Zum Inhalt der Seite

Barmherziger Tod

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Titel: Barmherziger Tod

Teil: 6/?

Autor: Miezikami1

Email: Miezikami1@hotmail.com

Orginal

Rating: 18

Warning: lemon, death, depri, sap, ur, yaoi, language

Disclaimer: Allet meine...

Kommentar: Wenn ein Engel vom Himmel fällt, erstrahlt sein Licht heller als das jedes Sterns...

Notes: Ich muss anfangen dieses ekelige Zeug von Kaffee zu trinken...Man bin ich müde...

Pairings: Man muss doch nicht immer gleich alles verraten...
 

CC? Trotz meiner langen Abwesenheit...

______________________________________________________________________
 

14. Buch
 

Pariser Restaurant, 07. August 1995
 

Alexander beobachtet interessiert, wie Rei in der Küche des 'Chez Camille' herumwerkelte.

Wenig später breitet sich ein äußerst angenehmer Geruch nach Eintopf in der Luft aus und der Magen des jungen Polizisten knurrte laut. Reideen drehte sich grinsend um und schimpfte mit einem Kochlöffel:

"Geduld ist eine Tugend..."

Alexander grinste zurück.

"Ich war noch nie tugendhaft."

"Na, wenn das so ist..."

Rei schnappte sich zwei Teller und stellte sie auf den Tisch, woraufhin Alexander im Eiltempo seine Portion förmlich verschlang.

"Hast du noch mehr?"

Der Junge blinzelte kurz perplex, dann stand er leise lachend auf und holte Alex Nachschlag.

"Woher wusstest du von dem Stahlträger?"

Rei zuckte mit den Schultern.

"Sie hat mich gewarnt."

"Sie?"

Rei nickte und setzte sich wieder.

"Die Stimme."

Alex verschluckte sich und hustete.

"Ich weiß, was du jetzt denkst...Hilfe! Der Junge ist noch verrückter, als ich dachte! Und in gewisser Weise hast du ja recht..."

"Na ja, immerhin hat uns deine Stimme gerettet."

Rei spielte versonnen mit seinem Löffel.

"Und ich werde mich bei ihr revanchieren!"

Alexander wurde hellhörig.

"Wie das?"

"Ich hör sie schon, seit ich in Kains Wohnung aufgewacht bin. Sie schreit nach Hilfe...Und nun steh ich in ihrer Schuld. Ich werde ihr helfen."

"Gut. Dann komm ich mit..."

Lächelnd fügte er hinzu:

"Schließlich muss ich dich ja beschützen..."
 

Paris, 30. November 1995
 

Reideen und Alexander gingen wieder mal durch die zerstörte Stadt auf der Suche nach Nahrung und dem Wesen, das ihnen geholfen hatte. Überall konnten sie die Spuren des Erdbebens sehen, da kein Hilfstrupp die Stadt versorgte und reparierte, was an sich schon ziemlich merkwürdig war...Geborstene Fensterscheiben, eingefallene Wände, teilweise noch brennende oder rauchende Gebäude. Alles war noch so, wie das kurze aber sehr intensive Erdbeben es zugerichtet hatte. Die Zeit schien stillzustehen...Das Schlimmste war ohne Zweifel der Lärm...Eine Kakophonie des Schreckens und der Trostlosigkeit komponiert mit ohrenbetäubenden Sirenengeheul, kreischenden Menschen, Alarmanlagen, Schmerzensschreien, dem Brüllen der zahllosen Feuer...

Rei runzelte kurz die Stirn, als er eine junge Frau entdeckte, die von einem gutaussehenden, kräftigen Mann verfolgt wurde, der sie ohne Zweifel bald einholen würde. Reideen zuckte desinteressiert mit den Schultern und bog um eine Ecke. Er hatte wirklich besseres zu tun, als sich als Held aufzuspielen. Das hatte ihm in der Vergangenheit nur Probleme bereitet...

Er war froh darüber dieses Mal nicht allein diesem Chaos gegenüberzustehen. Auch wenn er zugeben musste, dass ihm der junge Polizist zeitweise ziemlich auf die Nerven ging.

"Wo willst du eigentlich heute hin?"

Rei seufzte tief.

"Das kann ich dir auch nicht sagen."

"Toll.", murmelte Alexander. "Einfach toll!"

Mit seinen vor unterdrückter Wut gefährlich funkelnden Augen brachte Reideen Alexander sofort zum Verstummen und meinte kalt:

"Ich habe dich nicht um deine Begleitung gebeten! Und ich habe dir auch gesagt, dass ich nur meinem Gefühl folgen kann..."

"Weiß dein Gefühl wenigstens wo es langgeht?"

Reideen atmete frustriert aus.

"Ich hoffe es..."

Zu gern hätte er Alex anvertraut, dass er sich selber unsicher fühlte, doch er wollte den Mann nicht noch mehr beunruhigen, denn schließlich musste diesem die ganze Angelegenheit ja noch furchteinflößender und fremdartiger vorkommen als Rei.

Die Frau von gerade stolperte auf die Straße und fiel der Länge nach hin. Sofort war der Mann über ihr und lachte gehässig.

"Jetzt gehörst du mir, du Miststück!"

Sie versuchte ihn zu treten, doch er grunzte nur unwillig.

"NEIN!!!"

Die junge Frau mit dem langen, schwarzen Haar bettelte jämmerlich darum, dass er sie in Ruhe ließe und Alexander wollte ihr schon zu Hilfe eilen. Doch in dem Moment tauchten zwanzig weitere Gestalten auf und sahen ihn warnend an, was ihn lieber innehalten ließ. Der große Kerl mit der Frau wurde auf ihn aufmerksam und schrie:

"Mach, dass du weiterkommst!"

Er starrte Alexander wütend an. Sein Blick wanderte von dem jungen, muskelbepackten Polizisten zu Rei und er fügte schnell hinzu:

"Der Junge bleibt hier! Den behalten wir als Wegzoll! Der bringt bestimmt seinen Preis und rettet so unser Leben..."

Die anderen abgerissenen Gestalten lachten und Alexander war am Überkochen, doch Reis Hand legte sich beschwichtigend auf seinen Arm.

"Du willst mich also verkaufen?", säuselte Rei mit seiner sanftesten Stimme und Alex spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten.

Irgendetwas stimmte nicht. Alexander warf Reideen einen verzweifelten Blick zu und hofft, dass der Junge keine Dummheit im Schilde führte.

"Und ob ich das will! Bageril zahlt immer ein hübsches Sümmchen für so niedliche Burschen wie dich, Kleiner..."

Seine Zunge fuhr genießerisch über seine Lippen, wohingegen sich Reis Augen bei der Erwähnung dieses Namens dunkler färbten. Bageril...Oh, er erkannte diesem Namen wieder, auch wenn sein Träger ihn etwas verändert hatte. Ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht.

"Vielleicht gewähre ich dir sogar die Gunst mit mir zu schlafen, bevor ich dich zu ihm bringe! Du scheinst gut gebaut zu sein und Frauen sind hier sowieso Mangelware..."

Rei lächelte anzüglich und strich sich eine Strähne aus der Stirn. Der Kerl schluckte heftig und Alexander erschauderte, als er spürte wie die Luft um Rei förmlich knisterte.

"Diese Ehre wäre wirklich zuviel für mich!"

Reideen schlenderte lächelnd auf den Mann zu und hockte sich vor ihn hin. Seine Hand streichelte über das kurze, braune Haar des andern, die Wange hinunter und schloss sich mit tödlicher Sicherheit um die Kehle.

"Lass das Weib los!"

Der Kerl gehorchte sofort und die junge Frau versteckte sich hinter Rei, der seine andere Hand hob und den Mann zärtlich das Haar zerwuschelte.

"Ich mag die Angst in deinem Blick...Du gehörst jetzt mir!"

Der junge Mann mit den hellblauen Augen nickte.

"Wie ist dein Name?"

Der Gefragte rang nach Atem.

"Jean, Gebieter."

Reideen schnalzte mit der Zunge.

"Jean...Schöner Name für einen schönen Mann."

Jeans Gesicht erstrahlte vor Glück.

"Lass...lass Jean los!", stammelte einer von dessen Kameraden.

Reis Kopf fuhr herum und seine tiefschwarzen Augen fixierten den Jungen, der unkontrollierbar zu zittern begann.

Alex war vollkommen entsetzt. Was war mit Reideen los?

Ein eiskalter Wind fegte über die Straße, als Rei lächelte.

"Willst du, dass ich dich loslasse, Jean?"

Der Mann schüttelte den Kopf.

"Nein, Gebieter! Bitte berührt mich!"

Rei lachte grausam und zog Alexanders Messer aus der Tasche. Er ließ es aufklappen und hielt es Jean vor die Nase.

"Willst du mich töten?"

Jean war sichtlich entsetzt.

"Eher würde ich mich selbst umbringen, Gebieter!"

Ein gieriges Funkeln trat in Reis Augen.

"Beweiß es mir!"

Ohne auch nur für einen Augenblick zu zögern, nahm Jean das Messer entgegen und schnitt sich ohne den geringsten Schmerzenslaut die Pulsader auf. Reideen lächelte und der junge Mann erwiderte das Lächeln voller Seligkeit. Rei ließ Jeans Hals los und hob vorsichtig dessen verletzten Arm hoch. Er presste seine Lippen auf die Wunde und trank einen Schluck des Blutes. Jean stöhnte lustvoll auf und schloss vor Wonne die Augen. Alexander stand kurz davor sich zu übergeben, wie es schon einige der anderen taten. Als Reideen endlich von Jean abließ, hatte die Wunde sich mit einer roten Narbe geschlossen. Ein Blutstrophen lief aus Reis Mundwinkel und er deutete mit seinem Finger darauf. Sofort beugte sich Jean vor und küsste das Blut fort. Rei nickte zufrieden, streichelte wieder Jeans Wange und erhob sich dann.

Er fixierte die anderen mit kalten Blicken aus seinen seelelosen Augen, denen keiner der anderen auch nur einen Moment standhalten konnte.

"Ihr gehorcht jetzt mir! Widersetzt euch und euch geschieht dasselbe wie Jean! Befolgt meine Befehle und euch wird es gut gehen..."

Alle nickten erschrocken und Alexander bemerkte, dass auch er ängstlich zustimmte. Jean eilte an die Seite seines Gebieters und himmelte ihn an.

"Bring mich zu Bageril, Jean!"

"Ja, Gebieter."

Das Gesicht des jungen Mannes erstrahlte bei dem Gedanken seinem Gebieter zudiensten sein zu können.

Reis Augen wurden wieder smaragdgrün, als er die junge Frau anlächelte.

"Am besten gehst du jetzt heim, Kleines."

Tränen liefen ihr über die Wange, die Rei vorsichtig wegwischte.

"Ich hab kein Heim mehr. Darf ich bei dir bleiben?"

Rei schmunzelte.

"Wenn es dein Wunsch ist...Wie heißt du?"

Sie strahlte ihn an.

"Angela."

Reideen nickte bedächtig.

"Gut, Angela. Dann komm!"

Er drehte sich um und ließ sich von Jean führen, während ihm die anderen der Bande in gebührenden Abstand folgten.

Alexander war so entsetzt und geistig gelähmt, dass er nur automatisch mitging, weil alle anderen es taten. Er konnte nicht begreifen, was da gerade passiert war, konnte es nicht fassen, dass Reideen mit ihm nicht schon längst dasselbe getan hatte. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er wirklich Angst...Todesangst vor diesem Jungen, den er eigentlich beschützen wollte...
 

15. Buch
 

Unterwelt, Zeit : - 24 Tage
 

"Wir hätten ihn lieber töten sollen!"

"Unsinn, Milwial! Was denkst du dir bloß! Erstens ist er lebend viel wertvoller und zweitens sind wir doch nicht wie...Hey! Der Kleine kommt zu sich..."

Rei brummte der Schädel mörderisch und auch seine Gedanken entsprangen dieser Natur. Er wollte sich aufrichten, wurde daran aber von Fessel um seine Fuß - und Handgelenke gehindert.

"Was wollt ihr von mir?", meinte er leise.

Seine Augen blieben geschlossen, da er genau wusste, dass sie seinen Schmerz, den er vor allem im Rücken spürte, widerspiegeln würden und Schwäche war etwas, was er jetzt als letztes zeigen durfte, denn er spürte sehr wohl die unterdrückte Aggression, die um ihn herum war und die Luft fast zum Vibrieren brachte.

"Wir wollen wissen, wer du bist!"

Reideen schwieg, während er vorsichtig die Widerstandskraft seiner Fesseln testete.

"Antworte mir gefälligst!"

Er unterdrückte vorsichtshalber sein Lächeln. Die Bastseile waren kaum der Rede wert. Sie hatten ihn unterschätzt. Eine Flucht war also...

Ein Stromschlag durchfuhr seinen Körper und er riss sich mit einem wütenden Schrei los. Seine Augen sprühten Funken und suchten hasserfüllt nach dem Verursacher seiner zusätzlichen Schmerzen, während ein schwarzer Nebel sie verdunkelte. Die vier Gestalten in den Kapuzenmänteln wichen entsetzt vor ihm zurück und einer von ihnen fiel ein metallener Stab aus der Hand. Ein tiefes Grollen, wie von einem angriffslustigen Raubtier, kam aus Reis Brust, als er langsam mit wiegenden Schritten auf die Gestalt zu ging.

"Warst du es?", fragte er mit drohender Stimme.

Eine andere Gestalt warf sich zwischen Rei und sein Opfer.

"Lass Samura in Frieden! Sie hat dir nichts getan!"

"So?...Dann hab ich mir den Elektroschock wohl nur eingebildet?"

"Du...du hast etwas gespürt?!"

"Natürlich! Oder was denkst du, was das ist!"

Rei streckte seinen Arm aus, auf dem sich eine rote Brandwunde bildete.

"Aber..."

"Lass mich durch! Oder ich werde dich töten!"

Die Gestalt zuckte merklich zusammen, blieb aber weiterhin mit ausgebreiteten Armen vor Rei stehen.
 

"Das ist zwecklos, Ricerte!"

Reideen fuhr herum und fixierte eine große Gestalt im Eingang der Höhle.

"Du kannst ihn nicht aufhalten, wenn er töten will...Aber willst du das denn?"

Reis Augen wurden zu schmalen Schlitzen.

"Dieses...Dinge hat mir wehgetan!"

"Du hast mir angst gemacht!", meldete sich eine klägliche Stimme zu Wort.

"Bitte untertänigst um Verzeihung...", erklärte Rei sarkastisch mit einer gekünstelten Verbeugung.

Die große Gestalt lachte. Reideen hob eine Augenbraue und betrachtet sie abschätzend.

"Über was denkst du nach?"

Rei grinste als Antwort bösartig. Er lief in Windeseile auf die Gestalt zu, stieß sich kurz vor ihr vom Boden ab und schlug über sie hinweg einen Salto. Nach seiner sicheren Landung zog er einen kleinen Dolch aus dem Stiefel und drückte ihn an die Kehle der Gestalt, die überrascht aufjapste.

"Hör mir gut zu!", zischte Rei. "Ich hasse es, wenn sich Leute über mich lustig machen. Ich hasse es, wenn man mich gefangen hält. Und ich hasse es wirklich, wenn man mich belügt. Also sag mir die Wahrheit...Wo bin ich hier?!"

"Im Hauptquartier der Ascant."

"Was sind die Ascant?"

"Soll das heißen, du hast noch nie von uns gehört, Angel?!", empörte sich Ricerte.

"Ich bin kein Angel...Und nein, ich habe noch nie von euch gehört!"

"Wir sind Rebellen!"

Langsam ließ Rei den Dolch etwas sinken.

"Gegen was rebelliert ihr denn?"

"Gegen Wesen wie dich!", giftete Ricerte.

Reis Augenbraue hob sich und er lächelte leicht.

"Du bist ziemlich voreilig. Du hast keine Ahnung wer, noch was ich bin und bildest dir trotzdem schon ein Urteil..."

"Immerhin bedrohst du den Grauen Wolf!"

"Wen?!"

"Das dumme Ding meint mich!"

Rei zog seiner Geisel die Kapuze herunter und grinste.

"Grau passt ja...Aber Wolf?"

Der Mann mit den kurzen, grausilbernen Haar lachte.

"Wir können gern darüber diskutieren...wenn du mich am Leben lässt."

Reideen beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr:

"Ich lasse dich am Leben...vorerst. Bedroht mich jemand, werde ich ihn töten und alle die sich mir in den Weg stellen..."

"Ich habe nichts anderes erwartet..."

Der Dolch verschwand wieder in Reis Stiefel und der Graue wurde freigegeben. Er rückte sich seine Kutte zurecht und lächelte.

"Danke. Ich hänge doch sehr an meinem Hals."

"So wie ich an meiner Freiheit.", meinte Rei und warf einen vielsagenden Blick auf seine ehemaligen Fesseln, die nun zerrissen am Boden lagen.

Seine nun wieder vollkommen smaragdgrünen Augen verengten sich misstrauisch, als die kleine Gestalt mit dem Stab auf ihn zu kam und die Kapuze zurückschlug.

"Es tut mir leid, dass ich dir wehgetan habe..."

Rei lächelte.

"Und mir tut es leid, dass ich dir angst gemacht habe."

Das kleine, schmale Gesicht strahlte auf. Reideen kniete nieder und blickte dem kleinen Mädchen ernst in die braunen Augen.

"Kannst du mir etwas versprechen?"

Ihr blonden Locken hüpften fröhlich, als sie nickte.

"Füge niemanden mehr Schmerzen zu, nur weil du Angst vor ihm hast! Meist hat die Person nämlich noch mehr Angst als wie du."

Ihre Augen wurden riesengroß.

"Du hattest angst vor mir?!"

Rei nickte.

"Ich konnte dich nicht sehen. Alles, was ein Mensch nicht sehen, nicht verstehen kann, ängstigt ihn...So ist es dir doch auch ergangen, oder?"

Sie lächelte zustimmend.

"Dann bist du ja gar nicht böse!"

Ein feines Lächeln huschte über seinen Mund.

"Lass dich bloß nicht von ihm einwickeln!", warnte Ricerte.

Reideen schüttelte den Kopf und meinte zu ihr:

"Niemand ist böse, wenn er kämpft um sein Leben oder das seiner Familie und das seiner Freunde zu verteidigen. Hältst du mich für böse, weil ich nicht sterben will?"

Der Graue lachte schallend.

"Mit dem würde ich mich lieber nicht anlegen, Rice! Der ist verdammt gerissen."
 

Reideen sprang auf, als er eine ihm mittlerweile wohlbekannte Stimme durch die Gänge donnern hörte.

"WO IST ER?!?!"

Der Boden selbst schien zubeben. Und kurz nach der Stimme erschien auch deren Besitzer vor Wut schäumend. Xer kam wie ein wilder Stier angestürmt und blickte sich suchend um.

"WO IST...?!"

Sein Blick fiel auf Rei, der grinsend hinter dem Grauen Wolf auftauchte.

"Suchst du mich?"

Xers Augen blinzten auf.

"Ja, verdammt noch mal! Wen denn sonst?!"

Der Riese trat in die Höhle, wobei seine Schuppenklaue gefährlich funkelte.

"Xeraldena!", japste der Graue Wolf und sank mit den anderen in eine Art Anbetungsstellung zu Boden.

Reideen runzelte die Stirn, ging zu Xer und tippte auf dessen mächtige Brust.

"Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?"

Xer scharrte verlegen mit den Füßen.

"Ich, ähm..."

"Ree'Din!"

Wie der geölte Blitz kam Gelana hereingerannt, sprang Rei an, warf ihn dadurch zu Boden, und überhäufte ihn mit Küssen.

"Runter von mir!", befahl Rei mit einer Stimme, deren Kälte selbst das Höllenfeuer eingefroren hätte.

Sofort war Gelana wieder auf den Beinen und lächelte ihn hilflos an. Rei richtete sich ächzend auf. Die Schmerzen in seinen Schultern waren inzwischen fast unerträglich geworden. Wie gewöhnlich wandelte er seinen Schmerz in Zorn um und versengte Xer förmlich mit seinen Blicken. Der Riese fühlte sich sichtlich unwohl und hüstelte gepresst.

"Meine...ähm...Leute dachten bestimmt, du seiest eine...Gefahr..."

Ein hilfloses Lächeln erschien auf Xers Zügen.

"Ich werde dir gleich zeigen, was eine Gefahr ist!", fauchte Rei, wenig beeindruckt von Xers offensichtlicher Reue. "Ich bin wütend! Mir brummt der Schädel! Ich hab Hunger! Mein Rücken bringt mich um! Ich bin hundemüde! Und...und deine Leute knutschen den Boden!...Verdammt noch mal, wer bist du wirklich?!"

Xeraldena lächelte leicht.

"Ich bin, wer ich bin. Genau wie du!"

Rei starrte ihn mit unbändiger Wut an. Xer wedelte mit der Hand und die Kapuzenträger erhoben sich wieder, wobei Rei auffiel, dass einer von ihnen die ganze Zeit unbeweglich stehen geblieben war.

"Am besten isst du erst mal was, Ree. Und ein Bad wäre bestimmt auch sehr angenehm..."

Ein weiterer Wink von Xeraldena und der Kapuzenträger, der sich nicht gerührt hatte, kam auf ihn zu.

Rei versetzte es einen heftigen Stich, als die Kapuze abgenommen wurde, denn der Junge war fast das genaue Ebenbild von Thomas. Seine blonden Haare standen genauso ab und seine blauen Augen funkelten ebenso schelmisch. Xer redete auf den Jungen ein, dessen Grinsen immer breiter wurde. Dann nickte der Junge bedächtig und drehte sich zu Rei um.

"Mothas wird sich um dich kümmern. Er gehört jetzt dir.", erklärte Xer.

"Wie bitte?!"

"Ich gehöre jetzt Euch, Herr.", antwortete der Junge mit seiner angenehm tiefen Stimme.

Rei hob abwehrend die Hände.

"Moment mal! Was soll der ganze Unsinn?!"

Mothas sah ihn entsetzt an.

"Bin ich Euch nicht hübsch genug oder missfalle ich Euch irgendwie? Ich kann mich auch für Euch verändern..."

"Nein, nein. Du bist vollkommen in Ordnung. Aber..."

Xer strahlte.

"Dann ist ja alles bestens! Du vergibst uns also und nimmst Mothas als Wiedergutmachung an."

"Und was wenn ich ablehne?", fragte Rei vorsichtig.

Xer seufzte tief.

"Dann müssen wir dich leider töten, weil du dann die Ehre meiner Sippe beleidigst."

Bedrückende Stille erfüllte die Höhle, bis Rei ergeben nickte.

"Also los, Mothas! Ich habe Hunger!"

Der Junge strahlte übers ganze Gesicht und ging los, Rei im hinterher.
 

Hauptquartier der Ascant
 

Es ging durch zahllose, lange Gänge, treppauf, treppab, vorbei an Höhlen in den unterschiedlichsten Größen vom Rattenloch bis hin zum Felsendom. Überall brannten Fackeln und vertrieben die Dunkelheit. Rei stutzte.

"Gibt es hier kein grünes Licht?"

"Nein, Herr. Das Dakaro herrscht nur in den Gegenden, die weiter vom Kern entfernt sind...Wusstet Ihr das nicht, Herr?"

"Ich heiße Reideen. Kannst mich auch Rei nennen..."

Mothas schüttelte den Kopf.

"Ich gehöre jetzt Euch, Herr. Also muss ich Euch auch Respekt zollen."

"Dann zoll mir Respekt, indem du meinen Wunsch befolgst und mich Rei nennst!"

Mothas lachte laut und dieses Lachen tat Reideen unsagbar gut.

"Also gut! Wie Ihr wünscht, Ree."

Reideen hatte es schon aufgegeben, sich darüber aufzuregen wie die Leute hier unten seinen Namen aussprachen, und lächelte dankbar. Mothas blieb vor einer schweren Eichentür stehen, die er öffnete und dann in die dahinterliegende geräumige Höhle eintrat. Kaum dass Reideen drinnen war, fiel die Tür wieder zu.

"Was möchtet Ihr essen, Ree?"

"Alles!"

Rei verzog das Gesicht, als er schnell hinzusetzte:

"Bloß kein Rattenragout!"

Mothas grinste.

"Xer hat für Euch gekocht. Richtig?"

Reideen nickte kläglich. Mothas lachte wieder und seine blauen Augen funkelten fröhlich.

"Keine Bange! Ich besorge Euch mein Lieblingsessen...Reis mit Yavawurzel und Lammstückchen."

Rei tropfte förmlich der Zahn.

"Ich werde in die Küche gehen und Eure Wünsche übermitteln. Wartet hier, Ree!"

Und schon verschwand er.

Rei blickte sich neugierig um. Die große Höhle war wirklich gemütlich eingerichtet für die etwas mittelalterlichen Verhältnisse hier unten. Ein großer Kamin mit leise knisterndem Feuer, ein solider, mit zahlreichen Fächern versehener Schreibtisch, Stühle und ein Tisch, ein großes Bücherregal und eine Waschgelegenheit, bestehend aus Keramikschüssel und Krug. Das Ganze wurde allerdings von dem riesigen Bett in der Mitte dominiert. Schwere, blaue Vorhänge waren an den Bettpfosten drapiert und verliehen dem Ganzen etwas Edles. Reideen nahm eins der Bücher aus dem Schrank und begann zu lesen. Er schmunzelte, als er bemerkte, dass es sich dabei um ein Sagenbuch mit hübschen Zeichnungen handelte.
 

Als Mothas nach einiger Zeit wieder auftauchte, balancierte er ein riesiges Brett mit Essen auf den Armen und einen Krug auf den Kopf. Zu Reis maßlosen Erstaunen stellte er alles problemlos auf dem Tisch ab, ohne auch nur das Geringste zu verlieren. Rei schlug sofort zu und kaute auf sämtlichen Backen. Mehrmals verschluckte er sich und hustete heftig, wollte allerdings nicht langsamer essen. Als der gröbste Hunger gestillt war und er das Mahl endlich genießen konnte, sah er Mothas, der ihm gegenüber saß und ihn schmunzelnd beobachtete, abschätzend an.

"Sag mal, stört es dich gar nicht, dass Xer dich so einfach verschenkt hat?"

Mothas zuckte mit den Achseln.

"Er hat mich gefragt und ich habe 'Ja' gesagt."

Reideen runzelte die Stirn.

"Soll das heißen, du bist freiwillig hier?!"

"Natürlich. Niemand kann mich zu irgendetwas zwingen."

Rei katschelte gedankenverloren auf einem Stück Lamm herum.

"Warum du?"

"Weil ich es so wollte."

"Das versteh ich nicht."

Mothas lächelte, stand auf und begann die Reste einzusammeln. Dann ging er zur Tür. Kurz bevor er draußen war, hörte Rei ihn murmeln:

"Nicht verstehen! Hat der sich noch nie selbst gesehen?..."

Rei grinste leicht und überlegte sich, was er nun weiter tun sollte.
 

Reideen kratzte sich gerade wieder einmal wütend die Schulterblätter, als es klopfte. Er öffnete und beobachtete verblüfft, wie zwei Männer einen Badezuber hereinschleppten und mit dampfendem Wasser füllten. Kaum waren sie verschwunden, schälte Rei sich aus seiner mittlerweile ziemlich mitgenommenen, mit Blut besudelten, zerrissenen Kleidung und stieg zufrieden seufzend in das Wasser. Es roch leicht nach Kamille und Rei spürte wie das seinen Rücken beruhigte. Er schloss seine Augen und war bald darauf eingedöst.
 

Sanfte Hände strichen zärtlich über Reis Körper und erweckten ein verzerrendes, angenehmes Gefühl in seiner Lendengegend. Er schreckte auf, als sich die Hände eben diesen Gebiet näherten. Sein Blick wanderte an den Armen hinauf, über die kräftigen, nackten Schultern, den schön geschwungenen Hals, den perfekt geformten Engelsmund, der ein verzücktes Lächeln zeigte, bis zu den verklärten, blauen Augen.

"Ihr seid so schön, Herr!"

"Du sollst mich doch Rei nennen!"

Mothas nickte abwesend. Seine Finger strichen versonnen über Reis seidige Haut, verfolgten jeden Muskelstrang, erkundeten jede Vertiefung.

"Du weißt hoffentlich, was du da tust, mein Freund.", flüsterte Rei.

"Ich will nur, dass Ihr Euch wohl fühlt, Ree...Und ich glaube, dass ich auf dem richtigen Weg bin..."

Reideen lachte leise, schlang seinen Arm um Mothas' Taille und zog ihn kurzerhand zu sich in den Zuber. Mothas japste überrascht auf und stimmte dann in Reis Lachen ein. Reideen lehnte sich zurück und umarmte Mothas sanft, so dass dessen Kopf auf Reis Brust zum Liegen kam. Der blonde Junge schmiegte sich eng an Rei und spielte mit dessen Haar. Er hob eine Strähne an seine Nase und sog den unverkennbaren Duft ein.

"Ihr riecht gut."

"Du hörst dich an wie Thomas.", meinte Rei wehmütig.

"Wie wer?"

"Thomas...Mein früherer Geliebter...Das ist lange her. Wie mir scheint eine halbe Ewigkeit..."

"Habt Ihr ihn geliebt?"

Rei nickte und strich dabei zärtlich über Mothas' Rücken.

"Leider hab ich ihm das nie gesagt..."

"Bestimmt war das nicht nötig. Er hat es gewusst..."

Reideen seufzte.

"Ich hoffe es...Woher wusstest du eigentlich, dass ich so auf dich reagieren würde?"

Mothas Finger glitten über Reis Brust.

"Mein Clansmann kennt meine Vorlieben. Er hat mir erzählt, dass Ihr Frauen hasst. Folglich müsst Ihr Eure leidenschaftlichen Gelüste anderweitig stillen..."

"Wer ist dein...Wie nanntest du es?...Clansmann und woher kennt er mich?"

Mothas grinste.

"Clansmann bedeutet Verwandter. Er gehört zur Familie...Wisst Ihr wie mein voller Name lautet?...Mothas'Tro. Ich bin der Clansmann von Xeraldena."

Reideen fuhr wie von der Tarantel gestochen hoch und starrte den Jungen entgeistert an.

"Xer ist dein Clansmann?!"

Mothas nickte und stieg aus dem Zuber, wobei seine nasse Kutte eng an seinen Körper klebte, was Rei heftig schlucken ließ.

"Kommt lieber auch raus, sonst erkältet Ihr Euch noch!"

Reideen befolgte den Rat, schlang sich das ihm dargebotene Tuch um die Hüften und setzte sich auf das große Bett.

"Jetzt werde ich mich um Euren Rücken kümmern."

Rei nickte schwach.

"Ach, du meine Güte!", entfuhr es Mothas. "Was ist nur mit Eurem Rücken?!"

"Das weiß ich nicht.", knurrte Rei. "Ich zerkratz ihn mir nur seit Neusten mit Vorliebe. Und dein Clansmann hat gesagt, dass ich mich verändere."

"Ich glaube, da hat er Recht! Wisst Ihr, was Ihr habt?"

"Nein.", giftete Rei.

"Federn, Herr. Schwarze, glänzende Federn...Es sieht aus wie die Ansätze von Flügeln."

Reideen runzelte die Stirn.

"Soll das ein Witz sein?"

"Ähm, darf ich?", fragte Mothas und zupfte an Reis Rücken.

Als Reideen nickte, zog Mothas eine Feder heraus und Rei zuckte kurz zusammen. Vor seiner Nase baumelte eine tiefschwarze Feder, die im Licht der Kerzen glänzte. Er nahm sie in die Hand und betrachtete sie staunend.

"Oh, Ihr blutet!"

Reideen stöhnte auf, als Mothas seine Lippen auf die winzigkleine Wunde legte und sie zärtlich küsste. Sein Mund wanderte quälendlangsam höher und erzeugte eine angenehmes Kribbeln auf Reis Haut.

"Ihr schmeckt genauso gut, wie Ihr riecht.", murmelte Mothas heiser.

Der Junge war bei Reis Ohr angelangt und knabberte vorsichtig daran. Ein erregender Schauer überlief Rei. Er drehte sich um und drückte Mothas aufs Bett. Ihre Lippen vereinigten sich in stürmischen Küssen, ihre Körper erbebten unter den drängenden, alles verzehrenden Berührungen. Reideens schwarze Augen bohrten sich in Mothas', in denen ein blaues Feuer loderte. Rei hielt Mothas' Blick gefangen und lächelte. Seine Finger strichen zärtlich durch das blonde Haar...Thomas' Haar...und zu seinem eigenen Entsetzten liefen ihm Tränen über die Wangen. Mothas lächelte mit derselben Güte und Freundlichkeit, die auch Tom zueigen gewesen war. Er zog Rei eng an sich heran und betete dessen Kopf an seine Schulter.

"Weint ruhig, Ree! Weint..."

Reideen schmiegte sich trostsuchend an ihn und weinte lautlos, während Mothas ihm beruhigend über den Rücken streichelte, bis seine Tränen versiegten und er einschlief.
 

16. Buch
 

Paris, 30. November 1995
 

Reideen hockte auf einer Parkbank und ließ seine Blicke über die Bande schweifen. Er lächelte zufrieden. Ausnahmslos gesunde, zähe Männer, die zwar ziemlich abgemagert waren, sich aber bestimmt ihrer Haut erwehren konnten. Ein Glückstreffer. Rei seufzte. Er war heilfroh, dass die Männer seine Autorität anerkannten, denn er hätte das gleiche Kunststück wie bei Jean kein zweites Mal hinbekommen. Er spürte, dass seine Kraft Ruhe brauchte.

Auf dem Boden neben der Bank hockte Jean und beobachtete Reideen mit vor Begeisterung funkelnden Augen. Wie er es doch hasste, wenn er seine Macht zu etwas derart menschenunwürdigen einsetzten musste. Rei schenkte Jean ein Lächeln und fragte:

"Ist es noch weit bis Bageril?"

"Vier, fünf Stunden, Gebieter."

Reideen gähnte und blinzelte zum Himmel, an dem sich noch immer das schwarze Loch drehte.

"Ihr seid müde, Gebieter. Ihr braucht Schlaf."

Mit einem Satz sprang Rei auf und grinste.

"Dann zeig mir doch einen Platz, wo wir für heute übernachten können! Aber denk dran, es muss groß genug für alle von uns sein!"

Jean nickte begeistert und lief los. Der Rest der Bande erhob sich ebenfalls und folgte ihm.
 

Vor einem großen, viktorianischen Haus blieb Jean stehen. Das Gebäude hatte ein Unter - und ein Obergeschoss und bestimmt auch einen Keller und einen Dachboden, also mehr als genug Platz für die ganze Bande. Außerdem war es in einem überraschend guten Zustand im Gegensatz zu den anderen Häusern der Stadt.

"Wie gefällt es Euch, Gebieter?"

Rei lächelte und nickte anerkennend.

"Nicht schlecht, Jean, wirklich nicht schlecht..."

"Ähm...Rei...", meldete sich Alexander zu Wort.

Reideen drehte sich zu ihm um und sah ihn fragend an.

"Ich...ich halte das für keine gute Idee. Da drinnen könnte sonst was passieren..."

Jean schlug sich gewichtig an die Brust.

"Ich werde meinen Gebieter beschützen!"

Alex lachte.

"Du ihn beschützen?! Umgedreht wird ein Schuh draus!"

Jean wurde dunkelrot vor Empörung.

"Halt dein Maul!", giftete er. "Ich kann sehr wohl auf meinen Gebieter aufpassen!"

"So? Und wo ist er jetzt?"

Entsetzt fuhr Jean herum, doch hinter ihm stand niemand mehr. Der gesamte restliche Trupp war schon im Inneren des Gebäudes verschwunden. Jean grinste.

"Siehst du? Mein Gebieter vertraut mir."

Mit hocherhobener Nase stolzierte Jean rein, wohingegen Alex kopfschüttelnd stehen blieb.

"Das gefällt mir nicht! Nein, das gefällt mir ganz und gar nicht...", grummelte er, doch dann folgte er Jean trotzdem.
 

Im Inneren des Hauses, Kurz darauf
 

Rei wollt sich gerade etwas ausruhen, als es leise klopfte. Verwundert blickte er zur Tür.

"Ja?"

Der mutige Junge aus Jeans Bande, der seinen Freund hatte vor Rei retten wollen, lugte herein.

"Ähm...Wir...wir haben Hunger."

"Und?"

Der Junge schaute verlegen zu Boden.

"Die Mirkowelle funktioniert nicht."

"Hat schon einer nach dem Sicherungskasten gesehen?"

"Ähm...Wir...haben davon keine Ahnung!"

Er zog den Kopf zwischen die Schultern und erwartete einen Wutausbruch, als sich Rei schwungvoll aus dem Sessel erhob.

"Und was willst du nun von mir?"

Der Gefragte trat unruhig von einen Fuß auf den anderen und wusste nicht wohin mit seinen Händen.

"Vielleicht könntet Ihr...Ihr Euch...also...na ja...Bitte?!"

Leise lachend kam Rei zur Tür.

"Das war genau das Wort, auf das ich gewartet habe. Also wollen wir uns das Ganze mal anschauen..."
 

Reideen tippte sich gegen das Kinn und starrte in den Sicherungskasten.

"Und?", fragte Philippe, der Junge, der anscheinend zum Sprecher der Bande avanciert war.

"Kein Problem. Vorausgesetzt die Stromleitung ist intakt...Und du mir einen Schraubenzieher, ein paar Listerklemmen und Drähte besorgst..."

Phil verzog verzweifelt das Gesicht.

"Wo soll ich die jetzt herbekommen?"

Rei klappte den Kasten zu und zuckte mit den Achseln.

"Mich brauchst du nicht zu fragen. Ich kenn mich hier nicht aus..."

Philippe sah wirklich elend aus und sein Magen knurrte laut und vernehmlich.

"Seit wann habt ihr nichts mehr gegessen?"

"Seit einer Woche."

"Warum hast du nicht eher was gesagt?"

"Ich...ich hatte Angst."

Rei lächelte.

"Vor mir?"

Philippe nickte.

"Vor mir brauchst du keine Angst haben. Ich bin harmlos."

Ein bezeichnender Blick von Philippe traf Jean, der mit verschränkten Armen hinter Rei stand und misstrauisch in die Schatten stierte.

"Ich habe mich nur gewehrt, Phil. Ich bin kein großer Kämpfer und verabscheue eigentlich Gewalt. Aber wenn es um mein Leben geht, bin ich unehrbitterlich."

"Wir...wir wollten auch nur unser Leben retten."

Rei runzelte die Stirn.

"Wie meinst du das?"

Philippe sah betreten weg. Reideen verdrehte die Augen und stapfte wieder die Kellertreppe hoch.

Der Rest der Bande sah ihm hoffnungsvoll entgegen. Reideen seufzte tief. Jetzt würde das alles also von vorne beginnen...

"Ihr zwei besorgt Holz, damit können wir den Kamin in Gang bekommen...Ihr da ein paar große Steine, die ihr sauber macht..."

Reis Hände fuhren durch die Luft und deuteten in verschiedene Richtungen.

"...Vielleicht stöbert einer auch einen Grill auf. Durchsucht die Wohnung und die nähere Umgebung, geht aber nicht weiter als einen Block...Besorgt Schreibzeug und macht eine Liste mit allem, was ihr findet...In zwei Stunden erwarte ich euch wieder hier...Philippe, du bist dafür verantwortlich, dass alles glatt läuft!"

"Ja, Sir!"

Der Junge salutierte wie beim Militär und Rei runzelte die Stirn.

"Lass den Quatsch! Ich bin kein...kein General..."

Phil kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Dann drehte er sich energisch um und scheuchte die Bande aus dem Saal.

Reideen lächelte und drehte sich zu Jean um.

"Komm! Mal sehen, ob wir uns nicht auch nützlich machen können..."
 

Wenig später köchelte in einem großen Kessel im Kamin Kaffee, auf dem Grill lagen Fleischstücke und auf den mit Feuer aufgeheizten Steinen brutselten Brotscheiben. Alexander konnte kaum glauben, wie sich die Atmosphäre innerhalb der Bande verändert hatte. Die Männer scherzten miteinander und sprachen über alles Mögliche, während sie sich die Bäuche füllten. Manchmal blickten sie ehrfürchtig zu Reideen auf, der an einem großen Tisch saß, die Listen sortierte und ab und zu ihre Blicke mit einem Lächeln erwiderte. Keine Angst, kein Hass war mehr zu spüren.

Alexander kam sich vor wie auf einem der Betriebspicknicke, welche die Polizei des öfteren veranstaltet hatte, nur das dieses eben in einem Gebäude stattfand. Er konnte regelrecht die Aura von Autorität bei Rei und die von Hoffnung bei den zwanzig Männern fühlen. Er lächelte leicht, als ihm auffiel, was er da über diesen 17jährigen Jungen dachte, und zuckte gleich darauf die Schultern, als ihm einfiel, wie sehr er sich immer geärgert hatte, wenn ihn die älteren Kollegen wegen seines geringen Alters nicht für voll genommen hatten, und jetzt war er kurz davor genauso voreilige Schlüsse bei Rei zu ziehen. Es war nicht zu leugnen, dass der Junge Führungsqualitäten besaß. Was spielte es da für eine Rolle, wie alt er war? Zufrieden mit dem Ergebnis seiner Gedanken, widmete Alexander sich wieder seiner Mahlzeit.
 

"Phil?"

Der Junge sprang sofort auf und lief zu Rei.

"Ja?"

"Beantwortest du jetzt meine Frage?"

Stille erfüllte plötzlich den großen Saal und alles starrte wie gebannt auf den rothaarigen Jungen, der kaum älter als 14 war. Philippe atmete tief durch und nickte.

"Bageril...Er...er hat die Außenbezirke besetzt. Keiner kommt rein und keiner raus. Er hat eine Armee und fängt jeden von der Straße weg um ihn zu rekrutieren."

Philippe lachte hart.

"Das ist gleichbedeutend mit Sklavenarbeit. Bageril schickt die Männer auf Raubzüge oder in die Bergwerke oder was weiß ich noch alles..."

"Bergwerke? Seit wann hat Paris Bergwerke?", warf Alexander ein.

Ein Achselzucken antwortete ihm.

"Seit dem Erdebeben passiert irgendwas Seltsames. Häuser verschwinden. Äcker tauchen auf. Felswände schießen aus dem Boden. Straßen verwandeln sich..."

"Verstehe.", meinte Rei. "Und ihr seid vor Bageril geflohen?"

"Ja...Wir wollten Hilfe holen, haben aber keine gefunden. Und dann..."

"Habt ihr vergessen, dass ihr es wolltet."

Der Junge hob überrascht den Kopf.

"Woher wisst Ihr das?"

Reideen lächelte wehmütig.

"Weil es allen so geht, die nicht darauf vorbereitet sind. Die Dunkle Wolke lässt sie vergessen...Oder denkst du etwa noch an Cassandra, Alex?"

Der junge Polizist fuhr entsetzt auf. Er hatte seine Partnerin wirklich vergessen.

"Wie...wie ist das möglich?", japste er.

"Ich hab dir doch die Wolken gezeigt...Armageddon...Für eure christlichen Begriffe ist das das Ende der Welt...Aber habt ihr euch schon mal überlegt, was danach kommt? Das Paradies für die Guten und die Hölle für die Bösen?..."

"Weißt du es? Weißt du, was danach kommt?"

Rei nickte.

"Natürlich weiß ich es. Ich komme ja von dort."

Alexander erstarrte.

"Was...?"

"Das hört sich jetzt sicher verrückt an, aber das bist du ja von mir schon gewohnt..."

Reideen atmete tief durch.

"Ich habe mein Gedächtnis schon seit geraumer Zeit zurückerlangt. Und ich weiß, dass ich nicht Reideen de Mon bin. Ich bin nur in seinem Körper, auch wenn der im Grunde voll und ganz dem meinigen entspricht, ist es nicht meiner. Ich gehöre nicht in diese Welt."

Alexander umklammerte die Tischkante und starrte Reideen an.

"Du willst behaupten, du kommst aus einer anderen Welt?!"

"Sozusagen...Ich komme aus einer Welt, die Armageddon schon erlebt hat. Und glaub mir, diese Welt ist tot."

"Was können wir dagegen tun?!", fragte Phil verzweifelt.

Reideen lachte.

"Dagegen tun? Gar nichts. Oder willst du vielleicht gegen die himmlischen Heerscharen antreten? Das ist sinnlos..."

"Warum? Es hat doch noch keiner versucht, oder?!"

Ein mildes Lächeln umspielte Reis Mund und er wirkte um vieles älter, als er aussah.

"Viele haben es versucht und alle haben versagt...Du hast meine Macht gesehen, Phil. Sie ist nichts gegen deren Macht. Außerdem sind es mehrere, die diese oder ähnliche Kräfte besitzen..."

Philippe stürzte sich auf Rei und schüttelte ihn kräftig, woraufhin sich Jean schon auf ihn werfen wollte, doch Reideen hielt ihn mit einer abwehrenden Geste auf.

"Willst du etwas aufgeben, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat?", schrie der Junge.

"Kampf?! Ihr Menschen denkt nur an Kampf. In euren Filmen folgt ein Toter dem anderen, damit erzieht ihr schon eure Kinder zu Gewalt. Ihr bekriegt euch gegenseitig mit den schrecklichsten Waffen. Ihr zerstört alles, was euch zwischen die Finger kommt. Und selbst jetzt willst du kämpfen! Willst, dass ich für euch kämpfe?!"

"Kämpfen ist der einzige Weg zusiegen!"

"So? Glaubst du?"

Rei schüttelte den Kopf, stieß Philippe von sich und erhob sich langsam.

"Ich gebe dir einen guten Rat, Philippe, Gewalt kann niemals den Tod bezwingen."

Damit wandte Reideen sich ab und ging mit Jean und Angela im Schlepptau die Treppe hinauf.
 

Philippes Hand donnerte auf die Tischplatte.

"Und ich dachte, wir haben endlich einen richtigen Anführer!"

"Den habt ihr doch.", meinte Alexander leise.

Der Junge wirbelte zu ihm herum und fixierte ihn mit seinen grünen Augen.

"Wie meinst du das?! Reideen soll unser Anführer sein!"

Alex sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

"Bis vor kurzem hättet ihr ihn noch am liebsten umgebracht und jetzt..."

"Das war etwas ganz anders!"

Alexander seufzte.

"Du hast Reideen nicht verstanden, oder?...Rei hat das alles schon einmal durchgemacht und allem Anschein nach verloren..."

"Ja, aber vielleicht schaffen wir es deshalb dieses Mal! Eben weil er weiß, was geschehen wird...Wir können doch nicht einfach aufgeben!"

Ein Lächeln huschte über Alexanders Gesicht.

"Wer hat den von Aufgeben geredet? Rei hat lediglich gesagt, er werde nicht kämpfen..."

"Und was will er sonst tun?!"

Alexander zuckte mit den Schultern.

"Das musst du ihn schon selber fragen...Aber ich rate dir auch etwas...Mach Reideen nicht wütend, dass möchtest du bestimmt nicht erleben. Denk erst mal drüber nach, was er gesagt hat, und dann rede mit ihm...Ihr habt nämlich mehr miteinander gemeinsam, als du denkst..."

Damit stand Alex auf und ging.

___________________________________________________________________________________________________________
 

D: Man glaubt es kaum, aber sie hat mal wieder einen Teil fertig.

M: HEY! Versuch du mal Studium und Schreiben und Arbeit unter einen Hut zu bekommen. Und etwas Freizeit wäre ja auch noch was schönes...

D: Ach!!!! Hier: Ne Runde Mitleid.

M: Irgendwie komm ich mir verarscht vor.

A: Ich glaube, dass wirst du auch.

Alle: Bey!



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Suzaku
2004-07-26T09:14:55+00:00 26.07.2004 11:14
Geil, geil, geil!!! Ich will mehr.
Jetzt bin ich endlich ein wenig durchgestiegen (Namen und so) und kann nicht weiter lesen. *schnief*
Bitte schreib schnell weiter.^^


Zurück