gut. Aber würde John dieses Glück festhalten können, wenn der andere weg war? Wenn er wieder zu zweifeln beginnen würde und sein viel zu geringes Selbstwertgefühl... Kieran schüttelte den Kopf und damit den Gedanken ab. Er würde da sein und alles daransetzen, dass John nicht verspielte, was er erst gewonnen hatte. 

Als Dominico ihm ihren Wohnbereich zeigte, hob Kieran die Augenbrauen. "Das ist ja überdimensional groß. In dem Bett finde ich dich ja gar nicht mehr... naja wobei, wenn du schnarchst, dann vielleicht doch." Ein Grinsen zierte sein Gesicht. Wenn er durch die Pläne ein richtiges Bild bekam, war das alles wesentlich größer, als er alles, wo er je gelebt hatte. "Und du meinst nicht, dass das ein wenig zu groß ist?", fragte er vorsichtig. "Ich meine, so wie ich es verstehe, leben wir dort allein, oder? Wer hält das Haus in Ordnung und sauber und..." Er kam sich dämlich vor, aber so etwas musste ja auch mal thematisiert werden. "Während du draußen wahrscheinlich mit deinem Bruder und Rodrego Pferde züchtest, hab ich keine Lust, immer das Hausmütterlein zu spielen. Ich hoffe, das ist dir klar." Kieran blickte den anderen an und ein spitzbübisches Grinsen legte sich auf seine Lippen, als ihm ein Gedanke kam. "Oder versprichst du mir, dass du einmal die Woche sauber machst? Dann mach ich es den Rest der Woche. Dafür musst du es das eine Mal aber nackt machen."

 

Als Dominico den letzten Plan offenbarte, wusste Kieran erst nicht, was er da sah. Ein Keller, klar. Aber so groß und wozu waren die ganzen Regale? Würde man so viel auf der Insel anbauen können, dass hier Vorräte gelagert wurden? Wohl eher nicht. Doch auf eine Erklärung musste er nicht lange warten. Als er hörte, was geplant war, wurden seine Augen sehr groß. Er schluckte. Die Bücher, die er besaß, waren seine Heiligtümer. Er liebte Bücher und das wusste Dominico. Er hatte ihm schon einmal welche geschenkt, aber eine ganze Bibliothek? Er war sprachlos. "Und mit der Zeit", sagte er, "wird sie durch meine und Johns Bücher ergänzt." Das war wirklich das Paradies, oder? Er blickte wieder zu Dominico, dann umarmte er den anderen. "Grazie, amore mio!", wisperte er leise. Es gab nur eine Sache, über die sie nie geredet hatten. "Und wie schaffen wir es", fragte er vorsichtig, ohne Dominico loszulassen, "dass wir dort auch wirklich ankommen?" Nun, Nico würde nicht einfach so zu Henry gehen können und sagen: Hey, Henry, alter Freund! Ich pack morgen meine Koffer und geh nach Italien!

 

 

Dominico

 
 

"Tja, jeder geht mit seinem Schicksal anders um", sinnierte Nico und musterte den Plan ohne Kieran anzusehen. "Meine und Alessandros Kindheit war auch nicht immer rosig. Frag mal meinen Bruder, was man ihm während seiner kirchlichen Ausbildung alles angetan hat. Da spricht er heute auch nicht mehr darüber. Oder wie ich an der Waffe ausgebildet worden bin. In unseren Kreisen bist du mit, 10, 11, 12 bereits erwachsen und man erwartet von dir, nicht nur Gleiches zu leisten, sondern auch Gleiches zu ertragen wie ein erwachsener Mann. Und zwar ganz ohne mich beziehungsweise uns zu fragen, ob wir das wollen. Aber weder weiß das John, noch wird er sich vermutlich eine Vorstellung davon machen können, genauso wie ich nicht weiß, was ihm widerfahren ist." Er drehte sich etwas, so dass er Kieran wieder besser ansehen konnte. "Das mit der Ehrlichkeit ist eigentlich kein Problem, nur…" Er schwieg eine Weile und schien seine Worte abzuwägen. "Zu viele Mitwisser sind schädlich. Natürlich ist es nicht gut zu glauben, dass an einen selbst nicht gedacht wird, aber es war besser. Je mehr Menschen Alessandro in seinen Plan eingeweiht hat bis jetzt, desto teurer wird er. Das ist meine große Angst... ich vertraue dir und das weißt du. Ich vertraue eigentlich auch John und zwar nicht weil ich ihn mag, sondern weil ich glaube seine Prinzipien zu erkennen, jemanden mit gleichen Neigungen nicht zu verraten. Aber in mir, genauso wie in meinem Bruder, sagt eine leise Stimme: Bezahl ihn dafür. Belohne ihn dafür und pass auf, dass er dir nicht in den Rücken fällt. Wenn wir manchmal zu wenig von dem Preisgeben, was wir eigentlich planen, dann liegt das nicht daran, dass ich es vor dir oder vor John geheim halten will, weil ich egoistisch bin, sondern weil ich Angst habe, dass man euch deswegen schadet und weil ich so erzogen wurde. Es fällt mir noch schwer das abzulegen, aber ich denke ich werde besser. Und du, mein Freund.." Er fing an, Kieran zu kitzeln "bist heute ganz schön frech und erlaubst dir ziemlich viel. Pass nur auf, dass ich nicht noch einen Raum im Keller vorsehe, in den ich dich sperre..." Sein Grinsen wurde sehr viel breiter und nun selbst frecher "und in dem dich niemand schreien hören wird." 

Natürlich lag ihm nichts ferner als Kieran Schaden zuzufügen, aber er glaubte, dass Kieran schon wissen würde, von was er sprach. Dessen Einwand war ja auch gar nicht so unrichtig. "Da wir weder eine bestimmte Kleiderordnung dort haben, noch bestimmte Regeln..", sinnierte Nico, "und wir nicht am Hof erscheinen müssen oder anderweitige Verpflichtungen haben, sollte es dahingehend kaum Probleme geben. Trotzdem wird Alessio vermutlich dafür sorgen, ein paar wenige Leute zur Hilfe zu organisieren, die mit 'unserem Lebensstil' keine Probleme haben. Giulia ist der Überzeugung, dass sie davon einige finden wird, zumindest für die Küche. Denn wenn es niemanden gibt, der für den Kardinal kocht, dann ist er spätestens in 2 Wochen verhungert." Denn das hatten sie wirklich nie gelernt: Kochen. Jagen und ein Tier insgesamt zubereiten, das konnte Nico zwar, aber damit endete sein kulinarisches Geschick. "Auf dein großzügiges Angebot gehe ich trotzdem gerne ein. Denn so wie du klingst habe ich dann nicht besonders viel zu putzen, sondern eher andere Dinge zu tun. Ich glaube du unterschätzt, was ich, Alessandro und gegebenenfalls Rodrego zu tun im Stande sind. Nackt im Haus herumzulaufen, wird dabei wirklich dein geringstes 'Übel' sein." Sein Grinsen war erneut breiter geworden und ließ erst wieder nach, als Kieran nach der Bibliothek ernstere Töne anschlug.

"Wie wir das schaffen, weiß ich noch nicht", sagte er ernst und leiser als noch zuvor. "Es wird für mich zweifelsohne schwer werden allein, aber ich glaube nicht, dass ich besonders lange hier sein werde, jetzt wo Cromwell nicht mehr da ist. Henry will Krieg, will zeigen, dass die englische Flotte die stärkste in Europa ist. Er wird mich und Charles losschicken, um sie zu befehligen. Danach.." Er griff Kierans Hand und verwob seine Finger mit denen seines Liebsten "Danach werde ich einen Weg finden. Und wenn es der ist, einfach des Nachts von hier zu verschwinden, ohne Nachricht." Er sah Kieran in die schönen Augen und erkannte die Angst und Sorge darin. Wenn er ehrlich war, hatte er die auch, denn heil aus einem Seegefecht heraus zu gehen, war selten. Nico, der zwar schon oft auf See gewesen war, sich selbst aber definitiv nicht als Seemann bezeichnete, hatte Angst davor. "Du musst mir vertrauen, noch dieses eine Mal. Ich finde einen Weg Kieran.. ich finde einen Weg."

 

Kieran

 
 

Ja, dass Dominico auch keine Kindheit hatte, die von Zuckerschlecken geprägt war, das war ihm auch klar. Aber Dominico war mittlerweile eigenständig, hatte sich selbst gefunden und definiert. Diesen Prozess machte John gerade erst durch. John beschwerte sich ja da nicht drüber. Jedes Wort von seiner Vergangenheit musste man ihm aus der Nase ziehen. Aber seine Erfahrungen haben ihn misstrauisch, spitzzüngig und zynisch werden lassen. 

Kieran selbst hatte auch gemerkt, als er damals nach London gegangen war, wie es war, eine "sichere" Umgebung zu verlassen, um zu sich selbst zu finden. Es war keine leichte Zeit. 

Kieran ließ das einfach so stehen und sagte nichts zu Nicos Worten. Darüber könnten sie jetzt noch lange streiten, aber das mochte er nicht.

Ernüchternd war dann auch zu hören, mit welcher Motivation Alessandro und Dominico in die Wege geleitet hatten, dass John nicht vergessen wurde. Ja, wenn man jemanden in seine Schuld stellte, dann war die Chance größer, dass Verschwiegenheit herrschte. Und dass Unwissenheit bei manchen Dingen vielleicht besser war, das mochte sein. Aber ... nun, darüber hatten sie schon genug diskutiert. Und ja: es wurde besser. 

Als der andere ihn zu kitzeln begann, waren die dunkleren Gedanken sofort verflogen. Er lachte, als er hörte, was der andere sagte. "Ich fürchte, da habe ich dich auf falsche Gedanken gebracht. Wobei so ein Keller... Nun ja... Wir werden sehen." Auch seine Lippen zierte ein Grinsen und als Dominico darüber nachdachte, dass ein wenig Nudismus durchaus in Frage kam, musste er wieder lachen. Es tat gut, so unbeschwert zu sein, auch wenn dies Unbeschwertheit nicht von langer Dauer sein würde. 

Und spätestens mit den Worten 'Und er wird mich und Charles losschicken um sie zu befehligen.' war sie auch schon dahin. Kieran hörte in diesem Moment das, was er sich zwar schon gedacht hatte, aber wovor er am meisten Angst hatte. Dominico würde in den Krieg ziehen. Und diese Erkenntnis ließ ihn erstarren. Er sah den anderen an und erinnerte sich an den Tag, als er mit Tancrèd in das Seemanöver gekommen war. An die Angst, die er gespürt hatte, und wie sein Körper einfach nur noch funktioniert hatte, während er versucht hatte zu verdrängen, dass es auch sein letzter Tag gewesen sein könnte. 

Dass Dominico forderte, ihm zu vertrauen, war klar. Aber wie hoch waren die Chancen, dass Dominico aus diesem Krieg gesund zurückkehrte? Kieran nickte leicht und senkte den Blick. "Fahr in jedem Fall mit Tancrèd", sagte er tonlos. "Kein anderer hat so viel Erfahrung und kennt sein Schiff so gut wie er. Wenn du heil nach Hause kommen möchtest, dann wird nur er es schaffen, dich zurückzubringen."



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