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Zwischen den Zeilen von "Die Rosen von Versailles"

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Ein Kapitel in dem etliche hinterlistige Personen auftreten

Ein Kapitel in dem etliche hinterlistige Personen auftreten
 

Versailles im September 1769

Im Hof von Versailles stand eine Reisekutsche bereit, in die gerade allerlei Gepäckstücke verladen wurden. Ein junger Mann betrat den Hof an der Seite des Dauphins, des österreichischen Botschafters Fürst Starhemberg und dem Hauslehrer des Dauphins, Herzog La Vauguyon. Voller Wohlwollen legte der Botschafter dem jungen Mann die Hand auf die Schulter und wandte sich mit folgenden Worten an ihn: „Mein lieber Nicolas, ich wünsche Euch von ganzem Herzen eine gute Reise in unser schönes Wien. Übergebt dieses Schreiben mit den hochachtungsvollsten Grüßen Seiner Majestät Louis XV und meiner Wenigkeit der Kaiserin Maria Theresia, sobald Ihr in Schönbrunn angekommen seid. Es steht darin das Ihr mein vollstes Vertrauen und meine Hochachtung genießt und das selbst Seine Majestät der König Euch für einen vortrefflichen jungen Mann hält, der für die wichtige Aufgabe, die ihm zuteil wird, nur all zu geeignet erscheint.“ „Ich danke Euch,“ antwortete der junge Mann den Fürst Starhemberg mit Nicolas angesprochen hatte. „Ich schwöre bei Gott das ich mein Bestes geben werde um meinen Auftrag in Wien und während der Anreise unserer künftigen Dauphine zu erfüllen, um all jenen, denen am Gelingen meiner Mission etwas am Herzen liegt und besonders meinen lieben Vater mit Stolz zu erfüllen.“ Dabei blinzelte er dem Herzog La Vauguyon kaum merklich zu, was weder der Botschafter Fürst Starhemberg in seiner Euphorie, noch der Dauphin Louis Auguste, der an diesem Tag selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich abwesend wirkte, zu bemerken schien. „Das wissen wir doch alle, mein bester Nicolas. Ihr habt uns in den wenigen Wochen, in denen wir Euch kennen lernen durften, sehr beeindruckt,“ antwortete ihm Fürst Starhemberg mit so viel Wohlwollen in der Stimme, wie es bis dahin nur wenige Menschen von ihm gehört hatten.

„Nicolas, ich hege den Wunsch mit Euch unter vier Augen zu sprechen, bevor Ihr Eure große Reise antretet, sofern es die Zeit noch gestattet,“ meldete sich unvermittelt der Dauphin zu Wort. Er mochte den jungen Mann, der von seinem Hauslehrer wärmstens empfohlen worden war, um als Page die künftige Dauphine nach Paris zu begleiten. Als Sohn eines französischen Vaters und einer deutschen Mutter, sprach er die Sprachen beider Elternteile fließend und da er außerdem französischer Staatsbürger war, sollte er als Einziger mit der Dauphine die Grenze zwischen Österreich und Frankreich überqueren, denn es galt als eine fest beschlossene Sache, dass weder österreichische Personen noch Gegenstände aus ihrer alten Heimat die Dauphine in ihr neues Reich begleiten sollten. Natürlich wäre eine junge Frau als Vertraute der Dauphine wesentlich besser geeignet, aber La Vauguyon hatte dem König gegenüber fest den Standpunkt vertreten, dass auf solch einer Reise, bei der immer wieder Gepäckstücke neu zu verladen waren und noch andere beschwerliche Aufgaben an standen, ein junger Mann wie Nicolas diese doch weit aus besser bewältigen konnte. Das Überreden war La Vauguyon nicht weiter schwer gefallen, denn Nicolas hatte am französischen Hof solch einen gewinnenden und verlässlichen Eindruck hinterlassen, dass jedermann, selbst der König, ihm jede noch so heikle Aufgabe anvertraut hätte. So erregte er auch in Louis Auguste ein derartiges Vertrauen, dass sich dieser, entgegen seiner sonst so verschlossenen Art, bald wünschte ihn zum Freund und Vertrauten zu haben. „Aber natürlich, für Eure Hoheit werde ich doch immer Zeit haben. Wir können gerne noch ein Stück miteinander gehen, so das ich mir vor der Reise die Füße vertreten kann,“ antwortete Nicolas dem Dauphin mit einer artigen Verbeugung. „Ihr entschuldigt uns?“ und mit dieser rethorischen Frage Louis Augustes ließen er und Nicolas den Botschafter Fürst Starhemberg und den Herzog La Vauguyon stehen.

Selbstverständlich wäre es bereits an der Zeit für den Aufbruch gewesen, doch die Wünsche des Dauphins hatten grundsätzlich Vorrang vor allem anderen.

Kaum waren die beiden jungen Männer außer Hörweite ergriff Louis Auguste erneut das Wort: „Ich weiß wir beiden kennen uns noch nicht lange, doch hoffe ich dennoch Euch mein Vertrauen schenken zu dürfen.“ „Aber selbstverständlich Euer Hoheit, erzählt mir nur was Ihr Wichtiges auf dem Herzen habt. Ich will Euch gerne anhören und auch wenn wir einander noch nicht lange kennen, bin ich der festen Überzeugung das wir uns gegenseitig vertrauen können wie gute Freunde,“ antwortete ihm Nicolas auf seine herzliche Art, die ihn am Hof innerhalb kürzester Zeit zum Liebling aller gemacht hatte und dem schüchternen Dauphin stahl sich vor Freude ein seltenes Lächeln auf die Lippen. „Mein Anliegen ist sehr privater Natur. Es handelt sich dabei um eine Dame der ich sehr zugetan bin.“ Louis Auguste errötete leicht, bevor er fort fuhr. „Auf Anraten Monsieur Bonnets habe ich Ihr vor wenigen Wochen einen Liebesbrief an sie geschrieben, doch ihre Antwort war leider nicht zufriedenstellend.“ „Und was genau habt Ihr besagter Dame geschrieben, wenn ich mir die Frage erlauben darf?“ „Ich schrieb ihr wie sehr ich sie bewundere und wie gerne ich einmal im Leben meine Lippen auf die ihren drücken möchte.“ Erleichtert atmete Louis Auguste auf, denn während seiner „Beichte“ hatte er vor Aufregung die Luft angehalten. Es fiel ihm nicht leicht über seine Gefühle und den Brief an Emilie zu sprechen, aber bei Nicolas war dies etwas anderes. In ihm meinte er endlich einen Mann in seinem Alter gefunden zu haben, dem er sich öffnen konnte und stellte dabei fest wie gut es doch tat endlich einen gleichaltrigen Freund zum Sprechen zu haben. Vor Aufregung und Freude bemerkte er nicht wie Nicolas leicht seine Augen verdrehte. „Aber Euer Hoheit, da seid Ihr mit Verlaub gesagt doch etwas mit der Türe ins Haus gefallen. Sicher hat sich die von Euch Angehimmelte bedrängt gefühlt. Ich würde Euch raten sie doch erst einmal auf einen Kaffee einzuladen. Wenn Ihr mir gestattet so schlage ich Euch vor in einem der vielen Gartenpavillons, die in den Gärten von Versailles zu finden sind, eine kleine Tafel nur für euch beide eindecken zu lassen. Die Fenster müsst Ihr selbstverständlich verhängen lassen, denn niemand weiß besser als Ihr selbst wie viele neugierige Personen doch an diesem Hof verkehren.“ Hier nickte Louis Auguste zustimmend. „Den Brief lasst Ihr einen Boten heimlich überbringen. Geht so diskret wie nur möglich vor.“ Erleichtert strahlte der Dauphin auf und beinahe hätte er Nicolas umarmt. „Ich danke Euch! Euer Rat hat mir sehr geholfen. Ihr habt recht, was ich geschrieben habe war wirklich etwas zu voreilig, wenn nicht gar dreist gewesen. Selbstverständlich gehe ich diskret vor. Meinen vorherigen Brief schickte ich ebenfalls über einen Boten in Ihre Sommerresidenz.“ Nicolas nickte und legt dem Dauphin die Hand auf die Schulter. „Seht Ihr, lieber Freund, Ihr wisst bereits worauf es ankommt. Wenn ich im nächsten Jahr mit Eurer Braut nach Versailles zurück kehre, werde ich gespannt darauf sein zu erfahren, ob Ihr bei der Dame Erfolg gehabt habt. Doch nun muss ich leider an meinen Aufbruch denken, denn Ihr wisst der Weg nach Wien ist weit.“ Ein seltenes Glücksgefühl durchzog die Seele Louis Augustes. Nicolas hatte ihn „mein Freund“ genannt. Das dieser als Untergebener nicht das Recht hatte ihn als zukünftigen König so zu nennen kümmerte ihn nicht, dazu war es viel zu wunderbar einen Freund wie Nicolas zu haben. So antwortete er ihm bewegt: „So habt eine gute Reise, Nicolas, der Ihr nun mein Freund seid und kommt wohl in Schloss Schönbrunn an.“

Noch lange sahen Louis Auguste, La Vauguyon und der österreichische Botschafter Fürst Starhemberg der Kutsche nach, die Nicolas an sein Ziel bringen sollte. „Habt noch einmal Dank dafür, dass Ihr einen passenden jungen Mann für diese wichtige Aufgabe gefunden habt,“ wandte sich Fürst Starhemberg an La Vauguyon. „Oh ja, Nicolas wird das, wofür er nach Wien geschickt wird sicher hervorragend meistern, da bin ich mir sicher,“ antwortete der Herzog in vollster Überzeugung.

Zum Glück sahen der österreischische Botschafter und der Dauphin nicht das Nicolas, nach dem er in die Kutsche gestiegen war, hinter den geschlossenen Vorhängen eine obszöne Geste, wie sie sonst nur beim Pöbel üblich war, mit seinem mittleren Finger in ihre Richtung machte, bevor er sich in seinen Sitz lümmelte.
 

Stockholm im September 1769

„Wie bitte, bedeutet dies das ich keinen Kredit bekomme?“ Entsetzt blickte Hans Axel von Fersen den Bankier, der ihm gegenüber saß, an. Im letzten Jahr hatte ihm sein Vater ein Konto in einer Stockholmer Bank eingerichtet, mit einem bestimmten, monatlichen Betrag, über den Hans Axel frei verfügen konnte. Bis vor kurzem hatte ihm sein Geld, wenn auch nur knapp, jeden Monat genügt. Im Verlauf der letzten Wochen war sein Lebensstil jedoch immer extravaganter geworden. Daran war sein bester Freund Arvid van Bergen nicht ganz unschuldig. Mindestens einmal in der Woche überredete er ihn an einem der Kartenspielabenden, die gerade bei den jungen Leuten in der aristokratischen Gesellschaft sehr beliebt waren, teilzunehmen, auf denen aber selbstverständlich um Geld gespielt wurde, wobei Hans Axel das Glück nicht immer hold war. Bereits jetzt hatte er eine ansehnliche Summe an Spielschulden bei seinen Freunden, derentwegen er nun bei seiner Bank um einen Kredit gebeten hatte, um so eben zu erfahren, dass dieser ihm aufgrund seines Kontostandes keinesfalls gewehrt werden konnte. Auch das ständige Bestellen neuer, moderner Kleidung bei seinem Schneider, da Arvid darauf bestand das man bei den Damen nur Erfolg hatte, wenn man nach der neusten Pariser Mode gekleidet war, und die immer häufiger werdenden Besuche in Restaurants und Kaffees an der Seite seines besten Freundes, hatten ihr Übriges dazu beigetragen das er sich in seiner jetzigen finanziellen Lage befand.

Vor der Bank, die Hans Axel recht geknickt verließ, wartete sein bester Freund Arvid bereits auf ihn. „Erzähle, haben sie dir nun den Kredit gewährt?“ erkundigte sich dieser sofort gespannt. Unglücklich schüttelte Hans Axel den Kopf. „Nein, mir wurde kein Kredit in Aussicht gestellt und wenn ich ehrlich bin, so kann ich es der Bank noch nicht einmal verübeln. Ich denke ich werde abwarten bis am Ende des Monats die regelmäßige Überweisung von meinem Vater eintrifft und so nach und nach meine Spielschulden abbezahlen.“ Kaum hatte Arvid den Vorschlag seines Freundes für die Lösung dessen Problems vernommen, begann er sofort heftig ihm diesen wieder auszureden, während sie Seite an Seite über die Fjärgatan (Anmerkung: wichtigste Straße in Stockholm) gingen. „Das kannst du doch nicht machen Hans Axel. Sei bitte vernünftig! Willst du von nun an monatelang an keiner Gesellschaft mehr teilnehmen, dir keine neuen Kleider gönnen und am Ende völlig vereinsamen? Das ist doch wohl nicht dein Ernst!“ „Leider muss ich dir sagen das es so ist. Es ist unmöglich das ich mich immer weiter in Schulden stürze. Irgendwann wird mein Vater davon erfahren und was soll dann nur geschehen?“ „Dann brauchen wir eben einen Plan mit dem du deine Finanzen aufbessern kannst. Mir schwebt da schon etwas vor. Komm, setzen wir uns in ein Kaffeehaus und ich erzähle dir welchen Geistesblitz ich habe.“

Kaum hatten die beiden im Kaffeehaus an einem etwas abgeschiedenen Tisch platz genommen und ihren Tee und das Gebäck bestellt, wobei Arvid seinem Freund versichert hatte das er auf jeden Fall eingeladen wäre, rückte er mit seiner Idee heraus.

„Du brauchst also Geld und bist Mitglied einer alten, reichen Familie. Ist es nicht so das ihr einige Familienerbstücke besitzt, die eine Menge wert sind?“ „Natürlich ist das der Fall. Besonders alte Schmuckstücke zählen dazu, an denen meine Mutter sehr hängt. Aber meine Eltern würden mir nie gestatten diese zu verkaufen.“ „Von verkaufen ist auch nicht die Rede. Ein Schmuckstück kann zum Beispiel auch dadurch verschwinden das es gestohlen wird. Dem Dieb wiederum kann es sehr viel Geld einbringen, in dem er es zum Pfandleier bringt und dort gegen Bares eintauscht.“ „Du schlägst mir vor das ich meine Familie bestehlen soll?“ Entsetzt blickte Hans Axel seinen Freund an. Auf solch einen Vorschlag war er nicht gefasst. Doch Arvid beruhigte ihn sofort: „Aber nicht doch! Es geht eher darum jemanden zu finden der dies für dich übernimmt. Jemanden der ohnehin bei euch im Hause lebt, der weiß wo sich die Sachen befinden und zu ihnen Zugang hat. Jemanden der so unschuldig wirkt, das ihn niemals jemand verdächtigen würde.“ „Du sprichst doch hoffentlich nicht von meiner jüngeren Schwester Sophia?“ Empört sah Hans Axel ihn an. „Aber nein, es gibt eine andere Person bei euch im Hause, die so ziemlich alles für dich machen würde.“ „Wenn die Rede von Fräulein Juliana von Elverfeld ist muss ich dich leider enttäuschen. Sie hat mich eiskalt abblitzen lassen. Das hätte ich niemals erwartet!“ Hans Axel kniff ärgerlich die Lippen zusammen. Noch immer fühlte er sich in seiner Ehre gekränkt. All zu sicher war er war sich gewesen die deutsche Gouvernante seiner Schwester innerhalb weniger Wochen, wenn nicht gar Tagen, in sein Bett zu bekommen. Hingegen seinen Erwartungen hatte sich diese jedoch als äußerst hartnäckig erwiesen. Zwar war sie über seine Liebesbotschaften sehr angetan gewesen, doch als es sich ergeben hatte und die beiden einmal allein im Salon waren und er nach einem zarten Kuss den Versuch unternommen hatte, seine Hand in ihre Korsage wandern zu lassen, war sie empört aufgesprungen und hatte ihm all zu deutlich erklärt nicht „diese Sorte Mädchen“ zu sein, denn bestimmte Dinge kämen für sie nur in Frage mit dem Mann den sie einmal heiraten würde. Damit war sie davon gerauscht und hatte Hans Axel seitdem keines Blickes mehr gewürdigt und war ihm außerdem so gut es ging aus dem Weg gegangen. Tief frustriert über diese Abfuhr hatte er sich umgehend danach seinem besten Freund anvertraut. „Es geht doch in diesem Falle nicht darum Juliana in dein Bett zu bekommen,“ fuhr Arvid fort. „Sie schwärmt nach wie vor von dir. Das steht fest, ansonsten müsste mich meine Frauenkenntnis sehr täuschen. Aber sie wünscht sich etwas völlig anderes als nur den Beischlaf mit dir. Ich würde mich wetten trauen das sie davon träumt eines Tages Juliana von Fersen zu heißen.“ Erstaunt sah Hans Axel seinen Freund an. So weit hatte er nie gedacht. Natürlich war er trotz seiner jungen Jahre bereits ein begehrter Junggeselle und eines Tages würden seine Eltern sicher die passende junge Aristokratin für ihn finden, aber das würde sicher nicht Juliana von Elverfeld sein. Allein der Gedanke eine Bedienstete, denn etwas anderes war eine Gouvernante genau genommen nicht, zu heiraten war völlig abwegig, davon einmal abgesehen das ihm Juliana als Ehefrau viel zu langweilig und prüde wäre. Mit diesen Gedanken wandte er sich an seinen besten Freund: „Dabei musst du nur bedenken, dass ich diese verarmte Gouvernante auf keinen Fall heiraten würde. Allein der Gedanke wäre lächerlich!“ Arvid winkte beruhigend ab. „Das musst du doch gar nicht! Es genügt schon wenn du sie nur glauben lässt, sie würde deine Frau werden. Du wirst ihr sagen das du dringend Geld brauchst, um zum Beispiel ein kleines Haus für euch zu kaufen, da dein Vater mit der Heirat nicht einverstanden ist und dich nun nicht mehr unterstützen möchte, du aber nicht mehr ohne sie leben willst. Irgendetwas in der Art wird dir schon einfallen. Vor lauter Glück wird sie dir den Schmuck besorgen. Ihr werdet das ganze wie einen Einbruch aussehen lassen und den Schmuck bringst du zum Pfandleier. Niemand wird euch auf die Schliche kommen und glaube mir, dieses Mädchen ist so in dich vernarrt, dass sie dir vollkommen hörig sein wird, bei dem Gedanken daran deine Frau zu werden.“ Hans Axel begann das Herz schwer zu werden als er an den Schmuck seiner Mutter dachte. Ihr lag so viel daran, nicht nur wegen seines finanziellen Wertes, sondern weil er von Generation zu Generation weitergegeben wurde und die ganze Familie stolz darauf war. Wie sollte er seine Eltern und Geschwister je wieder ansehen können wenn er sie bestehlen ließ? Alles in ihm sträubte sich dagegen dem Plan seines Freundes zuzustimmen. „Ich denke ich bringe es nicht über mich...“ Arvid machte eine wegwerfende Handbewegung und unterbrach seinen Freund. „Irgendwann wirst du im Spiel auch wieder eine Glückssträhne haben und dann sehen wir wie du den Schmuck wieder auslösen kannst. Vertrau mir nur. Oder willst du nun wirklich monatelang auf alles wichtige im Leben verzichten? Du wirst dich selbst aus der Gesellschaft aller jungen Adligen ausschließen und wenn du einmal draußen bist so wirst du nie wieder richtig dazu gehören. Möchtest du das?“ Beklommen schüttelte Hans Axel den Kopf. „Sehr vernünftig von dir. Also nimm meinen Vorschlag an. Es dürfte einem Mann wie dir doch nicht schwer fallen ein so naives Mädchen wie Juliana alles glauben zu lassen was du ihr erzählst und sie so von dir abhängig zu machen, das sie alles für dich machen würde.“ „Ich denke nicht das mir das schwer fallen würde,“ hörte sich Hans Axel mit heiserer Stimme sagen. Er fand Arvids Plan abscheulich, doch war es seine einzige Rettung um nicht aus seinem Freundeskreis ausgestoßen zu werden, nachdem er nun nicht mehr in der Lage war ihren Lebensstil zu pflegen. „Dann schlag ein,“ rief Arvid begeistert und hielt Hans Axel seine Hand entgegen. „Wir ziehen meinen Plan durch! Glaub mir das wird ein Spaß werden!“ Wieder willig schlug Hans Axel ein, doch er wünschte sich bereits in diesem Moment das dieses Gespräch nie zustande gekommen wäre.
 

Paris im September 1769

Schwer keuchend schleppte sich Catherine Gaspard die lange Treppe nach oben. Mit der rechten Hand stützte sie sich am hölzernen, mit allerlei geschnitzten Schnörkeln versehenen Treppengeländer ab. In der linken Hand trug sie einen schweren Kübel, der randvoll mit Putzwasser war und ihren Körper schräg nach unten zog. Ihr Gesicht war vor Anstrengung krebsrot und unter dem weißen Tuch, dass sie sich um den Kopf gelegt und hinten zusammen gebunden hatte, lugten ein paar ihrer goldblonden Haare hervor, die sich aus ihrem Dutt gelöst hatten. Oben angekommen stellte sie den schweren Eimer ab um einmal tief Luft zu holen. Niemand hätte in dem Hausmädchen in dem verwaschenen, mehrmals geflickten Kleid die Tochter General de Jarjayes erkannt, die noch vor einem Jahr als eine der schönsten, und bei den jungen Männern als eine der begehrtesten jungen Damen aller aristokratischen Familien gegolten hatte.

Es war knappe neun Monate her, seit sie sich im letzten Jahr in einer bitterkalten Winternacht aus dem Palas de Jarjayes geschlichen hatte, niemandem Lebewohl sagend als ihrer jüngeren Schwester Oscar. Was jedoch niemand wusste, zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal sie selbst, war das sie bereits ein Kind unter ihrem Herzen trug, das Ergebnis ihrer heimlichen Treffen mit Frederic, stets dann wenn er aus Paris kam um seine Eltern zu besuchen und die von den Hausmädchen im Palas de Jarjayes, Marie und Paulette, tatkräftig unterstützt worden waren, in dem sie kleine Nachrichten zwischen Catherine und Frederic Gaspard hin und her schmuggelten und die zunächst im Schutz des Dickichts des nahe gelegenen Sees statt gefunden hatten, später, als das Wetter dann merklich kälter wurde, in der Scheune von Frederics Vater.

Noch am nächsten Tag nach Catherines Verschwinden aus dem Palas de Jarjayes wurden sie und Frederic in einer kleinen Kirche in Paris getraut und so war aus der adligen Generalstochter die Schreinersgattin Catherine Gaspard geworden. Gemeinsam zogen sie in das Haus, in dessen Untergeschoss sich die Werkstatt von Frederics Onkel befand, die der kinderlose alte Herr sofort seinem Neffen überschrieb, um in die kleine Kammer umzuziehen in der bis jetzt Frederic geschlafen hatte und dem jungen Paar das große Schlafzimmer überließ. Anfangs war Catherine ihre Flucht an der Seite ihres geliebten Frederics abenteuerlich und romantisch erschienen, so wie in einem Liebesroman, in dem sie nun plötzlich die Heldin spielte. Die Romantik in der jungen Ehe verschwand allerdings recht schnell. Catherines Tagesablauf unterschied sich zu dem im Palas de Jarjayes so sehr wie sie es sich nicht einmal im Traum hätte vorstellen können. Vor Sonnenaufgang wurde aufgestanden, dann hieß es selbst mit einem schweren Eimer Wasser am Brunnen zu holen, Feuer zu machen und nach einem einfachen Frühstück das Haus zu versorgen, während Frederic und sein Onkel in der Werkstatt tätig waren. So versuchte Catherine alle anfallenden Arbeiten, vom Leeren der Nachttöpfe, über das Schrubben der Böden und dem Waschen und Bügeln der Wäsche, zu bewältigen, all das was von den Bediensteten ihres Vaters bis vor kurzem übernommen worden war und was sie als selbstverständlich betrachtet hatte.

Am Anfang fühlte sie sich so überfordert, dass sie jeden Tag heulend auf der Treppe saß, weil die Wäsche nicht richtig sauber wurde, das Feuer nicht brennen wollte, Frederics Nachthemden vom Bügeleisen versengt wurden und die Mahlzeiten die sie versuchte zuzubereiten nicht genießbar waren, geschweige denn überhaupt etwas essbarem ähnelten. Von den Frauen und Mädchen in der Nachbarschaft war keine Hilfe zu erwarten. Sofort hatten diese Catherine als eine erkannt die nicht zu ihrer Schicht gehörte. Allein ihre Art zu sprechen, ihr Gang und ihr ganzes Gehabe, das aus ihrer Erziehung resultierte, entlarvten sie als einer anderen Klasse zugehörig und machten sie zur Außenseiterin.

Letzten Endes schrieb der verzweifelte Frederic seiner Mutter, die äußerst widerwillig nach Paris fuhr, da ihre eigenen Pflichten zu hause nun unter Frederics jüngeren Schwestern aufgeteilt werden mussten, die aber selbst schon genug mit anpacken mussten, um der dummen, verwöhnten, aristokratischen Gans, wie sie ihre Schwiegertochter nannte, die ihr Sohn unbedingt ehelichen musste, in alle anfallenden Aufgaben einer Bürgerfrau einzuweisen. Mit Genugtuung erzählte sie auch Catherine, auf deren drängende Frage hin, dass sich ihre Familie nie nach ihrem Verbleib erkundigt hatte. Es wäre ein Leichtes gewesen Frederics Eltern nach ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter zu fragen, auch war seine Werkstatt in Paris nicht schwer zu finden. Doch niemand schien Interesse daran zu haben, zu erfahren wie es Catherine ergangen war. Es war als wäre sie aus der Familie de Jarjayes ausradiert, was Catherine das Herz vor Kummer zusammen drückte.

Selbstverständlich fiel der Schwiegermutter irgendwann auf das beim Versorgen der Wäsche keine Monatsbinden von Catherine auftauchten, worauf diese zugab seit Ende des Herbstes nicht mehr unwohl gewesen zu sein. Sofort wurde eine der Pariser Hebammen aufgesucht, die nach eingehender Untersuchung bestätigte was Catherine bis dahin erfolgreich verdrängt hatte: das am Ende des Sommers wohl ein neuer kleiner Gaspard seine Nase ans Licht der Welt stecken würde.

Catherine wusste nicht ob sie Lachen oder Weinen sollte. Allmählich kam ihr alles wie ein einziger Alptraum vor. Freude auf die bevorstehende Mutterschaft wollte keine in ihr aufkommen, anders als bei Frederic, der sich vor Begeisterung darüber Vater zu werden kaum fassen konnte und zur Feier des bevorstehenden Ereignisses eine der wie Schätze gehüteten Weinflaschen aus dem Keller holte, um auf das Wohl seines Nachwuchses anzustoßen.

Am 25. August, während die große Sommerhitze über Paris lag, brachte Catherine, nach dem sie fast einen ganzen Tag lang in den Wehen gelegen hatte, ihren Sohn Louis Antoine zur Welt, Louis dem König zu Ehren und Antoine weil Frederics Onkel so hieß. Als der kleine Antoine Catherine in den Arm gelegt wurde waren alles Leid der letzten Monate vergessen und sie meinte noch nie einen anderen Menschen so sehr geliebt zu haben wie ihren Sohn. Noch ahnte niemand das der kleine Antoine einmal als der große Revolutionär Saint Juste in die Geschichte eingehen sollte.

Das Glück hielt wiederum nicht lange an, da die Zeiten merklich schlechter wurden. Es kamen weniger Aufträge für Frederic und viele Kunden konnten ihre Bestellungen nicht bezahlen, ließen das Geld anschreiben und tauchten nie wieder auf. Bald reichte das Geld hinten und vorne nicht aus. Um so mehr freuten sie sich als der Graf de Meuron einige neue Schränke und Kommoden bei Frederic in Auftrag geben ließ, so wie ihn für diverse anstehenden Reparaturen in sein Haus bestellen ließ. Während seiner Arbeit wurde Frederic vom Hausverwalter des Grafen gefragt ob er eine zuverlässige Hilfe für den Haushalt wüsste, da eines der Dienstmädchen ausgefallen wäre. Sofort war ihm dabei seine Frau Catherine eingefallen.

Hingegen seiner Annahme das Catherine über die Möglichkeit ein zusätzliches Einkommen zu erwerben begeistert sein würde, brach diese in Tränen aus. „Niemals werde ich im Haus des Grafen de Meuron als Dienstmagd arbeiten. Wo denkst du nur hin Frederic? Er kennt mich seid ich ein kleines Mädchen war. Wir sind einander bereits in Versailles und bei verschiedenen Gesellschaft in adligen Kreisen begegnet und nun soll ich bei ihm sauber machen? Davon einmal abgesehen das seine Tochter Julie de Meuron vom Alter her zwischen mir und Oscar steht und mich ebenfalls erkennen würde. Auch deren bester Freundin Louise de Girodelle, die bei ihr ein und aus geht, würde ich begegnen und du kannst dir nicht vorstellen wie sich diese über mich lustig machen würde, denn sie ist mit Abstand eines der gemeinsten Mädchen in unseren Kreisen. Ich müsste mich in Grund und Boden schämen und bald würde ganz Versailles wissen, das ich, Catherine de Jarjayes, ein Dienstmädchen geworden bin." Und damit steigerte sich ihr Weinen in ein hysterisches Heulen. Das war das erste Mal in ihrer Ehe das Frederic der Geduldsfaden riss. „Du bist aber nicht mehr Catherine de Jarjayes sondern Catherine Gaspard und das wusstest du als du mich geheiratet hast, ebenso das ich dir kein Palas mit Dienstboten wie zu hause anbieten kann! Also höre mit dem Gejammer auf und packe gefälligst mit an! Ich selbst stehe bis in die Nacht hinein in der Werkstatt um dir und Antoine ein gutes Leben zu ermöglichen. Trag jetzt du bitte das deine dazu bei!" Offensichtlich waren Frederics laute Worte bis in das Nachbarhaus gedrungen, da die Häuser in der Pariser Altstadt Wand an Wand gebaut waren, denn sofort rief eine der Nachbarinnen zu ihnen hinüber: „Jawohl Gaspard, lies deiner Alten endlich einmal ordentlich die Leviten und versohle ihr am besten gleich ihren faulen Hintern! Die denkt wohl sie wäre etwas besseres als unsereins, nur weil sie aus einer Adelsfamilie kommt. Höchste Zeit das die endlich lernt was Arbeit heißt." Frederics Mutter hatte es sich bei ihrem Besuch nicht nehmen lassen sämtliche Nachbarinnen davon in Kenntnis zu setzen das es sich bei ihrer Schwiegertochter um eine durchgebrannte Aristokratentochter handelte, was Catherines ohnehin schon schwacher Beliebtheit in der Nachbarschaft kaum zuträglich gewesen war. Sich in das Unausweichliche schickend biss Catherine die Zähne zusammen, unterdrückte tapfer ihr Weinen und antwortete schnippisch: „Na schön, so werde ich eben Dienstmädchen beim Graf de Meuron. Immerhin möchte ich nicht schuld daran sein das wir am Ende noch verhungern." Das war allerdings das letzte was sie an diesem Abend zu ihrem Mann sagte und im Bett kehrte sie ihm demonstrativ gekränkt den Rücken zu. Am nächsten Morgen trat sie ihren neuen Dienst an.

Den kleinen Antoine durfte sie mitnehmen, meist trug sie ihn in einem Bündel vor ihrer Brust mit sich herum. Stets wenn sie aber ein Mitglied der Familie de Meuron kommen hörte verkroch sie sich in eine Nische oder huschte in eines der Nebenzimmer. Zu ihrem Glück legte de Meuron keinen Wert darauf seine Bediensteten persönlich kennen zu lernen, so wie es bei ihrem Vater im Palas de Jarjayes üblich gewesen war, sondern behandelte diese, bis auf die wenigen höher gestellten unter ihnen, wie Luft.
 

All diese vergangen Ereignisse huschten Catherine durch die Gedanken, als sie ihren Eimer wieder aufnahm und eines der Zimmer betrat, dessen Fenster hinaus in den Hinterhof zeigten. Draußen hatte bereits die Dämmerung eingesetzt, denn nun Anfang September wurde es täglich etwas früher dunkel. Bei besagtem Zimmer handelte es sich um eines der vielen unbenutzten Gästezimmer, das aber ausgerechnet an diesem Tag dringend benötigt wurde. Eigentlich war Catherine gerade schon dabei gewesen sich auf den Heimweg zu machen, als das oberste Dienstmädchen sie bat doch noch zu bleiben und das Gästezimmer vorzubereiten, was an diesem Tag in der vielen Arbeit einfach untergegangen war.

Gerade als Catherine beginnen wollte den Boden zu reinigen gab Antoine ein kurzes Quäcken von sich, mit dem er in der Regel ankündigte das er hungrig war. Schnell nahm ihn Catherine ab, setzte sich auf das Gästebett und öffnete ihr Kleid um ihn zu stillen. Kaum das Antoine begonnen hatte gierig zu saugen hörte sie Geräusche aus dem sonst so stillen Hinterhof zu ihr nach oben dringen. Es klang gerade so als würde ein Wagen vorfahren. Dabei konnte es sich nur um einen Lieferanten handeln, denn jene waren neben den Dienstboten die einzigen die durch den Hinterhof das Palas de Grafen de Meuron betraten, doch war es recht ungewöhnlich das zu so später Stunde noch etwas angeliefert wurde. Neugierig stand Catherine auf, den kleinen Antoine, der seine Mahlzeit noch nicht beendet hatte, weiter an ihre Brust gedrückt. Gerade sah sie noch wie das kleine Tor, das von einer der vielen Pariser Seitenstraßen in den Hinterhof des Palas des Grafen de Meuron führte, von einem unbekannten Mann geschlossen wurde. Mitten im Hof entdeckte sie eine kleine, einfache Kutsche, auf die der Unbekannte nun zuging um einem Fahrgast die Tür zu öffnen. Vermutlich könnte es sich auch um einen neuen Dienstboten handeln, der von weit her anreiste, wie Catherine überlegte, denn wenn es sich um einen höher gestellten Gast handelt würde, hätte die Kutsche vor dem Haupteingang gehalten und außerdem ein Wappen getragen. Immer neugieriger beugte sie sich weiter nach vorne, um nun endlich sehen zu können wer wohl aus dem Wagen steigen würde. Schließlich kam eine männliche Person, in dunkler, guter Kleidung mit einem breiten Hut auf dem Kopf, der sein Gesicht verdeckte, heraus. Misstrauisch sah sich der Mann um. Offensichtlich fühlte er sich, in diesem Fall tatsächlich nicht unberechtigt, beobachtet und blickte instinktiv nach oben. Erschrocken wich Catherine schnell zurück, doch sie meinte in dem Mann den Herzog La Vauguyon erkannt zu haben, den Hauslehrer des Dauphins. Doch sie musste sich irren. Weshalb sollte der Herzog in einer schäbigen Kutsche im Hinterhof des Grafen de Meuron halten? Sie spürte das es besser wäre ihre restliche Arbeit zu verrichten und schnell nach hause zu gehen, doch die Neugier trieb sie erneut ans Fenster. Der Mann, in dem sie den Herzog La Vauguyon zu erkennen geglaubt hatte, klopfte gegen die Türe, die vom Hinterhof in den Keller führte. Diese öffnete sich einen kleinen Spalt so das der Herzog La Vauguyon und der Kutscher hinein huschen konnten. Catherine wusste nun das hier Irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging. Bald darauf öffnete sich das kleine Tor erneut, um die nächste Kutsche ein zu lassen, aus der ebenfalls ein einfach gekleideter Herr stieg, der jedoch von vornehmer Herkunft sein musste. Das erkannte Catherine allein schon an seinem Verhalten und seinem Gang, so wie sie von den Menschen in ihrer Nachbarschaft ebenfalls sofort als Adlige erkannt worden war. Er gab sich weniger Mühe sein Gesicht zu verbergen als der erste Herr und Catherine konnte in ihm sofort den Marquise de Levigne erkennen, dem sie früher ebenfalls öfters in Versailles begegnet war. Auch er klopfte wie sein Vorgänger gegen die Kellertüre, um sofort dahinter zu verschwinden, allerdings drehte dessen Kutsche sofort um und verließ den Hof, anstatt wie die des Herzogs dort stehen zu bleiben. Gebannt blieb Catherine am Fenster hängen und beobachtete wie sich nach und nach der Hof mit Personen füllte, die alle im Keller verschwanden. Alle waren sie ausnahmslos mit wappenlosen Kutschen gekommen, vermutlich alles Mietdroschken, die sofort wieder durch das kleine Tor abfuhren, kaum das ihre Insassen ausgestiegen waren. Die meisten zeigten sich so klug ihre Gesichter bedeckt zu halten, sei es unter großen Hüten oder Kapuzen. Jedenfalls war niemand mehr dabei den Catherine ohne weiteres hätte identifizieren können. Einzig allein bei einer Dame, die sich einen dunklen Kapuzenmantel tief in ihr Gesicht gezogen hatte unter dem eine rotblonde Haarsträhne hervorlugte, hätte sie hoch und heilig schwören können diese Frau schon ewig zu kennen, obwohl deren Gesicht verborgen blieb. Als die letzte Person durch die Kellertüre verschwunden war, trat der Graf de Meuron selbst aus dem Keller heraus, verschloss die Hoftüre mit einem Riegel, um wieder hinter der Kellertüre zu verschwinden. Catherine verharrte noch einige Zeit gebannt am Fenster, während es draußen stockfinstere Nacht geworden war. Erst Antoine, der sich satt getrunken hatte und auf sich aufmerksam machte holte sie in die Gegenwart zurück. „Es wird wohl im Keller des Grafen de Meuron illegales Glücksspiel abgehalten werden oder sie werden geschmuggelte Ware aus dem Ausland, die einer auf seinen Geschäftsreisen durch den Zoll gebracht hat, billig verkaufen,“ dachte Catherine bei sich. Darauf das es sich um weit aus gefährlichere Machenschaften handelte kam sie keine Sekunde.
 

Im Kellergewölbe des Grafen de Meuron waren einige Kerzen aufgestellt, um den engen Raum zu erhellen, der sonst im Dunklen gelegen hätte. Einige der Personen hatten auf einem der wenigen Stühlen Platz genommen, der Rest stand gegen eines der Fässer oder die Wand gelehnt. Aus der kleinen Verschwörergemeinschaft, zu der am Anfang vier Personen gehört hatten, die inzwischen verstorbene Mutter des Dauphins inbegriffen, war mittlerweile auf einen Kreis von fünfzehn Leuten angewachsen. Denn Vorsitz der Gruppe führte offensichtlich der Herzog La Vauguyon. Ihm war es äußerst unrecht das die Gruppe so viele Mitgliedern gewonnen hatte, denn um ein Geheimnis bewahren zu können waren es bereits zu viele. Er trat nach vorne und sofort blickten alle gebannt zu ihm. „Hiermit erkläre ich unsere Versammlung als eröffnet. Während der letzten Wochen war ich nicht untätig und habe einiges in die Wege geleitet.So konnte ich einen fähigen Mann anheuern, der uns helfen wird das Attentat an der „l autre chien“ zu vollbringen. (Anmerkung: das französische Wort für Österreicherin: „l autrichienne“ wurde von den Gegnern Marie Antoinettes wie „l autre chienne“, was ungefähr so viel wie „die andere Hündin“ bedeutet ausgesprochen.“) Er ist heute hier, um uns den bisherigen Plan für unser Vorhaben vorzustellen: Nicolas de la Motte, ein ehemaliges Mitglied des königlichen Garderegiments.“

Der Mann, der dem Herzog als Kutscher gedient hatte trat nun ebenfalls nach vorne und verbeugte sich. Dabei zog er seinen Hut und wer ihm in sein Gesicht sah konnte erkennen das seine Augen heimtückisch und verschlagen leuchteten. Sofort meldete sich der Marquise de Levigne zu Wort. „Ich kenne diesen de la Motte. War er nicht das einzige Kind des alten Grafen de la Motte? Das gesamte Vermögen seines Vaters hat er verspielt, versoffen und verhurt. Letzten Endes ist er wegen Verleumdung und Diebstahl aus dem königlichen Garderegiment unehrenhaft entlassen worden. Er ist nichts weiter als ein krimineller Tunichtgut, der für Geld alles machen würde." „Er ist ganz genau eben das was wir suchen," antwortete der Graf de Meuron. Die anderen im Raum nickten zustimmend. Bei einem Mordkomplott auf ein Mitglied der königlichen Familie war nun einmal nur ein kriminelles Individuum bereit mitzuhelfen. De la Motte meldete sich nun unvermittelt zu Wort: „Meine Vergangenheit braucht niemanden zu interessieren. Ihr habt einen Auftrag für mich und ich werde ihn erfüllen. Was ich dazu brauche sind genügend andere Männer und um diese an zu heuern brauche ich wiederum genügend Geld." La Vauguyon winkte ab. „Daran soll es nicht scheitern. Nenn uns den Betrag den du benötigst. „Neben den 5000 Livre für mich, die wir bereits miteinander vereinbart haben, noch einmal 10 000 weitere Livre, um meine Mithelfer gewinnen zu können.“ „15 000 Livre ist eine unverschämte Forderung," brauste de Levigne auf. „Dann sucht euch jemand anderen. Ich habe meinen Preis genannt und von dem werde ich nicht abweichen." Sofort setzte sich de la Motte in Bewegung und begann auf die Türe zuzugehen. „Wartet," rief La Vauguyon. „Wir werden die Summe aufbringen. Jeder von uns wird einen Teil dazu beisteuern." „So viel Geld habe ich nicht," rief der Graf de Meuron empört. „Meine Tochter Julie ist im heiratsfähigen Alter und muss aus gesteuert werden und meine Geschäfte liefen in letzter Zeit ausgesprochen schlecht!" Einige der Anwesenden murmelten und nickten zustimmend. Wütend schlug La Vauguyon auf eines der Fässer. „Ruhe! Das Geld wird durch fünfzehn geteilt und jeder von euch wird 1000 Livre dazu beisteuern. Wir sitzen alle im selben Boot und jeder hält sich daran was in unseren Versammlungen vereinbart wird. Wer dies nicht tut der lebt nicht mehr lange, merkt Euch das! Also seht zu das ihr bis zum nächsten Treffen den Betrag beisammen habt, ansonsten erwartet euch, wenn ihr das nächste Mal euer Haus verlasst, einer meiner Bekannten, der ähnlich skrupellos wie de la Motte sein wird und euch für eine weit aus geringere Summe ins Jenseits befördert. Hat mich jeder verstanden?“ Verschreckt nickten die Angesprochenen zur Zustimmung. Mit La Vauguyon war nicht zu spaßen und jeder der ihn kannte wusste das er seine Drohungen in die Tat umsetzen würde.

„Hervorragend,“ sagte La Vauguyon als er zu seiner Zufriedenheit alle genügend eingeschüchtert hatte. „Und nun wird uns de la Motte seinen wunderbaren Plan vorstellen, den er und ich miteinander erarbeitet haben. De la Motte, beginnt mit Euren Ausführungen!“

Und Nicolas de la Motte begann: „Als ehemaliges Mitglied des Garderegiments weiß ich glücklicherweise wie die Truppe vorgehen wird, denn ich kenne noch alle ihre Taktiken. Es wird nicht leicht sein an die Dauphine auf ihrer Reise von Österreich nach Frankreich heran zu kommen, da sie ihre Kutsche mit möglichst vielen Soldaten umstellen werden. Auch wenn die Reiseroute geheim ist wird so ein riesiger Zug für Aufsehen sorgen und selbstverständlich werden etliche Bauern und Bürgersleute kommen um zu gaffen und zu winken. Unsere Leute mischen sich unter sie und zwar mit Pistolen, die sie in ihrer Kleidung verstecken. Dabei wird peinlich genau darauf geachtet werden das unsere Helfer absolut neutral wirken, denn so wie ich das königliche Garderegiment kenne wird die Gegend von einer Vorhut eingehend nach verdächtigen Personen und Gegenständen überprüft werden. Einige von uns werden auf Pferden, in der Kleidung reicherer Bürgersleute getarnt, ebenfalls an der Straße stehen, während der Zug der Dauphine vorbeikommt. Auf Kommando gehen wir mit unseren Pferden auf die kleineren Wägen los, so das wir den Anschein erwecken als wären wir nur Diebe und hinter dem Schmuck des Hofstaates her. Dies vollziehen wir aber an mehreren Stellen des Zuges. Die als Bauern verkleideten Helfer überfallen nach und nach ebenfalls einige der Wägen. Natürlich werden etliche Soldaten die dem Schutz der zukünftigen Dauphine dienen zur Hilfe eilen. So werden aber nach und nach Wachen rund um die Kutsche der „l autre chienne“ weg fallen. Zwischenzeitlich werden einige meiner Leute etwas abseits der Weges Sprengsätze zünden, was für weitere Verwirrungen sorgen und Soldaten des Garderegiments zu den verschiedenen Stellen der Explosionen rufen wird, was sie natürlich ebenfalls davon abhält in der Nähe der Dauphine zu bleiben. Es wird also, wenn man es so ausdrücken will, plötzlich richtig die Hölle los sein. Zu guter Letzt greifen wir die Wägen vor und nach der Kutsche der „l autre chienne“ an. So haben wir die kaiserliche Kutsche eingekeilt und vom Rest abgedrängt. Der Kutscher der einer unserer Leute sein wird, fährt nun vom Wege ab und mit ihr auf und davon. Als letztes bleibt nur noch der „l autre chienne“ und den Insassen in ihrer Kutsche die Kehlen durch zuschneiden." „Und dies soll gelingen?" fragte entgeistert einer der Anwesenden und sprach so mit aus was alle dachten. De la Motte lachte dröhnend. „Wer nicht wagt gewinnt nicht!" „Und woher wollt Ihr die Leute nehmen die Kopf und Kragen riskieren?" mischte sich de Meuron ein. „Paris ist voll mit Galgenvögeln die für ein bisschen Geld alles tun würden. Überlasst das nur mir,“ antwortete de De la Motte. „Und wer soll die „l autre chienne“ letzten Endes ins Paradies schicken? Werdet Ihr selbst das übernehmen oder der von Euch angeheuerte Kutscher?" „Es wird ein kleiner Page in der Kutsche sitzen, der sich gerade jetzt in diesem Augenblick auf dem Weg nach Wien befindet. Da er eine deutsche Mutter hat spricht er diese Sprache akzentfrei und als Sohn eines französischen Vaters hat er dessen Staatsbürgerschaft und eignet sich somit hervorragend dazu mit der „l autre chienne“ nach Frankreich zu reisen. Er wurde von unserem geschätzten Herzog La Vauguyon, dem österreichischen Botschafter Fürst Starhemberg, der gerade am französischen Hof weilt, wärmstens für diese Aufgabe empfohlen und mit allerlei Empfehlungsschreiben versehen. Er hat bereits König Louis den XV für sich eingenommen und er wird es verstehen das Herz der „l autre chienne“ zu erobern und vor allem deren Mutter von sich zu überzeugen.

Wenn die Kutsche erfolgreich abgedrängt ist wird er der Dauphine den Gar aus machen. Ich werde vor Ort und Stelle warten, ihn nach dem er sein Werk vollbracht hat schnell aus der Kutsche ziehen, vor mir auf mein Pferd setzen und mit ihm davon galoppieren." „Und woher habt Ihr dieses Prachtexemplar von einem Knaben?" „Es handelt sich dabei um meinen Sohn, Nicolas de la Motte den Jüngeren, von mir selbst ausgebildet und instruiert. Er versteht es hervorragend anderen Menschen den charaktervollen, liebenswerten jungen Mann vor zu gaukeln, auf das in kürzester Zeit alle von ihm eingenommen sind und auf der anderen Seite habe ich ihn gelehrt skrupellos vorzugehen und wenn es sein muss auch zu töten.“ „Ihr seid des Wahnsinn de la Motte! Wie soll so ein irrwitziger Plan den funktionieren? Kein Wunder Ihr seid aus dem königlichen Garderegiment geflogen!“ rief de Levigne. „Pass auf Bürschchen," de la Motte kam gefährlich näher. „Ruhe! Meine Herren, ich darf doch sehr bitten!" La Vauguyon schritt dazwischen. „Die verrücktesten Pläne haben sich bis jetzt als die besten erwiesen. Wir werden es so machen wie de la Motte es uns gerade erläutert hat. Oder hat jemand einen besseren Vorschlag?“ Niemand meldete sich zu Wort doch de Meuron wandte ein: „Die Sache klingt so bizarr das sie schon wieder als genial gelten kann. Ich bin dafür es zu versuchen.“ „Wohl gesprochen,“ pflichtete ihm La Vauguyon bei. „Um unser Ziel jedoch verwirklichen zu können brauchen wir nur noch die Reiseroute der „l autre chienne“, die uns inzwischen unsere geschätzte Comtesse de Fortune beschafft hat," damit wandte er sich mit gespielter Zuvorkommenheit an Veronique. Diese war blass geworden. „Verzeiht mir Monsieurs und Madames wenn ich Euch mitteilen muss das die Reiseroute noch nicht vorliegt." „Wie kann das sein?" schäumte La Vauguyon auf. „Ihr trefft Euch doch noch mit de Ronsard. Wie konnte es passieren das Ihr noch nicht an die Unterlagen gekommen seid?" „Ich treffe mich zwar noch mit de Ronsard, aber es war mir bis jetzt unmöglich an die Reiseroute zu gelangen. Ein paar mal haben wir uns heimlich in seinem Büro in der Offiziersakademie getroffen, damit seine Gattin nichts von unseren Treffen mit bekommt. Doch nach dem er eingeschlafen war, da ich ihm wie vereinbart ein Schlafpulver in den Wein gemischt habe, fand dort ich nur wertloses Papier. In seinem Arbeitszimmer in seinem Hause konnte ich noch nicht nach sehen, denn dort können wir uns nur treffen wenn seine Gattin gerade aus ist." „Ich warne Euch, macht keine Spielchen mit uns. Es ist ein leichtes einer Person die Kehle durchschneiden zu lassen und niemals wird heraus kommen wer dafür verantwortlich ist." Dies stimmte nur all zu gut. Paris wimmelte nur so von Mordfällen die niemals aufgeklärt wurden. „Hört zu, vereinbart schleunigst ein Treffen in de Ronsards Hause. Sorgt dafür das es möglichst spät ist und die Dienerschaft bereits schläft und denkt auch weiterhin an das Schlafpulver. So könnt ihr ungestört sein Arbeitszimmer durch suchen. Ich warne Euch Comtesse de Fortune, wenn Ihr nicht endlich die Reiseroute bringt hat Euer letztes Stündlein geschlagen.“ Ängstlich zitternd nickte Veronique. Zum wiederholten Male in den letzten Wochen fragte sie sich wie sie je wieder aus dieser Sache heraus kommen sollte.

Als sie später den Keller verließen schüttete es draußen in Strömen. Veronique zog sich erneut ihren Kapuzenmantel über ihr Haar. Schweigend öffnete der Graf de Meuron den Riegel des kleinen Tores und ließ seine Gäste hinaus, die jeder in eine andere Richtung des Pariser Straßennetzes davon liefen. Auch Veronique ging so schnell sie konnte durch die engen Gassen. Das Wasser lief ihr über den Mantel, der bald völlig durchnässt war. In die erste Mietdroschke die sie am Straßenrand entdeckte stieg sie ein und wies den Kutscher an, sie in das Palas ihres Mannes zu bringen. Erschöpft zog sie ihre Kapuze vom Kopf und ließ sich in die Polster der Kutsche sinken. Dann öffnete sie die Vorhänge der Kutsche ein Stück und sah in den strömenden Regen hinaus. Das gleichmäßige Plätschern der Wassermassen beruhigte sie langsam und sie fühlte sich von einer seltenen Stille umfangen. Ruhig faltete sie die Hände und begann für sich zu beten: „Lieber Gott, ich bitte dich steh mir bei und lass mich endlich diese verdammte Reiseroute finden, bevor sie mich noch wirklich umbringen lassen, denn ich möchte noch nicht und keinesfalls auf diese Weise mein Leben lassen. Und bitte sorge dafür das der verschwundene Brief des Herzogs La Vauguyon an mich nicht in falsche Hände geraten ist und niemand je davon erfährt das ich in ein Mordkomplott auf unsere zukünftige Dauphine verstrickt bin. Bitte lass mich aus dieser Sache heil heraus kommen und ich verspreche dir mich nie wieder auf solch eine Intrige einzulassen, niemals wieder meinen Gemahl zu betrügen und mich, wenn dies alles durchgestanden ist, so viel wie irgend möglich meinem Sohn Maurice zu widmen. Amen.“ Dabei rollten ihr leise Tränen der Angst und der Verzweiflung über die Wangen, während die Kutsche durch den Regen rollte.
 

So schüttete es die ganze Nacht hindurch, bis in den Morgen hinein, um dann endlich in ein Nieseln überzugehen.

Missmutig stand Oscar am nächsten Morgen am Fenster und sah in den Nieselregen hinaus. Bis vor kurzem hatte sie sich noch darauf gefreut das die Sommerpause zu Ende war und das neue Semester auf der Offiziersakademie beginnen würde, aber das nasskalte Herbstwetter, das ausgerechnet an diesem Tag hereingebrochen war, vergällte ihr alles. Selbst Sophies heiße Schokolade konnte sie nicht aufmuntern. Glücklicherweise frühstückte sie an diesem Tag nur mit ihrem Neffen Maurice, da ihre Mutter noch schlief und ihr Vater, wie so oft in letzter Zeit bei Verhandlungen in Versailles weilte. Und Maurice der seine Tante allzu gut kannte hielt sich dabei zurück auch nur einen Mucks von sich zu geben, so das während ihres Frühstücks tiefstes Schweigen herrschte.

Bald darauf stand sie in ihrer Kadettenuniform, über die sie ein Regencape gezogen hatte, unter der überdachten Türe im Hof und wartete darauf das Andre ihre gesattelte Stute bringen würde. Aufmunternd wandte sich Sophie an sie, der Oscars finstere Stimmung ebenfalls nicht entgangen war. „Nun, strengt Euch weiter an Lady Oscar und ich bin sicher das Ihr es schaffen werdet genau wie im ersten Semester uns alle und natürlich ganz besonders Euren Vater stolz auf Euch zu machen.“ Natürlich wollte Oscar an diesem Morgen offensichtlich nichts als ihre Ruhe, doch Sophie fand das eine kleine Ansprache zum Beginn des neuen Semesters dazu gehörte. „Sicher freut Ihr Euch darauf Eure Kameraden wieder zu sehen," meinte sie noch abschließend. Wie ein Sonnenstrahl huschte es über Oscars Gesicht. Endlich würde sie Henry wieder sehen! Wie wunderbar!

Kaum hatte ihr Andre ihre Stute gebracht, zog sie sich die Kapuze ihres Regencapes über den Kopf, nahm ihm die Zügel aus der Hand, saß mit neuem Schwung auf, hob kurz die rechte Hand zu einem Lebewohl für Andre und Sophie und ritt weit aus fröhlicher los, als sie es vor einer halben Stunde noch für möglich gehalten hatte. Dafür hatte sich nun Andres Miene verfinstert. „Sie braucht nur an ihre neuen Kameraden zu denken, besonders an diesen Henry, und schon bin ich unwichtig. Kaum das sie sich richtig von mir verabschiedet hat,“ sagte er zu sich selbst. Dann drehte er sich um und kehrte an seine Arbeit in den Stall zurück.

Als Oscar ihr Pferd einem der Stallknechte der Offiziersakademie übergeben hatte kamen ihr bereits Olivier und Patrice entgegen. „Wie schön dich zu sehen de Jarjayes" riefen sie fröhlich und schlugen Oscar kameradschaftlich auf die Schulter. „Ich freue mich auch euch beide wieder zu sehen nach den langen Ferien. Habt ihr Henry bereits irgendwo entdeckt?" fragte Oscar und versuchte dabei so gleichgültig wie möglich zu klingen. „Nein, sicher wird er wie üblich ein wenig zu spät kommen. Du weißt doch das Pünktlichkeit nicht zu seinen Stärken gehört," antwortete ihr Olivier lachend. „Ja, da hast du recht. Sicher wird er es wie üblich, kurz bevor die erste Stunde beginnt, noch in letzter Sekunde in den Unterrichtsraum schaffen,“ antwortete Oscar und versuchte sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Sie hatte so sehr darauf hin gefiebert das ihr Henry am ersten Tag sofort entgegen kommen würde. Doch dann beruhigte sich sich das noch genügend Zeit vor Unterrichtsbeginn war und Henry sicher noch ankommen würde, mit seiner üblichen Verspätung, wie Olivier höchstwahrscheinlich richtig vermutete.

Allmählich begaben sich die Kadetten, nachdem sie sich nach den Ferien alle überschwänglich begrüßt und Neuigkeiten ausgetauscht hatten, auf den Weg in ihre Unterrichtsräume. Auch Oscar schritt an der Seite von Patrice und Olivier zügig über den langen Gang der Akademie, um noch rechtzeitig vor Unterrichtsbeginn da zu sein, da auch sie viel zu viel Zeit mit ihrem Gerede vergeudet hatten. Doch plötzlich schob sich von hinten etwas zwischen ihre Beine. Überrascht verlor Oscar das Gleichgewicht und schlug der Länge nach hin. Die jungen Männer um sie herum auf dem Gang begannen lauthals zu grölen. Sofort hielten ihr Patrice und Olivier jeder eine Hand hin und halfen ihr beim Aufstehen. „Haut dich die Aussicht auf das kommende Semester gleich um?" fragte Patrice. „Jemand hat mir ein Bein gestellt, "antwortete Oscar, nicht im mindesten darum bemüht die Wut in ihrer Stimme zu unterdrücken. Zornig drehte sie sich um, damit sie den Übeltäter zur Rede stellen konnte. Ihre Augen schienen Blitze zu schleudern und ihre Wangen waren vor Scham und Wut rot angelaufen. Dabei entdeckte sie vor sich ein altbekanntes Gesicht, mit grau-blauen Augen unter einem wohl frisiertem, braunem Lockenschopf. „Guten Morgen Mademoiselle," rief ihr Victore de Girodelle, der in einer Kadettenuniform vor ihr stand, hämisch grinsend zu. „Ich hoffe für Euch das Ihr endlich richtig schwimmen gelernt habt, dann das Gehen beherrscht Ihr offensichtlich immer noch nicht."

Eine furchtbare Ahnung stieg in Oscar auf das ihr zweites Semester nicht so reibungslos verlaufen würde wie das Letzte.



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