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Romeo

Balkonien und Schulhofromanzen
von

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Kuss mit Folgen

Hätte ich gewusst, was dieser kurze Moment, dieser innige Kuss auslösen würde, hätte ich Leander an diesem Tag niemals geküsst.

Leander und ich sehen wie zwei aufgescheuchte Hühner zu Vincent, der in der Tür steht und uns fassungslos ansieht.

„Seid ihr schwul?“, ist seine erste Frage. Der Blick bleibt unverändert.

Mein Magen krampft sich zusammen. Jetzt wird es die ganze Schule erfahren, Vincent wird sich über mich und Leander das Maul zerreißen und ich werde auswandern müssen. Irgendwohin, wo ich vor mich hin vegetieren kann.

Ich spüre, wie meine Handinnenflächen auf einmal ganz verschwitzt sind. Mir wird heiß im Gesicht und die Scham ist mir bestimmt deutlich ins Gesicht geschrieben.

Ich sehe Vincent direkt ins Gesicht, bringe es nicht fertig den Kopf abzuwenden und schweige beharrlich.

„Ja, sind wir. Wir sind zusammen!“

Entsetzt sehe ich zu Leander, der ganz ruhig wirkt und den es nicht zu stören scheint, dass er ab jetzt mit den Konsequenzen leben muss. Wie kann er in so einem Moment nur so cool bleiben?

Wieder sehe ich zu Vincent, der hart schluckt und mich und Leander misstrauisch mustert.

Das war es mit der schönen Zeit, ab jetzt wird mein Leben die Hölle sein!

„Ist das nicht komisch einen Kerl zu küssen? Ich meine, das ist doch eklig...“, meint Vincent verhalten und verzieht sein Gesicht.

Wieso fragt er nach solchen Dingen? Wieso wirft er uns nicht einfach aus seinem Zimmer?

„Mädchen oder Junge, wen kümmert das schon?“, erwidert Leander lapidar.

Ganz toll! Muss er auch noch darauf eingehen?! Wieso tut Leander so was? Irgendetwas läuft hier gewaltig falsch!

„Wie lange seid ihr schon zusammen?“

„Hat sich während des Schulprojektes so ergeben.“ Leander sieht Vincent unbekümmert an, während ich von einem zum anderen sehe und innerlich vor Scham zerfließe. Ich will hier einfach nur weg, aber ich habe Angst Vincents geliebte Hefte zu ruinieren und damit erst Recht, das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Die Ruhe vor dem Sturm. Nennt man das nicht so?

Vincent knabbert auf seiner Unterlippe. Sein Blick fällt auf mich und verweilt eine ganze Zeit auf meinem Gesicht. Wonach sucht er? Wartet er darauf, dass wir ihm sagen, es sei alles nur ein schlechter Scherz? Will er eine Einladung für einen flotten Dreier? Was will Vincent?

Noch immer steht er im Türrahmen, als würde er es nicht wagen sein eigenes Zimmer zu betreten. Haben wir heiligen Grund verunreinigt?

Ich schlucke und spüre einen Kloß in meinem Hals. Wann ist dieser schrecklich beklemmende Moment endlich vorbei? Wieso zum Teufel musste Leander mich küssen? Wieso hier? Wieso in Vincents Zimmer?

„Wieso heulst du?“, fragt Vincent mich unvermittelt.

Erstaunt sehe ich ihn an. Ich heule doch gar nicht! Langsam hebe ich meine Hand und berühre meine Wange. Sie ist nass. Ich sehe auf meine Finger, an denen die salzige Tränenflüssigkeit klebt. Wieso weine ich? Weil ich Angst habe?

Leander legt mir beruhigend die Hand auf die Schulter. Ganz ruhig nimmt er mir die Hefte vom Körper und legt sie aufs Bett, während ich mich langsam aufrichte und mir mit dem Handrücken über das Gesicht wische. Die Spuren meiner wahren Gefühle somit beseitige, als wären sie nie da gewesen. Ich lasse den Kopf hängen, blicke stur auf den Fußboden. Meine Füße vergraben sich in dem braunen Langflorteppich. Meine Hände liegen verkrampft und zu Fäusten geballt in meinem Schoß.

Betreten wagt keiner von uns auch nur noch ein Wort zu sagen.

Die Sekunden, ja Minuten verstreichen in denen keiner spricht.

„Wir sollten gehen...“, meint Leander nach einer Weile und erhebt sich vom Bett. Noch immer starre ich auf den Teppich zu meinen Füßen. Mir ist schlecht und ich fühle mich nicht gut. Morgen sollte ich vielleicht nicht zur Schule gehen, denn dann wissen es sicher alle. Der Schmach will ich mich nicht aussetzen.

Leander streicht mir mit den Fingern leicht durch die Haare, also stehe ich ebenfalls auf und folge ihm aus dem Zimmer.

„Wir sehen uns.“ Leander klopft Vincent auf die Schulter, doch als dieser sich leicht verkrampft, fühle ich mich noch schlechter und wage es nicht mal ihm ins Gesicht zu sehen, als ich an ihm vorbei haste.

Wir verlassen die Wohnung und auf dem Heimweg hängt jeder von uns seinen eigenen Gedanken nach.

Vor meinem Haus bleiben wir stehen, während ich in der Hosentasche nach den Haustürschlüsseln krame. Ich schließe die Tür auf, doch Leander hält mich zurück.

Gerade als er sich vorbeugt und mich zum Abschied küssen will, weiche ich zurück, löse mich von ihm und verschwinde so schnell ich kann im Haus.

„Romeo!“

Ich bleibe mit angehaltenem Atem hinter der Tür stehen, lausche Leanders' verzweifelter Stimme und dem stetigen Hämmern seiner Fäuste an der Tür. Ich sacke zusammen, lasse mich an der Tür zu Boden gleiten und verstecke mein Gesicht zwischen den Armen.
 

Der nächste Morgen ist die reinste Qual für mich. Mit Magenschmerzen und Übelkeit bleibe ich im Bett liegen und starre apathisch meine weiße Zimmerdecke an. Meine Glieder fühlen sich bleischwer an und meine Klamotten sind schweißgetränkt. Ich fühle mich krank, aber es ist nur die Panik, die an meinem Körper nagt.

„Romeo! Steh endlich auf, sonst kommst du zu spät!“, ruft mein Vater ins Zimmer hinein und schaltet erbarmungslos den Lichtschalter ein, so dass mein Zimmer in hellem Licht erstrahlt, welches meine müden Augen sofort blendet. Ich verstecke meinen Kopf unter der Bettdecke und genieße die wohltuende Dunkelheit. Leider nur für kurze Zeit, denn kurz darauf reißt mein Vater mir die Decke vom Kopf, zieht sie bis an das Bettende und sieht mich mit einem strengen väterlichem Blick an.

„Ich sterbe...“, jammere ich und angele mit den Füßen nach der Bettdecke.

„Nein, tust du nicht! Los, hoch mit dir und ab ins Badezimmer!“

Wer jetzt denkt mein Vater würde den Raum verlassen, damit ich mich flugs unter meiner warmen Bettdecke verstecken kann, täuscht sich. Ich ebenso.

Mein Vater bleibt an Ort und Stelle stehen und wartet auch noch mit vor der Brust verschränkten Armen, dass ich mich erhebe.

Genervt setze ich mich im Bett auf und verspüre so gar keine Lust mich in die Höhle des Löwen zu wagen. Ich will lieber in meinem Schneckenhaus bleiben. Da wo es sicher ist.

Mein Vater gibt mir einen Klaps auf den Rücken, als ich mich endlich vom Bett losgelöst habe und torkelnd marschiere ich mit wackeligen Beinen zum Badezimmer.

Mein Vater macht einem Soldaten alle Ehre und begleitet mich sogar dorthin, bleibt an meiner Seite, damit ich ja nicht umkehre und beobachtet mich mit Argusaugen, bis ich die Tür hinter mir schließe.

Tief durchatmend stehe ich nun im Badezimmer und sehe in den Spiegel. Ich sehe gelinde gesagt einfach nur fertig aus. Der Schlafmangel ist mir anzusehen. Tiefe Augenringe zieren mein blasses Gesicht. Meine Haare sind verklebt und hängen wirr in alle Himmelsrichtungen ab.

Ich erleichtere mich, stelle mich anschließend lustlos unter die Dusche und halte meinen verbundenen Arm hinaus, als wäre ich eine Vogelscheuche. Das warme Wasser prasselt auf meinen müden Körper hinab. Ich schließe die Augen und vergesse beinahe mich einzuseifen und mir die Haare zu waschen. Ich bin nicht mal in der Stimmung mich zu befriedigen.

Ich schlinge meine Arme um meinen Körper und sinke in die Hocke. Vor meinem inneren Auge, sehe ich Marius, wie er mich abfällig ansieht, wie alle um mich herum stehen und mich ansehen, als wäre ich ein Aussätziger.

Ich schniefe und wünsche mir, dass dieser Tag einfach schon vorbei ist, aber das ist er nicht. Er hat gerade erst begonnen und es ist auch kein Traum.

Es klopft an der Tür und erschrocken zucke ich zusammen. Ich öffne die Augen und schalte den Wasserhahn ab. Wie lange stehe ich schon unter der Dusche? Ich habe vollkommen die Zeit vergessen.

Nervös knabbere ich auf meiner Unterlippe, steige aus der Dusche und greife nach einem Handtuch mit dem ich mich beklommen abtrockne. Ich binde es mir um die Hüfte und gehe zur Tür. Als ich sie öffne ist mein Vater nicht zu sehen.

Ich tapse zurück in mein Zimmer, ziehe mir frische Kleidung an und laufe in die Küche, wo mein Vater mit Zeitung und Kaffee bereits den Tag beginnt.

Ich setze mich zu ihm an den Tisch, aber mehr als ein paar Schluck Traubensaft bekomme ich nicht herunter. Mir ist einfach nur elend zumute.

„Du musst los...“, murmelt mein Vater mit einem kurzen Seitenblick auf die Uhr.

Würde er mich heute in die Schule schicken, wenn er wüsste, was mir bevorsteht? Werde ich diesen Tag überhaupt überleben?

Ich stehe mit steifen Beinen auf und gehe zurück in mein Zimmer, um meinen Rucksack zu holen, dann kehre ich zurück in den Flur, gehe die Treppe hinunter in den Laden und verlasse das Haus.

Draußen schlägt mir die frische lauwarme Morgenluft entgegen. Ein paar Passanten sind bereits unterwegs, würdigen mich jedoch keines Blickes.

Wie in Trance laufe ich zur Schule, aber je näher ich ihr komme umso langsamer werde ich, bis schließlich jemand in mich hinein läuft, weil ich einfach mitten im Weg stehen bleibe.

„Hey! Pass doch auf!“

Ich drehe mich um und sehe in Marius mürrisches Gesicht.

Ich sehe zu ihm auf, in seine blauen Augen und wünschte, er würde mich nur für einen kurzen Augenblick einfach in die Arme schließen und mir den nötigen Halt geben, den ich jetzt so dringend brauche.

Wortlos starre ich ihn an, aber meine Sehnsüchte werden nicht erhört. Marius marschiert einfach schnurstracks an mir vorbei. Ich drehe mich um und sehe ihm nach.

Gleich, wenn er das Schultor passiert, wird es es wissen, so wie jeder andere an der Schule ebenfalls. Dann werden sie mich höhnisch ansehen, mich diskriminieren, weil ich nicht so bin wie sie.

Auf einmal laufe ich los. Meine Beine fühlen sich immer noch bleischwer an, aber komischerweise bewege ich mich vorwärts, als wäre ich leicht wie eine Feder. Ich greife nach Marius Arm und halte ihn störrisch zurück. Ich will nicht, dass er dorthin geht! Er soll nicht so über mich denken! Nicht Marius!

Ich starre auf meine Hände und kann es immer noch nicht fassen, dass ich ihn einfach so anfasse.

„Was soll der Mist? Lass mich los!“, keift Marius mich genervt an und zerrt mühsam an seinem Arm, den ich einfach nicht los lassen will. Wie eine Klette hänge ich mich an ihn und versuche Marius aufzuhalten, so dass ich gar nicht merke, wie mir erneut Tränen über die Wangen laufen.

„Was ist los? Lass mich endlich los!“

Ich will etwas sagen, aber lediglich ein Schluchzen verlässt meine Kehle. Erschrocken über mich selbst, verharre ich und wage es nicht, Marius in die Augen zu sehen.

Marius steht auf einmal still vor mir. Er bewegt sich nicht, während ich versuche hier nicht wie ein Kleinkind herumzuheulen.

Tränen rinnen mir über die Wangen und zu meinem Ärger läuft mir Schnodder aus der Nase.

„Hör auf zu heulen! Die gucken schon alle!“, brummt Marius mürrisch und versucht noch einmal sich von mir zu befreien. Diesmal lasse ich ihn los. Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern stehe ich wie ein Häufchen Elend vor meinem Schwarm.

Es knistert und als ich den Kopf schniefend ein wenig anhebe, hält Marius mir eine Packung Taschentücher vor die Nase.

„Hier nimm!“, fordert er mich ruppig auf. „Behalte sie!“

Zögernd nehme ich die Packung an mich und sehe Marius nach, als er sich eilig aus dem Staub macht.

Scheiße, ich liebe ihn!

Und das nicht nur, weil er mir Taschentücher geschenkt hat!

Ich wische mir die Tränen weg und schnäuze mir geräuschvoll die Nase. Meine Hände zittern ein wenig.

Es kann mir im Grunde scheißegal sein, was die anderen von mir halten, mit denen, außer mit meinen Klassenkameraden, habe ich sowieso nichts zu tun. Die können mir auch gestohlen bleiben. Mir ist nur wichtig, dass Marius nicht schlecht von mir denkt. Das ist das einzige, was jetzt im Moment für mich zählt.

Ich straffe die Schultern und versuche nicht wie ein Waschlappen drein zu schauen. Muss ja nicht jeder wissen, dass ich bis eben noch wie ein Schlosshund geheult habe!

Ich setze mutig einen Schritt vor den anderen und als ich am Schultor ankomme, sehe wie Leander bereits auf mich wartet, wird mir leichter ums Herz.

Ich bin nicht allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Blacko-o
2013-10-05T16:11:31+00:00 05.10.2013 18:11
*am Lappy kratz* Wieso musst du es nur so spannend machen!? :D Irgendwann werden meine Nerven einfach so dahinschmelzen.. qwq
Antwort von:  Shunya
05.10.2013 18:15
Blacko-o
Haha~ XD Wenn es nicht spannend ist liest ja keiner weiter.
Halte durch! *kekse hinstell*
Antwort von:  Blacko-o
05.10.2013 19:37
Ich muss durchhalten! :D *kekse mampf und auf den Bildschirm starr*
Von:  Midnight
2013-10-05T13:23:57+00:00 05.10.2013 15:23
:3
Dieses Kapitel macht es mal wieder sehr spannend!
Beim letzten blieb es ja bis zum Schluss offen und auch jetzt ist noch nicht ganz klar, wie es weitergeht.
Was man aber erkennen konnte ist, das der liebe Vincent scheinbar nicht so ganz damit klarkommt. Vielleicht ist es aber auch nur Unsicherheit?
Wer weiß, wer weiß :3
Da war der liebe Leander aber auch ganz schön mutig mit der Wahrheit raus zu rücken! Find ich gut! Ob er auch weiter zu Romeo hält?

Marius ist ja auch wieder überraschend hilfsbereit O__o
Ja das ist wirklich niedlich! Hätte nur noch gefehlt,dass er Romeo tatsächlich umarmt und dann zurückschreckt oder so :D

Aber was nicht ist kann ja noch werden, die Geschichte hat ja noch ein paar Kapitel.

Also bis zum nächsten Kapitel

LG Middy<3
Antwort von:  Shunya
05.10.2013 16:02
Midnight
Danke für deinen Kommi. OuO
Ganz so einfach wollte ich es Romeo und Leander dann doch nicht machen. ;D
Ja, find ich auch gut, dass Leander Vincent reinen Wein eingeschenkt hat. Bringt ja auch nichts, wenn sie es für immer verheimlichen. Irgendwann wäre es so oder so rausgekommen. =u=
Haha~ oh ja, so eine Umarmung von Marius, das wäre was tolles, aber ich denke auf so etwas muss Romeo noch lange warten. XD lol
Antwort von:  Midnight
05.10.2013 16:14
Du kannst so fieß sein XD
Aber das macht es ja so spannend! °3°
Ich will weiterlesen! °^°
Antwort von:  Shunya
05.10.2013 16:24
Midnight
Oh ja, ich bin fies. 8D Muahahaha~
Das neue Kapitel ist schon in Arbeit. :D


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