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Portrait der Sünde

Eine Geschichte aus Mr. Crawfords Haus im Nebel
von

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13. September

Mochte ich auch glauben, Cherubinas bösen Fluch besiegt zu haben, so wurde ich heute Morgen eines Besseren belehrt und meine Scham und Angst sitzen zu tief, als dass ich darüber hinaus noch Zorn empfinden könnte.

Ich ging gestern mit leichtem Gemüt zu Bett, mit guter Laune und der Gewissheit, dem Übel, das mich plagte entronnen zu sein, war doch die Last, die dieses Übel auf meine Seele gelegt hatte, verschwunden und die dämonische Gestalt der Cherubina mit ihr, Mein Schlaf war tief und friedlich, sodass man nicht hätte glauben mögen, wie sehr mich die Ereignisse der letzten Tage aufgezehrt hatten.

Und doch fand ich an diesem Morgen das all dies, all die Friedlichkeit, all die Erleichterung, auch nur Teil von Cherubinas Spott waren, denn das Erste, was ich erblickte, war die Leinwand.

Dieses Höllending hatte sich über Nacht wieder zusammengesetzt, stand auf der Staffelei als wäre nie etwas gewesen und die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel, liess mich taumeln und zurück auf meine Bettstatt sinken.

Dort blieb ich eine ganze Weile erschüttert sitzen.

Was soll ich denn noch tun?

Ich erwog, noch einmal in die Bodleian Library zu gehen, in einem verzweifelten Versuch noch einmal dort nach einer Lösung zu suchen.

Doch im selben Moment ahnte ich, dass meine Zeit im Begriff ist, abzulaufen.

So oder so: Es wird heute enden und ich stehe Schach. Ausser beten und hoffen scheint es nichts mehr zu geben, das ich noch tun könnte. Ich habe wohl verloren.
 

Aber, nein, so kann ich es doch nicht enden lassen, ich kann nicht einfach aufgeben! Damit würde ich ihr nur in die Hände spielen. Sicherlich gibt es noch immer etwas, was ich tun kann.

Ach, wenn ich nur wüsste, was.

Vielleicht war es nicht der schlechteste Gedanke, die Leinwand zu zerstören, vielleicht war es einfach nicht der richtige Weg...

Ja, ich darf ihr einfach keine Möglichkeit geben, sich zu regenerieren. Ich muss sie vollkommen zerstören.

Feuer wäre sicherlich eine Möglichkeit. Schon die Hexenjäger des finsteren Mittelalters suchten doch, mit dem Feuer die Seelen der unglücksseligen Weiber, die ihnen in die Hände gerieten, zu reinigen, wie auch das Fegefeuer von dem Bösen reinigt.

Es mag einem aufgeklärten, rationalen Mann des 19. Jahrhunderts wohl als barbarisch erscheinen, doch wer bin ich, darüber zu richten?

Ich werde diesen Albtraum also im Feuer beenden!
 

Ich nahm mir also einmal mehr die Leinwand, schlug sie einmal mehr in Zeitungspapier und trug sie einmal mehr die enge Treppe hinunter und in den Garten hinter dem Haus. Dann eilte ich zurück und holte zwei Flaschen Terpentin, die ich mit der kindlichen Begeisterung eines Brandstifters über das unselige Paket goss.

Ich zögerte einen Moment, das Streichholz anzureissen, freute mich dann jedoch an dem Ton, den es von sich gab und fasziniert sah ich zu, wie aus dem kleinen, geradezu unschuldigen Streichholz-Flämmchen ein höllisches Inferno wurde, welches das Paket lodernd einhüllte. Das Zeitungspapier krümmte und wand sich unter der Flamme Kuss und bald - da war ich sicher - bald würde sich auch die Leinwand krümmen und winden, während das Feuer sie verzehrte.
 

Doch so kam es nicht. Der kalte Westwind wehte die verkohlten, noch kläglich glimmenden Überreste des Papiers davon und die Leinwand lang unberührt vor mir auf den Steinplatten der Terrasse.

Das Teufelsding wollte einfach nicht brennen! Egal, wie viel Terpentin ich darauf schüttete, egal, wie viele Schwefelhölzer ich darauf warf, es wurde nicht einmal warm.
 

Ich war der Verzweiflung nahe, trat heftig gegen die Leinwand, so dass der Rahmen knackte und flüchtete mich in meine Kammer, wo ich mir zur Beruhigung eine Pfeife mit Opium stopfte.

Jene schreckliche Angewohnheit, die ich mir ja eigentlich schon längst abgewöhnt hatte. Doch Pfeife, Tabak und Opium besitze ich noch immer und - Herrgott - was spricht schon dagegen?

Ich hatte kaum zwei Züge genommen, da hörte ich ein Klopfen an meiner Tür.

Zunächst wagte ich nicht zu öffnen, doch dann erklang die resolute Stimme der Witwe Philips, meiner Vermieterin, durch die Tür. Also ich ihr die Tür öffnete, stiess sie mir die Leinwand heftig gegen die Brust.

“Ich weiss ja nicht, warum Sie versuchen, meine Lilien anzuzünden und es ist mir auch egal, aber nehmen Sie doch bitte ihren Plunder wieder mit. Dies ist ein ordentliches Haus und ich wünsche nicht, dass irgendwelcher Urat in meinem Garten liegt!“

“Verzeihen Sie, Mrs. Philips“, murmelte ich. “Es wird bestimmt nicht wieder vorkommen.“

Ich reichte Mrs. Philips etwas Geld um die angesengten Lilien zu ersetzen und nahm die Leinwand also Notgedrungen wieder an mich. Nachdem ich sie auf die Staffelei - wo sie noch immer thront - gestellt hatte, kehrte ich zu meiner Pfeife neben dem Bett zurück.

Wie es scheint, kann ich dieses Spiel nicht gewinnen. Also was macht es schon, dass die verdammte Leinwand wieder wie ein Tor zu einem Höllenschlund über mir droht?

Es ist ohnehin alles verloren, was kann ich also noch anderes tun als mich dem gnädigen Rausch und seinen schönen Visionen hinzugeben?
 

Und so lag ich träumend da. Ein Stunde? Zwei? Ich vermag es nicht zu sagen, war ich doch frei von Zeit, während Bilder von Phantastischen Orten und fernen Sommertagen durch meinen benebelten Kopf zogen.

Und Bilder von ihr, wie ihre goldenen Locken im Wind wehten und wie sie sanft und prinzessinnengleich mein Haar streichelte, als wäre sie keine Hure und Dämonin, sondern wieder jener sanfte Engel, den ich vor scheinbar unendlich langer Zeit malte und liebte.

Doch nun ist die Wirkung des Opiums abgeklungen und mein Geist ist wieder klar. Es ist Zeit.

Auf der Treppe höre ich leise, leichte Trippelschritte, ein Hauch von Hyazinth, Jasmin und weissem Flieder weht ihnen voraus.
 

Ich Tor habe versprochen meine Seele zu geben um ihr Wirklichkeit zu verleihen, habe einen Dämon, meinen eigenen Untergang geschaffen. Und nun ist es Zeit, dieses Fatale Versprechen einzulösen.
 

Mr. Sterlings offensichtliches Ende verblüffte Mortimer wenig, damit war zu rechnen gewesen, doch die Letzte Zeile des Tagebuchs warf selbst ihn etwas aus der Bahn. Nur ein einziges Wort stand da, doch es war nicht Mr. Sterlings Hand gewesen, die es schrieb. Die Buchstaben stammten offenkundig aus der Feder einer Dame, so schön geschwungen und fliessend wie sie waren.
 

Schachmatt...



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